Lissabon Love - Der Klang eines Sommers - H.C. Hope - E-Book

Lissabon Love - Der Klang eines Sommers E-Book

H. C. Hope

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Beschreibung

Romy kann ihr Glück kaum fassen: Die Weltenbummlerin hat ein Praktikum bei einer Eventagentur ergattert und wird ein Beach Festival in Lissabon organisieren. Aufgeregt reist sie in die portugiesische Hauptstadt und findet sich in einer kunterbunten Mädels-WG mit frechem Hausschwein wieder. Schon am ersten Abend lernt Romy in einer Bar den gutaussehenden Rui kennen. Schnell stellen die beiden fest, dass Ruis Eltern die Firma gehört, die das Beach Festival sponsert. Als Romy dem reichen Firmenerben näherkommt, merkt sie aber, dass sein Herz für seine Gitarre und die Fado-Musik schlägt. Kann Romy ihm helfen, seiner Leidenschaft zu folgen? Und was wird aus den beiden, wenn dieser wunderbare Sommer endet? 

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Seitenzahl: 365

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Lissabon Love - Der Klang eines Sommers

Die Autorin

H.C. Hope wurde 1988 in Oberschwaben geboren und entdeckte ihre Liebe zu Wort und Schrift schon im Grundschulalter. Als stetiges Hobby zog es sich durch ihre Jugend, bis sich 2019, neben ihrer Arbeit als Logopädin, der Traum vom ersten eigenen Buch erfüllte. Sie liebt es mit Cappuccino oder Tee durch neue Welten zu streifen, fantastische Geschichten zu verfolgen und romantische Schicksale zu erleben. Wenn sie nicht liest oder schreibt, dann verwandelt sie die Küche in ihr zweites kreatives Zuhause oder jagt mit Samtpfote Fips durch die heimische Natur.

Das Buch

Romy kann ihr Glück kaum fassen: Die Weltenbummlerin hat ein Praktikum bei einer Eventagentur ergattert und wird ein Beach Festival in Lissabon organisieren. Aufgeregt reist sie in die portugiesische Hauptstadt und findet sich in einer kunterbunten Mädels-WG mit frechem Hausschwein wieder. Schon am ersten Abend lernt Romy in einer Bar den gutaussehenden Rui kennen. Schnell stellen die beiden fest, dass Ruis Eltern die Firma gehört, die das Beach Festival sponsert. Als Romy dem reichen Firmenerben näherkommt, merkt sie aber, dass sein Herz für seine Gitarre und die Fado-Musik schlägt. Kann Romy ihm helfen, seiner Leidenschaft zu folgen? Und was wird aus den beiden, wenn dieser wunderbare Sommer endet? 

H.C. Hope

Lissabon Love - Der Klang eines Sommers

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juni 2022© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-661-3

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Romy

Rui

Kapitel 2

Romy

Rui

Kapitel 3

Romy

Rui

Kapitel 4

Romy

Rui

Kapitel 5

Romy

Rui

Kapitel 6

Romy

Rui

Kapitel 7

Romy

Rui

Kapitel 8

Romy

Rui

Kapitel 9

Romy

Rui

Kapitel 10

Romy

Rui

Kapitel 11

Romy

Rui

Kapitel 12

Romy

Rui

Kapitel 13

Romy

Rui

Kapitel 14

Romy

Rui

Kapitel 15

Romy

Rui

Kapitel 16

Romy

Rui

Kapitel 17

Romy

Rui

Kapitel 18

Romy

Rui

Kapitel 19

Romy

Rui

Kapitel 20

Romy

Rui

Kapitel 21

Romy

Rui

Kapitel 22

Romy

Rui

Kapitel 23

Romy

Rui

Danksagung

Leseprobe: Küstenglück und Meeresrauschen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Motto

Für alle Träumer.

Für alle Planer.

Und für diejenigen dazwischen.

Kapitel 1

Romy

„Okay.“ Ich atmete tief durch und spähte durch den Spalt der halb offen stehenden grellgelben Tür in die WG.

Da, auf dem Parkettboden saß es und starrte mich mit dunklen Knopfaugen an. Feindselig.

Ich klemmte mir eine Strähne hinters Ohr. Sicher spielte mir meine Einbildungskraft nach den Reisestrapazen einen Streich. Oder lag es am Mateus Frosè, dass ich jetzt fantasierte?

Vermutlich.

Nach der Landung am Flughafen Lissabon hatte ich mir den sommerlichen Cocktail aus Erdbeeren, portugiesischem Roséwein, Wild Berry und Wodka gegönnt. Zur Feier meines Sommerbeginns in Portugals Hauptstadt. Es sollte episch werden.

Aus Vorfreude auf die neuen Mitbewohnerinnen war meine Fantasie jetzt hyperaktiv und gaukelte mir ein Hirngespinst vor. Weshalb sonst saß da ein Ferkel? Ein kleines Borstentier mit Stehohren?

Diese unerträgliche Hitze und der Umstand, dass ich außer dem Cocktail seit Stunden nichts mehr getrunken hatte, befeuerten diese Täuschung zusätzlich. Sie war erstaunlich präzise, denn ich bildete mir sogar ein, die säuerliche Duftnote von Schweinemist zu riechen.

Herrje!

Ich blinzelte.

Und blinzelte.

Und blinzelte.

Aber es verschwand nicht. Auch nicht nach dem zehnten Blinzeln.

Finster musterte das Ferkel die Spitzen meiner Lederballerinas. Und jetzt?

Zögernd blickte ich in den Flur, in dem sich High-Heels, Flipflops und Sandalen in hölzernen Weinkisten an der petrolfarbenen Wand stapelten. Eine schwarze Küchenschürze mit dem eingestickten Schriftzug Casa de Aroma hing zwischen Jeansjacken, Hoodies und etwas Undefinierbarem mit Fransen an der Shabby-Garderobe. Es wirkte gemütlich und ein bisschen chaotisch, mit dem Modeschmuck, der auf einer Kommode herumlag, über die sich eine Bildergirlande mit Fotos von strahlenden Gesichtern zog.

Das Ferkel grunzte, und ich zuckte.

Ob es ein Überbleibsel einer schrägen WG-Mottoparty war? Oder aus dem örtlichen Streichelzoo geklaut?

Mir wurde heiß, und ich streifte den Cardigan ab.

„Hallo?“

Mist, wie verhielt ich mich am besten, damit das Tier mich nicht als Bedrohung empfand? Schweine bissen verdammt hart zu, oder? Ich sollte das googeln. Langsam glitt meine Hand in die Handtasche.

Das Ferkel setzte sich in Bewegung. Hielt direkt auf mich zu.

Oh Scheiße!

Ich hüpfte reflexartig über meine Reisetasche hinweg und schloss hinter mir die Tür, bevor es ausbüxte. Jetzt war ich ihm ausgeliefert. Seine Borsten kratzten an meiner Wade, als es sich neben mich setzte.

„Äh, hallo du.“

Vielleicht half die Kontaktaufnahme ja.

Ich musterte den schwarzen Fleck an seinem Köpfchen. Beinahe drollig ...

„Francis! Da bist du ja.“ Eine Portugiesin mit dunklen Locken hastete auf mich zu. Die filigranen Armbänder an ihrem Handgelenk klirrten. „Entschuldige! Das kleine freche Porquinho ist voller Entdeckerfreude. Ich hoffe, sie hat dich nicht erschreckt?“

Francis?!

