Wer schläft denn da noch nicht? - Ursel Scheffler - E-Book

Wer schläft denn da noch nicht? E-Book

Ursel Scheffler

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Beschreibung

Jedes Kind weiß: Am Abend schultert der Sandmann seinen Sandsack, besteigt sein Wolkenschiff und reist zu den Kindern der Welt, um ihnen süße Träume zu bringen. Doch manchmal reicht Schlafsand alleine nicht. Dafür kennt der Sandmann viele Geschichten, die den Kindern beim Einschlafen helfen. Eine Nacht begleiten wir den Sandmann bei seinem Flug um die Welt, der die Rahmenhandlung für 23 Gute-Nacht-Geschichten bildet. Die bekannte Erfolgsautorin Ursel Scheffler hat einige ihrer schönsten Geschichten für dieses Buch zusammengestellt. Über 100 phantasievolle und farbenfrohe Illustrationen von Anna Karina Birkenstock erwecken die Geschichten zum Leben.

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Seitenzahl: 153

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Wer schläft denn da noch nicht?

Die reiselustige Raupe

Der beleidigte „Omibus“

Die ziemlich vergessliche Ente

Tigertom und der schwarze Kater

Die total tollen Rennschuhe

Die Superväter

Marvins Mäuseabenteuer

Jessica und ihre Freundin Amanda

Der Traumfänger

Der Taxi-Opa reist nach China

Das verschnupfte Schlossgespenst

Spuk bei Gräfin Wigglemore

Elefanten-Geburtstag

Krähverbot für Kasimir

Der Regenmacher von Salamanca

Der Pizza-König

Xenia, die Wetterhexe

Die Hexe Alexa und die Lachzwiebel

Das Zauberhaus

Ätze und der böse Zauberer

Das Wumms und die Katzen vom Titisee

Heut schlaf ich anderswo

Das Geheimnis der goldenen Mandarinen

Über die Autorin und die Illustratorin

Impressum

Wer schläft dennda noch nicht?

23 Gute-Nacht-Geschichten vom Sandmann

 

Erzählt von Ursel SchefflerMit Bildern von Anna Karina Birkenstock

 

Wer schläft denn da noch nicht?

„Wer schläft denn da noch nicht?“, fragt der Mondmann die Mondfrau. Er hockt dick und kugelrund in seinem Wolkensessel und späht mit seinem Mondstrahlfernrohr auf die Erde hinunter.

„Ich seh ein Kind, das nicht einschlafen kann.“

„Keine Ahnung, was da los ist“, sagt die Mondfrau und schüttelt die Betten der Sternenkinder auf. „Das musst du schon die Sandmanns fragen.“

„Hab keine Lust, deswegen aufzustehen“, brummt der Mondmann.

„Solltest du aber!“, sagt die Mondfrau. „Raus aus dem Wolken­sessel, damit dich die Menschen auf der Erde sehen können!“

Es ist Vollmondzeit, und da ist der Mondmann faul und träge. Zu faul, um zu den Nachbarn zu gehen. Da trifft es sich gut, dass Frau Sandmann gerade vorbeikommt. Sie wohnt nur ein paar Wolkenhäuser weiter in der Milchstraße siebzehn. Man hört sie schon von Weitem, denn sie singt immer vor sich hin. Meist Schlafliedchen. Richtig müde wird man davon. „Schlaft, Sternchen, schlaft“, singt sie, als sie bei den Sternenkindern vorbeikommt.

„Du hast gut singen!“, ruft der Mondmann durchs Fenster. „Schau bitte durch mein Fernglas! Siehst du das Kind dort unten? Es kann nicht schlafen. Kannst du ihm helfen?“

Frau Sandmann lacht. „Da ist mein Mann zuständig. Der wird sich gleich um das Kind kümmern. Er füllt gerade am Morpheus-Krater seinen Sandsack mit Schlafsand auf.“

„Kein Problem“, sagt der Sandmann, als er mit dem vollen Schlaf­sandsack vom Mondkrater zurückkommt. „Das ist der kleine Chang. Ich werd schon dafür sorgen, dass er einschlafen kann. Das ist schließlich mein Beruf. Ich geh gleich auf Weltreise! Denn es warten noch mehr Kinder auf mich.“

„Erst musst du noch eine Kleinigkeit essen. Du arbeitest in letzter Zeit zu viel, lieber Mann“, seufzt Frau Sandmann. „Was soll ich machen, wenn so viele Leute schlaflose Nächte haben? Da muss ich doch helfen!“, brummt der gutmütige Sandmann.

