Wie der Tod in die Welt kam - Sylvia Schopf - E-Book

Wie der Tod in die Welt kam E-Book

Sylvia Schopf

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Beschreibung

Warum müssen wir sterben? Was kommt nach dem Tod? Wie verhalten sich Tod und Leben zueinander? Mythen aus den unterschiedlichsten Kulturen geben Antworten auf diese Menschheitsfragen: poetisch, fantasievoll und bildmächtig. Der Tod ist eine Tatsache. Man kann ihm nicht entkommen, auch wenn der Mensch immer wieder diese Sehnsucht hegt. Das sind die eindeutigen und universellen Botschaften, die die Mythen aus aller Welt vermitteln. Und während die Naturwissenschaften uns Fakten und Erklärungen liefern, bieten die verschiedenen Religionen und Kulturen mit ihren poetischen und bildkräftigen Geschichten Trost und Hilfe an. Denn sie haben - auch heute noch - die faszinierende Kraft, uns jenseits des Verstandes im tiefsten Inneren zu berühren. Wenn wir uns darauf einlassen können!

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Sylvia Schopf

Wie der Tod in die Welt kam

Mythen und die große Menschheitsfrage

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Wie der Tod in die Welt kam

Darüber spricht man nicht …

So wurde es entschieden

Stichwort Der Mond - Sinnbild für Leben und Tod

Der Tod: ein Missgeschick

Stichwort: Tiere als Todesboten

Stichwort: Schlaf - der kleine Bruder des Todes

Der Tod: Strafe für ein Vergehen

Der Tod: Das Böse ist in der Welt

Stichwort: Der Tod in Person - Sensemann & Co

Der Tod und das Leben

Stichwort: Die Nacht - geheimnisvoll und gefährlich

Der Streit mit dem Tod – Suche nach Unsterblichkeit

Stichwort: Die Suche nach Unsterblichkeit

Jenseits des Todes

Stichwort: Der Fluss – Grenze zwischen Leben und Tod

Leben jenseits des Grabes ….