„Dann gehört es zur WG?“ Ungläubig beobachtete ich, wie meine Mitbewohnerin das Schwein mit einer fließenden Bewegung auf den Arm hob, während es mich mit einem misstrauischen Blick bedachte.

Es fiel mir noch schwer, mein gelerntes Portugiesisch automatisch zu nutzen, aber daran würde ich mich schon gewöhnen.

„Klar! Francis ist unser WG-Haustier, hat Finna das nicht erwähnt? Sie steckt total im Stress, als Köchin in Ausbildung ist das ein Dauerzustand. Da vergisst sie schon mal, unser putziges Haustier beim Bewerbungsgespräch zu erwähnen. Ich bin Yara, und du bist die Neue?“

Putzig? Auweia!

Ich würde mit einem Schwein unter einem Dach leben. Ernsthaft?

Ich hätte mit allem gerechnet, auch mit einem sprechenden Papagei, aber niemals mit einem Minischwein.

„Du hast doch keine Angst vor ihr, oder?“ Yara kraulte Francis am Bauch. Ihre dunklen Augen sprühten vor Neugier. An ihren langgliedrigen Fingern steckten feine Goldringe, die im gedimmten Licht des Flurs glänzten. Wie ihr kleiner Ring im linken Nasenflügel.

„Ähm, ich denke nicht. Allerdings bin ich Schweinen bisher noch nie so nahe gekommen.“

Neues Land, neue Gepflogenheiten.

„Francis ist ein Minischwein. Das heißt, sie bleibt so klein und niedlich. Studien belegen, dass Menschen mit Haustieren glücklicher sind. Und wie kann man den Anblick eines Minischweins nicht zuckersüß finden? Der reinste Schlechte-Laune-Killer, glaub mir.“ Yara stupste Francis vorsichtig an die platte Schnauze. Eine schwarze Locke fiel ihr dabei in die Stirn.

„Okay, und ich dachte, eine Überdosis Schokolade gilt schon als Gute-Laune-Garant. Bisher hat mir das immer geholfen.“

Ich grinste und gewann langsam meine alte Lockerheit zurück. Solange meine Mitbewohnerinnen keine Giftspinnen züchteten, war die Welt in Ordnung. An alles andere würde ich mich schon gewöhnen.

Yara lachte glockenhell auf. „Wir sollten das testen. Schokoeis mit Sahne und Streuseln und dabei eine Runde Francis-Kraulen. Ein Zuckerschock für die Ewigkeit, und wir haben nie mehr schlechte Laune. Komm mit, ich zeig dir die Küche.“

Yaras langer blauer Chiffonrock raschelte, als sie am Ende des Flurs verschwand. Nur das dumpfe Schmatzen ihrer sockenlosen Füße auf dem Parkett war zu hören.

Ich schnappte meine Reisetasche, bevor ich Yara folgte. Das hier war ein bisschen verrückt. Ein origineller Sommeranfang in Lissabon. Ich mochte ihn jetzt schon.

Ich trat in die lichtdurchflutete Küche, an einen massiven Holztisch, über dem ein großer, mit Kritzeleien übersäter Lampion hing. Die alten Holzstühle hatten unterschiedliche Farben, und die weißen Vintageschränkchen fügten sich perfekt in das bunte Flair ein. Die Fenster, vor denen Kräuter in Tontöpfchen wuchsen, gaben den Blick auf Lissabons Straßen frei, durchzogen von gotischen, romanischen und südländischen Häuschen unter einem strahlend blauen Himmel. Die roten Dächer und die bunten Hausfassaden erinnerten mich an eine farbenfrohe Sommerwiese.

„Setz dich, oder besser, such dir deinen Stuhl aus.“ Yara wies auf die Stühle, bevor sie das Gefrierfach des riesigen Kühlschranks öffnete. „Du isst doch Milcheis, oder bist du laktoseintolerant? Sorbet hätten wir sicher auch noch irgendwo.“ Skeptisch betrachtete sie die Eispackungen.

„Milcheis ist prima. Danke.“ Ich lächelte und strich mit den Fingerkuppen über einen türkisen Stuhl, auf den gold- und silberfarbene Punkte gemalt waren. An der Lehne hingen beigelederne Fransen. Was für ein ausgefallenes Teil.

„Wow! Wo habt ihr das Unikat denn gefunden?“

Yara stopfte eine Eispackung in Tetris-Expertise zurück in das überfüllte Gefrierfach und holte zwei Dessertschälchen aus einem der Oberschränke.

„Das war mal ein ganz normaler Stuhl, den ich umgestaltet habe. Es ist Tradition bei uns, dass sich jede neue Mitbewohnerin einen Stuhl aussucht und ihn verschönert. Das hilft bei der ersten Identifikation mit der WG und stärkt das Gefühl des Zu-Hause-Seins. Außerdem bleibt er das ewige Relikt der Erinnerung an diese herrliche WG.“ Yara lud ausgiebig Schokoeis in die Schälchen.

„Was für eine coole Idee. Aber ich werde nur den Sommer über hier wohnen. Ist es dann nicht besser, meinen Stuhl jemandem zu überlassen, der länger bleibt?“, fragte ich.

Meine bisherigen Wohngemeinschaften in München erschienen mir auf einmal richtig langweilig, so ohne Minischwein und Kunstprojekt.

„Egal wie lange du bleibst, dein Stuhl steht dir zu. Altes WG-Ritual. Also such dir einen aus. Der schwarze gehört Miju. Schau dir mal die Holzstäbe an der Lehne an, dort hat sie winzige japanische Schriftzeichen aufgemalt.“

Ich neigte mich nach vorn und entdeckte zahlreiche hauchdünne japanische Schriftzeichen.

„Die sind ja der Hammer! Ist sie Malerin?“

Yara stellte das Eis – eher den Schokoeisberg mit Sahne – auf den Tisch. „Nein. Sie studiert Kunstgeschichte und jobbt im Museum. Ihre Mum ist eine Kalligrafie-Koryphäe in Japan, daher die Idee. Mir würde die Geduld dazu fehlen. Miju hat eine Ewigkeit gebraucht.“

„Beeindruckend. Welcher Stuhl gehört Finna?“ Ich liebäugelte mit einem apfelgrünen, der links vor mir stand.

„Der pinkfarbene. Allerdings hat sie noch nicht angefangen, ihn zu verschönern. Ich bin ja dafür, dass sie ihr Köttbullar-Rezept auf der Sitzfläche verewigt. Glaub mir, es sind die weltbesten.“ Yara grinste.

Ich setzte mich auf den grünen Stuhl, und Yara schob mir das Eis zu.

„Apfelgrün passt zu dir“, urteilte sie.

Ich vernahm ein dumpfes Tappen auf den Holzdielen. Bevor ich mich alarmiert vergewissern konnte, wo das Minischwein abgeblieben war, streifte es schon meine Wade.

Ich ermahnte mich zur Ruhe und versenkte den Löffel im Eis. Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch mein Bein.

„Au!“

Ich fuhr auf, und Francis sauste geduckt davon.

„Ich glaube, sie hat mich gebissen.“

Ein roter Kranz bildete sich auf meiner Haut. Wusste ich’s doch, dass die Biester hinterhältig waren!

