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Wenn Welten aufeinandertreffen … Das Praktikum bei Airwing in Toulouse ist Maurice letzte Chance, sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Eine Chance, die der ehemalige Bad Boy so ernst nimmt wie einst das Feiern. Als er beim Klettern in den Pyrenäen die unkonventionelle Celine trifft, ist Maui daher wenig begeistert. Diese Frau verspricht Schwierigkeiten. Trotzdem gehen ihm ihre zarten Sommersprossen und ihre haselnussbraunen Augen nicht mehr aus dem Kopf. Und plötzlich ist das Verlangen zurück, im Leben Risiken einzugehen … Die junge Celine schafft es gerade so, über die Runden zu kommen. Seit ihr Vater schwer erkrankte, steht sie ganz allein da – bis sie den charmanten und erfolgreichen Maurice kennen lernt. Verbunden durch ihre Leidenschaft fürs Klettern, bestehen sie ansonsten nur aus Gegensätzen: Sie, das Aschenputtel vom Campingplatz – er, der privilegierte Student aus der Großstadt. Aber für ein Märchen ist es in ihrem Leben längst zu spät – oder? »H.C. Hope erschafft Charaktere, die einen nicht mehr loslassen.« Lovelybooks-Leserin Eine bewegende und emotionale New Adult Romance für Fans von Ayla Dade und Lilly Lucas Für alle, die diese Tropes lieben:
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Seitenzahl: 297
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Das Praktikum bei Airwing in Toulouse ist Maurice letzte Chance, sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Eine Chance, die der ehemalige Bad Boy so ernst nimmt wie einst das Feiern. Als er beim Klettern in den Pyrenäen die unkonventionelle Celine trifft, ist Maui daher wenig begeistert. Diese Frau verspricht Schwierigkeiten. Trotzdem gehen ihm ihre zarten Sommersprossen und ihre haselnussbraunen Augen nicht mehr aus dem Kopf. Und plötzlich ist das Verlangen zurück, im Leben Risiken einzugehen …
Die junge Celine schafft es gerade so, über die Runden zu kommen. Seit ihr Vater schwer erkrankte, steht sie ganz allein da – bis sie den charmanten und erfolgreichen Maurice kennen lernt. Verbunden durch ihre Leidenschaft fürs Klettern, bestehen sie ansonsten nur aus Gegensätzen: Sie, das Aschenputtel vom Campingplatz – er, der privilegierte Student aus der Großstadt. Aber für ein Märchen ist es in ihrem Leben längst zu spät – oder?
Über die Autorin:
H.C. Hope wurde früh von der Schreibleidenschaft gepackt. Ihren ersten Roman verfasste sie schon in der 7. Klasse. Seit 2019 sind mehrere veröffentliche Romane hinzugekommen – zur Freude ihrer stetig wachsenden Leserschaft.
H.C. Hope veröffentlichte bei dotbooks bereits »When the Wind Touches My Heart«.
Die Autorin bei Facebook: www.facebook.com/H.C.HopeAutorin/
Die Autorin auf Instagram: @h.c.hope_autorin
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Originalausgabe Mai 2025
Copyright © der Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion: Sarah Schroepf
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive
von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)
ISBN 978-3-98981-113-3
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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H.C. Hope
Where My Soul Touches the Sky
Roman
dotbooks.
Widmung
Triggerwarnung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Epilog
Lesetipps
Für all diejenigen, die Kämpfe austragen.
Egal ob sie still oder laut sind.
Ihr seid stark!
»Einsamkeit und das Gefühl, unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.«
(Mutter Teresa)
Panikattacken, Depression, Ängste.
Chicago
Maui
Über mir glitzerte Chicagos Nachthimmel mit silberfunkelnden Sternen, durchzogen von Flugzeugen mit blinkender Landebeleuchtung, als zerschnitten sie ein perfektes Bild.
Ich legte den Kopf in den Nacken. Nichts kickte mich besser als das Gefühl, jederzeit in die Tiefe stürzen zu können. Ich setzte mich an den Rand des Daches.
Meine Beine baumelten über der Betonmauer, und meine Fersen stießen mit einem dumpfen Schlag gegen sie. Rhythmisch. Das sanfte Brennen in meinen Waden vermittelte mir ein angenehmes Gefühl.
Noch vor vier Jahren kletterten mein bester Kumpel Paxton und ich gefühlt jedes Dach der höchsten Gebäude Chicagos hinauf, nur um uns im Adrenalinrausch zu suhlen. Weil es uns damals nicht geschert hatte, welches Risiko wir auf uns nahmen. Wie hirnverbrannt es war, den Abstieg nicht zu bedenken, sondern auf gut Glück zu klettern.
Dieser regelmäßige Nervenkitzel lässt mich auch heute noch nicht los. Der Kick, direkt an der Gebäudefassade emporzuklettern und mit den Fingerspitzen an den glattesten Oberflächen Halt zu finden, fesselte uns schon zu lange.
Die Höhe blieb der einzige Ort, an dem ich grenzenlose Freiheit spürte. Als würde die Welt für einen Moment weiter wegrücken und ich könnte aussteigen aus dem alltäglichen Scheiß.
Ich studierte einen Silberschweif im Nachthimmel. Eine Kometenwanderung.
Dann überblickte ich den halb vollen Parkplatz. Nirgendwo war man anonymer in einer Menschenhorde als auf den Straßen Chicagos. Manchmal fraß sie das Gefühl des Menschseins mit all ihren Attraktionen und der Schnelllebigkeit, die sie wie ein betörendes Parfum verströmte, auf. Ich verlor mich so wunderbar in ihr, vergaß mich und erfand mich immer wieder neu. Nirgendwo waren das Risiko und der Nervenkitzel lebbarer als hier. Das Adrenalin gehörte zu mir wie mein kleiner Finger. Wie könnte ich es jemals aufgeben?
