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Ein dramatisch-romantischer Roman um eine Liebe unter denkbar schlechten Vorzeichen! Nie hätte Sky gedacht, dass sie sich Hals über Kopf verlieben würde, bis Donnie in ihr Leben tritt. Doch die beiden leben nicht nur in unterschiedlichen Welten, sondern scheinen auf den ersten Blick grundverschieden. Während Sky wohlbehütet in einer Gated Community aufwächst und es ihr an nichts mangelt, ist für Donnie das Leben ein täglicher Kampf. Er hält sich mit drei Jobs nur mühevoll über Wasser und kümmert sich in jeder freien Minute aufopfernd um seine schwer kranke Mutter. Doch wo die Liebe hinfällt, da interessieren Status, Geld und Ansehen wenig. Leider haben Sky und Donnie die Rechnung ohne Skys Eltern gemacht, die sich ihrer Liebe mit aller Macht in den Weg stellen ... »White Trash Beautiful« von Mia Hansen ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!
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Seitenzahl: 394
Veröffentlichungsjahr: 2017
Mia Hansen
Roman
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Ein dramatisch-romantischer Roman um eine Liebe unter denkbar schlechten Vorzeichen!
Nie hätte Sky gedacht, dass sie sich Hals über Kopf verlieben würde, bis Donnie in ihr Leben tritt. Doch die beiden leben nicht nur in unterschiedlichen Welten, sondern scheinen auf den ersten Blick grundverschieden. Während Sky wohlbehütet in einer Gated Community aufwächst und es ihr an nichts mangelt, ist für Donnie das Leben ein täglicher Kampf. Er hält sich mit drei Jobs nur mühevoll über Wasser und kümmert sich in jeder freien Minute aufopfernd um seine schwerkranke Mutter. Doch wo die Liebe hinfällt, da interessieren Status, Geld und Ansehen wenig. Leider haben Sky und Donnie die Rechnung ohne Skys Eltern gemacht, die sich ihrer Liebe mit aller Macht in den Weg stellen …
Vorspann
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
White trash (Am.) [pej.] – weißer Abschaum {m}, weißes Pack {n}, abfälliger Ausdruck für weiße Menschen der Unterschicht, vor allem in den Südstaaten der USA
»Sky?« Die Stimme ihrer Mutter schallte durch das ganze Haus und riss sie aus dem Schlaf. Sky lief schlaftrunken die Treppe hinab, durch das Wohnzimmer und zum Eingangsbereich, wo ihre Mutter an der offenen Tür auf sie wartete. »Ein Paket für dich!«
Wie konnte ihre Mom Sharon nur so gut gelaunt sein? Sogar in den frühen Morgenstunden wirkte sie perfekt, vom Scheitel bis zur Sohle, in ihrem beige-schwarzen sehr klassischen Chanel-Kostüm. Selbst der kirschrote Lippenstift durfte um kurz nach acht Uhr nicht fehlen. Es war Samstag, doch gerade an den Wochenenden hatte das Immobiliengeschäft ihrer Mutter Hochkonjunktur. Deshalb die morgendliche Frische. Anders als Sky, die ihr schulfreies Wochenende in vollen Zügen genießen wollte. Eigentlich plante sie, die Nacht bei ihrer Freundin Bella in Long Beach zu verbringen. Es sollte eine Pyjamaparty werden, nur mit den Mädels. Sie hatte sich darauf gefreut, mit Bella, Karen und Tiff zu klönen, Supernatural in Endlosschleife zu gucken und Unmengen von Karamell-Popcorn und Schokolade in sich hineinzuschaufeln. Doch kaum, dass ihr Vater sie bei Bella in Long Beach abgesetzt hatte und verschwunden war, tauchte Lenny, Bellas Freund, mit zwei Schulkameraden aus seinem Jahrgang auf. Binnen einer halben Stunde waren ihre Freundinnen mit den Jungs beschäftigt gewesen und Sky das fünfte Rad am Wagen. Sie hatte sich noch vor Mitternacht von ihrem Vater abholen lassen – unter dem Vorwand, dass sie sich nicht wohlfühlte.
Im Pyjama, barfuß und mit ihrer losen Zahnspange klappernd ging sie zur Tür und kümmerte sich keinen Deut darum, wie lottrig sie aussah. Zu ihrer Überraschung war es nicht Ferguson, der für ihren Bezirk zuständige Paketbote, der mit dem pinken Paket vor der Tür stand. Der Bote trug trotz knackiger zehn Grad die dunkelblaue Sommeruniform des Paketdiensts. Bislang war ihr niemand untergekommen, der in dem unförmigen Outfit derart gut aussah. Er bot einen hübschen Anblick am frühen Morgen.
Schlagartig war sie hellwach. Der Schnuckel hatte muskulöse Arme, mit zahlreichen fast flächigen Tattoos bis zu den Handgelenken. Bunt und sehr fantasievoll. Ob sie wohl eine tiefere Bedeutung besaßen? Die Muster luden zum Erkunden ein. Seine Beine waren ebenfalls tätowiert, doch nicht völlig bedeckt mit der Körperkunst. Auf den Fingerknöcheln seiner linken Hand, mit der er das Päckchen und das Unterschriften-Pad an seine Brust presste, stand das Wort True. Der Paketbote fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkelbraunes kinnlanges Haar und ermöglichte Sky den Ausblick auf ein weiteres Tattoo. Stay, las sie. Er war der Typ Mann, vor dem ihre Eltern sie stets warnten. Ihre Mom bekam vermutlich bereits bei seinem rebellischen Aussehen Ausschlag.
Stay True – Bleib dir treu! Ein nettes Lebensmotto.
Sky wandte ihren Blick in Richtung Kopf und sah in wunderschöne himmelblaue Augen. Wow! Sie stachen aus seinem hellen Gesicht mit den markanten Wangenknochen und den sinnlichen Lippen. Er war ein hübscher Mann, und sie stand vor ihm, frisch aus dem Bett geklettert und völlig zerrupft.
»Skylar Jameson?«, fragte er. Seine Stimme klang wie dunkler Samt. Tief und eindeutig maskulin. »Ich hätte ein Päckchen für dich.«
Sky nickte. »Und das hätte meine Mom nicht annehmen können? War keiner an der Pforte?« So erfreulich sein Anblick am Morgen war, sie schämte sich für ihr Schreckschrauben-Outfit, und dank der Zahnspange nuschelte sie auch noch, als hätte sie einen über den Durst getrunken.
»Nein«, sagte er mit einem Lächeln, das einen Eisberg zum Schmelzen bringen konnte. Ausgeprägte Grübchen zeigten sich auf seinen Wangen mit dunklem Bartschatten. »Ich wollte wissen, wer sich hinter diesem klangvollen Namen Skylar verbirgt.«
Seine Worte schmeichelten ihr. Vermutlich hatte ihr Gesicht inzwischen die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. Der Kerl hatte verdammtes Glück, dass ihre Mutter inzwischen mit einem Telefonat beschäftigt schien und nichts gehört hatte. Gestikulierend lief Sharon mit ihrem Smartphone am Ohr im Wohnzimmer auf und ab. Nein, ihre Mom war so vertieft in das Gespräch, dass neben ihr eine Bombe hochgehen könnte. Sie hätte wahrscheinlich den Wachdienst oder sogar die Polizei gerufen, wenn sie den Kommentar gehört hätte.
»Zufrieden?«, erwiderte Sky dennoch im Flüsterton, nachdem sie erneut einen Schulterblick zu ihrer Mom geworfen hatte, und lächelte.