„Frau Venus hat gemeint, der Mond sei schuld daran. Wenn er so dick und fett am Himmel hängt, können manche Leute nicht schlafen.“

„Ach, lass die Leute reden“, grummelt der Sandmann und löffelt seine Abendsuppe. „Meist sind es Sorgen oder trübe Gedanken, die die Menschen plagen und sie nicht schlafen lassen. Oder Heimweh und Liebeskummer.“ Er lacht. „Und da hilft es am besten, wenn man ihnen ein bisschen Sand in die Augen streut. Qualitätssand vom Morpheus-Krater!“

„Bei Kindern ist es oft die Neugier, die sie nicht schlafen lässt. Sie sind einfach noch nicht müde und sie wollen noch soooo viel wissen ...“, bemerkt Frau Sandmann.

„Du hast recht. Manchmal reicht Schlafsand nicht aus. Da brauche ich Gute-Nacht-Geschichten. Die Kunst besteht darin, für jeden genau die richtige Geschichte zu finden. Die Geschichte, die seine Gedanken sanft in die Träume lenkt.“

„Ich weiß, du bist ein richtiger Einschlafzauberer und du kennst über tausend Geschichten. Es sind zum Teil ja auch ziemlich wilde und verrückte Geschichten von Piraten, Hexen, Gespenstern, Zauberern oder frechen Monstern.“ Sie steht vor dem Regal mit den vielen bunten Büchern, auf denen auch Drachen und Seeräuber abgebildet sind.

„Ja, die mögen Kinder besonders gern“, sagt der Sandmann und schmunzelt. „Das hast du doch bei unseren eigenen Kindern gesehen. Die träumen sich so in eine spannende Geschichte hinein, dass sie ganz vergessen, dass sie eigentlich gar nicht einschlafen wollten.“ Er lacht verschmitzt, schultert seinen Schlafsandsack, rückt die blaue Mütze zurecht, steigt in sein Wolkenschiff, winkt und segelt davon.

Der Sandmann nähert sich der Erde und schwebt dann mit seinem Wolkenschiff über das nächtliche Land. Er späht immer wieder durch sein galaktisches Fernrohr.

Der kleine Chang erwartet ihn schon. Er kommt aus China und lebt jetzt mit seinen Eltern seit einigen Wochen in Deutschland. Es ist ihm alles fremd, er versteht die Sprache nicht und kennt sich noch nicht so gut aus. Der Sandmann hat ihm schon öfter mit einer Gute-Nacht-Geschichte in den Schlaf geholfen, wenn er vor Heimweh nicht schlafen konnte.

„Hallo, Chang!“, sagt der Sandmann und befestigt sein Wokenschiff an der Regenrinne. „Was ist denn heute mit dir los?“

„Ich wollte mit den anderen Kindern spielen. Aber sie waren nicht so nett zu mir. Sie haben mich ausgelacht, weil ich nicht auf die große Schaukel wollte, weil ich nicht so gut Fußball spielen konnte wie sie, weil ich die richtigen Worte nicht wusste und weil ich Angst hatte, über die Steine durch den flachen Bach zu laufen. Und dann bin ich auf den glitschigen Steinen ausgerutscht und hingefallen. Da haben sie erst recht gelacht.“

„Das ist nicht nett von den anderen. Wahrscheinlich sind sie noch zu klein, um zu begreifen, dass alles neu für dich ist. Und wie schwer es ist, sich in einem fremden Land einzugewöhnen“, tröstet ihn der Sandmann. „Ärgere dich nicht länger! Ich werde dir nach dem aufregenden Tag heute eine ruhige Geschichte erzählen, damit du gut einschlafen kannst. In der Geschichte hat auch jemand eine weite Reise gemacht, wurde ausgelacht und fiel sogar ins Wasser ...“ Der Sandmann schmunzelt und dann erzählt er dem kleinen Chang die Geschichte von der reiselustigen Raupe.