Blinklichter rissen mich plötzlich aus meinen Gedanken. Auf den Parkplatz bog ein weißer Streifenwagen ein. Die Polizei?
Ich fuhr auf und ging vom Rand des Daches weg. Gab es einen Vorfall im Med? Ich war doch nicht unvorsichtig gewesen, oder?
Fuck!
Ich eilte zur Tür, die in das Treppenhaus führte, und rüttelte daran. Doch sie war verschlossen.
Was zur Hölle …?!
Ich rüttelte noch fester an der Türklinke. Nichts zu machen. Verdammt!
Leicht alarmiert kehrte ich zum Rand des Daches zurück. Zwei Polizisten in Uniform stiegen aus dem Wagen. Die waren doch nicht meinetwegen angerückt, oder?
Bestimmt nicht. Vermutlich randalierte jemand auf den Krankenhausfluren wegen unzumutbaren Wartezeiten. Das wird es sein. Ich lehnte mich an die Mauer und wartete, bis die Polizisten im Gebäude verschwunden waren. Vermutlich wäre es das Vernünftigste, mit dem Abstieg zu warten, bis die beiden ihre Arbeit im Med erledigt hatten. Andererseits wäre es sicher ein unvergesslicher Nervenkitzel, jetzt an der Fassade runterzuklettern, ohne erwischt zu werden. Meine Fingerspitzen kribbelten.
Nein, so bescheuert konnte ich doch wirklich nicht sein, oder?
Andererseits … Noch bevor ich einen weiteren Gedanken fassen konnte, kletterte ich über den Rand des Daches und fand Halt an der glatten Betonwand. Der Blick nach unten jagte ein heißes Kribbeln durch meine Wirbelsäule. Obwohl der Verkehr der Hauptader in meinen Ohren rauschte, war Chicago ungewöhnlich still heute. Zu still.
Ich glitt eine Fensterfront runter und tastete mich mit dem Fuß zur nächsten Fenstersprosse, die meiner Schuhspitze minimalen Halt verlieh. Sollte ich auch nur einen Millimeter abrutschen … Ich grinste. Ja, das war er, der Kick, der mich spüren ließ, dass ich lebte.
Waghalsig kletterte ich weiter. Wie selbstverständlich teilte ich meine Griffe und Reserven ein und passierte in Windeseile die halbe Fensterfront. Lediglich das Aufflackern eines Lichtstrahls an einem der Fenster irritierte mich. Überhaupt schien mich das Licht zu verfolgen. Eine Taschenlampe?
Ich vergewisserte mich, dass der Streifenwagen immer noch verwaist dastand. Bingo!
Ein Quietschen unter mir ließ mich stoppen.
»Okay, ich schätze, der Kletterspaß hat jetzt ein Ende, junger Mann!« Die sonore Stimme flößte mir Respekt ein. Dennoch wägte ich ab, wie hoch meine Chance war, dem Beamten, der mit verärgertem Blick den Kopf aus dem Fenster streckte, zu entkommen. Verdammt!
»Wetten, ich bin schneller unten, als Sie mich verhaften können?« Ich begab mich auf dünnes Eis, aber welche Wahl hatte ich? Entweder ich war schneller als die Beamten, oder ich durfte eine Nacht hinter Gitterfenstern verbringen.
»Darauf würde ich nicht wetten! Mein Kollege wartet unten schon auf dich.«
Ich schluckte. Das klang endgültig. Scheiße!
»Was, wenn ich Ihnen verspreche, dass es das letzte Mal war?« Wow, mein Level an Coolness hatte anscheinend einen neuen Tiefpunkt erreicht.
»Dann wird das jetzt dein glorreicher Abgang sein.« Der Polizeibeamte grinste.
»Fuck!« Ich glitt das Fenster zur nächsten Sprosse entlang. Ich saß in der Falle. Trotzdem sollte ich mir meinen vermutlich letzten Abstieg nicht versauen lassen. Ich sah den Beamten finster an, der meine Handgriffe verfolgte, und kletterte nach unten. Schon vom letzten Stockwerk aus hörte ich das Rauschen des Funkgerätes des Polizisten, der unten auf mich wartete.
Kurz überlegte ich, ob ich einfach abspringen und den Mann damit anrempeln sollte. Da das meine Situation vermutlich nicht besser machte, ließ ich es bleiben und glitt elegant auf den Boden.
»Okay, dann wollen wir mal.« Der Polizist legte mir seine Hand auf die Schulter und schob mich zum Streifenwagen.
»Wie heißt du?« Er öffnete die Autotür.
»Maurice.« Ich stieg ein.
»Maurice und weiter?« Sein Kollege stieg ebenfalls ein.
»Wright.« Mein Name dürfte bekannt sein.
Der Motor des weißen Fords röhrte auf, und wir rollten vom Parkplatz.
»Wir bringen dich aufs Revier und behalten dich vorerst dort.«
»Können wir das nicht anders lösen?« Ich hatte absolut keine Lust, meine Eltern anzurufen und sie um die fällige Kaution zu bitten, damit ich schnellstmöglich wieder auf freiem Fuß war.
Der Fahrer lachte auf. »Nein, wir lösen das auf dem Dienstweg. Bestechung eines Beamten gehört da nicht dazu.«
»Schade. Ich könnte einiges springen lassen.« Aus der Portokasse meiner Eltern.
Er schnaubte. »Wenn die Welt so funktionieren würde, hätten wir heute schlimme Zustände.«
»Kommen Sie, ein wenig Luxus hat noch keinem geschadet.«
»An deiner Stelle würde ich jetzt die Klappe halten, sonst ahnden wir deinen Bestechungsversuch«, sagte der Beifahrer.