»Ja, und überrascht, aber sehr positiv. Meine Neugier wurde mehr als gestillt.« Er strich sich lachend das Haar aus dem Gesicht und blickte ihr tief in die Augen. »Ist Skylar nicht ein Jungenname?«
Sky kicherte leise. »Weiblich wie männlich. Die meisten nennen mich Sky.«
»Okay, Sky. Klingt sehr schön und passt perfekt zu dir. Mein Name ist Donnie, Donnie Newman.« Er zeigte auf dem Anstecker an seiner Brusttasche. »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Sky.« Im Anschluss reichte er ihr seine Hand, die sie nach einem flüchtigen Kontrollblick zu ihrer Mom annahm. Warm und ein wenig rau fühlte sich seine Haut an, und er hatte einen festen Händedruck. Viel zu früh ließ er ihre Hand los.
Schade, dachte Sky, seine Berührung war angenehm gewesen und hinterließ ein süßes Prickeln in ihrer Magengegend.
Er sah schmunzelnd über Skys Schulter hinweg zu ihrer Mom, die gerade wie ein Rohrspatz mit ihrem Gesprächspartner schimpfte, und neigte sich dann ein wenig in Skys Richtung.
Er roch zum Anbeißen gut. Frisch nach Aftershave und unbeschreiblich männlich.
»Ein Päckchen aus Frankreich.« Er spielte mit dem pinkfarbenen Paket in seinen Händen und legte einen grüblerischen Ausdruck auf. »Die liefern wir in der Gegend öfter aus. Meist Haute Couture, aber dafür ist es zu klein. Lass mich raten: Schmuck? Dessous?« Auf seinen Lippen lag ein verspieltes Lächeln.
Ihr wurde heiß, und sie strich sich das Haar hinters Ohr. Sky räusperte sich und schüttelte den Kopf. Keine Dessous. Sie überlegte. Es konnte eigentlich nur eines sein, also lag er mit seiner Vermutung gar nicht so falsch. Sie hatte ein Diadem mit Swarovski-Kristallen für das Schultheaterstück bestellt. Bei ihrer Suche im Internet hatte sie sich in das Stück verliebt, doch leider war es nur in diesem einen Shop in Frankreich erhältlich gewesen. Aus einer älteren Kollektion, gebraucht, doch laut Beschreibung wie neu. Sie hatte es für einen Schnäppchenpreis bekommen. »Ein Requisit für ein Theaterstück«, antwortete sie.
»Interessant. Ich würde mich liebend gern weiter mit dir unterhalten, doch ich muss leider weiter«, flüsterte er, reichte ihr das Pad zum Unterschreiben und anschließend den Stift. Dabei berührten sich ihre Finger erneut. Er hielt den Stift noch einen Moment länger als nötig fest. Dieses Mal kribbelte ihr Nacken, und ein wohliger Schauder lief ihren Rücken hinab.
Ihre Hände waren so zittrig, dass sie den Stift auf den Boden fallen ließ.
»Entschuldige.«
Sie bückte sich, um ihn aufzuheben, doch Donnie hatte die gleiche Idee und war schneller als sie. Fast wären sie mit den Köpfen aneinandergedonnert.
Lachend richtete er sich auf und reichte ihr erneut den Stift. »Ich muss mich entschuldigen. Eigentlich ist er befestigt und sollte nicht runterfallen, aber ein Kunde war zu stürmisch und hat die Schnur abgerissen. Ich muss sie nach der Tour reparieren lassen.« Ihre Hände zitterten unverändert beim Unterschreiben, auch, als sie ihm den Stift zurückgab und das Paket entgegennahm. »Man sieht sich vielleicht jetzt öfter. Ich habe den Bezirk vom ollen Ferg übernommen. Er ist jetzt im Vorruhestand.«
»Ganz sicher. Meine Mom erhält ihre Unterlagen meist von eurem Kurierdienst.« Und wenn Donnie sie brächte, dann würde sie diese liebend gern für ihre Mom entgegennehmen. Ohne zu murren.
»Na dann, bis zum nächsten Mal. Ich freue mich.« Donnie wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch mit einem Augenzwinkern zu ihr um. »Ich wünsche dir einen schönen Tag, Sky.«
Ihr lief erneut ein eiskalter Schauder über den Rücken. Allein, wie er ihren Namen aussprach, genügte, um ihre Knie in Wackelpudding zu verwandeln. Sie sah ihm hinterher, wie er zu dem Transporter lief und wegfuhr. Erst dann ging sie zurück ins Haus und zog die Tür zu.
»Himmel, ich dachte, schon, dieser Typ geht nie!« Ihre Mutter steckte das Smartphone in die Jackentasche ihres Blazers. »Ich war kurz davor, den Wachschutz zu alarmieren. Was hat denn so lang gedauert?«
»Das durfte nur eigenhändig übergeben werden, und er musste meine Identität überprüfen.« Sky schmunzelte. Sie wog das kleine Päckchen in den Händen. Die Antwort war recht nah an der Wahrheit, nur dass es nicht um die Zustellung ging. Sie hatte den kleinen Flirt am Morgen genossen.
»Dieser Typ gefällt mir nicht. Wir sollten den Wachschutz informieren und dazu animieren, aufmerksam zu sein. Was hat sich der Concierge dabei gedacht, diesen Typ durch unsere Straßen fahren zu lassen? Er hätte das Paket genauso gut am Eingang abgeben können. Und was bringt einen Paketdienst dazu, einen solchen Kriminellen zu beschäftigen?«
Ihre Mutter und deren Vorurteile.
»Und wieso denkst du, dass er kriminell ist?«, fragte Skylar, auch wenn sie die Antwort darauf bereits kannte.
»Die Tattoos, natürlich.«
»Tante Maya ist ebenfalls tätowiert«, erwiderte Sky.
Ihre Mom rümpfte die Nase. »Ja, Skylar, und sie arbeitet an der Kasse bei Walmart.« Was sie von der Ehefrau ihres Schwagers hielt, war kaum zu übersehen. Sky mochte Maya. Sie hatte keinen Doktortitel und stammte auch nicht aus gutem Haus, doch sie war ein toller Mensch. Alles, was sie hatte, erarbeitete sie sich selbst und hatte jeden Grund, darauf stolz zu sein. »Sie ist keineswegs ein Vorbild«, setzte ihre Mutter nach. Sky sah das anders, sie würde jedoch still sein, um keinen Streit vom Zaun zu brechen. Was den Punkt anging, schien ihre Mutter unnachgiebig wie eine Wand aus Stahlbeton. »Was ist eigentlich in dem Päckchen?« Ihre Mutter deutete auf das kleine pinkfarbene Etwas in Skylars Hand.
»Ein Requisit für unser Theaterstück in der Schule.« Sie hatte das Diadem vor mehr als einem Monat in Europa bestellt. Das Schmuckstück war nicht teuer, doch die Portokosten unglaublich hoch. Auf den Bildern wirkte es bereits atemberaubend schön, und sie konnte es kaum erwarten, es in echt zu sehen.
»Mach es auf«, sagte ihre Mutter mit einem Lachen in der Stimme. Ihr Unmut schien vorerst verschwunden, aber spätestens bei der nächsten Hausbesitzerversammlung würde sie das Thema wieder aufgreifen.
Sky riss das Paketband ab und das Päckchen auf. Auf einer Lage pinkfarbenem Seidenpapier thronte das silberne Diadem. Vorsichtig nahm sie es heraus. Es war filigraner, als sie vermutet hatte, doch das tat seiner Schönheit keinen Abbruch. Es war schlicht perfekt!