Literaturhinweise

Zur Autorin

EDITION GEGENWIND

Impressum neobooks

Wie der Tod in die Welt kam

Hardcover-Ausgabe „Wie der Tod in die Welt kam“, Herder Verlag, Freiburg

e-book Ausgabe „Edition Gegenwind“ 2017

ÜBERSICHT

Darüber spricht man nicht …

So wurde es entschieden

Auf Befehl von Brahma

Indien

Es stirbt der Mensch, es stirbt der Mond

Ostafrika

Der Papageienfischund der Mond

Australien

Streit zwischen Taube und Mönchsvogel

Indonesien

Die verbannte Glücksgöttin

Kambodscha

Stichwort: Der Mond - Sinnbild für Leben und Tod

Der Tod: ein Missgeschick

Der hungrige Hund

Togo/Westafrika

Der unvorsichtige Frosch

Zentralafrika

Ein Auftrag für das Chamäleon

Westafrika

Nambi und Warumbe, die Kinder des Himmelsgottes

Uganda

Der listige Tod

Ruanda

Die verdrehte Botschaft

Westafrika

Der getötete Tod

Brasilien

Pandora – oder: Alle Übel dieser Welt

Antikes Griechenland

Die Bitte um Schlaf

Ostafrika

Der Grille war es zu schwer

Ecuador

Der Falsche wird begrüßt

Brasilien

Die Menschen hatten die Wahl

Indonesien

Warum nur Steine ewig leben

Nigeria

Die Verlockungen der Welt

Brasilien

Stichwort: Tiere - als Todesboten

Stichwort: Der Schlaf - der kleine Bruder des Todes

Der Tod: Strafe für ein Vergehen

Die Schildkröte und die Früchte des Mutondi-Baumes

Zentralafrika

Eine List mit schwerwiegenden Folgen

Myanmar

Die Lüge

Kongo

Ungehorsame Menschen

Bolivien

Die geschwätzige Frau

Angola/Südwestafrika

Warum die Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden

Vorderer Orient/ AltesTestament

Der Tod: Das Böse ist in der Welt

Der Todesschlaf

Südsee

Der List des Kojoten

Nordamerika

Der gierige „Böse Geist“

Mongolei

Wenn das Alter kommt

Ozeanien

Stichwort: Der Tod in Person - Sensemann & Co

Der Tod und das Leben

Die Welt gerät aus dem Gleichgewicht

Inuit/Polarkreis

Der Tod des Riesen Pan’ku

China

Hainuwele oder: Der Tod bringt Leben

Indonesien

Wie die fünfte Sonne entstand

Azteken/Mexiko

Wenn die Welt ewig wäre

Nordamerika

Erlösung vom Leid

Mali/Westafrika

Die weggeworfene Haut ´

Melanesien

Stichwort: Die Nacht- geheimnisvoll und gefährlich

Der Streit mit dem Tod

Feuerholz für den Tod

Togo/Westafrika

Verabredung in Samara

Irak

Ein Stein gegen den Tod

Zentralafrika

Die Boten des Totes

Deutschland/Märchen der Brüder Grimm

Wie Maui den Tod besiegen wollte

Neuseeland/Polynesien

Die gierige Chang

China

Der weise Herrscher

Indonesien

Gilgamesch auf der Suche nach dem ewigen Leben

Sumer und Babylonien

Der Affe und die Pfirsiche der Unsterblichkeit

China

Stichwort: Unsterblichkeit - Elexiere des ewigen Lebens

Jenseits des Todes

Im Haus der Toten

Bolivien

Aus großer Liebe

Nordamerika

Orpheus und Eurydike

Antikes Griechenland

Die gelungene Rückkehr

Neuseeland

Bei den Totenseelen

Chile

Ischtars Gang in die Unterwelt

Sumer und Babylonien

Das weiße Kanu

Nordamerika

Das Glücksland

Nach buddhistischen Schriften

Wie es einmal sein wird

Nach der Offenbarung des Johannes

Stichwort: Der Fluss – Grenze zwischen Leben und Tod

Leben jenseits des Grabes ….

Nachwort von Professor Dr. Josef Franz Thiel

Literaturhinweise

Darüber spricht man nicht …

Jedenfalls spricht man nicht gern über den Tod, das Sterben, die Vergänglichkeit des Lebens. Schließlich ist Jung-sein ‚in’ und Alt-sein ‚out’. Außerdem sind Tod und Sterben mit Schmerz, Trauer und Verlust verbunden, und darüber redet man nicht gern, wenn Gewinn – Zugewinn - Gewinnsteigerung die maßgeblichen Werte zu sein scheinen. Da beschäftigt man sich lieber mit lebensverlängernden und lebenserhaltenden Maßnahmen, mit medizinischen Fortschritten, die bei der Bekämpfung von lebensbedrohenden Krankheiten erzielt werden. Und auf diesem Gebiet haben wir es ja auch weit gebracht. Noch nie sind Menschen so alt geworden wie heute. Das heißt: Noch nie konnte man den Tod in so weite Ferne drängen. Zwar „begegnen“ wir dem Tod tagtäglich in den Medien: Krieg, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen, tödliche Unfälle und Krankheiten. Das alles jedoch findet meistens weit weg von uns statt, betrifft uns selten persönlich. Aber spätestens dann, wenn wir hautnah mit dem Sterben (dem eigenen oder dem eines nahen Verwandten oder Freundes) konfrontiert werden, lässt sich das Phänomen „Tod“ nicht länger ins Abseits schieben oder gar ignorieren.

Die Frage, warum es den Tod überhaupt gibt, beschäftigt uns dabei jedoch eher selten. Sie ist aus Kindermund zu hören: “Wieso müssen wir überhaupt sterben?“ oder „Wieso ist Opa gestorben?“ Ansonsten taucht eine derartige Frage höchstens in Momenten tiefster Trauer auf, denn eigentlich haben wir ja Antworten von der modernen Wissenschaft. Naturwissenschaftliche Fakten erklären uns das Phänomen Tod – und dank der Forschung wissen wir immer mehr über Todesursachen und wie diese zu bekämpfen sind.

Solche Erklärungen stammen aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und sind logisch, rational, nachvollziehbar. Sie mögen unseren Geist ansprechen, nicht aber unser Herz. Dort jedoch sitzen Trauer, Schmerz, Hilflosigkeit.

Die Frage nach dem Warum des Todes ist eine existentielle Frage, die Menschen seit Jahrtausenden überall auf der Welt beschäftigt, ebenso wie Frage nach dem Anfang und Ursprung des Lebens. Das, was uns heute als Mythen überliefert ist, sind die Antworten und Erklärungen, die Menschen jenseits heutiger naturwissenschaftlicher (Er-)Kenntnisse gefunden und entwickelt haben. Häufig standen Beobachtungen der Natur Pate bei ihren Überlegungen. Ist nicht zum Beispiel der Mond, der einem stetigen Wandel unterliegt, ein Sinnbild für das Werden und Vergehen des Menschen? Und nicht umsonst wird bis heute der Schlaf als kleiner Bruder des Todes bezeichnet.