„Diese Mistkröte! Sie wird sich an dich gewöhnen“, fluchte Yara und verfolgte Francis, die schnell das Weite suchte. „Böses Schwein! Raus mit dir in den Garten, na los!“

Eine Tür fiel ins Schloss, und Yara kehrte zurück.

„Sorry! Minischweine sind Fremden gegenüber erst mal misstrauisch. Du wirst sehen, in ein paar Tagen hat sie dich richtig lieb. Dann zwickt sie dich nicht mehr. Ich hoffe, es blutet nicht?“ Sie beäugte meine Wade, und ich rieb über die gerötete Bissstelle. Mir war nach Rache ...

„Nein. Das wird höchstens ein blauer Fleck.“

„Gut, dann hegt sie schon Grundsympathie für dich. Leute, die sie nicht ausstehen kann, beißt sie kräftiger. Eigentlich sind Minischweine Rudeltiere, aber ich habe es noch nicht geschafft, Miju und Finna davon zu überzeugen, noch eins anzuschaffen. Deshalb ist Francis wählerisch, wen sie in ihr Rudel aufnimmt.“ Yara kaute nachdenklich auf den Schokoraspeln herum.

Das wunderte mich nicht, dass die anderen Frauen zurückhaltend auf weitere Schweine reagiert hatten. Noch so ein beißendes Tier, darauf konnte ich auch verzichten.

„Dann ist der zarte Biss ein Sympathiebeweis? Ich wusste gar nicht, dass Schweine so anspruchsvoll sind.“

„Wir Menschen sind es doch auch.“

Ich brummte. „Und es ist wirklich artgerecht hier?“

Mein klassisches Bild von tierfreundlicher Schweinehaltung war im Matsch, auf der Wiese und im Stall. Mitten auf einem Bauernhof im Grünen. Idyllisch, sommerlich und naturbelassen wie in den Werbespots im TV.

„Ja, sicher. Francis darf jederzeit in den Garten. Dort steht ihr kleiner Stall, den ich täglich mit frischem Stroh auslege. Wir laufen außerdem im Park spazieren. Mittlerweile befolgt sie sogar Kommandos“, sagte Yara stolz.

Das war absolut verrückt. Und irgendwie spannend.

„Okay. Hat sie sonst Macken, auf die ich achten muss? Keine Möhrchen vor ihr verputzen, damit sie mir nicht die Hand abbeißt oder so?“

Yara lachte herzlich. „Nein. Francis frisst nur aus ihrem Napf. Zum Glück. Aber wenn du Besuch hast, solltest du ihn vorwarnen. Und denk daran, deine Zimmertür vorerst geschlossen zu halten. Bei unserem letzten Mitbewohner Jörn hat sie das Zimmer komplett verwüstet. Sie mochte ihn nie.“ Yara schob sich einen Löffel Schokoeis in den Mund, als wäre es das Normalste der Welt, Tipps für das Zusammenleben mit einem Minischwein zu verkünden.

Hoffentlich akzeptierte mich Francis.

„Also? Finna hat erzählt, du ziehst wegen eines Praktikums her?“, wechselte Yara das Thema.

„Ja, ich werde den Sommer über bei der Eventagentur Coloring Life arbeiten. Die suchen Studenten für die Mitorganisation des Caparcia Beach Festivals. Ich bin total happy, dass ich die Chance bekomme.“ Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus.

„Megacool!“ Yaras Augen leuchteten und verliehen dem Nussbraun einen karamellfarbenen Schimmer. „Dann studierst du Eventmanagement? Das Beach Festival ist eines der Highlights hier. Ich freue mich schon tierisch darauf. Du wirst mich doch hoffentlich mit Insiderinformationen versorgen?“ Sie schob ihre schwarze Lockenpracht, auf die man echt neidisch sein konnte, über die Schulter.

Das Kribbeln in meinem Bauch vervielfachte sich bei dem Gedanken daran, dass ich schon vor dem Festival auf all die engagierten Bands treffen würde. Allesamt Musiker, die auf großen Bühnen auftraten.

„Richtig“, bejahte ich Yaras Annahme. „Ich studiere internationales Tourismus- und Eventmanagement. Was ist mit dir?“

„Psychologie im fünften Semester.“

„Wow!“ Damit hatte ich nicht gerechnet. Auf den ersten Blick hatte ich sie Richtung Mode oder Design geschoben.

„Ich will später Psychotherapie für Kinder und Jugendliche anbieten“, sagte Yara ernst.

„Das ist ein tolles Ziel.“

„Was ist dein Ziel? Eine eigene Agentur? Die Organisation der Oscarverleihung?“

Ich stand auf und räumte unsere Schälchen in die Spülmaschine. „Ich weiß es noch nicht. Möglicherweise will ich tiefer in die Eventplanung einsteigen, um Themen wie Digital Solutions und Nachhaltigkeit zu etablieren. Ähnlich wie Unternehmensberatung, nur an internationale Events gekoppelt.“

Yara hob die Augenbrauen. „Dazu wirst du sicher Erfahrung brauchen, oder?“

„Auf jeden Fall. Es werden noch viele Reisen auf mich zukommen“, bestätigte ich.

„Dann ist Lissabon nicht deine erste Station?“ Yara zupfte an ihrem Nasenring.

„Nein, den Süden Europas habe ich fast schon durch. Ich hoffe, nach dem Praktikum den Norden zu bereisen. Finnland und Schweden, vielleicht sogar Estland.“ Das Baltikum hatte schon immer eine unerklärliche Faszination auf mich ausgeübt. Insbesondere die Esten feierten gerne, und ich war neugierig, welchen musikalischen Schwerpunkt sie ihren Festivitäten verliehen.

„Da wird dir Finna sicher einige Hotspots empfehlen. Sie kommt aus Schweden.“

„Dann sind wir eine Multikulti-WG?“ Ich lächelte bei der Vorstellung, von meinen Mitbewohnerinnen mehr über fremde Kulturen zu lernen. „Ich würde zu gerne ein Schneefestival in Schweden besuchen.“

„Ja, wir sind eine total multikulturelle WG. Modern, was?“ Yara stand auf. „Komm, ich zeige dir dein Zimmer. Dann kannst du dich einrichten, bis Finna und Miju zu uns stoßen.“

„Gerne.“

Notiz an mich:

- Verhaltensplan Francis –

1. Niemals die Zimmertür offen stehen lassen!

2. Das Biest ständig im Auge behalten oder meine Beine mit etwas eincremen, das sie nicht riechen mag (was das sein könnte, muss ich allerdings erst herausfinden).

3. An einer Vertrauensbasis zwischen uns arbeiten (alternativ: Bestechungsversuche mit Möhrchen oder Äpfeln).

4. Schweineexpertin werden (→ unbedingt googeln!).

5. Yara von der Idee abbringen, ein zweites Minischwein anzuschaffen! Dringend.

Rui

„Verdammtes Mistding!“ Ich zog den Stecker des Druckers, und sein Surren erstarb sofort. Es war mir unerklärlich, was andere Menschen an einem höhenverstellbaren Schreibtisch mit Notebook und Sukkulente begeisterte.

Ich hasste es hier. Nicht mal die bodentiefen Fenster, die den Blick auf Lissabons Univiertel freigaben, oder die ledernen Sofas in meinem Büro weckten den Hauch eines Glücksgefühls.

Der Drucker schon gar nicht.

Mürrisch drückte ich den Stecker wieder in die Steckdose und bootete das Gerät neu.

