Whitestone Hospital - Tough Choices - Ava Reed - E-Book

Whitestone Hospital - Tough Choices E-Book

Ava Reed

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Beschreibung

»Du bist eine wahre Wundertüte, Maisie Jones.« Und das ist das Schönste, was ein Mensch je zu mir gesagt hat

Maisie Jones trägt jeden Tag eine andere Brille, liebt gute Krimis und ihren Job als Assistenzärztin am Whitestone Hospital. Sie hat Freundschaften geschlossen und fühlt sich, als wäre sie endlich angekommen, doch ausgerechnet Grant Masterson bringt alles durcheinander. Der Krankenpfleger, der jedes Mal lächelt, wenn er sie sieht, und ihr Herz dabei ein bisschen schneller schlagen lässt. Maisie hat nie groß über die Liebe nachgedacht - bis jetzt. Und als Grant sie schließlich für sich gewinnt, ist plötzlich unklar, ob er sie auch halten kann ...

»Maisies & Grants Geschichte ist so intensiv wie ein Sturm. Mit ihrer unverwechselbaren Feinfühligkeit verpackt Ava Reed die Schwere des Klinikalltags in eine bittersüße Leichtigkeit - ich habe es geliebt, wieder ins WHITESTONE HOSPITAL zurückzukehren.« CAROLIN WAHL

Band 3 der Serie rund um die jungen Ärzt:innen des WHITESTONE HOSPITALS von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Ava Reed

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Seitenzahl: 524

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Leser:innenhinweis

Contenthinweis

Soundtrack

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

Nachwort & Danksagung

Glossar

Ein Blick hinter die Kulissen

Die Autorin

Die Romane von Ava Reed bei LYX

Impressum

Ava Reed

Tough Choices

WHITESTONE HOSPITAL

Roman

Zu diesem Buch

Ein Sandsturm zieht über Phoenix hinweg und begräbt die Stadt unter sich. Das Chaos breitet sich aus, ein Rettungswagen nach dem anderen trifft im Whitestone ein und bringt unzählige Verwundete in die Notaufnahme. Als das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher wird, wird Grant Masterson mit Schrecken bewusst, dass Maisie noch irgendwo dort draußen sein muss, denn die Assistenzärztin war zusammen mit Sierra auf dem Weg zum Flughafen, um eine Freundin abzuholen. Maisie Jones, die Frau mit den ständig wechselnden Brillen und dem schönen Lachen. Schon lange weiß Grant, dass er sie gerne näher kennenlernen möchte, hat bisher aber nie den ersten Schritt gewagt. Doch jetzt hat er Angst, sie zu verlieren. Deshalb nimmt er schließlich all seinen Mut zusammen, nachdem Maisie endlich im Whitestone eingetroffen ist, und tut alles, um sie zu erobern. Für Maisie war der Pfleger mit dem besonderen Humor bisher lediglich ein Arbeitskollege, der jedes Mal lächelt, wenn er sie sieht, und ihr Herz damit immer etwas schneller schlagen lässt. Sie hat nie groß über die Liebe nachgedacht – bis jetzt. Und als Maisie sie zulässt und Grant sie für sich gewinnt, ist unsicher, ob er sie auch halten kann …

Für alle, die im medizinischen Bereich arbeiten und sich jeden Tag mit Herzblut und Leidenschaft um die Gesundheit und das Wohlbefinden anderer kümmern. Ihr seid unersetzlich.

Liebe Leser:innen,

auch hier wieder eine kleine Erinnerung: Dies ist der dritte Band der Whitestone-Hospital-Reihe. Obwohl die Paare und Sichtweisen wechseln, zieht sich die Storyline kontinuierlich und chronologisch durch alle Bände. Sie sind daher nicht in falscher Reihenfolge oder unabhängig voneinander lesbar. Tough Choices knüpft direkt an das Ende von Drowning Souls an.

Wie zuvor findet ihr auch in diesem Band hinten ein Glossar mit den wichtigsten medizinischen Begriffen.

Die Authentizität dieser Reihe liegt mir sehr am Herzen, daher wurden die medizinischen Aspekte meinerseits nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und von erfahrenem Fachpersonal geprüft. Falls dennoch Fehler durchgerutscht sein sollten, war das keine Absicht. Teilt sie gerne direkt dem Verlag mit, damit sie korrigiert werden können.

Jedes Pärchen ist anders, die Charaktere haben unterschiedliche Persönlichkeiten und Besonderheiten, weshalb die einzelnen Bände immer einen etwas anderen Fokus haben. Doch ich hoffe, ihr mögt sie am Ende alle auf ihre Art. Und ich hoffe, ihr werdet Maisie und Grant lieben, so wie ich. Übrigens findet ihr hinten eine zusätzliche Szene aus der Sicht von zwei Nebenfiguren.

Eure Ava

Contenthinweis

In der gesamten Whitestone-Hospital-Reihe werden – auch aufgrund des Settings – verschiedenste Themen ihren Platz finden, die unter Umständen triggern können.

In Tough Choices sind es unter anderem Leistungsdruck, körperliche Verletzungen jeglicher Art, diverse Unfälle sowie Körperflüssigkeiten, explizite Erwähnung und Beschreibung von Krankheiten, Operationen und Reanimationen, Traumata, Tod, Trauer, Gewalt, Atemnot, Asthma, Stalking und toxische Beziehungen.

Diese Liste erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte achtet auf euch und eure Gefühle.

Soundtrack

SINGLE PART OF YOU – JAMIE GREY

ROOTS – GRACE DAVIES

KISS ME (GUITAR) – DERMOT KENNEDY

POINTLESS – LEWIS CAPALDI

SHIVERS (ACOUSTIC COVER) – JONAH BAKER

GIRL CRUSH (COVER) – HARRY STYLES

WHEN YOU’RE GONE (ACOUSTIC) – SHAWN MENDES

HERE WITH ME – ELINA

BRAVE (ACOUSTIC) – ELLA HENDERSON

GENTLE – LEXI JAYDE

I FOUND YOU – EWAN MAINWOOD

NOTHING LEFT TO LOSE – KARI KIMMEL

MMM … – LAURA IZIBOR

STAND BY ME (COVER) – SKYLAR GREY

BED ON FIRE – TEDDY SWIMS (WITH INGRID ANDRESS)

FALL INTO ME (ACOUSTIC) – FOREST BLAKK

LITTLE BY LITTLE – PATRICK DRONEY

I’LL FOLLOW (ACOUSTIC) – FANCY CARS, SVRCINA

1. Kapitel

Maisie

Die Panik krallt sich an mir fest wie ein lachendes, garstiges Monster.

Noch immer ringe ich nach Luft, umklammere das Asthmaspray viel zu fest – aus Angst, es zu verlieren – und schaue nach rechts. Doch da ist nur Leere.

Jess’ Tür steht ein Stück offen, die stickige Luft und der Sand erobern nach und nach jede Ecke dieses Wagens, und auch wenn Sierras Tür hinter ihr wieder zugefallen ist, haben sie beide eines gemeinsam: Sie wurden benutzt.

Ich bin allein.

Der Gurt schneidet mir in die Seite, der Wagen ist beschädigt, und die Ruhe, die uns erdrückte, kurz nachdem der Sturm hereingebrochen ist, hat nun unzähligen Geräuschen Platz gemacht. Schreie, laute und leise Worte, Weinen und Husten, das beständige Hupen vereinzelter Autos und andere Töne, die ich nicht bestimmen kann, dringen zu mir.

»So ein Mist!« Normalerweise neige ich nicht dazu, außerhalb meiner Gedanken zu fluchen, aber das hier ist eine Ausnahmesituation. Ich konnte es schon nicht verhindern, als Sierra den Sandsturm bemerkte, und jetzt würde ich am liebsten damit weitermachen, sehr viele sehr schlimme Wörter durch die Gegend zu schreien. Mist, Mist, Mist!

Ich huste heftig und benutze sofort mein Spray, weil ich spüre, wie sich meine Atemwege erneut zuziehen. So schlimm wie jetzt war es sehr lange nicht mehr. Dass Sierra das mit meinem Asthma weiß, macht es nicht besser. Die ganze Zeit über habe ich mich ziemlich unwohl gefühlt, das vor ihr und den anderen verheimlicht zu haben. Vor ihr, vor Jane. Nicht mal mein Arbeitgeber weiß es. Besonders mies fühle ich mich jetzt aber, weil Sierra mich gerettet und das Problem sofort erkannt hat. Weil ich sie überhaupt erst in eine derartige Situation gebracht habe …

Stöhnend greife ich nach dem Gurt, der noch immer klemmt. Ich ziehe und rüttle daran, aber er gibt nicht nach. Weder er noch die Schnalle zum Öffnen, auf die ich wieder und wieder drücke. Dabei tut mein ganzer Oberkörper weh von dem Unfall. Verdammt.

Was mache ich jetzt?

Entweder bleibe ich hier sitzen und warte, bis mich jemand befreit, oder ich probiere es weiter und finde eine Lösung. Der Gurt sitzt stramm, aber ein wenig Spielraum habe ich noch, vielleicht schaffe ich es, mich herauszuwinden.