Für uns naturwissenschaftlich geprägte Menschen können die aus einer anderen Gedankenwelt stammenden Mythen bisweilen irritierend und verwirrend sein. Doch bieten sie einen Blick in eine andere Welt, eine andere Anschauungsweise und lassen uns unterschiedliche Welt- und Menschenbilder kennenlernen. Sie sind poetische, schöpferische und kraftvolle Antworten und können uns Anstoß und Anregung sein, eine neue Sichtweise auf die Tatsache des Todes.

Die ältesten uns heute bekannten Mythen, die sich mit der Frage des Todes beschäftigen, sind mehrere Tausend Jahre alt. Sie stammen aus Mesopotamien („Gilgamesch Epos“, etwa um 1.600 v.Chr. niedergeschrieben), dem alten Ägypten (das „Ägyptische Totenbuch“, ebenfalls vor etwa 3.500 Jahren verfasst), dem antiken Griechenland („Orpheus und Eurydike“, aufgeschrieben vor etwa 2000 Jahren), dem Vorderen Orient (die biblische Geschichte vom Sündenfall, die mehr als 3000 Jahre alt ist). Doch lange bevor diese Mythen und Geschichten aufgeschrieben wurden, existierten sie bereits und wurden mündlich weitergegeben. Auch die Mythen afrikanischer, indianischer oder asiatischer Völker wurden lange Zeit nur mündlich weitergegeben. Erst Missionare oder europäische Reisende haben sie vor einigen Jahrhunderten aufgeschrieben, so dass wir über tatsächliche Alter dieser Mythen nur schwer etwas sagen können.

Überraschend ist jedoch, dass sich in den Mythen, die in den verschiedensten Teilen der Welt und unabhängig voneinander entstanden sind, letztlich doch ähnliche Antworten finden. Es gibt etwa vier verschiedene Antwortmotive auf die Frage nach dem Ursprung des Todes:

Der Tod ist menschliches Schicksal: ein Urzeitwesen, eine Gottheit oder die ebenfalls in der Welt existente „böse Macht“ hat den Tod für den Menschen bestimmt.

Der Tod ist ein Versehen oder Missgeschick, eine menschliche Unzulänglichkeit, eine falsche oder unkluge Entscheidung.

Der Tod ist die (göttliche) Strafe für ein Vergehen des Mensch: Er verzehrt verbotene Früchte oder öffnet unerlaubt ein Behältnis.

Der Tod ist lebensnotwendig, denn erst er ermöglicht, dass (neues) Leben entstehen kann bzw. nur durch ihn kann die Erde fortbestehen

Nicht nur die Ursache des Todes hat die Menschen früherer Zeiten bewegt, sondern auch die Frage: Was kommt nach dem Tod? Was passiert mit den Toten? Wohin gehen sie? Es ist kein Volk bekannt, für das der Tod ein absolutes Ende darstellt. In irgendeiner Weise geht es weiter, gibt es ein anderes, neues Dasein jenseits des Lebens auf der Erde: im Paradies oder in der Hölle, in der Unterwelt, im Land der Toten, im Dorf der Ahnen, das sich unter der Erde, unter dem Wasser, im Himmel, auf einer fernen Insel .... befindet.

Und wie sieht es in dieser anderen Welt aus? Auch darüber haben sich die „Naturvölker“ ebenso wie die großen Religionen (z.B. Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus, Hinduismus) Gedanken gemacht, die sie in ihren Mythen und Geschichten poetisch zum Ausdruck bringen. Im Buddhismus und Christentum finden sich beispielsweise prächtige Paradiesbeschreibungen, während Mythen nord- und südamerikanischer Indianer oft von Besuchen und Reisen ins Jenseits erzählen. Doch egal ob Jenseitsreise oder Paradiesgeschichte: Es sind Versuche, den Lebenden eine (meist) tröstliche Botschaft zu vermitteln: Sorgt euch nicht, den Toten geht es gut.