Jäh schob ich die drei leeren Espressotassen beiseite und versuchte, den Aufruf des Sponsorings zum diesjährigen Caparcia Beach Festival erneut auszudrucken.

Wenn ich schon dieses beschissene Marketingpraktikum in der Firma meiner Eltern absolvieren musste, dann wollte ich wenigstens Vorschläge ausarbeiten, die mir etwas Spaß brachten.

Der Drucker röhrte und präsentierte mir eine schief gedruckte Anzeige.

Ich stöhnte auf. „Was zur Hölle läuft falsch bei dir?“

Ich fischte das Papier aus der Ausgabe und steckte es in eine lederne Mappe, bevor ich aus dem Büro hastete und den Flur hinuntereilte. Ich war schon wieder zu spät für das Vorstandsmeeting. Mein Vater würde mich für diese Nachlässigkeit früher oder später umbringen.

Die sieben Vorstandsmitglieder, überwiegend Herren mittleren Alters, saßen alle schon am runden Tisch des verglasten Meetingraums, und der Blick meines Vaters lag streng auf mir, als ich mich auf den Drehstuhl setzte. Nur Maria Gonzales, die Abteilungsleiterin der Näherei schenkte mir ein mildes Lächeln.

„Rui. Wie schön, dass du uns beehrst.“ Vaters Ton troff vor Hohn. Mal wieder.

„Entschuldigt die Verspätung!“

Ich hatte seine Sekretärin Belinda mittels eines Dates bestochen, um meinen Tagespunkt auf die heutige Agenda zu schummeln. Marketingstrategie. Vater würde mir sonst nie erlauben, meine Ideen dem Vorstand zu präsentieren. Das sprengte die traditionellen Strukturen.

Wie das Date mit Belinda, die eindeutig nicht meine Kragenweite war. Also ließ ich sie mit ihrem Krabbencocktail im Restaurant sitzen, nachdem mich mein bester Kumpel Thiago mit einem gefakten Notfalltelefonat von Belindas kirschroten Lippen befreit hatte.

„Bitte, Rodolfo, du hast das Wort“, eröffnete Vater die Sitzung streng, und der Beamer warf eine Präsentation an die Leinwand.

Der Leiter der Vertriebsabteilung klickte durch eine langweilige Folie mit Verkaufszahlen nach der anderen. Die Krönung davon war, dass er sie am Ende statistisch in Altersgruppen eingeteilt als Säulendiagramm präsentierte.

Gähnend langweilig, aber für mein Vorhaben nützlich. Schließlich plante ich, unser Klamottenlabel Costa Roupas zu verjüngen. Diese ewigen Bundfaltenhosen, Anzüge, Bleistiftröcke und Krawatten waren zwar klassisch, aber nicht mehr en vogue. Außerdem ergab die Analyse der Marketingstrategie unserer Konkurrenten eine deutliche Entwicklung zur ressourcenschonenden Produktion. Vor allem aber erreichten wir die jungen Zielgruppen nicht. Uns fehlte das hippe Flair, um wieder angesagt zu sein. Mit einem kreativen und nachhaltigen Label konnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das schien Vater nur wenig zu interessieren, denn er war mit Leib und Seele der konventionelle Geschäftsmann, der gerne einen maßgeschneiderten Anzug mit Seidenkrawatte trug und seinen Kaffee niemals mit Sirup süßen würde.

Nachdem Rodolfo endlich zu einem Ende gefunden hatte, übergab er mir stirnrunzelnd das Wort. Ich stand auf und zog so alle Blicke auf mich.

„Um gleich zum Punkt zu kommen, ich habe mich gründlich mit der Marketingstrategie des Labels auseinandergesetzt, die bisher auf Klassik und einen Hauch von Luxus setzt. Businesskleidung aus qualitativ hochwertigen Stoffen. Damit zielen wir auf eine sichere Zielgruppe, die es auch in zwanzig Jahren geben wird. Das Hahnentrittmuster, das niemals ausstirbt. Trotzdem verpassen wir den Trend der Zeit. Nachhaltige Produktion und regenerative Rohstoffe. Naturfasern, die unter menschenwürdigen Bedingungen geerntet und verarbeitet werden. Färbetechniken, die Ressourcen schützen. Das ist es, worauf der junge Konsument heute achtet. Und genau da will ich Costa Roupas hinbringen.“

Ich zog die schief gedruckte Anzeige aus der Ledermappe und legte sie auf den Tisch.

Die schwarzen Brauen meines Vaters zogen sich zusammen.

„Das ist ein Scherz, oder?“

Er zog das Papier zu sich, überflog die Anzeige und reichte sie meiner Mutter.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Wenn wir neue Zielgruppen erschließen wollen, dann müssen wir sichtbar sein. Vor allem wenn wir eine neue nachhaltige Linie ins Leben rufen. Vielleicht sogar mit Freizeitmode? Überleg doch mal. Es gibt Jugendliche, die eine Ausbildung bei der Bank absolvieren und nicht unbedingt die klassische Linie von Anzügen oder Damenkostümen bevorzugen, sondern nach Alternativen suchen. Am liebsten nachhaltig und aus Naturfasern. Durch ein neues jugendliches Label bieten wir herkömmliche Schnitte mit trendigen Stoffen und legerer Freizeitkleidung an.“

Mutter reichte die Anzeige an einen Mitarbeiter weiter. Ein leichtes Lächeln glitt über ihre mohnrot geschminkten Lippen. „Du schlägst vor, dass wir Sponsor des -945457814 Beach Festivals werden?“, fragte sie spitz.

Ich nickte. „Richtig. Dort tummelt sich genau diese Zielgruppe, die durch Werbeflächen auf uns aufmerksam werden kann.“

Vater fuhr sich über den akkurat gestutzten und mittlerweile schon schwarzgrau melierten Bart. „Ich halte das für unnötigen Aktionismus. Unsere Verkäufe sind konstant. Warum verändern, was funktioniert?“

Sein Ton hatte eine Endgültigkeit, die Mutter und die Hälfte der Abteilungsleiter am Tisch in ihre Stühle sinken ließ.

„Jedes Unternehmen muss eines Tages mit den Trends der Zeit wachsen, um nicht zu versumpfen.“ So schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. „Ein jugendliches Label, preisgünstig mit nachhaltigen Bluejeans oder einem Jackett aus Leinen. Modern und trotzdem ökologisch. Damit bleiben wir zukünftig konkurrenzfähig.“

„Ach, Rui.“ Meine Mutter faltete die Hände. Ihr Zeigefinger spielte mit dem goldenen Ehering. „Bist du sicher, dass dieser Sponsoring-Vorschlag allein auf deiner Geschäftsidee basiert und nichts mit deiner Liebe zur Musik zu tun hat?“

Die Blicke aller Vorstandsmitglieder ruhten gespannt auf mir.

Warf sie mir vor, das Sponsoring des Beach Festivals nur vorzuschlagen, weil ich keine Lust auf dieses Praktikum hatte?

Sie hatte nicht unrecht, ich liebte die Musik, und genau das sollte sie doch nachempfinden können ... Ein kleines Quäntchen Interesse und Spaß brauchte ich zwischen all den sterbenslangweiligen Marketinganalysen und Konkurrenzbeobachtungen.

„Ich denke, es wäre die nächstbeste Gelegenheit, um Sichtbarkeit zu erlangen“, schloss ich meinen Vortrag.