»Einfach wundervoll«, sagte ihre Mom. »Du wirst eine hervorragende Isolde sein, nicht nur wegen des Schmuckstücks auf deinem Kopf. Was machen die Proben für euer Theaterstück?«
Sky seufzte, legte das Diadem zurück und machte den Deckel des Päckchens zu.
»Doch so schlimm?«, fragte ihre Mutter.
»George nimmt die Sache nicht ernst. Sicher, es ist nur eine Improvisation von Tristan und Isolde, dass bedeutet aber nicht, dass er Kaugummi kauend, ohne auch nur ein Wort seines Textes zu kennen, auf der Bühne stehen kann.« Dieser Typ war eine absolute Fehlbesetzung und hatte die Rolle nur bekommen, weil er der Star und Mädchenschwarm ihrer Highschool war. Er sollte lieber beim Football bleiben. Da musste er nicht das bisschen Grips bemühen, über das er verfügte. George war keine Leuchte und darüber hinaus auch noch ein selbstverliebter Mistkerl.
»Es ist ein Schultheater, Darling!« Ihre Mutter stupste an Skys Nase. »Interpretier da nicht so viel rein. Und wenn er dumm dasteht, ist es sein Problem. Du wirst alle an die Wand spielen.«
Ihr Vertrauen war nett, doch dann hätte man ihr gleich einen Seehund als Tristan zuweisen können, der besaß wenigstens noch einen Niedlichkeitsfaktor. George war ein vollkommener Idiot, den sie lieber von hinten sah. Mit ihm zusammen sein zu müssen, war selbst für die Stunde Probe nach dem Unterricht eine Qual.
»Wir sehen uns nach meinem Termin in Huntington. Ich habe ein Gespräch mit einem Interessenten für die Drei-Millionen-Dollar-Villa. Wenn das klappt …« Ihre Mutter lachte. »Das wäre doch ein Grund zum Feiern, oder?«
Sky stutzte. War ihr irgendwas entgangen?
»Wellness, Maniküre und anschließend Friseur?«, sagte ihre Mutter, als sie Skys Verwirrung bemerkte. »Wir haben um fünfzehn Uhr einen Termin bei Hernandez.«
Den hatte Sky ganz vergessen, doch darauf freute sie sich.
»Wir können anschließend auch noch in der Sushi-Bar vorbeischauen und einen Happen essen. Was hältst du davon?«, fragte ihre Mutter freudig. »Oder magst du lieber in Lucy’s Diner auf einen Apple Pie mit Vanilleeis und einen Belgian Chocolate Shake?«
Skys Magen war bestechlich, aber mit Sushi konnte man sie nicht fangen. Das Diner klang für sie verlockender.
»Bin dabei. Viel Erfolg für den Besichtigungstermin!«, rief sie ihrer Mom hinterher, als diese das Haus verließ.
Donnies Tag hatte übel begonnen.
Irgendein Arsch hatte seine Arbeitskleidung direkt von der Wäscheleine vor dem Trailer geklaut. Sein Fehler. Warum war er auch so dämlich und hatte sie über Nacht draußen hängen lassen? Es sah wie eine Einladung für jeden Langfinger aus. Wieso klaute aber jemand eine Kurieruniform?
Er hatte gestern mit seinem Kumpel Pedro Darts gespielt, nachdem dieser die Outlines der Lotusblüte auf seinem Unterarm nachgestochen und anschließend das Motiv mit Farbe gefüllt hatte. Danach hatten sie das ein oder andere Bier getrunken, und er war nicht mehr ganz nüchtern ins Bett gefallen.
Seine Klamotten waren verschwunden. Es half nicht weiter, sich darüber den Kopf zu zermartern. Er besaß nur einen Satz Arbeitskleidung und musste sich daher eine Uniform von einem Kollegen leihen. Leider hatte dieser nur die knappe Sommeruniform, die Unterarme und Unterschenkel nicht verhüllte. Donnie trug immer die lange Arbeitsbekleidung, selbst bei tropischen Temperaturen. Sein Arbeitgeber hatte es ihm nahegelegt, und da er auf den Job angewiesen war, fügte er sich. Er brauchte die Knete, um halbwegs über die Runden zu kommen. Wenn er die Tattoos verbarg, wirkte er seriöser, und seine Kunden nahmen nicht schon beim Blick durch den Türspion Reißaus. An einem Dezembertag, so kurz vor Weihnachten, war die Sommeruniform eindeutig zu luftig. Es hatte gerade mal zehn Grad selbst in den Mittagsstunden, und er fror.
Sein Kollege Doug Ferguson hatte sich auf unbestimmte Zeit krankgemeldet. Ferg wirkte wie ein Urgestein und war schon seit Jahrzehnten im Unternehmen tätig. Seine Route war die kürzeste von allen. Mehr hätte der Sechzigjährige vermutlich auch nicht an einem Tag geschafft. Der Disponent musste die Tour auf vier Fahrer aufteilen, sodass Donnie nun auch noch die Wohnanlage Orchid Hills beliefern musste. Wie ihm Sara, die Assistentin des Disponenten, mitteilte, als er die neue Uniform orderte, konnte Donnie davon ausgehen, dass er sie längere Zeit zusätzlich fahren durfte. Den ollen Ferg hatte es offensichtlich arg erwischt. Sara hatte irgendwas von Herz und Bypass gefaselt. Nach wenigen Worten war er bereits ausgestiegen. Sara redete gern zu viel und kam zu spät auf den Punkt. Die Wohnanlage in Orchid Hills war ihm suspekt. Überkandidelte Schnösel, die sich hinter imposanten Zäunen in ihren weißen, exakt gleich anmutenden Prunkbauten versteckten. Orchid Hills war das Paradebeispiel einer Gated Community für Privilegierte. Die Fläche war riesig, umfasste mehrere Straßen und besaß ein eigenes Einkaufszentrum, einen Kindergarten, einen gepflegten Park und sogar ein Stück Privatstrand. Es war ein himmelweiter Unterschied zu dem verwanzten Trailer Park, in dem er wohnte. Die beiden Wohnanlagen trennten nur fünfzehn Minuten Fahrt, und dennoch lagen Welten dazwischen. Zutritt zu Orchid Hills bekam er nur über ein Sicherheitstor, wo er sich ausweisen musste und kontrolliert wurde wie ein Schwerverbrecher. Für gewöhnlich gab er die Pakete und Zustellungen im Doorman-Gebäude ab, dem einzigen Ort, der für Außenstehende zugänglich war. Die weitere Verteilung überließ er der Orchid Hills-Gemeinschaft. Man trat ihm hier mit wenig Freundlichkeit entgegen und behandelte ihn, als sei er ein Eindringling oder aussätzig. Es war sein Job, den er gern erledigte, doch gerade bei den besser verdienenden Spießbürgern fiel er mit seinen Tattoos auf wie ein bunter Hund.
Doch heute hatte er in den sauren Apfel beißen müssen. Die Zustellung durfte nur eigenhändig übergeben werden, in dem Punkt hatte er Sky nicht angelogen. Die Kleine, die am Anfang der Anlage wohnte, war ein echter Lichtblick. Anders als ihre Mom, die selbst am Morgen aussah, als wäre sie auf dem Weg zu einem Geschäftstermin.