Rasch klemme ich das Spray zwischen meine Oberschenkel, um beide Hände frei zu haben. Zuerst versuche ich, den Kopf durch den Gurt zu stecken, merke aber schnell, dass das nicht funktionieren wird. Also drücke ich den Gurt mit aller Kraft zur Seite, ziehe gleichzeitig meine linke Schulter hoch und weiter zu mir, Richtung Körpermitte, während ich sie mit zusammengebissenen Zähnen darunter durchquetsche. Dabei schrammt er über meine nackte Haut, schneidet ein und hinterlässt einen roten Striemen, als er wieder zurückspringt.

Der erste Versuch geht schief, und ich spüre jeden Muskel in meinen Armen. Beim zweiten komme ich etwas weiter, beim dritten schaffe ich es endlich irgendwie und atme erleichtert auf, als ich meinen linken Arm hindurchziehen und befreien kann. Doch die Erleichterung hält nicht lange an, denn eine Sekunde später schüttelt mich der nächste heftige Hustenanfall. Der Sauerstoffgehalt sinkt, ich merke es. Meine Lunge ist ohnehin anfällig für so etwas, auch wenn es über die Jahre eher besser und nicht schlechter geworden ist.

Eine weitere Ernüchterung bringt der Gurtteil um meine Taille. Das obere Stück hat sich relativ schnell zur Seite schaffen lassen, dieser hier sitzt allerdings wesentlich fester, schneidet in meine Shorts. Zu allem Überfluss hängt der Airbag im Weg. Es ist nicht nur ein Wunder, dass dieses alte Auto auf der Fahrerseite einen besitzt, sondern auch, dass er funktioniert und mich dabei nicht verletzt hat. Erschöpft und genervt reiße ich an dem cremefarbenen Fetzen, der aussieht wie eine sterbende Wattewolke.

Ein Ratschen, ein Ziehen, aber ganz lösen kann ich ihn nicht. Frustriert stöhne ich auf. Danach klemme ich die kläglichen Überreste zwischen und hinter das Lenkrad und widme mich erneut dem Kern meiner absolut beschissenen Situation.

Ich hasse diesen Tag.

Ich hasse nicht viele Dinge, aber dieser Tag hat es auf die Liste geschafft. Ich weiß nicht, wo Sierra und Jess sind, wie es ihnen geht oder was draußen passiert, denn die Sicht ist nach wie vor grauenvoll. Zu allem Überfluss stecke ich hier fest und kann nicht helfen. Stattdessen bin ich absolut nutzlos. Wie auf Kommando huste ich erneut los.

»Das gibt es doch nicht!«, rufe ich und schlage frustriert auf das Lenkrad ein, worauf ein klägliches Hupen ertönt.

Okay, Maisie, denk nach.

Ich drücke den unteren Gurt mit aller Macht von mir weg, in Richtung Knie, während meine Arme zu zittern beginnen. Das ist so verdammt anstrengend. Zudem hat der Unfall mich mehr mitgenommen, als ich es wahrhaben möchte. Die Erschütterung sitzt mir noch in den Knochen, und egal, wie viel Kraft ich in meine Bemühungen lege, ich kann mir nicht mal ansatzweise genug Bewegungsfreiheit verschaffen, um die Beine durch den Gurt zu quetschen.

Heftig atmend lasse ich mich zurückfallen, lege den Kopf in den Nacken und schließe für zwei Sekunden die Augen, bevor ich meine Brille richte, deren Gestell sich ein wenig verbogen hat, und einen weiteren Versuch starte – vergeblich.

Ich will hier nicht bleiben, allein und nutzlos, ohne zu wissen, was draußen passiert. Wie es meinen Freundinnen geht. Ich hoffe, sie sind nicht verletzt worden und haben es geschafft, Hilfe zu holen …

Ich muss sie suchen und finden!

Entschlossen beuge ich mich nach rechts, strecke mich, um irgendwie das Handschuhfach zu erreichen und es zu öffnen. Ein paar Kekse fliegen mir entgegen, Sonnencreme, Haargummis. Gott, ich sollte aufräumen, sobald das alles vorbei ist. Dabei verdränge ich den Gedanken, dass mein Wagen nach diesem Tag vermutlich nicht mehr zu gebrauchen sein wird.

Was ist da noch? Ein kleiner Spiegel, eine Bürste, ein Ersatzbrillenetui. Nichts davon kann mir in so einer Situation helfen.

Meine rechte Seite schmerzt, besonders die Stelle, die gegen den Gurt drückt, da wo er einschneidet. Mist. Hier in dem Chaos muss es doch etwas geben, das mir nützlich sein kann.

Ein Kugelschreiber.

Ein Dollarschein.

Ein Brillenputztuch, das die Gläser mit Sicherheit kein bisschen sauber bekommen würde. Überall liegt bereits Sand.

Ein … Moment, was ist das? Nur noch ein kleines Stück, dann kann ich es greifen.

»Geschafft!«, keuche ich, ziehe mich zurück in eine aufrecht sitzende Position und betrachte schwer atmend das Ding in meiner Hand. Es ist knallgelb, so groß wie zwei meiner Finger und aus Plastik. Sieht aus wie ein Schlüsselanhänger.

Also auch nutzlos. Gerade als ich es frustriert zur Seite legen will, sehe ich an der Seite etwas aufblitzen.

Oh mein Gott.

Das ist so ein Teil aus dem Teleshopping-Kanal. Ein Gurtschneider. Ich kann die eingebaute kleine Klinge erkennen. Meine Mom hat es mir vor etlichen Jahren gekauft, nachdem ich meinen Führerschein bestanden hatte, und ich habe es vergessen, weil ich es nie gebraucht habe.

Gesegnet sei das Chaos in meinem Handschuhfach! Und meine Mom. Vor allem die.

Hoffentlich funktioniert das Teil nach all der Zeit noch.

Mit leicht schwitzigen und zugleich zitternden Fingern nehme ich es aus der Schutzfolie, setze den Schneider an und will ziehen, aber er verhakt sich bloß. Beim zweiten Versuch franst der Gurt nur am Rand etwas aus, mehr passiert nicht.

Ich keuche, schnaube, gebe ein Wimmern von mir und schließe dabei einen Moment die Augen.

Am liebsten würde ich weinen vor Wut und Frustration, doch ich bin zu weit gekommen, als dass ich jetzt aufgeben werde. Also setze ich ihn noch mal an einer anderen Stelle an, halte den Gurt straffer und versuche, den Schnitt etwas diagonaler in Richtung der Fasern zu ziehen.

Und tatsächlich, es klappt.

»Ah!«, rufe ich freudig und starre auf meine Beine, die endlich frei sind. »Frei, frei, frei«, wiederhole ich den Gedanken laut, während ich den Schneider achtlos fallen lasse. Anschließend suche ich nach meinem Handy, das ich auf dem Rücksitz entdecke, stecke mein Spray ein und öffne die Tür – die sich keine Handbreit bewegt, bevor sie mit einem lauten Scheppern gegen etwas stößt.

Habe ich schon gesagt, dass ich diesen Tag hasse?

»Das muss ein Witz sein«, brumme ich, und ein verzweifeltes Lachen steigt in mir auf.

Ohne weiter darüber nachzudenken, krabble ich hinüber auf die Beifahrerseite und verlasse endlich dieses Auto. Ich kontrolliere schnell, ob sich das Asthmaspray und Handy noch in meiner Hosentasche befinden und nicht rausgefallen sind, dann muss ich mir das Shirt vor Mund und Nase halten, so schlecht ist die Luft.

Die Sicht ist nicht besser geworden, aber auch nicht schlechter. Das Schlimmste sollten wir auf dem Freeway wohl überstanden haben, aber der Sturm überrollt in dieser Sekunde vermutlich den Rest von Phoenix.

Auch das Whitestone Hospital.

»Ich hoffe, euch allen geht es gut«, murmle ich und schlucke schwer, bevor ich mir einen Weg durch das Chaos bahne.

2. Kapitel

Grant

»Ab nach Hause, Grant. Die Übergabe ist längst vorbei. Oder willst du weiterarbeiten? Ich geh auch gern wieder und mache meinen lang ersehnten Serienmarathon, bei dem ich mir endlich alle Folgen von Suits ansehen kann«, sagt Sofie und zeigt in Richtung Ausgang, weil ich immer noch hier rumhänge, Akten sortiere und letzte Aufgaben erledige.

Lachend schüttle ich den Kopf, während ich konzentriert weitermache. »Ich verschwinde gleich, versprochen.«

»Das hast du auch schon vor einer Stunde behauptet.« Ihre Augenbrauen heben sich, und ich ernte einen tadelnden Blick.

»Na schön!« Ich schließe die Akte, stehe auf und drücke sie ihr in die Hand.

Sofie hat recht, ich sollte endlich Feierabend machen. Vor allem, weil mich zu Hause jemand erwartet.

»Sehr gut. Und jetzt auf …« Unsere Pager gehen in diesem Moment los, und Sofies weitere Worte werden von dem Piepen verschluckt, als wir sie hervorkramen.

»Scheiße«, sagen wir beide fast gleichzeitig und schauen uns erschrocken an.

Code White und Code Black – Wetteralarm und massenweise Verletzte.