»Ist ja schon gut.« Ich lehnte mich zurück. Verdammter Mist! Die Angelegenheit würde sich trotzdem mit nur einem Anruf bei meinen Eltern regeln. Ich konnte also entspannt bleiben.
Auf dem Revier angekommen, bat ich um ein Telefonat, und nur eine Stunde später saß ich bei meinem Vater im himmelblauen Cadillac Coupé DeVille. Sein finsterer Blick jedoch stimmte mich unruhig.
»Zieh das Geld einfach von meinem Erbe ab.« Ich verschränkte die Arme.
»Damit ist es nicht getan, Maurice.« Sein Zeigefinger tippte auf das weiße Leder am Lenkrad.
»Willst du eine Entschuldigung?«
Er schüttelte den Kopf. »Auch damit ist es nicht getan. Mir gefällt deine Entwicklung nicht. Du lebst in den Tag und hast nichts anderes zu tun, als illegal an Fassaden hochzuklettern. Ich weiß nicht, wo das noch enden soll.«
»Zumindest nicht im Leichenschauhaus.« Das war jetzt makaber, aber ich konnte meine Klappe nicht halten. »Was kümmert dich das überhaupt? Mom und du seid doch mit euren Jobs verheiratet.«
»Das ist nicht wahr.« Vaters empörter Blick traf mich. »Die Kunstwelt schläft eben nicht.« Meine Eltern liebten es, kostbare Gemälde aufzuspüren, sie zu restaurieren oder teuer wieder zu verkaufen. Kaum eine Vernissage in Chicago und seinem Umkreis fand ohne sie statt.
»Du vernachlässigst dein Studium und schwänzt Vorlesungen. So wirst du den Einstieg in die Flugbranche nicht schaffen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Solange ich die Prüfungen bestehe, sind meine Hobbys egal.«
»Prüfungen, die du ständig aufschiebst.« Vater runzelte die Stirn.
Ertappt!
»Ich fühle mich einfach noch nicht bereit.« Nein, ich hatte wirklich keine Lust, ständig irgendwelche mathematischen Berechnungen zu pauken. Natürlich ist das Universum, das Weltall meine Leidenschaft, trotzdem war das Studium verdammt anstrengend. Das Roofing war auch dafür mein Ausgleich.
»Dann ist es natürlich eine zukunftsträchtige Alternative, über die Dächer zu klettern und ständig verhaftet zu werden. Tut dem Lebenslauf so richtig gut.« Er stoppte an der roten Ampel. »Du bist keine fünfzehn mehr, Maurice. Ich dachte, dass dich das Studium schon zur Vernunft bringt, aber ich habe mich getäuscht.«
Ich schluckte. Es hatte etwas Demütigendes, mit dreiundzwanzig noch wie ein pubertierender Teenager behandelt zu werden.
»Hast du dich überhaupt schon um einen Praktikumsplatz fürs nächste Semester gekümmert?«
Ich atmete tief ein. Natürlich hatte ich das nicht. Denn ganz tief in mir wuchs diese kleine Angst, dass ich versagen könnte. Dass mein Vater recht behalten sollte und ich durch meinen Hang zum Roofing zu wenig gelernt hatte.
»Nein, ich habe noch nirgends angefragt.«
»Dein Professor erwartet nächste Woche Bescheid über deinen Praktikumsplatz.« Vaters Blick verfinsterte sich.
Dieser Druck machte es nicht besser. Ich spürte, dass ich Vater ein Zugeständnis schuldete, anderenfalls setzte ich meine Zukunft aufs Spiel. Fiel durch die Prüfungen und schaffte mein Studium nicht. Was dann?
»Vielleicht sollte ich ins Ausland«, schlug ich vor.
»Ich finde es keine schlechte Idee, das Umfeld zu wechseln. In Europa gibt es einige hervorragende Standorte verschiedener Raumfahrtunternehmen.«
Er hatte sich informiert? Jetzt fühlte ich mich noch schlechter. Womöglich war das Ausland für mich wirklich eine Art Neuanfang? Ohne Roofing? Das könnte eine echte Chance für mich sein.
»Europa«, murmelte ich. »Warum eigentlich nicht?« Dort kannte mich niemand, dort konnte ich beweisen, dass ich mein Leben oder irgendwas davon in den Griff bekommen würde. Ja, vermutlich würde mir das den Arsch retten.
Toulouse
Celine
Alles in mir rebellierte, als der mattgraue Rover, aus dem Housemusik dröhnte, auf dem kleinen Parkplatz schräg gegenüber von mir einfuhr.
Dieser Protz! Mir wurde heiß, und das, obwohl ich den Schatten genoss, den der Pinienbaum auf meiner Parzelle warf. Ich schnitt den Apfel auf meinem Schoß in Spalten und beobachtete, wie drei junge Männer aus dem Geländewagen stiegen. Lachsalven schlugen mir entgegen.
Der Nationalpark hier am Rand der Pyrenäen war ein heiß begehrter Hotspot für Touristen. In der bergfrischen Luft zu campen, über grüne Wiesen zu streifen … die Nadelbäume und die kantigen Felsen trugen alle dazu bei, sich frei zu fühlen. Egal welche Fesseln einem die Luft abschnürten. Oben auf den Berggipfeln oder am Bergsee fielen sie alle ab. Deshalb zog es mich immer wieder hierher. Auch, weil die Camper, insbesondere die Dauercamper, ein friedvolles Völkchen waren. Jeder auf seine Art. Man duldete sich und die Geschichte des jeweils anderen. Und jeder von uns hatte Geheimnisse, die ebenfalls geduldet oder verschwiegen wurden. Letzteres war mir lieber. Je weniger man über mich wusste, desto besser.