„Auf diesem Festival bin ich oft mit Erfolg aufgetreten“, sagte Mutter an Vater gewandt, dessen Miene sich verfinsterte.

„Du stimmst diesem Unfug doch nicht zu, oder?“

Mutter lächelte unschuldig. Sicher schwelgte sie in Erinnerungen ihrer erfolgreichen Zeit als Fadomusikerin.

„Es ist auch heute noch eines der beliebtesten Festivals in Lissabon, Vater“, gab ich zu bedenken.

Einige Vorstandsmitglieder nickten, während die Fingerkuppen meines Vaters auf den Glastisch tippten. In einem aufdringlichen Rhythmus.

Tipp.

Tipp tipp.

Tipp.

Das Schweigen hing über uns wie Gewitterwolken, die kurz davor waren, sich zu entladen.

„Wir sollten abstimmen“, schlug Rodolfo behutsam vor, und die Atmosphäre verdichtete sich. „Die Satzung besagt, dass über jede Uneinigkeit abgestimmt werden muss.“

Angespannt presste ich die Zahnreihen aufeinander. Die Mehrheit des Vorstands würde für Vaters stagnierende Werbetaktik plädieren.

Er fuhr auf. „Worüber stimmen wir denn deiner Ansicht nach ab? Über ein Hirngespinst meines Sohnes? Ich bitte dich!“

Rodolfo räusperte sich. „Wohl eher darüber, ob wir die Werbefläche für das Label nutzen oder nicht.“

Es war so still im Raum, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte. Trotzdem dachte ich nicht daran aufzugeben, auch wenn ich auf ein emotionales Inferno zusteuerte.

„Und was ist mit der ökologischen Produktion? Der Kleidung für die Jugend? Einer nötigen Veränderung?“, brachte ich sachlich hervor, obwohl mein Blut in Wallung war.

Vater zischte scharf. „Darüber reden wir später! Also? Wer ist dafür, dass wir einen Sponsorenanteil des Caparcia Beach Festivals übernehmen?“, fragte er angesäuert in die Runde. Seine autoritäre Erscheinung mit dem gepflegten Bart und dem durchdringenden Blick aus dunklen Augen störten auch die einzelnen grauen Haare nicht, die anderen Menschen eine Altersmilde verliehen hätten. Er war noch immer der strenge und eigenwillige Vater, den ich von Kindesbeinen an kannte. Ein hart arbeitender und erfolgsverwöhnter Mann. Zu dem er mich ebenfalls formen wollte.

Nervös wartete ich auf Handzeichen der Vorstandsmitglieder. Und tatsächlich, die Mehrheit am Tisch hob, wenn auch verstohlen, die Hand. Maria schenkte mir sogar ein aufmunterndes Lächeln.

Was für eine Überraschung! Ich atmete auf, um mein verräterisches Herz in der Brust zu beruhigen.

Vater überblickte die Runde, und der Zug um seinen Mund straffte sich.

Ich erwartete ein Donnerwetter.

Aber es kam nicht.

„Fein. Das Abstimmungsergebnis ist eindeutig. Dann werden wir als Sponsor auftreten. Rui, du wirst das übernehmen. Eigenständig!“ Damit erhob Vater sich und würdigte mich keines weiteren Blickes, während er mit energischen Schritten den Raum verließ und nur seine herbe Aftershavefahne zurückblieb. Mein Sieg musste demütigend für ihn sein und eine tiefe Kerbe im Stolz seiner Führungspersönlichkeit hinterlassen.

Ich wagte es nicht, zu sprechen. Die Runde löste sich auf, und ich fischte den Ausdruck vom Tisch. Mutter legte mir die Hand auf die Schulter, ehe sie den anderen wortlos folgte. Sie hatte sich nicht offen gegen meinen Vater gestellt, um seine Position nicht zu untergraben. Und trotzdem bedeutete mir ihre kleine Geste etwas. Vielleicht war es an der Zeit für Veränderungen. Vielleicht standen mir jetzt Möglichkeiten offen, etwas in der Firma zu bewegen. Meine Handschrift zu hinterlassen. Oder vielleicht wurde das alles ein kompletter Reinfall.

Dennoch freute ich mich auf die Arbeit als Sponsor. Hoffentlich war es nicht schon zu spät, sondern noch gute Sponsorenjobs verfügbar ...

Kapitel 2

Romy

„Och, komm schon!“ Yara verschränkte die Arme und beobachtete jede meiner Bewegungen. Müde verstaute ich die Klamotten aus dem Koffer im weißen Shabby-Schrank an der anthrazitfarbenen Wand.

„Jeder Einzug wird gefeiert. Das ist eiserne Tradition. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, nörgelte sie.

Von Routinen und Gewohnheiten konnte ich ein Lied singen. Insbesondere von regelmäßigem Schönheitsschlaf, den ich jetzt bitter nötig hatte. „Wir feiern morgen, okay?“ Die Vorstellung, mich heute mit lauter Musik und einem Drink in der Hand auf einer Tanzfläche zu tummeln, rang mir lediglich ein Gähnen ab.

„Die Bar ist nur ein paar Häuser weiter“, bekräftigte Finna, die gerade eine blonde Haarsträhne zwirbelte. Die Schwedin war vor einer Stunde von ihrer Schicht im Casa de Aroma heimgekehrt und hatte mir sofort angeboten, Abendessen zu kochen, was ich dankend abgelehnt hatte. Yaras Eis lag mir noch schwer im Magen.

„Komm schon, Romy! Nur für einen Drink.“ Yara war eine harte Verhandlungspartnerin. Natürlich war es verlockend, die umliegenden Gassen zu erkunden und meine Mitbewohnerinnen besser kennenzulernen. Noch hatte ich von Lissabon kaum mehr als den Flughafen und die Straßenbahn gesehen, die mich hierher ins Univiertel gebracht hatte. Die Vorstellung, demnächst in samtweiche Kissen zu sinken, war reizvoller.

„Und wenn ich euch verspreche, morgen sogar mit zwei Drinks zu feiern?“

„Dann brichst du unsere WG-Tradition und setzt damit einen uralten WG-Fluch frei. Willst du schuld daran sein, wenn uns demnächst Pleiten, Pech und Pannen heimsuchen?“ Yara verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ganz ehrlich? Dazu braucht es keinen Fluch“, murmelte Finna. „Und wenn, dann möchte ich nicht erleben, wie er dir zusetzt. Ich fürchte, dann sind wir bald obdachlos.“

„Na, so schlimm bin ich auch nicht, oder?“ Yara rümpfte die Nase.

„Öhm.“ Finna fasste ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Lass mich nachdenken. Erzähle ich deine Missgeschicke in chronologischer Abfolge, seit ich dich kenne? Oder gestaffelt nach deren Ausmaß?“

„Oh Gott, ich will gar nicht mehr hören! Also schön, ich komme mit. Aber nur auf einen Drink. Bevor der WG-Fluch uns eine Bruchbude beschert“, ließ ich mich breitschlagen. Noch nie war ich fantasievoller zu einem Drink überredet worden. „Obwohl ich nicht abergläubisch bin.“

Yara klatschte in die Hände. „Yeah, der Fluch wurde abgewendet, und wir bleiben vom Pech verschont.“ Sie warf einen Seitenblick auf Finna. „Und wer überredet Miju? Einen Einzug feiern wir nicht ohne sie! Tradition bleibt Tradition!“

„Ist sie schon zu Hause?“ Finna stand auf.