»Ein so schlimmer Sandsturm? Zu dieser Zeit? Oder etwas anderes?«, fragt Sofie ungläubig, aber ich bin sicher, dass sie mit ihrer Vermutung bezüglich Code White richtigliegt. Ich eile in unseren kleinen Aufenthaltsraum – oder wie Bella es nennt, das Kaffeekabuff – und schalte den Fernseher in der Ecke ein. Das, was ich kurz danach mitkriege, ist eindeutig nicht das, was ich hören oder sehen wollte. Ein schwerer Sandsturm fegt in diesem Moment mit hoher Geschwindigkeit über Phoenix hinweg. Eine riesige Staubwolke hinter sich herziehend, kilometerhoch, die nicht nur Dreck aufwirbelt, sondern Bakterien und potenziell giftige Gase mit sich bringt, die zu Atemnot, grippeähnlichen Symptomen und mehr führen können. Unzählige schwere Unfälle haben sich bereits in der Innenstadt und auf dem Highway ereignet, die umliegenden Krankenhäuser wurden alle benachrichtigt. Das Whitestone liegt sehr zentral, und wenn sie zwei Codes ausrufen, wird es richtig ernst sein. Der Flughafen ist dicht, Flugzeuge können weder landen noch starten und …

»Der Flughafen«, wispere ich schockiert. Wollten Maisie und Sierra nicht dorthin, um Jess abzuholen? »Verdammter Dreck.« Fluchend eile ich zurück nach vorne zu Sofie.

»So schlimm?«, fragt sie nur, und ich nicke.

»Bleib hier, ich gehe runter und helfe.«

»Grant«, mahnt sie, doch ich habe mich längst entschieden.

»Die Station muss ausreichend versorgt bleiben, wir sind ohnehin unterbesetzt und ich …«

Für zwei Sekunden flackern die Lichter und Bildschirme, vermutlich ist der Sandsturm hier angekommen und fegt gerade über uns hinweg. So heftig, dass das Stromnetz und die Versorgung an ihre Grenzen kommen.

»Sieh nach den Patientinnen und Patienten, schließ alle Fenster und halte mit Bella und den anderen die Stellung.« Dann zögere ich nicht länger. Ich renne den Gang entlang und nehme dieses Mal die Treppe und nicht den Fahrstuhl, weil ich absolut keine Lust habe, jetzt darin stecken zu bleiben. Währenddessen springen meine Gedanken immer wieder zu Maisie. Wann sollte Lauras Schwester noch mal landen? Waren Sierra und Maisie noch unterwegs bei dem Sturm oder mit Jess schon bei Laura daheim? Was, wenn ihnen etwas zugestoßen ist?

Wütend beiße ich die Zähne zusammen. Wenn Sierra jetzt, da unser Bambino endlich wieder genesen ist und im OP steht, etwas passiert ist, oder Jess, während ihre Schwester arbeiten muss … Mitch und Laura werden sich ohne Ende Vorwürfe machen und durchdrehen. Und ich? Ich bin ganz kurz davor, hier alles stehen und liegen zu lassen, mir meine Maschine zu schnappen und zu Lauras Wohnung zu fahren, um zu schauen, ob sie heil dort angekommen sind. Oder direkt zur WG. Ich meine, was, wenn Maisie …

Nein. Ich presse die Lippen aufeinander und verdränge den Gedanken. Ihr ist nichts passiert. Ihr geht es gut. Genau wie Sierra und Jess. Keinen anderen Gedanken darf ich jetzt in meinem Kopf zulassen. Ich muss funktionieren. Auf keinen Fall werde ich durchdrehen. Die drei können auf sich aufpassen. Es muss alles gut sein. Etwas anderes würde keiner von uns ertragen.

Auf dem Weg nach unten in die Notaufnahme fliege ich mehrmals fast hin, weil die meisten anderen dem Fahrstuhl wohl auch nicht mehr trauen und der Betrieb im Treppenbereich immer mehr zunimmt. Vielleicht auch, weil ich nach wenigen Schritten auf die glorreiche Idee gekommen bin, zwei Stufen auf einmal zu nehmen. Was nicht so einfach ist, wie es klingt; vor allem nicht, wenn man sich nicht mal mehr erinnern kann, wann man das letzte Mal in normalem Tempo die Treppe genommen hat.

»Shit!«, fluche ich wieder und wieder, völlig außer Atem, als ich unten ankomme und mit anderen Pflegekräften in die Notaufnahme stürme. Als ich sehe, was gerade passiert.

Die Bildschirme zeigen auf, wie viele Rettungswagen erwartet werden und auf welche Verletzungen wir uns vorbereiten müssen. Es sind verdammt viele, allein hier im Whitestone. Eine Info nach der anderen wird hineingespült, eine schreckliche Meldung folgt auf die nächste. Und wenn ich mich so umsehe, war die Notaufnahme vorher zwar nicht voll, aber es war genug los, um meine Kolleginnen und Kollegen auf Trab zu halten. Ab jetzt wird es nur schlimmer. Wir kennen das, hier ist das Chaos Routine, aber auch für uns ist irgendwann ein Punkt erreicht, ab dem wir über unsere Grenzen getrieben werden. Wenn die Meldungen weiter im Sekundentakt eintreffen, dauert es bis dahin nicht mehr lange. Das Whitestone wird irgendwann durchgeben müssen, dass die Notaufnahme keinen mehr aufnehmen kann. Unsere Kapazitätsgrenze ist damit erreicht, und mit Sicherheit geht es anderen Krankenhäusern ähnlich.

»Grant!«, höre ich jemanden meinen Namen rufen und erkenne die Stimme sofort. Ich drehe mich um, sehe, wie Laura noch etwas zu Jane und Zeenah sagt, die in der Notaufnahme Schicht hatten, und danach mit konzentriertem Ausdruck auf dem Gesicht zu mir kommt. »Ich frage gar nicht erst, warum du hier bist und nicht zu Hause.«

»Das lobe ich mir, Bambina«, erwidere ich, aber es klingt nicht halb so neckend wie sonst.

»Bin froh, dass du da bist«, gibt sie leise zu, bindet ihren Zopf neu und nimmt einen tiefen Atemzug, während sie sich direkt neben mich stellt und ihren Blick durch den Raum gleiten lässt. Laura ist so souverän, so aufmerksam, dass ich manchmal vergesse, wie sensibel sie ist. Aber vor allem ist sie noch eine Anfängerin. Eine waschechte Bambina. »Ich meine, die anderen sind auch da, sogar Ian läuft hier irgendwo rum, aber …« Sie zieht die Nase kraus. »Ich rede besser nicht weiter, das tut deinem Ego nicht gut.«

Ich lache leise. »Dein erster Sandsturm?« Sie nickt, wirkt angespannt, so, wie sie ihre Finger verdreht und mit ihnen spielt. Manchmal vergesse ich, dass Lauras Heimat die Sonne Kaliforniens und die Hochhäuser New Yorks sind, aber nicht die Wüste.

»Okay. Ich weiche dir nicht von der Seite, egal, was passiert. Alles wird gut. Wir haben genug Sauerstoffvorräte für so einen Fall, die Flaschen wurden erst kürzlich gewartet, alles steht bereit, und bis auf den Dreck und die möglichen Auswirkungen auf die Lunge hat sich nichts an unserer Routine geändert. Es werden verletzte Menschen kommen, und wir werden ihnen helfen.«

»Ich weiß nicht, was schlimmer wäre«, wispert sie plötzlich, ohne mich anzusehen. »Dass Jess, Sierra und Maisie gleich in einem der Rettungswagen hergebracht werden, verletzt, wir aber wüssten, wo sie sind. Oder dass sie in keinem einzigen sind, dass sie nicht hier ankommen …« Jetzt schaut sie zu mir, ich sehe die Sorge in ihrem Blick. »Sie haben sich nicht gemeldet, Grant.«

Sie haben sich nicht gemeldet. Lauras Worte liegen wie Steine in meinem Magen.

»Die drei können auf sich aufpassen«, sage ich die Worte laut, die ich mir auf dem Weg in die Notaufnahme selbst eingeredet habe. Und sie stimmen, sie sind keine Lüge. Das ändert aber nichts daran, dass ich mir auch verdammt große Sorgen mache. Die mache ich mir ständig, seit die neuen Bambini da sind. Erst die Sache mit Laura, dann die mit der Explosion und jetzt das hier. So eine Scheiße! Wäre ich vorhin pünktlich nach Hause gegangen, würde ich jetzt zusammen mit Holly was Leckeres auf der Couch essen, vielleicht ein wenig lesen oder mir einen Podcast anhören und könnte entspannen.

Schwachsinn. Ich würde mir vermutlich trotzdem Sorgen machen und Vorwürfe noch dazu, weil ich nicht im Whitestone wäre, um zu helfen. Zu Hause wüsste ich noch weniger, was mit den anderen passiert ist.

Was mit Maisie passiert ist …

Es ist unglaublich schwer, nicht an sie zu denken. Wir wissen nicht, wo sie und die anderen sind, ob etwas und, wenn ja, was passiert ist.

»Es geht los, Leute!«, ruft Lisha, die gerade eine versorgte Patientin entlassen hat und mit Ducky im Schlepptau nach vorne geht, zum Eingang für die Notfälle und Rettungswagen. Es ist verdammt viel Fachpersonal aus verschiedensten Bereichen hier, auch von den Neuen. Nur, dass einige eben fehlen …

»¡Mierda, immer ist irgendwas!«, höre ich plötzlich Mitch hinter mir und erschrecke mich.

»Gott!«

Er lacht mich aus. »Du darfst mich Rivera nennen.«

»Und ich dachte, Sierra würde dein Ego endlich mal zurechtstutzen.« Wenigstens einer von uns hat seinen Humor nicht verloren.