Eindeutig und universell ist auch die Botschaft: Der Mensch kann dem Tod nicht entkommen, auch wenn er immer wieder die Sehnsucht hegt, ihn zu überlisten: mit einem Trick, einem Unsterblichkeitskraut. Letztlich muss der Mensch den Tod als unausweichliche Tatsache akzeptieren. Und mehr noch:

Wer den Tod leugnet, verleugnet das Leben

So wurde es entschieden

Auf Befehl von Brahma

Aus dem hinduistischen Indien

Einst erschuf Brahma, der oberste Gott, die Welt und die Erde mit all ihren Lebewesen. Alles wuchs und gedieh und immer mehr Menschen bevölkerten die Erde. Die aber stöhnte bald unter der Last, denn die Menschen lebten ewig und vermehrten sich unaufhörlich.

„So kann es nicht weitergehen“, stellte Brahma eines Tages fest, und er überlegte, was zu tun sei. Doch so viel er auch nachdachte, ihm fiel nichts ein, womit er der unendlichen Schöpfung Einhalt gebieten könnte. Das machte ihn zornig. Sehr zornig! Und sein Zorn brachte glühendes Feuer in die Welt. Das breitete sich aus und schickte sich an, die Welt und alle seine Geschöpfe zu vernichten. Als Shiva, einer der anderen Götter, davon hörte, machte er sich sogleich auf den Weg zu Brahma.

„Habt Nachsicht!“, bat er und flehte den obersten Gott an, einen liebevollen Blick auf alles Lebendige zu werfen. Es schien, als würden Shivas Worte ungehört verhallen. Doch allmählich verglühte Brahmas Zorn, und die Feuer, die auf der Erde wüteten, wurden kleiner, bis sie schließlich erloschen.

Da tauchte aus Brahmas Geist eine schöne Frau auf. Sie hatte ein feuriges Gesicht, funkelnde Ohrringe und war prächtig gekleidet. Es war Frau Tod, und Brahma sprach zu ihr: „Du, die du aus meinem Zorn geboren wurdest, gehe und töte all meine Geschöpfe. Das wird dir zum Segen gereichen.“

„Wie kann ich so etwas Grausames tun?“, sagte Frau Tod. „Wie kann ich den Menschen, die du geschaffen hast, den Lebensatem nehmen?“, klagte sie und begann zu weinen. Brahma fing die Tränen, die aus ihren Augen fielen, in seinen Händen auf und verwahrte sie. Frau Tod aber war verzweifelt und wusste nicht, was sie tun sollte. Voller Kummer zog sie sich in die Einsamkeit des Waldes zurück. Milliarden von Jahren lebte sie von nichts anderem als von Luft und Wasser und wurde immer dünner und magerer. Eines Tages suchte Brahma sie auf.

„Warum unterziehst du dich so strenger Buße?“, fragte er.

„Aus Furcht mich zu versündigen“, antwortete sie.

„Aber es ist doch keine Sünde, wenn du tust, was ich dir befehle“, antwortete Brahma. „Außerdem werde ich dir Gehilfen an die Seite stellen. Krankheit, Eifersucht, Habgier, Bosheit und Zorn werden dir vorausgehen, und dich wird keine Schuld am Tod der Menschen treffen.“

Lange dachte Frau Tod über Brahmas Worte nach und schließlich fügte sie sich den Anordnungen. Sie verstand: Was der oberste Gott und Schöpfer befohlen hatte, war unabwendbar.

Brahma holte die Tränen hervor, die Frau Tod einst geweint hatte, und sie verwandelten sich in Krankheiten und Übel aller Art. Und es geschah, wie Brahma es gewollt hatte. Krankheit, Eifersucht, Habgier, Bosheit und Zorn suchten die Menschen heim, und erst als sie ihr Werk getan hatten, kam Frau Tod, um die Menschen zu holen.

* * *

Es stirbt der Mensch, es stirbt der Mond

Aus Ostafrika

Es war in den alten Zeiten, als der Tod bei den Menschen noch nicht bekannt war, da sagte der Gott Naiteru-kop zu einem Mann im Dorf: „Demnächst wird ein Kind sterben. Ihr müsst seinen Körper in den Busch bringen, und dann musst du sagen: ‚Mensch, stirb und komm wieder zurück. Mond, stirb und bleibe für immer fort.’ „Hast du mich verstanden?“, fragte der Gott, und der Mann nickte.

Kurz darauf starb ein Kind im Dorf. „Was sollen wir nun tun?“, fragten die Menschen, die noch nie zuvor mit dem Tod zu tun gehabt hatten.