Ich biss in den saftigen Apfelschnitz und verfolgte, wie zwei der jungen Männer einen Rucksack von der Ladefläche des Rovers fischten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn das Studenten oder Firmensöhnchen waren, die ihr alkoholintensives Wochenende in der Natur verbringen wollten. Sicher planten sie, zum kleinen Gebirgssee zu klettern und dort ihre Zelte aufzuschlagen, um am Ende festzustellen, dass sie sich dort oben in der Nacht den Hintern abfrieren würden.
Ich schob mir ein weiteres Apfelstück in den Mund.
»Ey, pass doch auf!«, rief der Größte von ihnen und erntete den Mittelfinger seines Gegenübers, der ihm offensichtlich auf den Fuß getreten war.
Na bravo! Da war sicher schon Alkohol im Spiel.
»Behalt deine Latschen bei dir, Mann. Beim Klettern stellst du dich auch nicht so an«, gab der Getretene provokant zurück.
»Komm mal runter«, beschwichtigte der Schwarzhaarige mit wettergegerbtem Teint. »Wir wollen hier ein gemütliches Kletter-Wochenende verbringen, okay?«
»Jaja, schon klar, Najim.« Der Große fuhr sich durch sein strubbeliges mokkabraunes Haar.
Najim hingegen lächelte verschmitzt. Neben dem Rover erschien der Fahrer mit Klettergurten über den Schultern. Sein blondes Haar wirkte golden in der Sonne, und der Ohrstecker am linken Ohrläppchen glänzte. »Ihr stellt euch an wie zwei Diven.« Er drückte jedem von ihnen Karabiner und Helme in die Hände.
»Pissnelke!«, erklang es fast zeitgleich.
Dem konnte ich nur vollumfänglich zustimmen.
»Also? Was ist jetzt mit diesem See?« Der Große zog eine Karte aus seiner Gesäßtasche und kratzte sich an der Stirn, während er sich damit abmühte, sie aufzufalten.
Das waren doch hoffentlich keine blutigen Anfänger …
Nicht dein Problem, Celine, ermahnte ich mich und schob mir den letzten Apfelschnitz in den Mund.
»Immer halblang, Younes!« Der Fahrer legte den Kopf schief. »Die Ausrüstung ist das Wichtigste! Alles Weitere klären wir, sobald jeder sein Zeug beisammenhat. Beeilt euch.« Ungeduldige Vorfreude schwang in seiner Stimme mit. Er trug ein petrolfarbenes Sportshirt mit Gipfelsilhouette, graue Bermudas, die muskulöse Waden freigaben, welche in Kletterschuhen steckten. Hochwertige Sportklamotten, die auf einen gewissen Lebensstandard hinwiesen. Oder auf eine angeborene Kletterleidenschaft. Immerhin einer, der Ahnung vom Klettern hatte … oder es zumindest vorgab. Es tummelten sich ja haufenweise Blender unter den ankommenden Touristen. Oder Feierwütigen.
»Chill mal, Maui. Wir sind keine Rooftop-Junkies oder Freeclimber, wie du.« Younes legte sich den Klettergurt um und überprüfte die Klettersteige. »Irgendjemand muss hier ja den Vernünftigen geben.«
Maui verzog die Miene. »Vernunft kennst du doch nur in der Firma. Und ja, ich reiße mich ausnahmsweise mal zusammen. Also sei bitte nicht wie ein Kleinkind, dem man noch den Hintern abwischen muss, ja?«
Firma? Werksstudenten? Das würde zumindest die teuren Klamotten erklären. Dabei wirkten sie so jung. Kaum älter als ich. Puh, was die wohl für einen Lebenslauf oder vermögende Eltern hatten? Ich wollte es gar nicht wissen. Ätzend genug, dass ich miterlebte, wie sie ihre aufgeblasenen Egos verbal aneinander rieben.
Ätzend.
Ich lehnte mich zurück in meinen Campingstuhl und erhaschte Younes’ finsteren Blick. »Was guckst du denn so? Noch nie eine Kletterausrüstung gesehen?«
Bitte, was? So ein Mistkerl, echt!
»Klar, öfter als du vermutlich. Wenn ich mir das so ansehe.« Ich wies auf das verknotete Kletterseil an seinem Gurt.
Empört wanderte sein Blick dorthin. Fahrig fummelte er den Knoten auseinander.
»Bist du öfter hier?«, erkundigte sich Maui und schob Younes beiseite, der irgendwelche Flüche in die Atmosphäre schoss. Was hatte ihm nur den Tag verdorben? Oder war der immer so?
»Ja, ich bin öfter hier«, sagte ich.
»Weißt du, von wo aus wir am besten zum Gebirgssee kommen?« Sein Lächeln erreichte seine silbergrauen Augen. Was für eine außergewöhnliche Farbe.
Ich nickte. »Sicher.«
»Echt?« Er verschränkte die Arme.
Dachte der, ich würde ihn veräppeln?
»Natürlich! Ich zeige euch gern den Weg. Auf welchem Niveau klettert ihr denn? Es gibt unterschiedliche Steige, die alle zum kleinen See führen.« Ich erhob mich, weil mich sein eingehender Blick nervös machte. Eigentlich hütete ich mich davor, Kerlen wie denen, die eindeutig auf Party aus waren, zu helfen. Aber etwas an Maui war … anders.
Younes’ Blick glitt skeptisch über mich.
»Ich bin Profi«, antwortete Maui. »Während der da etwas besser als ein Anfänger klettert.« Er wies auf Younes. »Najim beherrscht mittelschwere Steige.«
»Bist du ein Klettercoach?« Ich schloss die Hecktüren meines alten Vans.
»Jepp.« Maui nickte.
»In Ordnung, dann führe ich euch zum Startpunkt des leichtesten Steigs.«
»Lass mich raten, diese Information kostet dann zwanzig Euro? Oder fünfzig? Bist du eine von denen, die Touristen abzocken?« Younes hob die Augenbrauen. Misstrauen schlug mir von seinen kantigen Gesichtszügen entgegen.