»Was machst du denn hier?«, fragt Laura im selben Moment und sieht erleichtert aus, ihn hier zu sehen.

»OP wurde verschoben wegen des Alarms. So sieht es heute mit fast allen geplanten Eingriffen aus, sofern das kein erhöhtes Risiko darstellt. Dabei waren wir schon alle steril und bereit, loszulegen.«

Laura schaut sofort über Mitchs Schulter, und wir wissen, nach wem sie Ausschau hält.

»Nash ist noch im OP, bei einem der wenigen Eingriffe, die laufen und nicht aufschiebbar sind«, erklärt er, und Laura nickt.

»Sierra ist inzwischen bei dir daheim oder in der WG, richtig?«, hakt Mitch nach, aber sowohl Laura als auch ich schweigen, weil es eben keiner von uns weiß. Mitch zieht überrascht seine Augenbrauen hoch. »Hat sie sich bei dir etwa auch nicht gemeldet?«. Laura schüttelt den Kopf. »Jess?« Ein Name, eine Frage.

»Nein. Maisie auch nicht«, erwidert Laura schließlich, und wahrscheinlich ist es nicht nur schwer, das zu hören, sondern auch, es auszusprechen.

»Es geht ihnen bestimmt gut«, werfe ich ein, werde aber ignoriert.

»¡Mierda!«, zischt Mitch wieder wütend. »Sie könnten also da draußen sein? Flughafen? Freeway? Innenstadt?«

»Ja«, antworte ich, weil Laura das nicht schafft. »Es geht ihnen bestimmt gut, da bin ich sicher«, wiederhole ich, als wäre ich eine kaputte Schallplatte.

»Grant hat viel zu oft recht. Lasst uns beten, dass es auch heute so ist«, murrt Mitch. Und dann bricht die Hölle los.

»Viel Erfolg, Bambini.«

Mitch nickt uns zu, bevor Laura und ich einen der Patienten ansteuern, die soeben eintreffen. Die Notaufnahme wird zu einem Bienenstock. Alles und jeder ist in Bewegung.

»Adam West, Mitte vierzig, war ohne Helm mit dem Motorroller unterwegs und wurde vom Sandsturm erfasst. Ein Auto ist mit ihm kollidiert, der Roller ist ein Totalschaden«, setzt uns die Notfallsanitäterin in Kenntnis. »Patient ist bei Bewusstsein, Atemwege sind frei, Atmung aber unregelmäßig, innere Blutungen können bei der Schwere des Sturzes nicht ausgeschlossen werden. Kreislauf bisher stabil. Außerdem ist sein linkes Bein gebrochen.«

Ich schaue nach unten. Ein offener Bruch. Ein verdammt heftiger offener Bruch. Der Knochen ragt wie ein weiteres dünnes Bein aus seinem Oberschenkel – oder wie ein blutüberströmter Arm eines Aliens. Ich muss mich davon abhalten, das Gesicht zu verziehen. Das sieht übel aus.

Während ich aufmerksam zuhöre, entgeht mir der nervöse und zugleich entrückte Blick des Patienten nicht. Aufgrund des Stiffneck kann er seinen Kopf zwar nicht gut bewegen, aber er wirkt dennoch gehetzt und ist blass. Ich taste nach seiner Hand, fahre über seine Haut. Feuchtkalt.

»Er steht unter Schock«, informiere ich Laura, und sie nickt, zeigt mir so, dass sie mich gehört und verstanden hat. Ich mag die Arbeit mit ihr, sie ist unkompliziert, und wir verstehen uns gut. Mit den anderen Bambini geht es mir ähnlich, was vermutlich auch der Grund ist, warum sie mir alle ans Herz gewachsen sind. Sie sind die ersten, die ich auch als eine Art Freunde bezeichnen würde, neben Nash und Ian. Und deshalb muss ich mich bei jedem neuen Rettungswagen, der eintrifft, bei jeder Trage, die reingefahren wird, mehr und mehr zusammenreißen, um nicht zu schauen, ob Sierra oder Jess diejenigen sind, die draufliegen.

Oder Maisie …

Sie ist mir nicht sofort aufgefallen, als sie ihre erste Schicht als Assistenzärztin hatte. Es war wohl eher ein schleichender Prozess. Von Tag zu Tag habe ich sie mehr wahrgenommen. Ihre quirlige und zugleich angenehme, manchmal auch schüchterne Art, ihre Dutzenden Brillen, ihr bezauberndes Lächeln. Und das erste Mal, seit ich denken kann, fiel es mir schwer, mit jemandem zu scherzen oder überhaupt eine normale Konversation zu führen. Weil das eben nicht alles war, was ich wollte. Ich wollte bei Maisie nicht nur an der Oberfläche kratzen, weil ich sie interessant und anziehend fand. Im Stillen.

Plötzlich bekomme ich eine Ahnung, wie es Nash gegangen sein muss. Wie es Mitch, Sierra und Laura gegangen sein muss.

Denn ich mag Maisie noch immer. Ich mag sie von Tag zu Tag mehr und will sie richtig kennenlernen, auch wenn ich keinen Schimmer habe, wie ich es am besten anstellen soll … Und ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ihr etwas zustößt, bevor ich ihr das sagen kann.

3. Kapitel

Maisie

Ein heftiger Husten schüttelt mich. Staub und Sand haben sich längst überall auf mir niedergelassen und festgesetzt. Auf meinen Haaren, meiner Haut, den Gläsern meiner Brille, meinen Wimpern und meinen Klamotten. Ich kann es sogar schmecken. Es ist ein ekelerregendes Gefühl, schlimmer als das von einem Haar im Mund. Zumindest für mich. Mein Hals brennt inzwischen.

Ich habe meine Augen zu Schlitzen verengt und blinzle immer wieder, nehme Menschen wahr, die durcheinanderreden und -rennen, die anderen helfen oder selbst Hilfe brauchen. Es sind teils nur Umrisse oder Schemen, aber genug, um zu begreifen, welchen Schaden der Sturm angerichtet hat. Er hat uns hier mit voller Wucht erwischt und war dabei so schnell, dass kaum jemand reagieren konnte. Ich schaue mich um, suche nach Sierra und Jess, doch ich kann sie nirgendwo entdecken.

Dafür ein paar Rettungswagen, die schon angekommen sind. Ich kann nicht benennen, wie viele es genau sind, sie stehen zu weit entfernt, doch ich kann ihre Sirenen hören und erkennen, wie einzelne Staubpartikel in der Luft blau leuchten und somit deren Lichter reflektieren. Das ist gut, denn sie werden helfen.

Statt mich einfach in das Chaos zu stürzen, drehe ich mich um und will meinen Erste-Hilfe-Kasten aus dem Kofferraum holen. Doch bereits zwei Schritte später halte ich inne, denn … das kann ich vergessen. Mein Kofferraum ist quasi nicht mehr existent. Die zerknitterte Motorhaube eines anderen Wagens hängt in ihm und hat ihn zusammengedrückt. Durch diesen Anblick wird mir das ganze Ausmaß dieses Unfalls nur noch mehr bewusst, und er erklärt den heftigen Ruck von vorhin. Ich will gar nicht wissen, wie Jess’ Koffer aussieht, aber ganz ehrlich, das ist jetzt das allerkleinste Problem.

Ich wende mich erneut um und bin versucht, einfach Sierras und Jess’ Namen zu rufen. Dabei wäre das sinnlos. Sie würden mich nicht hören, da bin ich sicher.

Also entscheide ich mich, loszugehen und mich in Richtung Rettungswagen durchzuschlagen, in der Hoffnung, Sierra und Jess dort finden oder jemandem helfen zu können. Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Ich muss es wenigstens versuchen … Aber es ist schwer, nicht an meine Freundinnen zu denken und die Zerstörung um mich herum nicht an mich heranzulassen.

Wieso ist Jess ausgestiegen? Wieso nur? Und wieso sind weder sie noch Sierra zurückgekommen? Ich hoffe nur, dass es beiden gut geht – damit ich ihnen danach den Hals umdrehen kann, weil ich mir Sorgen machen musste.

Sorgen, die berechtigt sind, denn die Menschen um mich herum wirken nervös, aufgebracht, angsterfüllt, sitzen wartend in ihren Autos oder sind darin eingeklemmt worden. Manche stehen unter Schock, andere helfen, wo es ihnen möglich ist, oder kümmern sich um sich und ihre Familien. Es sind so viele von ihnen, die Unterstützung benötigen.

Unzählige Autos sind ineinandergekracht, und als ich auf dem Weg zu einem der Rettungswagen an einem umgekippten Kleinwagen vorbeikomme, kann ich nicht mehr weitergehen. Jemand schreit. Jemand weint. Die Verzweiflung ist so spürbar, dass sie mich aufhält.

Ich bin Ärztin. Die Menschen hier brauchen Hilfe, und mir geht es so gut, dass ich stehen und laufen kann. Ich sollte etwas tun!

Entschlossen reibe ich mir über die Brille, um den Schleier aus Sand und Dreck wegzuwischen, und auch wenn ich damit nur Schlieren auf dem Glas ziehe, sehe ich etwas besser als zuvor. Wegen des Hustens verziehe ich das Gesicht und greife mir aus Reflex an den Hals. Aber was bringt das schon?