Der kleine Flirt mit dieser Sky hatte seine Laune schlagartig erhellt. Skylar hatte das Paket in ihrem hellgelben Bärchen-Pyjama entgegengenommen. Nicht unbedingt sexy, aber es sah irrsinnig bequem aus. Ihr karamellbraunes Haar wirkte zerzaust, und der Schlaf stand ihr noch im Gesicht. Dennoch bot sie einen wirklich hübschen Anblick und ließ sich sogar auf einen winzigen Flirt mit ihm herab.
Träumer! Sie wollte einfach nur nett sein. Das Mädel spielte nicht in seiner Liga. Sky war NFL-Niveau, er nur College-Liga. Was zerbrach er sich den Kopf über solche Dinge? Weil sie hübsch war, sympathisch und freundlich. Sie hatte ihm nicht das Gefühl vermittelt, dass er ein White-Trash-Assi aus dem Trailer Park war. Doch das war er nun einmal und für die Highschool-Mädels meist nur Mittel zum Zweck. Sie suchten ein flüchtiges Abenteuer oder wollten ihre Eltern ein wenig schockieren. Nein, dafür war er sich zu schade.
Er sah auf die Uhr. Die neue Tour brachte seinen straff durchorganisierten Tagesplan durcheinander. Bereits in fünfundvierzig Minuten begann sein zweiter Job. Er konnte sich nicht erlauben, zu spät zu kommen. Lucy würde ihn ohne Erbarmen rausschmeißen, wenn er auch nur eine Minute zu spät den Dienst antrat. Also kein Zwischenstopp zu Hause, sondern nur zurück zum Lager, Klamotten wechseln und dann sofort zur zweiten Arbeitsstelle, wo er heut bis ein Uhr nachts in der Küche malochen musste.
Nach dem Besuch bei Hernandez fühlte sich Sky immer wie eine Prinzessin. Sie war nach Strich und Faden verwöhnt worden, und im Anschluss hatte ihre Mutter sie zu einer kleinen Shoppingtour eingeladen. Sharon war bester Laune, da sie tatsächlich den Kunden an Land gezogen hatte und nun eine fette Provision einstreichen durfte. Dementsprechend gönnerhaft gab sie sich heute. Nach einem kurzen Abstecher in eine Boutique, in der Sky eine neue Tasche erstehen konnte, folgte ein Besuch in dem kleinen Secondhandshop in der Lancaster-Avenue. Ihre Mutter vertrieb sich währenddessen die Zeit im Nobelkaufhaus Barneys.
Ihre Mom hätte niemals einen Fuß in den süßen Laden gesetzt, doch Sky liebte ihn. Man fand hier wahre Juwelen, wie das schwarze Fünfzigerjahre-Kleid mit Kirschenaufdruck und dem roten Petticoat. Beides zusammen kostete keine fünfzig Dollar, und die Besitzerin hatte ihr noch die passenden Ohrhänger mit kleinen Plastikkirschen dazu geschenkt.
Süß und kitschig – Sky musste dieses Outfit einfach haben. Ihre Prom Night stand kurz bevor, und das Kleid erschien schlichtweg ideal. Jetzt fehlte nur noch das geeignete Date. Und genau da lag das Problem. Bislang hatte sie kein Junge gefragt, und um ehrlich zu sein, mit wem wollte sie hingehen?
George? Sie verzichtete gern auf seine Begleitung.
Mit der Tüte und ihrer neuesten Errungenschaft ging sie ins Diner, wo sie sich mit ihrer Mom treffen wollte. Es konnte sich nur um Stunden handeln, wenn ihre Mutter in Barneys shoppte. Bester Laune suchte Sky sich einen Platz gegenüber der Jukebox, von dem aus sie direkt auf die Strandpromenade blicken konnte. Sie mochte die Atmosphäre in Lucy’s Diner und kam oft mit ihren Freunden her. Es hatte diesen Fünfzigerjahre-Flair, den sie liebte, war aber dennoch hip genug, um junge Leute anzulocken. Ganz zu schweigen von dem Essen. Lucys Kuchen schmeckten fabelhaft! Die Burger und handgeschnittenen Fritten waren einfach genial.
Heute bestellte Sky sich lediglich einen Milchkaffee. Mit dem Essen wollte sie auf ihre Mutter warten, obwohl … ihre Mom aß meistens nur einen Salat mit gegrillten Putenstreifen und fettfreiem Dressing, dazu trank sie ein stilles Wasser. Heute, zur Feier des Tages würde sie sich vielleicht sogar eine Diet Coke gönnen. Der Lebensstil ihrer Mom war gesund, aber langweilig.
Sky knabberte einen Mandelkeks zu ihrem Kaffee, als ein bekanntes Gesicht durch die Tür hereinstürmte. Dieser Donnie. Er trug nach wie vor die Uniform des Paketdienstes und sah abgehetzt aus.
»Sorry, Lucy!«, sagte er, als die Besitzerin des Diners auf die Uhr über der Theke zeigte.
»Gerade noch so, Donnie, aber nicht umgezogen. Das geht von deiner Arbeitszeit ab«, brummte Lucy unnachgiebig, während Donnie hinter den Tresen huschte. »Lass das nicht zur Gewohnheit werden. Terry ist schon in der Küche und hat angefangen. Beeil dich gefälligst.« Lucys Tonfall klang rüde, anders, als sie sich Kunden gegenüber gab.
»Sorry, meine Route ist länger, weil mein Kollege krank ist«, setzte Donnie zu einer Rechtfertigung an. Er klang atemlos und schnappte bei jedem Wort nach Luft.
»Daran kann ich nichts ändern. Entweder du kommst pünktlich zum Dienst, oder du musst dir eine andere Stelle suchen. Ich bin nicht die Wohlfahrt und lass dir schon viel zu viel durchgehen.« Lucy sprach leiser, doch ihre Worte klangen unnachgiebig. Sie murmelte noch einige Dinge, die Sky nicht verstand, aber nett war sie vermutlich nicht. Donnie tat Sky leid.
»Geht klar, Chefin.« Er fuhr sich durchs Haar und wirkte gedemütigt, ehe er in der Küche verschwand.
So kratzbürstig kannte Sky Lucy überhaupt nicht. Nicht jeder lebte so behütet wie sie, das wurde ihr immer wieder bewusst. Sie existierte in einer rosa Zuckerwattenwelt und war privilegiert. Donnie musste sich offensichtlich mit zwei Jobs über Wasser halten, keine Seltenheit, wie sie wusste – jedoch nicht aus eigener Erfahrung.
Lucy schenkte Sky einen Blick und kam mit einem Lächeln auf sie zu. Hatte Sky sie angestarrt? Allem Anschein nach.
»Ärger mit dem Personal?« Sky räusperte sich und bemerkte, wie ihr Hitze in den Kopf stieg.