Was für ein oberflächlicher Arsch!
»Hältst du mich für käuflich?« Hitze kroch über meine Wangen. Was erlaubte sich dieser Möchtegernkletterer? Urteilte über mich, obwohl er mich keine fünf Minuten lang kannte? Mich in eine Schublade steckte, weil es ihm offensichtlich an nichts fehlte?
Privilegierter Mistkerl!
Ich ballte meine Hand zur Faust. »Bist du noch nie campen gewesen? Camper helfen sich gegenseitig. Kostenlos. Aus Anstand!«
Younes hob die Hände. »Sorry, diese Abzockmaschen lauern nun mal in auffälligen und unauffälligen Personen. Ich hab halt keinen Bock auf so einen Scheiß!« Genervt wechselte er einen Blick mit Maui. »Mann, was hat die denn für ein Problem?« Mürrisch fuhr er sich über seinen dunkelbraunen Bartschatten.
Ich schluckte die bitteren Worte, die sich in meiner Kehle formten, herunter. Es erschien mir sinnlos, mit Younes zu diskutieren. Er war vermutlich jemand, der nicht wusste, was es bedeutete, sparsam zu sein. Jemand, der sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen musste, woher er das nötige Kleingeld für die nächste Mahlzeit beschaffte.
Younes dachte vermutlich nicht mal daran, dass es jemanden wie mich gab. Jemand, der in Armut lebte. Und das machte ihn verdammt arm.
»Okay, ich kenne nicht mal deinen Namen, aber es wäre cool, wenn du uns zeigst, wo wir zum See starten können. Ich bin Maurice, aber alle nennen mich Maui«, sagte der Blonde.
»Ich bin Celine«, antwortete ich und drehte ab. Die Schmach von Younes’ Aussage brannte noch auf meiner Seele. Er war sicher mit Vorurteilen vollgestopft. Aber was wusste ich schon über ihn. Schließlich hegte ich genauso Klischeevorstellungen über ihn, ausgelöst durch sein Aussehen.
Ich steuerte den Pfad am Waldrand an und atmete tief ein. Die kühle Waldluft klärte meine Gedanken und beruhigte meinen Puls. Ich sollte höllisch aufpassen, dass mich mein wunder Punkt, die Armut, nicht bloßstellt. Deshalb fiel es mir schwer, angemessen bei Andeutungen über meinen Lebensstandard oder den Grund meines Aufenthaltes auf dem Campingplatz zu reagieren. Ich versuchte, unauffällig zu bleiben. Nur heute nicht. Heute hatte ich das Bedürfnis, Maui zu helfen. Und ich verfluchte mich jetzt schon dafür!
»Danke, Celine.« Maui erschien neben mir. Sein Ohrstecker reflektierte die Strahlen der Mittagssonne. Aus seiner Hosentasche lugte eine Wanderkarte hervor. Mein Blick glitt an seinen muskulösen Waden entlang. Er schien trainiert zu sein. Irgendwie gefiel mir das. Auch dieses Verruchte, das er ausstrahlte. Als würde er nur eine Facette von sich preisgeben. Und das war eine anziehende Kombination. Nicht, dass mich jemand schnell reizen würde. Doch Maui … keine Ahnung, vielleicht lag meine letzte Knutscherei einfach zu lange zurück. So lange, dass ich schon gar nicht mehr wusste, wie der Typ ausgesehen hatte.
Bedauernswert, echt!
Wir liefen schweigend den Trampelpfad zwischen kniehohem Farn, Zirben und Eichen entlang. Der Ruf eines einsamen Bartgeiers ertönte über den Baumkronen. Ich liebte die Natur am Rande der Pyrenäen. Ihre Stille legte sich oftmals wie eine schützende Umarmung um mich. Einen Atemzug lang vergaß ich all meine Sorgen.
Trotz meiner Naturverbundenheit würde ich nie in einem Zelt schlafen. Die streunenden Wölfe jagten mir dann doch etwas Angst ein. Deshalb pflegte ich meinen provisorisch umgebauten Van mit den wenigen Mitteln, die ich zur Verfügung hatte. Die bloße Vorstellung, irgendwann kein Dach mehr über dem Kopf zu haben, schnürte mir die Kehle zu. Nicht auszudenken, würde eine Aspis Viper, die einzige Giftschlange der Gegend, in mein Zelt kriechen … oder ein hungriger Fuchs. Darauf war ich nicht erpicht. Außerdem gab mir der Van das vertraute Gefühl einer Bleibe. Einer Wohnstätte. Ein bisschen Lebensqualität.
»Kommst du aus der Gegend?«, fragte Maui so unvermittelt, dass ich zusammenzuckte.
»Ja, ich bin oft auf dem Campingplatz. Ich mag die Berge.« Ich brauchte diese Ausflüchte in die luftigen Höhen, um die Welt für einen kurzen Moment hinter mir zu lassen. Sie lastete manchmal zu schwer auf meinen Schultern. Raubte mir die Luft zum Atmen und nicht selten die morgendliche Motivation, überhaupt unter meiner Bettdecke im Bus hervorzukriechen.
»Und ihr?«, fragte ich, um weitere Fragen zu umgehen.
»Wir sind das erste Mal hier.« Maui musterte das herausragende Wurzelwerk vor uns. Die feuchte Waldluft roch nach Harz und Freiheit.
»Und wo treibt ihr euch sonst herum?«
»In Toulouse. Wir sind Arbeitskollegen. Na ja, eher Praktikanten-Kollegen. Wir arbeiten alle bei Airwing. Und du?«
Ich hasste diese Frage. Die ehrliche Antwort darauf wäre ernüchternd. Was hätte sie schon zu bieten? Keine Festanstellung jedenfalls.