Je näher ich meinem Ziel komme, desto mehr Details erschließen sich mir. Zwei Männer und eine Frau stehen neben dem Wagen, dessen Fahrerseite nun gen Himmel zeigt. Der Mann schluchzt, ruft einen Namen und gestikuliert wild. Sie reden miteinander und …

»Sierra?«, keuche ich ungläubig, atme danach viel zu schnell, viel zu tief ein und verfluche mich im nächsten Augenblick dafür, als ich den Staub in meiner Lunge nahezu fühlen kann und ein weiterer heftiger Hustenanfall meinen Körper erschüttert.

Trotzdem renne ich los, um die letzte Distanz zu überwinden. Als ich an dem Unfallwagen ankomme, will ich vor Erleichterung weinen und falle meiner Freundin in die Arme. Ich höre ihr ersticktes »Uff«, als ich sie für einen Moment fest an mich drücke.

»Sierra! Wäre ich weniger glücklich dich zu sehen, würde ich dich erwürgen«, murre ich an ihrem Hals und nehme so etwas wie ein ungläubiges Grunzen wahr.

»Tut mir leid, dass ich nicht zurückgekommen bin«, presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, nachdem sie mich leicht von sich geschoben hat. »Asthmaspray dabei?« Prüfend mustert sie mich, und ich nicke. Aber … sie sieht nicht gut aus. Und ich meine nicht den Dreck in ihrem Gesicht und an ihrer Kleidung oder das zerzauste schwarze Haar, sondern ihre blasse Haut, ihre schwere Atmung und die Blutreste am Kinn und ihrem Top.

»Wo ist Jess? Hast du was abbekommen? Komm, lass uns zum Rettungswagen gehen und …«

»Nein, bitte!«, unterbricht mich einer der Männer und hält meinen Arm fest. Pure Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben, als ich zu ihm sehe. »Sie haben gesagt, Sie würden uns helfen. Ich bin zu groß, ich komme nicht an sie heran.« Er lässt seinen Blick von Sierra zu mir huschen und zurück, wieder und wieder. Seine Panik ist greifbar und erinnert mich daran, dass ich genau das tun wollte: helfen.

»Okay, was ist los?« Ich beuge mich vor.

»Seine Tochter ist im Auto, die Tür geht oben nicht auf, und der Wagen lässt sich nicht kippen. Wir haben es versucht. Sie hat Angst.«

Ich sehe, wie der andere Mann, wesentlich älter und mit grauem Haar, an der Windschutzscheibe steht und versucht, ein verängstigtes Kind zu beruhigen, während sich Schmerz in Sierras Gesicht widerspiegelt. So gut sie es auch zu verstecken versucht, ich bemerke es. Sie hat was abbekommen – Mist.

»Sierra …« Doch ich komme erst gar nicht dazu, sie zu fragen, wo sie sich verletzt hat.

»Sie ist elf Jahre alt. Ihr Name ist Aliya. Bitte, bitte«, fleht er. »Sie sagten, Sie seien Ärztin, bitte helfen Sie uns.«

»Es geht mir gut«, betont Sierra nachdrücklich, als sie bemerkt, dass ich sie weiterhin aus dem Augenwinkel beobachte, und als wüsste sie, dass ich das hören muss, unabhängig davon, ob ich es ihr glauben kann.

»Na schön. Worauf warten wir?«, frage ich Sierra, und sie grinst leicht, als wäre das wiederum genau das gewesen, was sie hören wollte. Je schneller wir das hier erledigen und helfen, umso schneller kann Sierra untersucht werden.

»Wir müssen wohl die Scheibe an der Tür komplett zerstören und sämtliche Splitter entfernen.« Sierra beginnt direkt mit einem Knall. Wie sollte es auch anders sein?

Ich mustere den Vater der Kleinen, der sich sichtlich um das Mädchen sorgt.

»Ziehen Sie Ihr Shirt aus. Bitte«, verlange ich höflich, aber direkt, weil ich mental voll in den Arbeitsmodus schalte. Ich würde mein eigenes Top nehmen, aber hier nur in einem dünnen BH zu stehen und zu arbeiten wäre doch ungünstig. Ich höre Sierra leise lachen.

»Du kannst ja ganz schön rangehen, Dr. Jones.« Erst da wird mir die mögliche Doppeldeutigkeit meiner Worte bewusst, und wie so oft kann ich nicht verhindern, dass die Hitze in mein Gesicht kriecht und es mit hoher Wahrscheinlichkeit dunkelrot einfärbt. Mit etwas Glück sieht es unter den jetzigen Bedingungen niemand.

Sierra ist schlagfertig und selbstbewusst, was all die Themen rund um Sexualität angeht. Ich bin es nicht. Keine Ahnung, warum, aber es fällt mir schwer, bei so etwas direkt zu sein oder es locker zu nehmen. Es ist mir nicht unbedingt unangenehm, mir fehlen dann nur alle Wörter im Kopf. Vielleicht, weil ich selbst noch nicht richtig damit in Berührung gekommen bin, nicht intensiv genug, und es seltsam ist, das zuzugeben, da ich mit beinahe Ende zwanzig wohl nicht mehr in die Kategorie gehöre, bei der man es erwarten würde. Das Unerfahren-Sein. Es ist nichts dabei, schüchtern zu sein, was das Thema angeht. Oder vorsichtig. Wenn man nicht andauernd nach der Liebe oder einem Partner sucht, es sich aber trotzdem wünscht. Es ist nichts dabei, wenn man seine Dates an einer Hand abzählen kann und seine Küsse an zweien. Wenn man erst eine feste Beziehung hatte, die den Namen nicht einmal verdient, weil sie bereits nach weniger als zwei Monaten in die Brüche ging, weil man zu allem bereit war, aber eben noch nicht für Sex – und das Anfang zwanzig.

Das ist okay. Ich weiß, dass die meisten Menschen das anders sehen, und vielleicht ist dieser indirekte Druck, dieser unsichtbare Stempel, der einem unweigerlich von der Gesellschaft aufgedrückt wird, der Grund, warum all das für mich mit jedem Jahr seltsamer wird. Als würde mir die Zeit davonrennen. Als hätte ich ein Ablaufdatum, das ich nur mit dem ersten Mal Sex erneuern kann.

Vielleicht bin ich prüde.

Nein, ich mag das Wort prüde nicht. Es suggeriert, dass Zurückhaltung, wenig Erfahrung in Sachen Sex – generell einem intimen Umgang mit einem anderen Menschen – oder auch wenig Eigeninitiative dahingehend etwas grundsätzlich Schlechtes sind. Etwas, das vor allem Frauen oft angelastet wird.

Du willst dich nicht direkt küssen lassen? Sei nicht so prüde!

Du willst nach einem Monat Beziehung immer noch mit dem Sex warten? Du bist zu prüde!

Du willst es nicht oft? Nicht ein Mal am Tag? Brauchst mehr Zeit? Bist ab einem gewissen Alter noch ohne Erfahrung?

Du. Bist. Prüde!

Was witzig ist und nicht einer gewissen Ironie entbehrt, denn willst du es zu oft oder zu schnell, bist du eine Schlampe. Und den schmalen Grat dazwischen zu beschreiten ist etwas, dass viele Menschen viel zu sehr unter Druck setzt. Abgesehen davon ist es unnötig. Bodycounts sollten kein Limit haben. Du willst keinen Sex? Fein! Du willst viel Sex? Fein! Du hast dein erstes Mal nicht, bevor du legal Alkohol trinken darfst? Absolut fein!

Zumindest ist es in meinem Kopf so … leicht. So einfach. Nur außerhalb eben nicht. Oder viel zu selten.

Darum habe ich mir oft Gedanken gemacht, doch jetzt sind sie fehl am Platz. Ich ermahne mich stumm, schiebe sie leise räuspernd beiseite und konzentriere mich wieder auf das Hier und Jetzt. Das hier ist wichtig.

»Ich brauche das Shirt für die Scheibe«, nuschle ich schließlich und erkläre mich damit, obwohl Sierra nur einen Witz gemacht hat. Um mich zu erden, fummle ich an meiner Brille herum.

»Ich weiß.« Für eine Sekunde wirkt es, als wäre ihr bewusst, was in mir vorgegangen ist. Die verständnisvolle, empathische Sierra blitzt für einen Augenblick durch. Dann jedoch zeigt Sierra zielgerichtet auf das Shirt des Mannes und funkelt ihn wütend an, gerade so als wäre er schuld an dem ganzen Desaster. »Los, ausziehen, sonst stehen wir morgen noch hier. Und ich muss wirklich dringend auf die Toilette«, meckert sie, und ich bin immer wieder beeindruckt von ihrer Art. Sierra ist wie eine Zwiebel. Eine mit wirklich vielen Schichten …

Sie sagt diese Worte, als wäre ihr das Mädchen im Wagen egal, aber das stimmt nicht. Ich weiß es besser, denn ich kenne sie. Ihr Blick zuckt immer wieder zu der Kleinen hinüber, ich kann erkennen, wie es hinter Sierras Stirn arbeitet und wie sie darüber nachdenkt, sie zu befreien. Ihr Sarkasmus und ihre manchmal zu trockenen Sprüche sind nur ein Mittel, damit umzugehen. Mit ihren Sorgen und Ängsten. Mit ihrer Arbeit. Sozusagen aus Selbstschutz. Da bin ich sicher.