Yara zuckte mit den Schultern. „Du kennst sie doch. Sie verschwindet meistens gleich in ihrem Zimmer.“

Das klang nach einer schüchternen Mitbewohnerin. „Wohnt sie noch nicht lange hier?“ Ich schloss die Schranktür und verstaute den Koffer unterm Bett.

„Doch, doch. Sie ist fast zeitgleich mit mir eingezogen. Wir waren die Stammbesetzung, bis Finna vor einem Jahr dazukam.“ Yara zupfte an ihrem Nasenring. „Miju ist eher der stillere Typ.“

„Und ich dachte, du bist die feinfühlige Psychologin unter uns, mit dem Händchen für sensible Menschen“, bemerkte Finna an der Tür.

„Das ist richtig. Aber du weißt, wie unsere letzte Auseinandersetzung geendet ist“, erwiderte Yara zerknirscht.

„Ach ja, das.“ Finna stöhnte. „Die beiden haben die ganze WG unter Wasser gesetzt. Das war eine Sauerei.“

„Wie das?“ Jetzt war ich wirklich neugierig.

„Miju hat mich wahnsinnig gemacht mit ihrem Schweigen, und ich hatte in meiner Schimpftirade vergessen, dass ich nebenher ein Bad für Francis eingelassen habe.“ Yara lächelte entschuldigend. „So was kann durchaus mal passieren.“

Finna schnaubte. „Glaub mir, das passiert nur jemandem, der feurige Moralpredigten in mindestens zwanzigminütiger Länge auf Lager hat. Der WG-Fluch hätte uns also wegen Yara umgebracht.“

Ich grinste bei der Vorstellung, wie Yara gefangen in ihrer Standpauke das Bad überschwemmte.

„Auweia! Ich hoffe, der Schaden war nicht zu groß?“

„Na, ja ... äh ... das Bad war sowieso sanierungsbedürftig. Dank mir hat es jetzt Fliesen“, druckste Yara herum. „Da sickert wenigstens nicht so schnell Wasser durch“, fügte sie mit erhobenem Zeigefinger hinzu.

Herrlich.

Nach etlichen Stylingtipps von Yara stand ich im Jeansrock und weißem Seidentop im Wohnzimmer vor einer üppigen senfgelben Couchlandschaft mit petrolfarbenen, anthrazitfarbenen und – ernsthaft – giftgrünen Kissen. Neben dem riesigen Flachbildfernseher ragten aneinandergereiht drei Regale auf, in denen ich Bilder, Liebesromane, Blu-rays, Salzlampen und Cocktailgläser entdeckte. Auf einem kleinen Beistelltisch stand ein Plattenspieler und eine Auswahl von Jazz-Schallplatten. Vereinzelt lagen goldene Armreife herum. Ein gemütliches kleines Chaos. Nur diese giftgrünen Kissen setzten mir zu. Ich hob eines an, und meine Finger versanken in weichem Plüsch. Auweia! Ich platzierte es geschickt hinter einem petrolfarbenen Kissen. Vermutlich war die Zusammenstellung Yaras Werk und somit nicht verhandelbar.

Ich trat zur Glasfront und blickte hinaus in den kleinen heckenumsäumten Garten im Schein einer Straßenlampe.

Francis lag in ihrem Unterschlupf unter sternenklarem Nachthimmel. Was für ein Leben.

Schnell kramte ich mein Handy aus der Tasche, um meiner besten Freundin Jana Bilder von meinem Zimmer und der WG zu schicken. Ich hatte mich seit meiner Ankunft noch nicht bei ihr gemeldet.

Ein Rascheln hinter mir ließ mich aufschrecken. Eine schlanke Japanerin mit seidig schwarz glänzendem Haar betrat den Raum.

„Hi, ich bin Romy.“

Sie nickte scheu. „Miju.“

„Freut mich, dich kennenzulernen. Ich habe vorhin schon deinen Stuhl bewundert. Wahnsinn, wie talentiert du bist.“

Miju spielte mit dem filigranen Armband an ihrem Handgelenk. „Vielen Dank!“

Ihr Blick wanderte zum bodentiefen Fenster und in den Sternenhimmel. Sie wirkte im Schein des Mondes zart und zerbrechlich. Mit ihrer fein geschnittenen Nase und dem weichen Ausdruck ihrer Augen sah sie fast feenartig aus, als wäre sie direkt dem Cast von „Der Herr der Ringe“ entsprungen.

„Geht ihr abends öfter aus?“, fragte ich, um das unangenehme Schweigen zwischen uns zu brechen.

„Yara und Finna regelmäßig.“

„Und du nicht?“

Sie schüttelte den Kopf.

Ich knabberte auf meiner Unterlippe. Wo blieben denn die anderen beiden? Es fiel mir schwer, das Gespräch mit Miju aufrechtzuerhalten.

„Yara hat erzählt, dass du im Museum jobbst? Das stelle ich mir superspannend vor.“

Miju riss ihren Blick vom Nachthimmel los. „Ja, ich arbeite im Museu Nacional de Arte Antiga. Ein Kunstmuseum.“

Lag da ein zartes Lächeln auf ihren Lippen?

„Vielleicht führst du mich demnächst dort herum und zeigst mir die Kunstausstellung?“

Mijus dunkle Augen weiteten sich. „Im Museum?“

„Klar. Warum denn nicht?“

„Dort sind bedeutende Kunstwerke aus Kirchen und Klöstern. Skulpturen aus sieben Jahrhunderten und Meisterwerke der Gold- und Silberschmiedekunst. Ich weiß nicht, ob das sonderlich cool ist.“ Sie zog die Stirn kraus, als würde sie mir bei einer Tombola eine Niete unterjubeln.

„Das klingt doch faszinierend. Ist es nicht eines der bedeutungsvollsten Museen in Lissabon? Das stand zumindest im Reiseführer“, erklärte ich.

Miju sah mich an, als wäre ich mit einem Ufo im Wohnzimmer gelandet.

„Ich meine es wirklich ernst“, bekräftigte ich.

Miju nickte langsam. „In Ordnung.“

Warum glaubte sie, dass mich Kultur nicht interessieren würde? Ich wollte die Stadt in all ihren schillernden Facetten kennenlernen. Dazu gehörte auch, ihre Geschichte zu erleben. Den Lebensstil zu verstehen, den die Menschen repräsentierten.

„Also, Ladys? Bereit für ein bisschen Spaß?“, rief Yara aus dem Flur.

Wenig später liefen wir die enge, mit unebenen Steinen gepflasterte Gasse vor unserer WG entlang, bis wir auf die Hauptstraße mit der Standseilbahn trafen. Dankbar über den glatten Beton, der kein Minenfeld von Stolperfallen war, folgte ich meinen drei Mitbewohnerinnen.

Der Laternenschein tauchte die hellbeigen Häuschen in ein antikes Flair, und der laue Nachtwind weckte das Sommergefühl in mir. Aus offen stehenden Fenstern drang leise Musik. Klagende Laute, die sich über das Brausen des Verkehrs der fernen Hauptstraße erhoben. Fehlte nur noch das Wellenrauschen des Atlantiks.