»Ich genieße im Moment die Aussicht hier.« Ich lief ein bisschen schneller.
»Okay«, sagte Maui. »Machst du Urlaub hier? Oder bist du eine Fremdenführerin?«
Ein raues Lachen platzte aus mir heraus. Wenn er wüsste! Ich hielt mich nicht gerne auf den Campingplätzen der Großstädte auf, inmitten von Touristen, die ihr Geld für überteuerte Souvenirs und Klamotten ausgaben. Das erinnerte mich nur daran, wie kläglich mein Lebensstandard war.
»Nein, ich bin keine Fremdenführerin. Ich helfe nur manchmal Kletterern in Not«, antwortete ich. Die vermutlich passabelste Antwort und die, die am ehesten der Wahrheit entsprach. Dabei hielt ich mich die meiste Zeit von Fremden fern. Ich scharrte nur die engsten Vertrauten um mich. Wie Louna.
»Wir sind keine Kletterer in Not«, meckerte Younes. Ich bemerkte, wie sich ein Grinsen auf Mauis volle Lippen stahl.
»Es ist sein erster Kletterausflug am Fels. Da kann man sich schon mal anstellen.«
Ich kicherte. Das könnte amüsant werden. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, mich den Jungs aus reiner Sensationslust anzuschließen. Verwarf ihn aber wieder, weil ich die Nacht lieber im Bus verbrachte. In meinem geschützten Raum.
»Na, dann viel Glück.« Ich wies auf einen schmalen Wanderweg, der über blühende Wiesen zum Gebirgssee führte. »Folgt dem Trampelpfad. Die zwei Felswände zum See sind nur fünfzehn Karabiner lang. Die sollte auch der Anfänger schaffen.«
»Das habe ich gehört! Pah, Anfänger.« Younes stapfte mit gerümpfter Nase an mir vorbei.
Auweia!
»Danke, Celine.« Maui folgte Younes. Ich sah den Jungs hinterher, bis sie von den Stämmen der imposanten Eichen verdeckt wurden. Ob das wohl gut ging?
Ungläubig über mich selbst schüttelte ich den Kopf. Die Jungs waren nicht mein Problem. Ich dachte an ihre Kletterklamotten. Was gäbe ich für eines dieser Shirts. Atmungsaktiv und trotzdem wärmend. Gott, es wäre ein berauschendes Gefühl, damit auf den Gipfel zu klettern. Der hochwertige Stoff fühlte sich sicher großartig auf der Haut an. Ich atmete tief ein und versuchte, jeden Gedanken an die Shirts und die Kerle auszublenden. Doch das Verlangen, nur einmal kurz mit dem Finger über eines dieser Shirts zu streichen, ja, es womöglich heimlich in meinen Bus zu schmuggeln, wurde mit jedem Schritt größer. Meine Fingerspitzen kribbelten. Ich ballte die Hand zur Faust. Immerhin könnten sich die Jungs ein neues Shirt leisten. Wohingegen ich …
Ich ballte die Faust härter, bis sich meine Fingernägel in den Handballen gruben.
Reiß dich zusammen, Celine!
Je eher ich die Jungs und die hochwertige Kletterausrüstung vergaß, desto besser. Und zwar nicht nur für mich.
Maui
»Scheiße! Geht das immer so in die Waden?« Younes tauchte mit feuerroten Wangen neben mir an der Felskante auf. Mit einem Ächzen zog er sich auf den nächsten Vorsprung und löste seinen Haken vom Drahtseil, um sich zu setzen.
»Ich dachte, du trainierst regelmäßig im Fitnessstudio?« Ich grinste und überwand die Kante mit Leichtigkeit. Das Roofing zahlte sich aus. Ich war einiges gewohnt. Je härter, desto besser. So empfand ich danach wenigstens einen Hauch von Zufriedenheit. Das hier kitzelte nicht mal annähernd an meinem Anstrengungsgefühl. Beschissen!
»Also ich find’s geil.« Najim erschien neben mir und streifte sich die schwarzen Handschuhe ab.
»Du hast auch kein übersteigertes Ego, das weit über Frankreichs Kubikmeter reicht.«
»Pisser!« Younes starrte mürrisch auf seine Schuhe. »Diese Dinger sind unbequem.«
Ich setzte mich. »Du hast sie doch hoffentlich eingelaufen, bevor wir aufgebrochen sind, richtig?« Die schwarzen Wanderschuhe sahen kaum getragen aus. Keine Falte grub sich in das makellose Rauleder.
»Wie einlaufen?« Younes musterte mich skeptisch.
»Die muss man eine Weile tragen, wenn sie neu sind. Hast du mir letztes Mal in der Halle nicht zugehört?« Die Blasen hätte er sich demnach verdient. Ich redete mir jedes Mal den Mund fusselig, um meine Klettergruppe auf das Klettern am Fels vorzubereiten. Ein mickriger Versuch meinerseits, das Roofing zu kompensieren. Denn es fehlte mir wirklich sehr. Wie so ziemlich alles in Chicago. Ich hatte nicht nur übereilt den Praktikumsplatz bei Airwing angenommen, sondern hatte auch Phyllis, meine Ex-Freundin-Affäre-irgendwas, zurückgelassen. Eine Fernbeziehung war für mich einfach nicht infrage gekommen.
»Younes war viel zu sehr damit beschäftigt, Celeste zu bewundern«, erklärte Najim amüsiert.
»Du solltest öfters mit deinem Hirn denken.« Ich seufzte und kramte ein Blasenpflaster aus meinem Rucksack.
»Jaja, dafür hatte ich eine heiße Nacht, während ihr mit Wanderschuhen Burggräben in den Teppich vor euren Betten gelaufen seid.« Younes schnürte die Schuhe auf und zog die wollenen Socken aus. Auf seiner roten Ferse erhob sich eine kleine Blase.