Der Mann zieht das Shirt ohne weiteres Zögern aus und will es mir reichen, doch Sierra grätscht dazwischen.

»Hey!«, rufe ich, aber ich bin zu langsam.

»Ich mach das.«

»Wieso?«

»Ich war zuerst hier, und die Scheibe ist bereits gebrochen. Wir müssen sie nur ganz eintreten und die Splitter beseitigen. Außerdem macht deine Lunge das vielleicht nicht mit.«

»Blödsinn«, erwidere ich. »Ich bin kleiner als du und komme besser durch das Fenster, falls nötig.« So viel kleiner bin ich zwar gar nicht, als dass es etwas ausmachen würde, trotzdem marschiere ich an ihr vorbei und stelle mich vor das Auto, ohne auf ihre Antwort zu warten. Sie ist verletzt und sollte mich das machen lassen.

Sierra und der Vater der Kleinen folgen mir, und während der Mann eine Räuberleiter für mich macht, damit ich auf den Wagen klettern kann, kämpft Sierra noch mit sich selbst. Doch bereits zwei Atemzüge später stöhnt sie auf, kapituliert und hilft mir dabei, mein Gleichgewicht nicht zu verlieren.

»Für jeden Kratzer, den du später hast, wird er mir eine runterhauen«, nuschelt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, und ich habe keine Ahnung, wovon sie redet.

»Was?«, hake ich nach, aber sie dreht sich weg und winkt ab, als hätte sie nicht mit mir geredet. Also konzentriere ich mich wieder auf meine Aufgabe und bete, dass ich das hier hinkriege. Dass das Mädchen es schafft und alles okay ist. Dass wir schnell hier wegkommen …

Es ist gar nicht so leicht, auf ein umgekipptes Auto zu klettern, wenn man ohnehin erschöpft ist – nach einer langen Schicht im Krankenhaus, einem Abstecher zum Flughafen und einem heftigen Autounfall. Hinzu kommt der Mangel an Sauerstoff und dass ich meine Brille wirklich gern schreiend von mir schmeißen würde, obwohl ich sie liebe. Das Einzige, was mich davon abhält, ist die Tatsache, dass ich danach noch weniger sehen würde als jetzt – und dass ich eines meiner liebsten Gestelle ruinieren würde.

»Noch ein Stück!«, rufe ich nach unten und stütze mich mit den Armen am Türrahmen ab.

Ich sollte mehr Sport machen, meine Arme sind kraftloser als eine zu lang gekochte Spaghetti. Aber ich gebe alles, damit Sierra das Zittern nicht bemerkt, weil sie mich sonst schneller runterzieht, um mit mir den Platz zu tauschen, als ich bis drei zählen kann. Und das geht nicht. Nicht nur, weil ich sie mag, sondern vor allem, weil ich immer noch ein mulmiges Gefühl habe. Vermutlich geht es ihr schlechter, als sie zugibt, und ich will nicht, dass sie sich weiter verausgabt.

Als ich es endlich schaffe, mich ganz hochzudrücken, und auf der Autotür liege, atme ich erleichtert durch. Mittlerweile kann ich das Pfeifen meiner Lungen hören, wenn ich mich darauf konzentriere. Sandstürme sind wirklich nur schön, wenn man in seinem Zuhause sitzt und nirgendwo mehr hinmuss. Wobei, nein, auch dann nicht …

»Hab es geschafft«, presse ich hervor und huste einmal auf. Danach zwinge ich meinen Körper in eine sitzende Position, direkt neben die Fensterscheibe, die bereits zersplittert ist. Ich schaue hinein, mache mir schnell einen neuen unordentlichen Dutt, damit mein Haar nicht andauernd im Weg ist, und erkenne ganz unten das Mädchen. Es hockt zusammengekauert in der Ecke an der Beifahrertür, die nun auf der Straße aufliegt, und zittert, während es seine Beine umfasst.

»Aliya?«, frage ich ruhig und lächle. »Mein Name ist Maisie. Ich bin hier, um dich da rauszuholen, okay?«

»Wo ist mein Dad?« Ihre Stimme ist fest und klar, trotzdem höre ich die Angst und Unsicherheit in ihr.

»Der ist direkt hier, neben dem Wagen. Er war die ganze Zeit bei dir.«

»Ich bin da, meine Kleine!«, dringt sein Rufen zu uns.

»Ich will hier raus«, sagt sie, und ihre Stimme bricht. Kinder sind eine meiner größten Schwächen. Sobald sie im Spiel sind, sie verletzt wurden oder werden könnten – das ist mit Abstand das Schlimmste. Weil Kinder noch alles vor sich haben. Ein ganzes Leben. Eine ganze Welt.

»Das Shirt!«, rufe ich und strecke meine Hand zur Seite aus, beuge mich runter, um es fassen zu können, als Sierra es mir reicht.

»Sei vorsichtig, sonst komm ich da hoch und erwürge dich«, murrt meine Freundin. Sie hasst ihr weiches Herz, da bin ich sicher.

Ich wende mich erneut Aliya zu. »Hör mir jetzt bitte genau zu. Ich werde die einzelnen Glassplitter lösen, damit du dich nicht an ihnen schneiden kannst, wenn du aus dem Fenster krabbelst. Es kann sein, dass ein paar zu dir herunterfallen, also musst du dein Gesicht bedecken. Duck dich so weit wie möglich unter das Armaturenbrett, leg das hier über dich, schütze deinen Kopf mit den Armen, dann steck ihn zwischen die Beine. Du kannst auch, wenn du möchtest, die Augen schließen und ein Lied summen. Stell dir vor, du wärst daheim«, weise ich sie klar und deutlich an. Aliya hält meinem Blick stand und nickt ernst, nachdem ich ihr das Shirt ihres Vaters heruntergeworfen habe.

»Was zur Hölle machst du da?«, ruft Sierra.

»Sie braucht das, um ihr Gesicht zu schützen. Ich komme schon klar«, gebe ich zurück und höre Sierra fluchen.

Zuerst wollte ich das Shirt nutzen, um meine Hände zu umwickeln, aber nachdem ich mir das Glas genauer angesehen habe, werde ich zwei Stücke wohl nur rauskriegen, wenn ich sie mit dem Fuß wegtrete. Und ich will das Mädchen nicht verletzen.

Mit einem Mal schüttelt mich ein kräftiger Husten, meine Augen brennen immer mehr. Nervös wische ich mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn – denn am Ende des Tages bin ich immer noch Ärztin in Ausbildung und das hier ist weder die Notaufnahme noch die Station oder ein OP-Saal. Das hier ist ein Freeway kurz nach einem heftigen Sandsturm. Während ich auf einem umgekippten Kleinwagen sitze, um ein Mädchen daraus zu befreien, steht Sierra unten und hat eben als Erste aus dem Whitestone herausgefunden, dass ich Asthma habe. Außerdem haben wir Jess immer noch nicht gefunden.

Ich wünschte, ich würde mich so selbstbewusst fühlen, wie ich die anderen um mich herum glauben lassen will.

»Bereit?«, frage ich nervös, und das Mädchen nickt ein weiteres Mal.

Auf gehts, Maisie. Du schaffst das.

4. Kapitel

Grant

»Lucie Turner, Ende zwanzig, nicht bei Bewusstsein. Wurde von einem Wagen mitgerissen und mit ihrem Fahrrad gegen einen Pfeiler gedrückt. Atmung wieder stabil, jedoch leicht vermindert mit kaum wahrnehmbarem Rasseln in der Lunge, was mir nicht gefällt. Einen Verdacht auf eine gebrochene Rippe gab es bereits bei der ersten Untersuchung der Rettungskräfte, eine zweite kam vermutlich während der Reanimation hinzu«, zählt der Notfallsanitär immer weiter auf, während wir Seite an Seite hineineilen.

So viele Unfallopfer. Am schlimmsten ist es bei denen, die zu Fuß, mit einem Motorrad, Roller oder dem Fahrrad unterwegs waren und von Autos oder Bussen erwischt wurden.

»Quetschung? Blut oder Wasser in der Lunge?«, fragt Laura mich beiläufig nach meiner Meinung. Das macht sie nicht als Einzige, die anderen Bambini tun es auch. Nicht nur bei mir, sondern bei allen, und das ist mit das Besondere an ihnen. Sie wissen jeden Menschen, der hier arbeitet und sein Bestes gibt, zu schätzen. Stellen ihr noch fragiles Wissen und ihre Meinung nicht über das Wohl der Patientinnen und Patienten. Sie arbeiten miteinander. Sie wachsen von Tag zu Tag mehr zu einer Einheit zusammen. Mit uns.

»Möglich. Der Sandsturm und die damit verbundene Belastung der Atemwege kommt hinzu.« Die Patientin wirkt blass.

»Wie wurde sie vorgefunden?«, hakt Laura nach, während ich bereits mit der Sauerstoffmaske und danach dem EKG-Gerät kämpfe und wir die Patientin umbetten. Sand und Schmutz kleben an den langen roten Haaren, ihrer Kleidung sowie ihrer Haut, und ich muss die Bereiche, an denen ich die Elektroden anbringen will, erst reinigen, bevor ich sie befestige. Derweil folge ich dem Bericht des Notfallsanitäters aufmerksam.