Die reiselustige Raupe

Es war einmal eine chinesische Raupe, die wollte viel mehr von der Welt sehen als immer nur den Walnussbaum, in dem sie von Geburt an gewohnt hatte. Sie beschloss, auf Abenteuerreise zu gehen.

„Seht nur“, kicherten die Käfer und Spinnen, die im Walnussbaum wohnten.

„Sie bastelt sich ein Schiff!“

Die kleine Raupe ließ sich durch den Spott der anderen Baumbewohner nicht entmutigen. Sie schleppte eine halbe Nussschale bis an das nahe Bachufer. Dann machte sie aus einem Blatt ein Segel und schnitzte aus einem Weiden-Ast zwei Ruder. Sie füllte ein Spinnennetz mit Proviant. Dann kletterte sie ins Boot.

Sie stieß sich vom Ufer ab, paddelte ein bisschen und ließ sich dann von der Strömung treiben! Endlich auf großer Fahrt! Was für ein herrliches Gefühl, dachte die Raupe, als der Walnussbaum am Ufer immer kleiner und kleiner wurde und schließlich in der Ferne verschwand. Sie genoss die Sonne, erfrischte sich mit Wasser und naschte ab und zu von ihren Vorräten. Was für ein Leben!

Allmählich wurde der Bach breiter und mündete in einen Fluss. Die Strömung wurde stärker. Bald trieb die kleine Nussschale mit vollem Segel in schwindelerregendem Tempo auf dem Wasser dahin. Der Fluss wurde breiter und schneller. Die Nussschale schaukelte hin und her, drehte sich und drohte zu sinken. Die kleine Raupe wurde seekrank und hatte schreckliche Angst.

Wo bin ich bloß?, überlegte die Raupe, als es ihr wieder besser ging. Wasser, Wasser, wohin sie auch sah! Und jetzt kam auch noch Wasser von oben. Es begann in Strömen zu gießen.

Am liebsten wäre die Raupe zurückgerudert zu ihrem Walnussbaum. Aber ihre Kräfte waren zu schwach und die Strömung zu stark. Sie versuchte, ans Ufer zu kommen. Aber auch das gelang ihr nicht.

Als der Regen aufgehört hatte, ordnete sie das zerzauste Segel. Der Wind fuhr hinein, zog und zerrte daran. Nur mit Mühe gelang es der kleinen Raupe, das Segel so zu setzen, dass sich der Wind darin fing und das Boot vorantrieb.

Endlich war Land in Sicht! Sie steuerte das Ufer an. Doch kurz vor dem Uferrand brachte ein starker Windstoß das Boot zum Kentern. Die Raupe fiel ins Wasser und rettete sich mit letzter Kraft auf einen rauen Stein, der wie eine Insel im Wasser lag. Ihr Walnussschiffchen trieb davon. Wie komme ich jetzt ans Ufer?, überlegte die kleine Raupe. Sie war ziemlich verzweifelt, denn sie konnte nicht schwimmen.

Das ist das Ende!, dachte die Raupe.

Aber dann geschah ein Wunder! Plötzlich begann der Stein zu schwimmen und bewegte sich auf das Ufer zu. Wie war das möglich?

Höher und höher ragte der Stein aus dem Wasser. Er konnte nicht nur schwimmen, sondern auch laufen! Der Stein legte sich in den Ufersand.

Von einem laufenden Schwimmstein hatte die kleine Raupe noch nie etwas gehört!

Nachdem die Sonne das nasse Raupenkleid getrocknet hatte, kletterte die Raupe von dem seltsamen Stein herunter.

In der Ferne entdeckte sie einen Walnussbaum, der fast so aussah wie der, in dem sie geboren war. Sie kroch zu ihm hin. In seiner Rinde fühlte sie sich sicher.