Yara erklärte mir ununterbrochen, wer in welchem Häuschen wohnte, und winkte den Menschen auf den kleinen Balkonen durch den Zigarrennebel zu. Anscheinend kannte sie das ganze Viertel. Ein Mann mit Schnauzbart prostete ihr mit einem Weinglas zu.

„Das ist Carlo. Wir beide hatten im Rahmen meines Studiums schon das Vergnügen. Ein klasse Kerl. Er war es übrigens, der unser Bad neu gefliest hat. Carlo ist sozusagen mein Notfall-Hausmeister.“

Finna brummte. „Wenn du seine Fähigkeiten testen willst, Romy, dann brauchst du Yara nur für einen Nachmittag lang alleine in der WG lassen. Danach gibt es garantiert etwas, das Carlo reparieren muss.“

Yara boxte ihr freundschaftlich in die Rippen. „Gar nicht wahr.“

Miju kicherte leise.

„Entweder es brennt etwas, oder ein Küchengerät gibt auf magische Weise den Geist auf, oder das Türschloss klemmt“, zählte Finna auf.

„Der Mixer war schon zu alt, Finna. Es war nicht meine Schuld, dass er Funken geschlagen hat. Ich hatte ihn ordnungsgemäß eingesteckt.“ Yara zog einen Schmollmund.

„Nachdem ich dir hundertmal gesagt habe, dass das Teil zu alt ist und du deinen Grünkohl-Smoothie mit meinem Mixer zubereiten sollst.“

Die beiden zankten sich wie ein altes Ehepaar.

„Ernsthaft, Yara? Grünkohl?“ Ich zog eine Grimasse.

„Grünkohl ist ein Superfood und eine Nährstoffbombe. Außerdem schützt er vor Erkältungen und ist ein zuverlässiger Eisenlieferant. Weißt du, wie viele Leute unbemerkt an Eisenmangel leiden? Haufenweise.“ Yara kramte einen Spiegel aus ihrer gefransten Handtasche und überprüfte ihre Locken, die sie mit einem goldenen Haargummi zu einem Messy Bun aufgetürmt hatte. Wilde Wellen hatten sich daraus gelöst und umrahmten ihr herzförmiges Gesicht.

„Deine Grünkohl-Chips waren lecker“, räumte Finna ein.

„Grünkohl-Chips? Ich finde das Gewächs und alles, was daraus gemacht wird, eklig.“ Ich dachte dabei an die Grünkohlbratlinge meiner Oma, die staubtrocken schon auf der Gabel zerbröselten. Brr!

„Ach was! Kross und mit etwas Meersalz und Quarkdip sind die köstlich. Ehrlich!“ Yara schob den Spiegel zurück in die Handtasche.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, bitte verschone mich.“

„Glaub mir, dein Grünkohltrauma werde ich schon wegtherapieren.“ Yara grinste frech und harkte sich bei mir ein.

Ich sah dem Grünkohlunheil direkt entgegen.

Wir erreichten eine niedliche Bar inmitten einer Kalksteinhäuserfront mit bodentiefen Fenstern. Der neonblaue Schriftzug Boa Bebida flimmerte zwischen LED-Fackeln über einer hölzernen Terrasse. Zarte Housebeats hallten in der milden Nachtluft. Überall standen Palmen, auf den Tischen flackerten LED-Lampen, daneben befand sich jeweils eine Schale mit Knabbereien. Yara führte mich zielstrebig ins Innere der Bar, die überraschend rustikal erschien. Ich staunte über die deckenhohen gläsernen Regale, die ebenfalls in blaues Neonlicht getaucht waren. An den alten Holzbalken über der Bar hingen Lichterketten aus Glühbirnen. Eine urige Kombination, die trotzdem Gemütlichkeit verströmte. Die Korbsitze an den hölzernen Tischen waren mit bunten Kissen versehen. Yara dirigierte mich zu den letzten freien Barhockern an der Theke.

Ein Barkeeper in schwarzem Achselshirt mit raspelkurzem braunem Haar und ausdrucksstarken Augenbrauen schenkte uns ein strahlendes Lächeln.

„Yara!“ Er öffnete die Arme.

„Olà, Thiago.“ Sie umarmte ihn innig. „Romy, das ist Thiago. Der beste und heißeste Barkeeper in der Stadt.“

Täuschte ich mich, oder färbten sich Yaras Wangen rot?

Thiagos Lächeln wurde noch breiter.

Ob er ihr fester Freund war?

„Hi, dann bist du die Neue? Die Mädels waren schon aufgeregt, wer da bei ihnen einzieht.“ Er lehnte sich auf den Tresen. Seine honigbraunen Augen glitten neugierig über mein Gesicht.

„Ich bin Romy“, stellte ich mich ein wenig verlegen vor.

Sein charmantes Grübchenlächeln fegte mir gefühlt eine beträchtliche Anzahl von Worten weg.

„Romy.“ Er wiederholte meinen Namen genießerisch, als würde er ihn auf der Zunge zergehen lassen. Dann tippte er sich mit dem Zeigefinger an seine geschwungene Oberlippe und griff zu einer Schnapsflasche. „Darf ich dich mit einem Drink überraschen, von dem ich denke, dass er dir schmecken wird?“

Ich blinzelte verblüfft und versuchte, meinen Wortschatz wiederherzustellen. „Denkst du denn, dass du das schaffst?“ Ich setzte mich.

„Was für eine niedliche Frage. Natürlich schaffe ich das!“

„Er ist der Beste, was Drinks angeht, glaub mir. Er hat sogar Miju von seinen Künsten überzeugt“, bekräftigte Finna.

„Ein interessantes Vorhaben. Da lasse ich mich gerne überraschen.“ Langsam gewann ich meine gewohnte Lockerheit wieder und verfolgte Thiagos fließende Bewegungen, mit denen er Eis, roten Likör, einen Schuss Cognac, Ananassaft und Brombeeren in den Shaker gab. Dabei fesselte mich nicht nur das Muskelspiel seiner Oberarme, sondern auch die merkwürdige Kombination von Weinbrand und Saft.

„Ein Cocktail mit Cognac? Für eine Unbekannte ein gewagter Tipp“, überlegte ich laut. Mit Cognac verband ich bisher die Getränkewahl von älteren Herren im Ohrensessel. Stilvoll im buttergelben Lichtschein einer altmodischen Schirmlampe, umnebelt von Zigarrenrauch und mit Skatkarten auf einem massiven Holztisch.

„Abwarten.“ Thiago schüttelte den Edelstahlshaker, und die braun gebrannte Haut über seinem muskulösen Oberarm straffte sich. Ob er Schwimmer war? Seine breiten Schultern und die schlanke Taille sprachen dafür.

Thiago goss den Cocktail in ein dünnes Longdrinkglas und garnierte es mit einer Scheibe Ananas.

„Bitte sehr, die Dame, ein Blackberry Sidecar für dich.“ Er schob mir den Drink zu.

Mit dem Strohhalm wirbelte ich das Crusheis auf. Dann schnupperte ich am Glasrand. Die Karamellnote des Cognacs und die fruchtige Süße der Ananas drangen mir sofort in die Nase. Ich sollte dem Drink eine Chance geben. Spontan sein. So was eben.

„Was, wenn er nicht schmeckt?“, fragte ich und zog die entrüsteten Blicke meiner Mitbewohnerinnen auf mich.