»Das Rad lag halb unter ihr, zwischen ihren Beinen und dem Wagen. Ihr Körper wurde mittig gequetscht, ab Höhe der Rippen bis zum Becken.« Um seine Worte zu untermauern, deutet er auf die Patientin und zeigt uns den Bereich genau.

»Scheiße«, flucht Laura leise, und ich tue es auch. Neben der Lunge wurde eine der empfindlichsten Körperpartien ohne Schutz ziemlich hohem Druck ausgesetzt. Sämtliche Ober- und Unterbauchorgane können bei diesem Zusammenprall beschädigt worden sein. Milz, Leber, Galle, Magen, Darm … einfach zu viele.

Normalerweise sorgen unser Skelett und die Rippen, die einige Organe umschließen, sowie unsere Fähigkeit, uns zusammenzurollen, dafür, dass wir uns – den Umständen entsprechend – so wenig wie möglich verletzen. Bei Gefahr, die eher unausweichlich scheint, ist der erste Reflex, die Beine anzuziehen, die Arme um sich zu schlingen und den Kopf einzuziehen. Die Anatomie des menschlichen Körpers ist darauf ausgerichtet, alle lebenswichtigen inneren Organe so lange und so gut wie möglich zu schützen. Wir gleichen einem Igel, nur ohne Stacheln.

Der Patientin hier war das Einnehmen dieser Schutzhaltung jedoch aufgrund mehrerer Faktoren nicht möglich.

»Keine schweren sichtbaren Verletzungen oder offenen Brüche«, stellt Laura fest und dass das so ist, gleicht für mich einem Wunder. »Sofort zur CT, wir brauchen eine Übersicht über die möglichen inneren Verletzungen und …« Lauras und mein Kopf rucken gleichzeitig zum EKG-Monitor herum, zu diesem beschissenen Piepton, den ich wirklich nicht ausstehen kann. »Sauerstoffsättigung fällt, Blutdruck ist zu niedrig«, murmelt Laura gerade so laut, dass ich es hören kann, und schnappt sich die Finger der linken Hand. Ich ahne, wonach sie sucht, aber sie zeigen keine auffällige Verfärbung. Sofort lässt sie los, beugt sich nach vorn und reibt den Dreck von den Lippen der Patientin. Sie sind blau.

»Komm schon!«, brumme ich frustriert.

»Pneumothorax möglich. Kann sein, dass die Lunge beim Aufprall einiges abbekommen hat. Es könnte aber auch eine Verletzung der Aorta sein. Ihre Hände sind kalt.« Laura klopft den Oberkörper der Patientin ab, führt eine Lungenperkussion durch. »Scheiße, hypersonorer Klopfschall. Die Patientin braucht sofort eine Thoraxdrainage. Danach muss sie in den OP, Grant.«

Lucie Turner scheint ein einziges Pulverfass zu sein, das droht, zeitnah hochzugehen. Wer weiß, was man alles finden wird – innere Blutungen, Traumata, gerissene Organe. Ich hoffe, sie schafft es, noch etwas durchzuhalten, bis wir sie überhaupt im OP haben.

»Bin auf dem Weg!« Ich eile zum Telefon, schnappe es mir, bevor es jemand anderes tun kann, und wähle eine der Kurztasten, um oben Bescheid zu geben. Zuerst beim CT, danach in der Chirurgie. Die Patientin wird bereits in den Schockraum gebracht. Das kriege ich nur am Rande mit, denn hier wird es immer voller. Ich arbeite schon seit einigen Jahren im Whitestone, und wir hatten oft volle Notaufnahmen und OPs, aber manche Tage bleiben einem mehr im Gedächtnis als andere.

So wie dieser hier.

Denn als ich mich nach meinem Anruf und einem anderen Patienten, bei dem ich mit anpacke, weil er fixiert werden muss, zurück ins Chaos stürze und Laura wiederfinde, eilt sie gerade zu einem der neu eingetroffenen Rettungswagen. Ich bin direkt hinter ihr, als wir einen Augenblick später erkennen, wer da auf der Trage liegt und auf uns zugerollt wird.

»Shit!«, fluche ich, und während Laura keucht und ihre Schritte noch einmal beschleunigt, bis sie fast schlitternd ihr Ziel erreicht, werde ich immer langsamer. Bis ich irgendwann zum Stehen komme. Für einen Moment ist alles andere ausgeblendet, alles erstarrt. Ich stehe da wie angewurzelt, mein Herz pocht heftig gegen meine Brust, ich bilde mir ein, dass meine Finger kribbeln und meine Beine zittern. Vielleicht tun sie es, vielleicht nicht – aber eines ist klar: Da liegt jemand von uns.

Ich schlucke schwer, setze mich wieder in Bewegung und stelle mich auf die andere Seite der Trage.

»Jess«, wispert Laura, und Tränen sammeln sich in ihren Augen, wobei sie ihre Schwester mustert und danach in die Arme schließt. So weit es eben möglich ist …

Ich atme durch, bin kurz erleichtert, nur um gleich darauf leise zu keuchen. Mir wird schlecht.

Wenn Jess da liegt, wenn sie hier ist, wo sind dann die anderen?

Wo ist … Maisie?

Wurde sie verletzt? Ist sie noch da draußen? Wurden die drei getrennt?

Scheiße, was ist nur passiert?

Ich schaue über Lauras Schwester hinweg zum Rettungswagen, auf dem eine unübersehbare Dreckschicht liegt, aber sie war die einzige Patientin darin. Die Sicht ist immer noch beschissen, die Luft voller Staub, trotzdem drehe ich mich hektisch, sehe mich um, suche alles ab, aber ich kann weder Maisie noch Sierra entdecken. Shit.

Sofort schlucke ich meine Angst herunter, meine wilden Gedanken zu all den möglichen Dingen, die ihnen passiert sein könnten, weil sie mich daran hindern werden, meinen Job richtig zu machen. Weil sie weder Maisie noch Sierra und erst recht nicht mir helfen.

Aber verflucht, das ist nicht so einfach. Bis eben konnte ich das alles verdrängen. Konnte beiseiteschieben, dass Maisie womöglich da draußen ist, während dieses Ungetüm Phoenix unter sich begraben hat. Weil ich mir einreden konnte, dass sie vielleicht schon mit Sierra zurück in der WG ist. Das geht jetzt nicht mehr. Jetzt, da Lauras Schwester hier eingeliefert wurde. Allein.

Gestresst und fluchend fahre ich mir mit dem Unterarm über die Stirn, spüre den Schweiß auf meiner erhitzten Haut und an den Haarspitzen und unterdrücke einen wütenden Schrei.

Ich schlucke ihn herunter – wie meine Angst zuvor. Dann stelle ich mich direkt zu Jess und muss es mir verkneifen, sie darauf aufmerksam zu machen, wie beschissen sie aussieht. Meist sind diese Kommentare einfach meine Art, mit der Situation umzugehen – aber nicht heute. Jess ist voller Dreck und wirkt abwesend. Sie zittert, trotz der Wärmedecke. Eine Sauerstoffmaske verdeckt Mund und Nase.

»Was ist passiert? Bist du verletzt? Ist sie verletzt?« Laura wendet sich schließlich an die Notfallsanitäterin, die sie mitfühlend anlächelt und sich mit uns wieder in Bewegung setzt, um Jess hineinzubringen.

»Sie kennen die Patientin, wie ich sehe.«

»Ja, sie ist meine Schwester.«

Die Notfallsanitäterin nickt. »Verstehe. Ihre Schwester hat vermutlich ein paar Prellungen und einige oberflächliche Kratzer, ansonsten konnten wir keine äußeren Verletzungen feststellen. Sie war wohl auf dem Freeway in einen Unfall verwickelt, konnte aber nichts Genaueres sagen.«

Wie ich Laura kenne, wird sie eine CT machen und ihre Schwester anschließend ganz genau untersuchen lassen. Würde ich auch tun. Immerhin hat sie bereits ihre Eltern verloren und vor wenigen Wochen beinahe Nash – sie wird alles tun, damit bei Jess nichts übersehen wird. Dazu gehört, sie als Patientin abzugeben, weil sie zu nah dran ist. Laura ist zu sehr emotional involviert.

Und während wir Jess umbetten, ahne ich Böses.

»Laura.« Leise zische ich ihren Namen und beuge mich zu ihr rüber. »Das sieht aus wie …«

»Ja«, würgt sie mich ab, und ich höre diesem einen Wort an, dass sie mir recht gibt. Dass sie es auch bemerkt hat.

Jess könnte von dem Unfall traumatisiert sein und steht ziemlich sicher unter Schock.

»Wir übernehmen«, sagt Laura, bevor die Notfallsanitäterin weiterreden kann, um mit Sicherheit denselben Verdacht zu äußern wie wir. »Danke für alles.« Dann wendet sie sich mir zu.

»Schockraum, Vorbereitung CT?«, komme ich ihr zuvor, und sie nickt dankbar. Sobald Jess untersucht wurde und sämtliche körperlichen Verletzungen ausgeschlossen, versorgt oder später verheilt sind, wird auch ein Anruf bei der psychotherapeutischen Station folgen, da bin ich sicher. Die psychischen Folgen von Unfällen werden häufig unterschätzt, dabei können sie genauso gefährlich werden wie physische Verletzungen. Anpassungsstörungen und Flashbacks können über mehrere Wochen, in schlimmen Fällen sogar Monate oder Jahre auftreten, oder können sich zu schweren psychischen Erkrankungen entwickeln. Leiden wie Depressionen, Schlafstörungen, Angststörungen oder einer generellen posttraumatischen Belastungsstörung. Betroffene sind meist emotional labil, haben Schuldgefühle und brauchen Hilfe, um dieses Trauma zu verarbeiten. Und das alles ist nichts, was ich irgendjemandem wünsche. Schon gar nicht Menschen, die ich mag.