»Kleb das drauf.« Ich reichte ihm ein Pflaster.
»Und verschone uns mit dem Anblick deiner Füße«, fügte Najim hinzu, der einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik hatte. Vielleicht waren die Entwickler der Cockpits und Kabinen bei Airwing deshalb so erpicht darauf, ihn irgendwann im Team zu haben. Seine Entwürfe verliehen dem Flugzeug eine Weichheit, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Mürrisch verpflasterte Younes die Blase und zog die Socken wieder an.
»Wir sollten deinen Schuh später mit dem Hammer bearbeiten.«
»Hä?« Younes starrte mich entgeistert an. »Die waren teuer, Mann!«
»Nicht kaputt kloppen. Wenn man die Hinterkappe des Schuhs ausklopft, wird er gedehnt und geschmeidiger. Ein Prozess, der schon beim Einlaufen stattfindet. Egal ob Wander- oder Kletterschuhe. Beugt Blasen vor«, erklärte ich.
»Du bist so ein Klugscheißer, Maui!« Younes schlüpfte in seine Wanderschuhe und stand auf. Dann klopfte er mir freundschaftlich auf die Schulter. »Danke für das Pflaster.«
Ich nickte nur. Younes erinnerte mich manchmal an Paxton. Seine vorlaute Klappe und sein übersteigertes Ego maskierten nur den feinfühligen Kerl, der sich dahinter verbarg. Auch wenn er sich die meiste Zeit wie ein Pubertierender verhielt. Ich schob die Gedanken an Chicago, Paxton, Phyllis und meine Familie weg.
»Also? Wo ist jetzt dieser See?« Er legte die Hand an die Stirn, um die blendenden Sonnenstrahlen abzuschirmen.
»Ich schätze, da müssen wir noch rauf.« Grinsend zeigte ich auf den Klettersteig an der nächsten Felswand. Sicher die letzte, bevor wir den Gebirgssee erreichten.
»Ich habe befürchtet, dass du das sagst.« Younes klang demotiviert.
»Die Aussicht wird es wert sein, ganz sicher.« Ich zog die Handschuhe über, klopfte Younes aufmunternd auf die Schultern und hakte meinen Eisenhaken am Stahlseil an, das uns durch die schräg verlaufende Kletterroute am rauen Fels entlang leitete.
Najim hakte sich hinter mir ein, und Younes tat es ihm brummend gleich.
»Am besten folgt ihr meinen Tritten, dann kann nichts schiefgehen, ja?« Es war eine Herausforderung, Younes bei Laune zu halten, der sich von unserem Kletterausflug eher ein Besäufnis als das Klettern selbst erwartet hatte.
Ich griff nach den Metallsteigen und verlagerte mein Gewicht an den Felsen, um meinem Körper keine wichtigen Energiereserven zu rauben. Etwas, das ich beim Roofing schmerzlich gelernt hatte. Bei unserem ersten Dach in Chicago, einem Hotelkomplex, hatten Paxton und ich uns mit letzter Kraft über die Betonmauer aufs Dach geschwungen und dort auf eine Tür gehofft, die uns ein Treppenhaus offenbarte, durch das wir unauffällig das Hotel wieder verlassen konnten. Fehlanzeige! Auf dem Dach war eine verschlossene Falltür gewesen. Gott, was hatten meine Muskeln gebrannt, als wir uns an den Abstieg gewagt hatten. Mehr als einmal rutschten mir die schweißnassen Hände ab. An diesem Tag hatten Pax und ich beschlossen, dass wir unbedingt mehr Muskelaufbau betreiben und lernen sollten, wie wir unsere Kraft sinnvoll einsetzten. Etwas, das ich den Teilnehmern meiner Kletterkurse in der Kletterhalle in Toulouse fast jedes Mal predigte. Und, bei Gott, manche hatten das Körpergefühl einer Eintagsfliege. Ich bezweifelte, dass sich eine Eintagsfliege viel aus ihrem Körper machte, der nach einem Tag sowieso hinüber war.
Ich hakte meinen Karabiner in den nächsten Steig und zog mich nach oben. An meinen Fingerspitzen kitzelten Grashalme und irgendetwas Glitschiges. Ein Molch?
»Nicht erschrecken, falls ihr an was Nasses oder Glibberiges fasst. Vermutlich Gebirgsmolche«, rief ich über die Schulter.
»Auch das noch«, murrte Younes. Ich zog mich über die Felskante und löste meinen Haken. Wie gerne würde ich ihm einen Molch ins Gesicht strecken.
Vor mir breitete sich der Anblick des kleinen, türkisblauen Bergsees aus. Malerisch von silbergrauen Berggipfeln umgeben und von Büschen umsäumt. Ich atmete die bergfrische Luft tief ein und drehte mich zur Felskante. Najim wuchtete sich zu mir und löste seinen Haken. Dann trat er ein paar Schritte zur Seite, und Younes zog sich mit einem Ächzen hoch.
»Ich schwöre dir, Maui, wenn es dieser See nicht wert ist, sich einen abzumühen, bring ich dich um.« Er löste seinen Haken und trat zu uns. Schweigend betrachteten wir das Gras, das sich bis zum Seeufer erstreckte.
»Bisschen klein für einen Bergsee, oder?« Younes runzelte die Stirn, und ich prustete los.
»Was hast du denn erwartet?«
»Na, zumindest andere Camper.« Er sah sich um. »Hier ist niemand. Und ich habe absolut keinen Bock auf einen Molch in meinem Zelt.«
»Schiss?« Najim zog sich den Rucksack von den Schultern und kramte sein Zelt heraus.
»Vor einem Molch? Du spinnst doch.« Younes ging ein paar Schritte zum See.