Neben mir bewegte sich jemand im Halbdunkeln. Der Barhocker knarzte, und eine Hand, die ein Weinglas umfasste, erschien in meinem Sichtfeld.

„Glaub mir, er wird dir schmecken!“, sagte eine männliche Stimme.

Ich sah geradewegs in ein Augenpaar unter einem dichten schwarzen Wimpernkranz, das mich an die Farbe von Espresso erinnerte. Ein erdiges und warmes Braun. Eines von der Sorte, das als Kuscheldecke nie auf einer gemütlichen Couch fehlen durfte.

Der Kerl musterte mich offen, und seine Augenbrauen hoben sich unmerklich. Die Linie der linken wurde von einer blassen Narbe unterbrochen, wie eine Pause in einem perfekten Musikstück. Ob sie von einem Piercing stammte?

Mein Blick wanderte weiter über die schmale Nase bis zu seinem breiten Kiefer, der von einem gepflegten Bartschatten bedeckt wurde.

Nein, er war nicht der Typ für ein Piercing. Obwohl ihm der Bartwuchs etwas Verruchtes verlieh.

Wow! Ich sollte aufhören, ihn so anzustarren. Dabei war ich noch nicht mal weiter als bis zum Lederband um seinen Hals gekommen, dessen Kreuzanhänger sich unter dem Ausschnitt eines smaragdgrünen Shirts abzeichnete.

„Das ist Rui“, stellte Yara den Unbekannten vor. „Thiagos bester Freund. Man bekommt sie quasi nur im Doppelpack.“

Rui verzog die Lippen zu einem milden Lächeln. „Freut mich.“

Ich riss mich von seinem faszinierenden Gesicht los. „Äh, hi!“ Shit! Schon wieder Wortfindungsprobleme.

Jetzt war es an der Zeit, den Cocktail zu probieren. Und sei es nur, um mein Starren galant zu überspielen.

„Das ist kein Wingman-Ding, falls du das denkst.“ Thiagos Finger wanderte zwischen seiner eigenen und Ruis Brust hin und her.

Rui hob das halb volle Weinglas an. „Wir testen die neue Portweinlieferung.“ Etwas Unschuldiges lag in seinem Ton. Ob er auch kellnerte?

Verstohlen musterte ich seinen Oberkörper und die sehnigen Beine in der grauen Jeansshorts, die locker auf seiner Hüfte saß.

„Höre ich da Portwein?“ Finna hopste vom Barhocker. Flink pflückte sie Rui das Weinglas aus der Hand und roch daran. Für einen kurzen Moment schloss sie hoch konzentriert die Augen.

„Ich rieche Tempranillo“, sagte sie.

„Fast. Du hast ein gutes Näschen, Finna. Aber es ist die Tinta Barroca.“ Rui lächelte verschmitzt, und ich erwischte mich schon wieder dabei, wie ich heimlich seine ausdrucksstarken Augen bewunderte. Ich war noch keine vierundzwanzig Stunden hier und schwärmte schon für einen Wildfremden. Eindeutig das Sommerfeeling, das mich überkam. Normalerweise war ich strukturiert, durchgeplant und niemand, der nach wenigen Sekunden ins Schwärmen verfiel. Es sei denn, es ging um ferne Kulturen. Was Männer anging, war ich wählerisch und auf der Schwärmskala bei einer ersten Begegnung gefühlsmäßig höchstens bei einer Fünf.

Das hier ... puh ... war mindestens eine Sieben.

„Bist du Weinkenner?“, fragte ich schließlich, um mich von meinen verwirrten Überlegungen abzulenken. Das endete sonst im Uferlosen.

Rui wehrte ab. „Um Himmels willen, nein. Aber Portwein ist der meisthergestellte Wein hier. Meine Großmutter steht total drauf, deshalb möchte ich ihr einen besonderen zum Geburtstag schenken. Und das nötigt mich dazu, Portweine zu probieren. Ich glaube, danach bleibe ich wieder beim Bier.“

Das überraschte mich, denn diese Mühe für seine Großmutter war irgendwie ... süß. Aber wie gut kannte ich ihn schon?

Finna, die noch immer Ruis Weinglas hielt, drehte es und studierte die Schlieren, die das tiefe Rot zog. „Eigentlich ist Port ein Likörwein und wird in kleinen Gläschen serviert. Er schmeckt exzellent zu Desserts. Wenn du etwas Besonderes für deine Großmutter suchst, Rui, dann teste den weißen.“

„Hier hast du deine Weinexpertin.“ Rui nahm ihr das Glas ab. „Wir hatten schon einige Weinabende in der WG unter Finnas Expertise.“ Er grinste. „Ich hätte nicht geglaubt, dass es Weine aus Schweden gibt.“

„Dann kennst du die Mädels schon länger?“ Ich war neugierig darauf, mehr über meine Mitbewohnerinnen zu erfahren.

„Ja, über Thiago. Yara feiert öfter hier, und so kam eins zum anderen. Du bist da in eine echt tolle WG geraten.“ Rui zwinkerte.

Den Eindruck hatte ich auch.

„Thiago, ich nehme auch ein Gläschen weißen Portwein“, bat Finna. „Im Likörglas bitte, danke.“

Thiago zog eine Grimasse und wies im Vorbeigehen auf das Longdrinkglas vor mir. „Vergiss nicht, deinen Drink zu probieren. Oder willst du lieber Portwein?“

„Nein, nein. Ich probiere“, versprach ich und saugte am Strohhalm. Eine herbe Süße breitete sich in meinem Mund aus, die trotz des Cognacs erfrischend prickelte.

„Und? Volltreffer?“ Thiago lehnte sich siegessicher auf den Tresen.

„Sehr lecker!“ Ich trank zufrieden einen großen Schluck. Ich hatte heute nicht nur ein Minischwein, sondern auch eine flippige Mitbewohnerin, eine schüchterne Mitbewohnerin, eine genussliebende Mitbewohnerin und einen begnadeten Barkeeper mit einem äußerst anziehenden Kumpel kennengelernt.

Lektion des Tages: Neue Spuren entstehen nur dort, wo noch niemand Fußabdrücke hinterlassen hat!

Rui

Unglaublich fesselnd, wie sich Romys Stupsnase rümpfte und ihre kupferfarbenen Sommersprossen nach oben glitten. Wie eine Schar Ameisen. Sie stammte definitiv nicht aus Portugal, denn ich kannte keine Portugiesin mit so vielen Sommersprossen. Die meisten besaßen Yaras warmen Teint.

Romys Urteil über den Blackberry Sidecar überraschte mich nicht. Thiagos Talent, den Leuten an der Nasenspitze abzulesen, welcher Drink zu ihnen passte, war legendär. Ihm verdankte die Boa Bebida den ausgezeichneten Ruf, der regelmäßig Touristen anlockte, die sich vom Barkeeper mit den „hellseherischen Fähigkeiten“ bedienen lassen wollten. Für Thiago war es Erlebnisgastronomie, ich sah es als seine Berufung.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie mich Romy heimlich taxierte.

„Dann bist du heute eingezogen?“ Ich nutzte die Gelegenheit, um mehr über sie zu erfahren, während Yara mit ihrem passionierten Geplapper Thiago ein strahlendes Lächeln entlockte. Wie immer, wenn ich die beiden zusammen erlebte.

„Ja, ich bin wegen eines Sommerpraktikums in der Eventmanagementbranche hergezogen“, verriet sie.