Ich eile los, bereite alles vor – und laufe danach Ian in die Arme.

»Grant, wenn du nichts zu tun hast …«

Ich lache auf. »Dein Humor spielt in einer eigenen Liga, Ian.«

»Zeit für Komplimente ist wirklich immer«, meint er und zwinkert mir fröhlich zu – bis Laura an uns vorbeieilt. Ians Brauen ziehen sich zusammen, seine Augen werden schmal. »Warte mal, ist das …? Scheiße!«, flucht er und bahnt sich seinen Weg zu ihr.

»Hey! Warte auf mich.« Diese elende Nervensäge.

Eine Sekunde nach Ian komme ich bei Laura und Jess an, die gerade auf dem Weg nach oben sind. Doch er stoppt sie.

»Verflucht, Ian!«, tadelt Laura ihn, aber er beachtet sie gar nicht, während er Jess’ Gesicht unerwartet sanft mit seinen Händen umfasst.

»Was ist passiert?«, fragt er ernst, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Jess, hörst du mich?« Er streicht eine ihrer Haarsträhnen zurück, während Sorge und Wut in seiner Stimme mitschwingen. Bis er begreift, dass sie nicht antworten wird. Nicht antworten kann. Zumindest nicht jetzt, nicht in ihrem Zustand.

»Es wird alles gut«, raunt er ihr zu, rückt die Sauerstoffmaske zurecht, und ich kann ganz deutlich erkennen, wie sehr er mit sich kämpft. Von wegen nur Bekannte. Für mich sieht es so aus, als hätte unser großspuriger und verwegener Thoraxchirurg Dr. Ian Rice endlich einen Menschen gefunden, der ihm richtig unter die Haut geht. Unglaublich …

»Was machst du hier?«, fragt Laura, um seine Aufmerksamkeit zurück auf sie zu lenken.

»Wurde runterbeordert«, erwidert er nüchtern, nachdem er sich zu ihr gedreht hat. »Wegen einer Patientin, aber das hat bereits jemand übernommen. Außerdem ist Nash einer der wenigen im OP, und da ich bald euer Betreuer bin, sollte ich herkommen – und werde auch zukünftig öfter hier sein. Sofern die Thorax gut genug besetzt ist.« Er wurde wegen Lucie Turner, unserer Patientin gerufen, aber Dr. Ortiz war schneller und kümmert sich bereits um sie. Ian holt tief Luft und beißt die Zähne zusammen. »Bericht«, zischt er nur, und mit diesem Wort sagt er so viel mehr. Er ist jetzt ihr Vorgesetzter, nicht nur ein Freund. Und er fragt, obwohl er längst ahnt, was los ist. Manche Dinge kann man erst glauben, wenn man sie gehört hat. Sie müssen nicht für jeden schlimm sein. Es reicht, wenn sie die eigene Welt erschüttern.

Lauras Blick wird weicher. Für einen Moment stehen sie da und führen eine stumme Unterhaltung. Ich bin kurz davor, mir schreiend die Haare zu raufen, weil ich es nicht mehr aushalte und weil wir keine Zeit für so was haben.

Doch bevor ich die beiden anscheißen kann, beginnt Laura zu erzählen. »Sierra und Maisie haben Jess vom Flughafen abgeholt, sie wollten sie zu mir bringen. Anscheinend hat der Sandsturm sie überrascht. Jess wurde auf dem Freeway gefunden, nicht ansprechbar. Vermutlich ein Schock. Keine sichtbaren Verletzungen, innere können nicht ausgeschlossen werden.«

»Sind Harris und Jones auch hier?«

»Nein. Sie … wir wissen nicht, wo sie sich aufhalten und wie es ihnen geht«, gibt Laura zu, und ich schlucke schwer.

Nicht darüber nachdenken. Weitermachen. Konzentrieren. Den Fokus halten, ermahne ich mich selbst.

»Ich habe Jess für eine CT angemeldet. Sie wird erwartet und gut versorgt werden«, schiebe ich hinterher, weil Ian keine Anzeichen macht, uns durchzulassen. »Aber dafür muss sie jetzt zum Aufzug«, betone ich nachdrücklich und bedenke ihn mit einem strengen Blick.

In der Notaufnahme wird es zunehmend voller, neue Rettungswagen treffen ohne Unterlass im Whitestone ein. Es werden immer mehr Verletzte reingebracht. Der Schockraum ist ein Schlachtfeld und die Kabinen überfüllt.

»Ich bringe sie hoch.«

»Ian …«, beginnt Laura, doch ich bin schneller. Ich fasse ihn am Oberarm und halte ihn auf. Ian ist vielleicht größer als ich, aber auf keinen Fall stärker. Vor allem aber neigt sich meine Geduld dem Ende zu.

»Nein.«

»Wie bitte?«

»Ich sagte Nein. Guck mich nicht so an, als würdest du mir gleich mit dieser Ich-bin-Arzt-und-du-nur-Pfleger-Scheiße kommen.« Ich arbeite hier schon länger als er, habe mitbekommen, wie er und Nash ihre erste Schicht hatten. Und solange er seine Prüfung nicht abgelegt hat, bleibt auch er ein Bambino – irgendwie, wenn auch nicht mehr ganz so frisch wie die anderen. Ob er will, oder nicht. »Du machst dir Sorgen, und du bist wütend, das verstehe ich. Aber du wirst dort gebraucht.« Ich lasse meinen Kopf in Richtung der Notfallsanitäter rucken, die zwei weitere Verletzte reinschieben. Dahinter folgen noch mehr. Es nimmt kein Ende.

»Ich sollte bei ihr sein.«

»Später kannst du das auch. Lisha wird sie hochbringen und unsere Kollegen instruieren, uns über jedes Ergebnis und jeden Schritt informieren. Du wirst es wissen, sobald du etwas tun kannst oder sich etwas an ihrem Zustand verändert.«

»Das mache ich«, bestätigt Lisha und nickt.

Im selben Atemzug tritt Laura direkt vor Ian und nimmt seine Hand, die auf dem Patientenwagen liegt. »Sie ist meine Schwester. Wenn ich sie gehen lassen kann, kannst du das auch.« Es fällt ihr schwer, das zu sagen, da bin ich sicher. In ihren Worten liegt kein Vorwurf. Es ist nur die Wahrheit.

Ich lasse von Ian ab. »Kommt. Wir müssen wieder nach vorne.«

5. Kapitel

Maisie

»So ist es gut! Noch ein kleines Stück.« Meine Stimme bricht, weil ich all meine Kraft brauche, um dem Mädchen aus dem Auto zu helfen.

Aliya hat sich aufgerichtet, sich an den Sitzen und am Armaturenbrett zu mir vorgearbeitet und drückt sich gerade mit den Füßen ab, während wir unsere Handgelenke umklammern, damit ich sie nach oben ziehen kann. Mein Oberteil ist schweißgetränkt, meine Lunge pfeift, als würde sie ein Konzert geben, und meine Muskeln zittern vor Anstrengung. Das hier ist unser dritter Versuch, aber … Nur noch ein Stück, ein Ruck …

Wir haben es geschafft!

Vollkommen erschöpft liege ich auf dem Blech der Wagentür, das Kind in meinem Arm, als die erleichterten Rufe des Vaters zu uns dringen. Schluchzend rappelt Aliya sich auf und kriecht in Richtung Kante. Bestimmt helfen ihr die anderen, heil herunterzukommen. Ich hingegen brauche noch einen Moment. Nur einen kleinen, denn es war furchtbar anstrengend, das Glas ganz zu zerstören, die Splitter zu entfernen und dabei darauf zu achten, dass das Mädchen nichts abbekommt. Ganz zu schweigen von eben, als ich sie aus dem Wagen befreit habe. Das Shirt des Vaters haben wir verloren. Es ist mir egal, und ich bin sicher, ihm auch …

»Maisie, wage es ja nicht, da einzuschlafen. Wenn ich gezwungen bin, zu dir hochzukriechen, um deinen knöchernen Arsch von dem Wagen zu zerren, verprügle ich dich anschließend! Und wenn Laura erfährt, was los war, verprügelt sie dich im Krankenhaus direkt noch mal.«

Mit geschlossenen Augen und viel zu schnellen Atemzügen lache ich, als Sierras wütende Worte an meine Ohren dringen.

Ich bin müde. Und erschöpft. Natürlich sind das hier besondere Umstände, aber verdammt! Ich sollte entweder mehr Sport machen oder darüber nachdenken, einen anderen Schwerpunkt zu wählen als die Unfallchirurgie. Knochen zu fixen, zu bohren und Gelenke einzurenken, all das kostet Kraft. Vielleicht Thorax? Aber auch die Schichten in der Gyn bei Dr. Abby Clark haben mir besser gefallen als erwartet. Ich werde mich nach dem Ergebnis der letzten Prüfung festlegen und schauen, wie ich mich bei den restlichen OPs schlage.