„Naiteru-kop hat befohlen, es in den Busch zu bringen“, sagte der Mann.

Die Leute wickelten das tote Kind in große Palmwedel und brachten es aus dem Dorf hinaus in die unbewohnte Landschaft. Sie hielten Ausschau nach einem Platz. Als sie den leblosen Körper unter einem Busch niedergelegt hatten, sprach der Mann: „Mensch, stirb und bleibe für immer tot. Mond, stirb und komm wieder zurück.“

Dann gingen alle zurück ins Dorf und trauerten. Bald darauf starb wieder ein Kind. Es war der älteste Sohn des Mannes. Wieder brachte man das tote Kind hinaus in den Busch. Als man es niedergelegt hatte, sprach der Mann: “Mensch, stirb und komme zurück. Mond, stirb und bleibe fort!“

Da ertönte die göttliche Stimme von Naiteru-kop: „Das nützt jetzt nichts mehr. Es ist so, wie du es beim ersten Mal gesagt hast.“

Der Mann erschrak sehr und wartete viele Tage und Wochen. Aber sein Kind blieb tot, während der Mond immer wieder auferstand. Und so ist es bis heute. Der Mensch stirbt und kommt nicht mehr zurück, der Mond jedoch kehrt einige Tage nach seinem Tod ins Leben zurück.

* * *

Der Papageienfisch und der Mond

Aus Australien

Es war die Urzeit, die Traumzeit, und alles war noch im Entstehen, da fand das Gespräch zwischen dem Mond und dem Papageienfisch statt.

„Wie wird es mit uns allen weitergehen?“, fragte der Papageienfisch.

„Ich werde sterben“, sagte der Mond. „Aber nicht für immer. Ich werde dünner und dünner, bis nur noch meine Knochen übrig sind. Dann werde ich mich stärken und zurückkommen, um weiter zu leben. So können wir es alle machen“, schlug der Mond vor.

„Nein! Nein-nein-nein!“, widersprach der Papageienfisch. „Das ist nicht gut. Ich werde sterben und dann tot bleiben. Und so sollen es alle tun!“

Der Mond versuchte den Papageienfisch zu überzeugen, dass es doch besser sei, ihn nachzuahmen. Doch der Papageienfisch wollte seine Entscheidung nicht ändern.

Als er dann eines Tages starb, blieb sein Körper auf der Erde zurück, während seine Seele sich auf den Weg ins Totenland machte. Es war ein weiter Weg. Zuerst kam die Seele an einen großen Sumpf unweit des Meeres. Dort wurde sie bereits von zwei Buschgeistern erwartet. „Folge uns!“, sagten die beiden und nahmen die Seele des Papageienfisches mit zur Versammlung der verstorbenen Vorfahren. Dort wurde ihr ein großartiger Empfang mit Musik und Tanz bereitet, denn man wollte den Neuankömmling glücklich machen. Zwei Tage blieb die Totenseele bei der Versammlung der Ahnen, dann zeigten ihr die Buschgeister wie man ein Paddel herstellt. Als es fertig war, erhielt die Totenseele von den Buschgeistern als Abschiedsgeschenk ein Kanu. Damit konnte sie ihre Reise ins ferne Totenland fortsetzen. Es dauerte noch lange, aber irgendwann kam sie im Totenland an. Und der Papageienfisch kehrte nie mehr zur Erde zurück, so wie er es zu Lebzeiten entschieden hatte. Und ebenso ergeht es allen Lebewesen.

* * *

Der Streit zwischen Taube und Mönchsvogel

Aus Indonesien

Als die Welt noch sehr jung war und Himmel und Erde noch nah beieinander waren, saßen einst die Taube und der Mönchsvogel beisammen und beratschlagten, wie das Leben auf der Erde zukünftig sein solle.

„Ein Jahr lang ist es Nacht und dann ist es ein Jahr lang Tag“, schlug die Taube vor. „Außerdem sollen Menschen auf der Erde leben: sieben Männer und sieben Frau. Das ist genug. Sie leben ewig, werden niemals müde, und ein Samenkorn am Tag reicht ihnen, um satt zu werden. So soll es sein!“, verkündete die Taube.