Als sie ein Stück am Stamm hochgeklettert war und zum Flussufer hinunterblickte, lag der komische Stein immer noch da. Aus der Ferne sah er ganz klein aus. Plötzlich bewegte er sich wieder und lief zum Wasser! Jetzt sah die Raupe, dass er vier Beine, Schwanz und Kopf hatte. Oh, das war bestimmt eine Schildkröte! Jetzt tauchte sie ins Wasser und verschwand.

Wie gut, dass sie nicht untergetaucht ist, als ich auf ihrem Rücken saß, dachte die kleine Raupe erschrocken. Fürs Erste war ihr die Abenteuerlust ziemlich vergangen. Und müde war sie. Soooo müüüde!

Mit letzter Kraft kletterte sie auf einen bequemen Ast des Walnussbaums und spann sich dort einen Schlafsack aus feinster Raupenseide.

Als am nächsten Morgen die Sonne auf die zarten Fäden ihrer Hülle schien und sie wärmte, träumte sie schon wieder vom Reisen.

Das nächste Mal werde ich keine Schiffsreise machen, sondern fliegen!, überlegte die kleine Raupe. Und auf wunderbare Weise war ihr, als ob ihr schon Flügel wüchsen.

„In unserem Dorf in China gab es auch große Schildkröten am Fluss. Und mein Großvater hat früher Seidenraupen gezüchtet“, berichtet Chang. „Aber jetzt lebt er nicht mehr.“

„Du kannst von ihm träumen. Dann ist er wieder bei dir“, sagt das Sandmännchen und streut seinen Traumsand über Chang aus.

Chang lächelt und schläft gleich darauf ein.

Zufrieden blickt der Sandmann auf den schlafenden Jungen, der den Panda-Bären im Arm hält, den er aus China mitgebracht hat. Er streut dem Bären auch etwas Schlafsand über die Nase.

Dann singt er:

„Die Raupe schläft, bald schläfst auch du.

Träum schön und lass die Augen zu.

Lieber Chang, schlaf gut und lang.

Ich muss jetzt leider weitereilen

und auf der Welt den Schlaf verteilen.

Schuriburiflirr – Summm–summm–schuschu ...“

Der Sandmann segelt weiter bis zur Lindenalle. Dort steht Mia im Nachthemd am Fenster und sieht auf die Straße hinunter. Sie wartet auf ihre Oma. Die sollte eigentlich längst da sein. Papa und Mama sind zum Italienisch-Kurs gegangen, und da kommt immer Oma mit dem Omnibus und passt auf sie auf.

„Du solltest lieber wieder ins Bett gehen, sonst kriegst du kalte Füße und einen Schnupfen“, sagt der Sandmann zu Mia. Und dann erzählt er Mia die Geschichte vom beleidigten „Omibus“.

Der beleidigte „Omibus“

Es war einmal ein Mädchen, das hieß Pia. Das freute sich immer, wenn seine Oma kam. Pias Oma kam immer mit dem Bus. Er hielt direkt vor Pias Haustür. Deshalb nannte ihn Pia den „OMIBUS“. Meist kam der „OMIBUS“ ganz pünktlich. Aber einmal musste Pia lange auf ihre Oma warten. Sehr lange. Weil der Bus einen platten Reifen hatte und nicht weiterfahren konnte, musste Pias Oma zwei Haltestellen zu Fuß laufen. Bei strömendem Regen! Patschnass kam sie bei Pia an.

„Ich glaube, ich weiß, warum der Bus nicht mehr weiterfahren wollte“, erzählte Pias Oma, als sie sich im Bad die Haare trocken föhnte. „Der Bus war beleidigt.“

„Beleidigt?“, wunderte sich Pia.

„Genau“, sagte Oma. „Es sind nämlich lauter Sachen passiert, die einem anständigen Bus nicht gefallen.“

„Bitte erzähl, Omi!“, bat Pia und setzte sich auf den Badewannenrand.