»Da sagst du was. Gute Mitarbeiter sind schwer zu finden. Er hat die Stelle nur, weil er mein Neffe ist. Sicher, er macht sich gut in der Küche. Ich hatte selten einen so guten Beikoch, doch er ist unzuverlässig. Er versucht es ja wirklich, doch mit den drei Jobs muss natürlich irgendeiner auf der Strecke bleiben.«
Ihr Neffe? Sky wurde hellhörig. Sie wollte mehr über Donnie erfahren, und Lucy bot sich geradezu an. »Arbeitet er schon lange hier?«
Lucy schüttelte den Kopf, nahm gegenüber Sky auf der roten Lederbank Platz. »Seit zwei Monaten. Er ist ein wirklich netter Junge. Das Leben meint es nicht so gut mit ihm, deswegen wollte ich ihm helfen. Mein Mann Ralph hat ein Auge auf den Jungen geworfen, seit sein missratener Bruder einfach abgehauen ist und Donnie mit seiner kranken Mutter allein gelassen hat. Aus diesem Grund hat er auch den Job. Ich weiß aber nicht, wie lange ich ihn noch bezahlen kann.« Lucy sah in Richtung Küche. »Entschuldige, ich wollte dich nicht mit meinen Problemen behelligen.«
Sky schüttelte den Kopf. »Nein, es ist in Ordnung.« Sie lächelte. »Ich habe ja danach gefragt. Mich hat es nur gewundert, da er heute Morgen ein Päckchen an mich ausgeliefert hat.«
Lucy erwiderte ihr Lächeln. »Ja, er hat insgesamt drei Jobs. Hier im Diner als Hilfskoch, beim Paketdienst, und an den Wochenenden arbeitet er als Türsteher in einem Club. Er ist einundzwanzig und muss seit fast fünf Jahren sich und seine Mutter Marla ernähren, da sie dazu nicht in der Lage ist. Du bist heute allein hier?«
Lucy lenkte das Gespräch offensichtlich in eine andere Richtung.
»Ich warte auf meine Mom, die sich mal wieder ins Barneys verirrt hat.«
Lucy lachte und strich sich durch die blonde Kurzhaarfrisur. »Dann bleibst du ja noch einige Zeit unser Gast. Kann ich dir vielleicht etwas bringen? Donnie macht die besten Zwiebelringe, die ich je gegessen habe, und seine Guacamole ist eine Sünde wert. Kann ich dich dazu einladen?«
Sky nickte. »O ja, ich bin am Verhungern. Dann bestelle ich gleich. Bis meine Mom hier auftaucht, vergeht vermutlich noch ein Weilchen.«
Verdammt! So angepisst hat er Tante Lucy noch nie erlebt. Er brauchte diesen Job, egal, wie sehr er ihn anödete.
Hastig zog er sich um und schlang sich die rote Kochschürze um die Hüfte, als er in die Küche trat. Terry empfing ihn mit einem schadenfrohen Grinsen und einer abfälligen Handbewegung.
»Du bist spät dran«, sagte der Koch unfreundlich, und ebenso sah er ihn an. Es war kaum zu übersehen, wie wenig sein Küchenchef von ihm hielt. »Du stinkst nach Kippen und Schweiß.«
Und dazu würde sich nach Feierabend auch noch der Geruch vom Grill und Frittierfett gesellen, dachte Donnie. Er stank nach der Arbeit kotzerbärmlich. Wenigstens konnte er im Anschluss hier duschen, ein Luxus, über den er im Trailer nicht verfügte. Der Zigarettengeruch kam vom kurzen Aufenthalt im Gemeinschaftsraum im Paketzentrum. Dass er ins Schwitzen kam, erschien kaum verwunderlich. Außer einer zehnminütigen Kaffeepause vor fast sechs Stunden war er ununterbrochen unterwegs gewesen. Da hatte er auch das letzte Mal etwas gegessen. Inzwischen war es bereits fünf Uhr nachmittags, sein Magen verdaute sich selbst, und er fühlte sich schwach und zittrig.
»Jeden anderen hätte deine Tante längst rausgeschmissen. Sie ist viel zu lax mit dir.«
Donnie überging Terrys Kommentar und kümmerte sich um die Bons. Zum Quatschen war er nicht hier. Es waren bereits einige Abendbestellungen eingegangen, und die musste er abarbeiten.
»Klasse mit dir. Immer, wenn es dir unangenehm wird, schweigst du. Tolle Einstellung!« Terry applaudierte gekünstelt. »Damit kommst du im Leben auf jeden Fall weiter.«
»Ich will keinen Streit«, erwiderte Donnie. Er hatte schon genug Probleme mit dem Gesetz und hielt inzwischen den Ball flach. Zudem brauchte er den Job. Tante Lucy hätte es ihm krummgenommen, falls er hier eine Szene gemacht hätte. Terry war ein rotes Tuch und provozierte ihn immerzu, fast, als legte er es darauf an, dass Donnie ausflippte und den Job verlor.
Er blieb cool. Es galt, die fünf Stunden bis zum Feierabend rumzukriegen, auch wenn er auf dem Zahnfleisch ging.
Die Tür zur Küche wurde aufgestoßen und Lucy brachte weitere Bestellungen. Sie lächelte, griff nach Donnies Schulter und presste sie. Niemals hätte sie sich entschuldigt für ihren Anpfiff. Die Geste war ihre Art, ihm zu zeigen, dass alles wieder im Lot war. »Du hast Eindruck hinterlassen, mein Lieber. Draußen sitzt ein Mädchen, das mich mit Fragen über dich gelöchert hat.«
Eindruck hinterlassen? Mit dem räudigen Auftritt? Lucy hatte ihm vor allen Gästen die Leviten gelesen. Es war eher ein Grund, im Boden zu versinken. Und mit seinem Assi-Leben schindete er bei keinem Mädchen Eindruck. Die Frauen wollten keinen Mann, der mit seiner Mom in einem Trailer lebte und drei Jobs brauchte, um sich über Wasser halten zu können. Für ihn allein wäre der Paketjob ausreichend gewesen, doch die Behandlung und die Medikamente für seine Mutter waren so teuer, dass sie selbst mit drei Jobs kaum über die Runden kamen. Sein Mistkerl von Vater, dieser widerliche Säufer, hatte seine Mutter sitzen lassen, als sie die Diagnose Brustkrebs bekam, und hinterließ ihnen ebenfalls einen Berg voll Schulden.
Donnie zog die Augenbraue hoch. Nein, er war alles, nur keine gute Partie. Er nahm Lucy den Bon ab, den sie gerade aufspießen wollte.
»Einen doppelten Cheeseburger mit Bacon, Kartoffelspalten mit Sour Cream und Guacamole, dazu eine kleine Portion Zwiebelringe für Miss Skylar Jameson.« Lucy lachte herzerfrischend. »Aber pronto, Donnie, die Kleine ist am Verhungern!«
Sky. Okay … er hatte nicht gedacht, ihr so schnell erneut über den Weg zu laufen. Sie war hier Gast, er nur die Küchenhilfe. Für gewöhnlich hielt sich sein Kontakt mit den Kunden bei null.
Warum machte es ihn dennoch nervös, dass sie nur wenige Meter entfernt von ihm saß und nur eine Tür sie voneinander trennte?
Sie war ein hübsches Ding, das war alles. Gleichwohl wollte er es ihr recht machen und ging gleich dazu über, ihre Bestellung zuzubereiten. Er würde Sky einen kleinen Gruß hinterlassen. Terry konnte sich um den Rest kümmern.
»Ich muss kurz weg, das Wechselgeld ist aus. Ken übernimmt die Führung, bis ich zurück bin«, verkündete Lucy.
»Einmal die Fünfzig, aber ohne Zwiebeln und Tomaten.« Kaugummi kauend gab Ken die Bestellung durch. Der Kellner war schon ein komischer Zeitgenosse, doch er gehörte zum Inventar des Diners. Er passte hierher und sah aus, als wäre er zum Dienstantritt mit einer Zeitmaschine aus den Fünfzigern angereist. Mit seiner Jeans, der roten Lederjacke und dem weißen Shirt, das im Bund steckte, nannte er eine frappierende Ähnlichkeit zu James Dean sein Eigen. Dazu die mit Pomade aufgestellte Tolle … Ken war eine Marke für sich, doch ein verdammt netter Kerl, der einen Schlag bei der Frauenwelt weghatte.