„Nein“, widersprach der Mönchsvogel. “Es ist viel besser, wenn sich Tag und Nacht rasch abwechseln. Es wird Nacht und gleich darauf Tag. Und so ist es auch mit den Menschen. Sie kommen zur Welt und nach einiger Zeit sterben sie. Dafür werden aber immer wieder neue Menschen geboren. Die Menschen arbeiten so lange sie leben, und das macht sie hungrig. Um ihren Hunger zu stillen, gibt es viele Samenkörner und .......“

Der Mönchsvogel hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da packte die Taube ihn am Hals. „Niemals!“, rief sie ärgerlich. „Was für ein dummer Vorschlag. Ein Jahr lang Nacht, ein Jahr lang Tag! So soll es sein!“, beharrte sie und legte den Mönchsvogel in Fesseln, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Dann nahm sie ihn mit sich fort und sperrte ihn an einem entlegenen Ort ein. Damit war das Urteil gefällt.

Die anderen Vögel hatten den Streit zwischen der Taube und dem Mönchsvogel gehört und wussten nicht recht, was sie davon halten sollten. Nachdenklich saßen sie da. Nur ein einziger fand den Ausgang des Streites unerträglich. Das war der kleine Vogel Tiwe. „Ein ganzes Jahr lang Nacht? Tiefe, dunkle Nacht? Wie fürchterlich!“, rief er. Ohne lange zu überlegen, machte er sich auf zu dem Ort, an dem die Taube den Mönchsvogel gefangen hielt. Er hatte Glück: Die Taube war gerade nicht da und so konnte er den gefangenen Mönchsvogel befreien. Die beiden beratschlagten, was zu tun sei. Als sie eine Entscheidung getroffen hatten, lauerten sie der Taube auf und überwältigten sie. Rasch legten sie ihr nun schwere Fesseln an - und von nun an galt das Wort des Mönchsvogels. So wechseln sich bis heute Tag und Nacht in rascher Folge ab, und die Menschen werden geboren und sterben.

* * *

Die verbannte Glücksgöttin

Aus Kambodscha

In alter Zeit starben zwar alle Menschen, doch kaum hatte der Tod sie mitgenommen, kam die Göttin des Glücks und holte sie wieder zurück ins Leben. Die Menschen waren damit sehr zufrieden, doch der Himmelsgott wurde von Mal zu Mal ungehaltener. Ihm missfiel, dass die Glücksgöttin dauernd in die Gesetzmäßigkeiten der Natur eingriff und es ein ständiges Hin und Her gab. Kaum waren die Menschen gestorben, kehrten sie schon wieder zurück zu den Lebenden, um nach einiger Zeit wieder zu sterben und dann erneut zurückzukehren und immer so weiter und immer so fort.

So kann es nicht weitergehen, sagte sich der Himmelsgott und fasste eines Tages einen Entschluss! Er verbannte die Glücksgöttin zum Mond. So weit entfernt von der Erde reichte ihre Kraft nicht mehr aus, die Toten wieder lebendig zu machen - und die Natur konnte nun endlich ihren Lauf nehmen.

Stichwort Der Mond - Sinnbild für Leben und Tod

Der Mond, auch „das Auge der Nacht“ genannt, wechselt ständig seine Erscheinung: seine Größe und Gestalt ebenso wie Farbe und Helligkeit. Das macht ihn zum Sinnbild für Leben und Tod, für Wachsen, Vergehen und Wiederkehr, für Wandel und Erneuerung.

Mensch und Mond

Immer wieder haben die Menschen Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen ihrer Existenz und der des Mondes gesehen. So werden zum Beispiel die vier Mondphasen mit den verschiedenen Lebensphasen des Menschen gleichgesetzt. Zunehmender Mond: Geburt; Vollmond: Wachstum; abnehmender Mond: Krankheit; Neumond: Tod. Dass der Mond am Ende seines Zyklus zwar „stirbt“, aber wiedergeboren wird, bestärkte die Menschen in ihrer Hoffnung und ihrem Glauben, dass auch ihr Tod keine endgültige Auslöschung bedeutet. Zur Beziehung zwischen Mensch und Mond schreibt der Religionswissenschaftler Mircea Eliade: „Der Mond offenbart dem Menschen das Menschsein; er ‚erblickt‘ im Leben des Mondes sich selbst“.

Der Mond, das Reich der Toten

Für einige Völker ist der Mond der (vorübergehende) Aufenthaltsort der Verstorbenen. Nach alten indischen, griechischen und iranischen Vorstellungen reist die Seele des Toten zum Mond, um sich dort auszuruhen und für eine neue Existenz Kraft zu schöpfen.

Macht und Einfluss