„An der ersten Haltestelle stiegen Schulkinder ein. Einer räumte seine Schultasche aus und ließ das alte Pausebrot unter dem Sitz liegen. Ein Mädchen klebte den Kaugummi unter den Sitz, weil ihr die Freundin ein Stück Schokolade anbot. Ein junger Mann warf die ausgelesene Sportzeitung einfach auf den Boden. Der Sitz neben mir war mit Filzschreiber verschmiert. Die Fensterscheiben auf der rechten Seite hatte jemand mit einem Schlüssel verkratzt. Ich sah mich im Bus aufmerksam um. Mit meiner neuen Brille sehe ich nämlich alles ganz genau. Eine junge Frau aß einen Apfel. Als sie dachte, dass keiner hinschaute, ließ sie den Apfelbutzen auf den Boden fallen. Ein Mann verschüttete Bier aus einer Dose. Das stank vielleicht! Am Bahnhof wurde der Bus richtig voll. Ein kleiner Hund pinkelte auf den Boden, weil er zwischen den Beinen der vielen großen Leute schrecklich Angst hatte. Es regnete immer stärker. Der Busfahrer musste die Scheinwerfer einschalten. Da entdeckte der Bus im Scheinwerferlicht auf der nassen Straße ein Brett, aus dem Nägel herausragten. Mir reicht´s!, dachte da der Bus und fuhr mit dem rechten Vorderrad auf das Nagelbrett. Es zischte leise. So leise, dass es keiner hörte. Auf einmal begann der Bus zu holpern. Der Fahrer bremste, fuhr an den Straßenrand und stieg aus und ging um den Bus herum. Er entdeckte, dass der Bus rechts vorne keine Luft mehr im Reifen hatte.

‚Tut mir leid‘, sagte er durch den Lautsprecher. ‚Bitte alles aussteigen. Wir haben einen Plattfuß. Der Bus kann nicht mehr weiterfahren. Der nächste Bus kommt in ungefähr zwanzig Minuten.‘

Ich bin ausgestiegen, wie alle anderen auch. Weil es nur zwei Haltestellen waren bis zu dir, bin ich gelaufen. Ich bin zwar ganz nass geworden. Aber unterwegs ist mir die Geschichte vom beleidigten Bus eingefallen.“

„Du solltest immer zwei Haltestellen vorher aussteigen und mir dann eine Geschichte mitbringen“, sagte Pia und lachte. Und dann hat Oma Pia ins Bett gebracht, ihr einen Gutenachtkuss gegeben, und da ist Pia ganz schnell eingeschlafen.

„Genau das wird deine Oma jetzt auch machen“, sagt das Sandmännchen zu Mia. „Sie kommt jetzt nämlich! Ich höre ihre Schritte schon im Treppenhaus.“

Als Mias Oma die Tür aufschließt, steigt das Sandmännchen schnell in sein Wolkenschiff und fliegt weiter.

Die nächste Station des Sandmanns ist die große Reihenhaussiedlung am Stadtrand. In einem kleinen Haus mittendrin wohnt Anna-Marie. Ihre Familie ist erst vor ein paar Wochen aus einem anderen Stadtteil dort hingezogen.

„Warum schläfst du denn noch nicht, Anna-Marie?“, fragt der Sandmann.

„Es ist alles noch so neu hier“, klagt Anna-Marie. „Den Weg zum Kindergarten kenn ich jetzt schon. Aber heute hab ich mich auf dem Heimweg verlaufen.“

„Wie konnte das passieren? Gestern hast du den Weg doch ganz allein gefunden“, wundert sich der Sandmann.