»Was guckst du ständig nach draußen, Donnie?« Ken stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick durch das Bullaugenfenster der Tür werfen zu können. »Die Kleine an Tisch vier? Hübsches Ding, auch wenn sie nicht in meiner Liga spielt.« Was nichts anderes bedeutete, als dass Ken kein Interesse am weiblichen Geschlecht zeigte. Er flirtete mit den Damen hier im Diner, bis sich die Balken bogen, aber mit nach Hause nahm er keine. Die Mädels flogen auf ihn, und einige kamen nur wegen des Charmebolzens hierher. Ken wusste sich in Szene zu setzen, was das Trinkgeld in Strömen fließen ließ. »Mach sie klar!«, sagte Ken mit einem Augenzwinkern.
»Sie ist zu jung, sicher noch nicht einmal volljährig.«
Ken rümpfte die Nase. »Sieht aber älter aus, und du hast keine Ahnung, wie alt sie ist.«
»Sie wohnt bei ihren Eltern, trägt Bärchen-Pyjamas und eine Zahnspange.«
»Meine Mutter trägt heute noch Pullover mit Hundewelpen drauf. Und das weißt du woher?« Ken lachte, stützte sich mit beiden Händen auf dem Tresen ab und blickte Donnie abwartend an.
»Ich habe ihr am Morgen ein Paket geliefert«, antwortete Donnie.
»Und jetzt ist sie hier. Das nenne ich ein Zeichen, Tiger! Schnapp sie dir!«
»Das ist einfach nur Zufall.« Donnie seufzte.
»Feigling!« Ken machte auf den Punkt kehrt und stolzierte aus der Küche.
Er war nicht feige, lediglich realistisch. Es brachte weder ihn noch sie weiter, falls er mit ihr anbandelte. Für sie war er höchstens ein netter Flirt, wenn überhaupt.
Kaum draußen, kam Ken wieder in den Raum zurück. »Wir haben eine Beschwerde, Mister Superkoch! Jetzt musst du dich mit der Kleinen auseinandersetzen, ob du willst oder nicht.« Er klang ernstlich erzürnt und blickte Donnie durchdringend an.
Donnie sah zu Terry, der die Augen zusammenkniff. »Du hast Tisch vier abgefertigt, dein Problem. Klär es, bevor Lucy zurückkommt und dir die Hölle heiß machen kann.«
Wunderbar! War Sky doch nur ein verwöhntes Gör, das anderen gern das Leben schwer machte? Oder nahm sie ihm den kleinen Gruß aus der Küche übel? Alles Spekulieren half nicht. Er musste es klären. Donnie warf das Küchentuch beiseite und legte das Haarnetz ab, ehe er die Küche in Richtung Gastraum verließ.
Keine fünfzehn Minuten nach ihrer Bestellung stand das dampfende und unwahrscheinlich gut riechende Essen vor ihr auf dem Tisch. Lucy hatte recht, die Zwiebelringe schmeckten einfach göttlich und der Dip … ihr Herz schlug ein bisschen schneller, als sie das Herzchen aus Schnittlauchröllchen auf der Sour Cream entdeckte. Eine kleine, aber so liebenswerte Geste.
Wusste Donnie, dass sie hier war? Oder war es normal, solche Nettigkeiten im Essen zu verstecken? Sie interpretierte zu viel in die Dekoration, definitiv. Vermutlich war es ein niedlicher Gruß aus der Küche für jeden Gast.
»Schmeckt es dir nicht, Sky?«
Seine Stimme ging ihr durch Mark und Bein. Sie verschluckte sich an einer Kartoffelspalte und hustete. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet. Ihr trieb es die Tränen in die Augen, als ihre Kehle versuchte, den Kartoffelkrümel herauszubefördern. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte der Hustenreiz auf, und sie konnte wieder atmen. Erleichtert nahm sie einen Schluck Limonade und wischte sich das Nass von den Wangen. Gott, war das peinlich! Sie spürte die aufsteigende Hitze in ihrem Kopf.
»Ich dachte schon, ich müsste Erste Hilfe leisten.« Ein herbes Lachen folgte.
Sie sah auf und blickte in seine betörenden Augen. Diese Augen schienen einfach nicht von dieser Welt zu sein. So blau wie der Ozean, mit vereinzelten weißen Sprenkeln. Wie Gischt auf dem Meer.
»Geht es wieder?«, sagte er und klang dabei so zuvorkommend und sanft, richtiggehend in Sorge. Er stand so nah bei ihr, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Es löste ein Prickeln aus und machte ihren Magen flau. Die Berührung seiner Fingerspitzen auf ihrem Handrücken brachte ihr Herz zum Stottern. »Brauchst du etwas zu trinken? Wasser? Dein Glas ist leer.« Kaum ausgesprochen verschwand er hinter der Theke und kehrte mit einem Wasserglas zurück.
Seine Fürsorge war wirklich niedlich und widersprüchlich zu seinem Aussehen. Donnie schien ein wandelnder Gegensatz. Die verwegenen Tattoos, die halblangen Haare und der Dreitagebart, der ihm so unverschämt gut stand, lagen im krassen Kontrast zu seinen weichen Augen und der sanften Stimme. Sie klang nicht unmännlich, ganz im Gegenteil. Voll und tief, wie das Grollen einer Raubkatze. Sky hing an seinen Lippen und wollte, dass er weitersprach. Stattdessen stellte er das Glas vor ihr auf den Tisch und nickte ihr zu.
»Ken sagte, es gäbe ein Problem mit dem Essen.« Nach wie vor klang er freundlich, doch sie vernahm eine Spur Kränkung.
»Nein!« Sky verstand die Welt nicht mehr. »Du musst dich irren. Es ist saulecker. Ich will mich nicht beschweren.«
Donnie blickte sie verwirrt an, drehte sich zu Ken um, der ihm ein Lächeln schenkte. »Ich steh gerade auf dem Schlauch oder nein …« Donnie pausierte kurz. »Ich verstehe. So ein Mistkerl!« Er lachte und, kaum zu glauben, der Ton klang noch schöner als seine tiefe Stimme.
Sky ließ ihren Blick über ihn streifen. Donnie trug ein simples weißes Shirt, Jeans und die rote Halbschürze von Lucy’s Diner. Ob Kurierfahreruniform oder Küchenoutfit, er sah immer zum Anbeißen aus. Sie biss sich auf die Unterlippe und stieß einen leisen Seufzer aus. »Das muss ein Versehen sein.« Ihre Stimme klang dünn, fast schon weinerlich. »Magst du dich zu mir setzen?«
Warum fragte sie ihn das? Es mutete unsinnig an, aber in seiner Nähe fiel es ihr schwer, zu denken.
»Lucy sieht es nicht gern, wenn ich mich im Gastraum aufhalte.« Donnie sah auf seine Armbanduhr. »Ich bin gerade eine halbe Stunde hier, Pause ist da nicht drin.« Sky sah sich um. Neben ihr waren nur zwei weitere Tische belegt. Ungewöhnlich für einen Samstagnachmittag.