Der Kerl war unverbesserlich. Mit etwas Glück würden wir auf weitere Gipfelstürmer stoßen, aber sicher nicht auf Camper.
»Darf man hier überhaupt die Nacht verbringen?«, fragte Najim und bohrte die Karabiner für sein Zelt in den Boden.
»Sicher. Sonst hätte ich euch den Ausflug nicht vorgeschlagen. Es ist sogar Alkohol erlaubt, sofern wir den Abstieg sicher schaffen.« Ich suchte einen windsicheren Fleck für mein Zelt und packte es aus. Das hier war mir alles zu vernünftig … aber vernünftig sollte mein neues Ich sein.
»Und ich dachte, wir machen heute Party auf dem Campingplatz.« Younes setzte sich ins Gras.
»Genieße doch mal die Stille der Natur.« Ich legte meinen Klettergurt und den Helm ab. Sonst überfiel mich in der Ruhe immer das Bedürfnis, meinen Adrenalinspiegel anzukurbeln. Doch die idyllische Umgebung hatte selbst auf mich eine besänftigende Wirkung.
»Party geht auch noch morgen.« Ich schenkte Younes ein aufmunterndes Lächeln, bohrte meine Haken ins Gras und spannte das Seil für mein Zelt. Nur wenig später hatte ich das Stecksystem für das Innengerüst zusammen und die Plane darüber gespannt. Den Schlafsack rollte ich mittig aus. Dann schnappte ich mir zwei Bier, verließ das Zelt und zog den Reißverschluss zu, um der Kälte, die hier sicher mit der Dämmerung einziehen würde, Einhalt zu gebieten.
Ich bot Najim, der schon vor seinem aufgebauten Zelt saß, ein Bier an. Grinsend nahm er es und wies auf Younes, der offensichtlich Probleme mit dem Zeltaufbau hatte. Immerzu warf er es in die Luft, in der Hoffnung, es würde sich entfalten. Was aber nicht geschah.
»Was tust du da?« Ich runzelte die Stirn.
»Das ist ein Wurfzelt«, sagte er. »Es sollte sich in der Luft entfalten und aufgebaut landen. Das klappt aber nicht. Mist, verdammter!«
»Gib mal her!« Najim stellte seine Bierflasche ab, nahm das zusammengefaltete Zelt und warf es wie einen Boomerang in die Luft. Mit einem Plopp landete es. Zusammengefaltet.
»Hast du alle Klettverschlüsse gelöst?« Ich überprüfte das Zelt.
»Natürlich«, empörte sich Younes.
»Die Dinger sind echt scheiße.« Ich warf es selbst. Nichts.
»Du wirst wohl bei einem von uns schlafen müssen«, sagte ich dann achselzuckend und griff zum Bier.
»Auch das noch.« Younes stöhnte und ließ sich neben mich ins Gras fallen. Ich reichte ihm mein Bier, und er trank einen großen Schluck. »Warum genau habe ich mich auf dieses Wochenende eingelassen?«
»Weil wir verdammt coole Typen sind!« Najim prostete ihm grinsend zu.
Celine
Ich rückte näher an das Lagerfeuer, das meine beste Freundin Louna in der Feuerschale vor uns entfacht hatte. Die orangeroten Flammen züngelten an der frischen Abendluft.
»Ob die Jungs heil am See angekommen sind?«, überlegte ich laut. Natürlich hatte ich Louna davon erzählt.
»Nur Übermütige planen eine Übernachtung da oben.« Louna ließ sich neben mich auf die hölzerne Bank plumpsen. »Die haben sicher einen Solar-Heizstrahler mitgenommen.« Sie klemmte sich eine feuerrote Locke hinters Ohr.
»Solarbetrieben, Louna?«, wiederholte Jax, ein Dauercamper aus England, der aus seinem Managementjob im Hotelwesen ausgestiegen war, um wieder zu sich selbst zu finden. Seit mehr als fünf Jahren schon. Lounas Vermutung, dass es eine Midlife-Crisis war, die ihn dazu getrieben hatte, alles aufzugeben, schmetterte er vehement ab.
»Ja, solarbetrieben, Jax«, wiederholte Louna schnippisch. »Bringt ja auch so viel bei Mondlicht, was?« Jax lachte auf und strich über seine Glatze, die er seit einer Woche trug, weil er eine bescheuerte Wette gegen Louna verloren hatte. Sie hatten versucht, eine ganze Nacht lang nebeneinander mit offenen Mündern im Zelt zu schlafen, nachdem sie sich zwei, drei Spinnen hineingeschafft hatten. Nach nur zwei Stunden gab Jax auf, weil er schon überall am Körper Spinnenbeinchen gespürt hatte. Urgh.
Louna rümpfte die Nase. »Jede Wette, dass die Jungs hier morgen total durchgefroren aufschlagen.«
»Mit dir wette ich nicht mehr, Mädchen.« Jax lehnte sich zurück und deutete vielsagend auf seinen Schädel. »Das war mir eine Lehre!«
»Steht dir aber gut. Die Frauen fliegen auf dich.«
»Auf einen Vierzigjährigen in der Midlife-Crisis? Ich bitte dich!«
»Ha!« Louna bohrte ihren Zeigefinger in seine breite Brust im karierten Flanellhemd. »Wusste ich’s doch!«
»Hä?« Jax sah verständnislos zu mir.
»Du hast gerade zugegeben, dass du doch an einer Midlife-Crisis leidest«, sagte ich.
»Grundgütiger! Ihr habt euch doch gegen mich verschworen.« Jax fasste in seinen olivgrünen Rucksack. Er hielt uns auffordernd eine Plastikbox entgegen. »Macarons?«
»Macarons?« Mir lief das Wasser im Mund zusammen. »Woher hast du die denn?«