„Na ja, ich hab nicht aufgepasst, weil ich ein Stück hinter einer kleinen Katze hergelaufen bin. Plötzlich wusste ich nicht mehr weiter. Alle Häuser in der Siedlung sehen fast gleich aus. Da hab ich an der falschen Tür geklingelt. Es machte ein fremder Mann auf! Ich bin erschrocken und hab geweint. Zum Glück kam dann meine Mama angelaufen. Sie hat mich schon vermisst ...“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, sagt der Sandmann. „Und was bedrückt dich noch?“

„Ich hab jetzt immer Angst, dass ich unser Haus nicht finde ...“

„Da gibt es einen einfachen Trick“, sagt der Sandmann. „Du musst deiner Mama nur sagen, dass sie ein rotes Tuch an den Zaun hängt. Dann wirst du dein Haus gleich wieder erkennen. So haben es jedenfalls die Enten gemacht, die ihr Nest nicht mehr fanden.“ Und dann erzählt er Anna-Marie die Geschichte von der ziemlich vergesslichen Ente.

Die ziemlich vergessliche Ente

Es war einmal eine ziemlich vergessliche Ente. Sie lebte im Schilf am Teich hinterm Dorf neben dem Bootssteg bei der alten Mühle gleich neben der Regentonne rechts. Das war keine leichte Adresse. Immer wenn jemand fragte: „Wo wohnst du denn?“, überlegte die Ente angestrengt und sagte dann: „Ich wohne, ich wohne ... ich wohne sehr hübsch. Soll ich es dir zeigen?“

Das mit der Adresse war nicht das einzige Problem. Die Ente verliebte sich in einen Enterich, der genauso vergesslich war wie sie. So vergesslich, dass er ihr nicht einmal zum Geburtstag einen Blumenstrauß schenkte. Aber das war nicht so schlimm, weil die Ente selbst auch ihren Geburtstag vergessen hatte. Und so machten sie ein schönes Picknick am See und waren sehr glücklich.

Eines Tages im Frühjahr bauten sie ein Nest im Schilf. Das heißt, eigentlich bauten sie sieben Nester, denn sie fingen sieben Tage lang immer wieder ein neues Nest an, weil sie vergessen hatten, wohin sie das vom Vortag gebaut hatten.

„Das muss anders werden!“, entschied die Ente. „Heute bauen wir kein Nest! Heute suchen wir uns eines!“

Nach langem Herumstöbern fanden sie endlich ein wunderschönes Nest im Schilf. Es war ziemlich groß. Und ein Ei lag auch schon drin. Sie schleppten das Nest mitsamt dem Ei zum Bootssteg und hängten ein rotes Halstuch daneben auf. „So werden wir unser Nest immer wieder finden!“, sagte der Enterich. Er war sehr stolz auf seine Idee.

„Ein Ei ist ein bisschen wenig“, sagte die Ente und legte noch sieben wunderschöne Eier ins Nest. Der Enterich bewunderte sie. Dann brüteten sie abwechselnd. Endlich schlüpften winzige Küken aus. War das eine Aufregung! Die beiden Enten vergaßen sogar, dass sie vergesslich waren, so sehr freuten sie sich über die sieben Kinder. Nur das letzte Ei machte ihnen etwas Sorge. Es war kleiner als die anderen, und das Küken wollte und wollte einfach nicht schlüpfen.

„Sehr schön!“, sagte der Storch, der auf einem Bein am Ufer stand, als Vater und Mutter Ente an ihm vorüberschwammen. Vorne die Mutter, dann die sieben Kinder und zum Schluss der Vater. Auf dem Rückweg machten sie es umgekehrt.

Als sie nach Hause kamen, war das letzte Küken immer noch nicht geschlüpft. „Vielleicht ist es ein bisschen vergesslich?“, meinte Mutter Ente und klopfte mit dem Schnabel an die Eierschale. „So etwas vererbt sich.“

(Längst hatte sie vergessen, dass sie das Ei gefunden und nicht selbst gelegt hatte!)

„Hallo, aufwachen und ausschlüpfen!“, rief der Entenvater energisch. Aber in dem Ei rührte sich nichts. „Warten wir noch einen Tag!“, sagte er. „Mit kleinen Kindern muss man Geduld haben.“

Über dem Teich kreiste ein Bussard. Er sah gierig auf die Entenfamilie hinunter. Als der Entenvater den Raubvogel entdeckte, erschrak er und rief: „Es wäre wohl doch sicherer gewesen, wenn wir unser Nest im Schilf gebaut hätten!“