»Es ist kaum was los, das kriegt unser Küchenchef allein hin.« Die Bedienung – Ken, wenn sie es recht in Erinnerung hatte – stellte ein Körbchen mit frischen Brötchen auf den Tisch. »Nutze die Chance, eine Pause einzulegen, bis der Trubel losgeht. Die sind alle noch beim Baseballspiel, danach geht es rund. Lucy ist nicht da, und deinen Magen hört man schon im Gastraum knurren.« Ken lächelte sie an und schüttelte den Kopf. »Der gute Donnie ackert immer wie ein Tier und vergisst dabei völlig seine eigenen Bedürfnisse.«
Donnie verdrehte die Augen, stand nach wie vor ungerührt vor dem Tisch.
»Setz dich doch bitte. Wenn ich die ganze Zeit über zu dir hochschauen muss, verrenke ich mir noch den Hals.« Sky schenkte ihm ihr schönstes Lächeln und blickte ihm dabei ununterbrochen in die Augen. Es erschien ihr unmöglich, es nicht zu tun. Ihr Herz klopfte schneller, die Hände waren schweißnass und zitterten, sodass sie diese unter den Tisch auf ihre Oberschenkel legte und abwischte. Donnie hatte etwas an sich, das sie völlig aus dem Konzept brachte. Und sie mochte dieses Gefühl. Endlich nahm er auf der Bank ihr gegenüber Platz und lächelte. »Greif zu. So lecker der Burger ist, er ist viel zu groß für mich.« Sie zeigte mit dem Kopf auf den halb leeren Teller, und erst dann kam ihr in den Sinn, wie unhöflich es anmutete, ihm ihre Reste anzubieten.
Donnie schüttelte mit einem Lachen den Kopf, nahm sich eines der Brötchen und riss es auseinander. Selbst wie er aß, wirkte sinnlich. »Sehe ich so aus, als ob ich es nötig hätte?«
»Nein, natürlich nicht.« Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss, und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. »Ich dachte nur …« Aufhören zu denken, Sky! Es würde nicht besser werden, wenn sie nach Ausflüchten suchte.
»Vielleicht mag ihn ja dein Freund essen? Du bist doch sicher verabredet.«
»Mit meiner Mom, und die würde den Burger nicht einmal mit der Kneifzange anrühren. Sie isst nur grünen Salat, Gurken und …«
»… gegrillte Putenstreifen. Ungewürzt. Mit einem Dressing aus Essig, ohne Öl, kein Salz, nur Petersilie, Kerbel und Schnittlauch«, vervollständigte er ihren Satz. »Sehr speziell.« Mit einem Lachen nahm er seinen Worten die Schärfe.
»Du merkst dir alle Bestellungen?«
»Nein, sie bestellt es immer so, und es ist mir einfach in Erinnerung geblieben.«
»Seit wann arbeitest du hier? Ich meine, ich bin sehr oft im Lucy’s, fast jedes Wochenende, im Sommer weitaus häufiger. Dich habe ich noch nie gesehen.«
Donnie steckte einen Bissen Brot in den Mund, kaute in Ruhe fertig, ehe er antwortete. »Beinahe drei Monate, aber ich bin in der Küche, und Lucy mag es nicht, wenn sich das Küchenpersonal im Gästebereich aufhält.«
»Eine Schande.« Hatte sie das gerade laut gesagt? Seinem verschmitzten Ausdruck nach, ja. Er aß weiter und zeigte dann auf die Papiertüte mit ihrer neuesten Errungenschaft.
»Darcy's Stöberkiste? Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie du …« Er unterbrach seinen Satz und räusperte sich. »Na ja, sie hat schöne Sachen, aber in Orchid Hills …« Sein Mienenspiel war amüsant, seine Wangen wurden rot, und er strich sich hektisch durchs Haar. »Ich quatsche mich gerade um Kopf und Kragen. Darcy hat einfach klasse Klamotten, Ken ist dort Dauerkunde, im An- und Verkauf.«
Das konnte sie sich lebhaft vorstellen. Kens Stil war der Hammer und so authentisch aus den Fünfzigern wie Buddy Holly selbst. Er passte ins Diner wie die roten Ledersessel, die Jukebox und die Neonreklame.
»Sie haben wunderschöne Kleider dort, die man im Barneys einfach nicht bekommt.«
»Barneys, so?« Sein Ton klang schnippisch.
Sie manövrierte sich durch ihr unüberlegtes Plappern gerade ins Abseits und musste wie ein verwöhntes Jetset-Mädchen wirken.
»Eher das Ding meiner Mom.« Sky versuchte zu retten, was zu retten war, und zog ein Stück des Stoffes hervor. Sie zeigte ihm die leicht an der Brust geraffte Korsage mit dem Neckholder.
»Nicht übel. Mottoparty?«, fragte er und reckte den Daumen in die Höhe.
»Nein, für den Abschlussball.«
»Ist aber noch ein wenig hin, oder?«
»Senior. Ich bin an einer Privatschule, und der Ball findet bereits im Februar statt. Frag mich nicht, warum. Wohl wegen irgendeiner Wohltätigkeitsgala, die gleichzeitig stattfindet.«
»Und danach geht es an die Uni? Schon irgendeine in Aussicht? Yale? Harvard?« Donnie schien es wirklich zu interessieren.
»Caltech.«
»Oh! Und was sagen Mommy und Daddy dazu?« Sein Ton war hart an der Grenze, unverschämt zu klingen.
Er wusste nichts über sie, außer ihren Namen und wo sie lebte, und dennoch schien er ein fixes Bild von ihr in seinem Kopf zu haben. »Mommy meint, dass es vergebene Liebesmühe sei. Sie sagt es nie, aber ich bemerke es. Mom denkt, dass ich nicht intelligent genug bin, um zu studieren, und dass ich mir lieber einen reichen Kerl angeln soll. Heiraten, Kinder kriegen und gut aussehen an seiner Seite.« Warum schüttete sie Donnie ihr Herz aus? Erwartete sie Mitgefühl von ihm? Wenn sie eines nicht wollte, dann Mitleid. Sie wollte ihr Ding durchziehen.
»Lass dir nicht vorschreiben, was du tun und lassen sollst. Wenn du es nicht ausprobierst, kannst du nicht wissen, was du kannst und was nicht. Selbst wenn du scheiterst, hast du es wenigstens probiert und machst dir später keine Vorwürfe. Kein Hätte ich damals nur …, du verstehst?« Seine Worte wirkten aufmunternd. »Lieber auf die Schnauze fallen, als nichts tun.«
»Und du?«
Seine Gesichtszüge erschienen plötzlich hart, das Lächeln wich. »Nicht jeder von uns hat die Möglichkeiten, es zu versuchen.«
»Du würdest gern, aber kannst nicht. Es gibt doch sicher …«
»Wenn es die geben würde, süße Sky, denkst du, ich würde mir in drei Jobs den Arsch abrackern?« Seine Worte trieften vor Sarkasmus. »Manche von uns haben keine Optionen.«
»Es gibt immer eine Möglichkeit.«
»Ja, ja!«, unterbrach er sie. »Für manche von uns ist das Leben eben kein Ponyhof. Danke für deine Gesellschaft, ich sollte aber zurück in die Küche.« Donnie wirkte gekränkt, seine Miene dunkel wie die Nacht.
»Du bist kompliziert«, sagte sie gerade heraus.
»Ich? Kompliziert?« Donnie lachte. »Ich bin einfach gestrickt. Kein Geld, keine Perspektive.«
Gerade, als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, kam eine Meute Jugendlicher klönend in den Laden und beendete ihr Gespräch abrupt. An jedem anderen Tag hätte sie sich über Bella und ihre Freunde gefreut, doch im Augenblick fand sie ihr Dazwischenfunken störend. Donnie erhob sich von der Bank und nahm ihren Teller an sich. »Solltest du ein Dessert wünschen, der Magic Layer Cake ist klasse. Den hab ich gestern gebacken.«
Mist! Gern hätte sie ihm gesagt, dass eben nicht alles gottgegeben war. Es gab Stipendien, falls man sich ein Studium nicht leisten konnte, oder er könnte eine Ausbildung machen. Sich in drei Jobs kaputtzuarbeiten konnte doch nicht wirklich das sein, was er sich wünschte! Doch woher sollte sie das schon wissen? Weil sie ihn so gut kannte? Sie kannte seinen Namen, wusste, wo er arbeitete. Er war ihr fremd und dennoch … er ging ihr unter die Haut. Sie wollte ihn näher kennenlernen.
Er versuchte, ihr aus dem Weg zu gehen, doch es schien fast unmöglich. Sky tauchte jeden Abend im Diner auf. Meist allein, doch gelegentlich auch mit einem Tross ihrer Freunde. Sie waren anders als Sky. Überkandidelte Schnösel, die Ken oder die anderen Kellner behandelten, als seien sie ihre Leibeigenen. Nein, so war Sky nicht. Sie war höflich, hatte stets ein Lächeln für andere übrig.
»Das kann doch kein Mensch mit ansehen.« Ken tauchte unvermittelt hinter ihm auf, als er Sky verstohlen beobachtete. »Mach sie doch endlich klar, du Tropf! Was denkst du, warum sie hierherkommt? Wegen dir!«
»Das glaube ich nicht.«
»Ach ja? Sie sitzt jeden Abend hier, hat ein Buch dabei und trinkt einen Milchshake oder einen Kaffee. Nach zwei Stunden geht sie und wirkt immer ganz geknickt. Wieso? Weil sie auf dich wartet, und du versteckst dich in der Küche! Das ist doch Kindergarten.«
»Genau, Kindergarten. Sie ist Senior auf der Highschool. Ich verwette meinen Hintern darauf, dass sie keine achtzehn ist.«
»Und du bist wie alt, Donnie? Einundzwanzig. Seit einem knappen Monat darfst du offiziell Alkohol trinken. Sie ist wegen dir hier. Was spricht dagegen, dass du ihr Hallo sagst? Unverbindlich, du sollst dich ja nicht gleich mit ihr verabreden oder sie heiraten!« Ken ließ nicht locker.
Donnie seufzte. Er hätte sich gern zu ihr gesetzt und sich mit ihr unterhalten. Und dann?
Sie waren einfach nicht auf einer Wellenlänge. Emotional womöglich, doch er konnte ihr nicht bieten, was ein Mädchen wie sie verdiente. Kein Haus im Grünen mit Garten, kein Verlobungsring mit Diamanten. Ein heruntergekommener Trailer, den er mit seiner Mom bewohnte, und ein Ring von Walmart machten keine Frau auf Dauer glücklich. Das war alles, was er anbieten konnte. Nein, sie hatte Besseres verdient.
»Mein Gott, Donnie. Bist du so blöd oder tust du nur so?« Ken fuhr aus der Haut. »Geld ist nicht alles, wenn das dein Problem sein sollte. Du bist ein hübscher Kerl und nicht unbedingt auf den Kopf gefallen, auch wenn es mir gerade so vorkommt. Die Kleine mag dich und will Zeit mit dir verbringen. Geh zu ihr, solange Lucy nicht da ist, sag ihr was Nettes.«
Ken legte die Hände auf Donnies Rücken und schob ihn durch die Schwingtür in den Gästeraum, direkt in Skys Blickfeld. Am liebsten hätte er einfach kehrtgemacht, doch er konnte nicht. Ihr Blick kreuzte seinen, und kaum dass sie ihr erblickt hatte, zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht, und sie strahlte wie die Sommersonne. Sky erhob sich von der Sitzbank und kam an den Tresen. Sie nahm auf einem der Hocker ihm gegenüber Platz.
»Hallo, Donnie!«, sagte sie und klang dabei so zuckersüß. Er hing an ihren Lippen und wollte nichts sehnlicher, als sie zu küssen.
Eine unheimlich gute Idee! Irgendwo auf dem kurzen Stück zwischen Küche und Theke schien sein Verstand abhandengekommen zu sein.
Sky blickte ihn unschlüssig an, da er nicht antwortete. »Sprichst du nicht mehr mit mir?«, fragte sie und wirkte niedergeschlagen. »Sollte ich dich irgendwie beleidigt haben, dann tut es mir leid.«
»Nein, das ist es nicht.« Endlich brachte er einen Ton hervor.
»So? Und warum meidest du mich? Kannst du mich nicht ausstehen?«
Nicht ausstehen? Gott war sein Zeuge, dass er sie sehr gut leiden konnte. In ihrer Nähe kamen ihm Dinge in den Sinn, bei denen sie gewiss peinlich errötet wäre.
»Wir kennen uns kaum«, erwiderte er.
»Und du magst mich nicht näher kennenlernen?« Sie sah ihn hoffnungsvoll an.
Himmel, wenn sie ihn so anblickte, ging sein Herz auf. Mit den Fingerspitzen strich sie eine Strähne hinter ihr Ohr, anschließend griff sie in ihren Nacken und leckte sich über die Lippen.
»Du willst mich kennenlernen?« Donnie holte zwei Flaschen Malzbier aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Theke. »Sicher?«
Sky öffnete die Flasche und trank einen Schluck. »Darum bin ich hier. Also, Donnie, wie sieht es aus, was machst du morgen Abend?«
»Arbeiten.«
»Hm, ja.« Sie schürzte nachdenklich die Lippen. »Jeden Tag?«
»Dienstag bis Donnerstag arbeite ich abends im Diner. Freitag und Samstag ab zwanzig Uhr im Club South Beach an der Tür. Sonntag habe ich den ganzen Tag frei, ab und an springe ich bei Lucy ein. Am Montag arbeite ich nur bis am Nachmittag.«
»Ein ganz schönes Pensum, das du zu bewältigen hast. Da hältst du dir den Sonntag bestimmt gern frei.« Sie lächelte und wirkte so unwahrscheinlich niedlich, dass er kurz davor war, nachzugeben. Das Läuten der Türglocke nahm ihm die Entscheidung ab. Es waren drei der Jungs aus Skys Clique und ein Mädchen, das zugleich auf Sky zustürmte und sie begrüßte.
Das Gespräch war vorerst beendet, doch mit den Augen blieb Sky bei ihm, obwohl sie sich mit ihren Freunden unterhielt.
»Ey, Alter, rück mal ein Root Beer rüber, aber pronto!« Einer der kleinen Pisser pöbelte ihn rotzfrech von der Seite an. Er war ganz sicher nicht der Lohnsklave dieses Schnösels. Trotzdem ging er nicht auf Konfrontation.
»Ken?« Er rief nach dem Kellner, da er, streng genommen, nicht bedienen durfte.
»Darfst du oder kannst du mir keine Flasche geben, Alter? Zu viel für dein Spatzenhirn?« Der kleine Drecksack aus Skys Clique grinste ihm feist ins Gesicht.
»Vielleicht habe ich auch einfach keinen Bock, dich Snob zu bedienen?«, sagte Donnie. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, und in Skys Anwesenheit gelang es ihm auch recht gut.
»Lass ihn in Frieden, George.« Es war süß, dass Sky sich für ihn einsetzte, doch er kämpfte seine Schlachten gern allein.