Wie die Freiheit schmeckt - Tamika Campbell - E-Book

Wie die Freiheit schmeckt E-Book

Tamika Campbell

0,0
15,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Dies ist meine Geschichte.« New York City ist für viele ein Traum. »Wie kann man freiwillig dort wegziehen?«, wird Tamika Campbell immer wieder gefragt. Ihre Antwort ist dieses Buch. 1974 wird sie in Brooklyn in eine Sekte hineingeboren, die Ansaaru Allah Community. Das Leben in ihr gleicht einem Gefängnisdasein, weshalb sie mit 13 Jahren mutterseelenallein die Flucht ergreift. Was folgt sind Stationen in Philadelphia, Salt Lake City und Santa Monica, was die Lage für sie nicht wesentlich besser macht. Aber sie besitzt eine Gabe, die sie am Leben hält: den Humor. Erst als es Tamika Campbell nach Deutschland verschlägt, wendet sich das Blatt. Sie entdeckt Berlin als ihre Wahlheimat, wird auf der Straße als Comedienne entdeckt und bringt heute ganze Säle zum Lachen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

Auf einer Bank im Highland Park

Geboren, Gott zu helfen

Von Fajr bis ’Isha

Dr. York

Eine Welt jenseits der Gitter

Im Königshaus

Familienbande

Lokis Bestrafung

Freiheit schmeckt wie Hühnchen

Kampfschule

Muttergefühle

Wie gewonnen, so zerronnen

Rangeleien

Deutscher Boden

Berlin, ick liebe dir

Mama Tamika

Eine Migrantin erklärt Deutschland

An einem Tag im Tiergarten

Stand-up

Geboren, Gott zu helfen

Es ist schwer zusammenzufassen, woran wir Anhänger der Ansaaru Allah Community glaubten. Oder vielmehr zu glauben hatten. Zum einen veränderten sich die Doktrinen in beständiger Unregelmäßigkeit, zum anderen ergaben sie allesamt so herzlich wenig Sinn, dass es wirklich schwierig ist, sie verständlich wiederzugeben. Ich will es trotzdem versuchen.

In ihren Grundfesten war die Gemeinde erst einmal und unumstößlich davon überzeugt, dass die Schwarzen das auserwählte Volk und die Weißen so etwas wie Teufel oder Dämonen seien. Das klingt für das ungeübte weiße Ohr ziemlich ungeheuerlich, aber diese Ideologie hat umgekehrt jahrhundertelang einwandfrei in den Köpfen der europäischen Bevölkerung funktioniert und erfreut sich noch heute vieler Anhänger. Natürlich ist diese Weltanschauung haarsträubender Unsinn. Ich möchte nur betonen, wie einfach es ist, Hass und Angst gegenüber einer anderen Hautfarbe zu schüren. Kolonialherren bedienten sich über Jahrhunderte dieser Taktik, es gibt keinen Grund, warum sie nicht auch umgekehrt funktionieren sollte. Mehr noch, sie liefert sogar fruchtbaren Boden: Die Weißen hassten alles Exotische aus einer diffusen Angst vor dem Unbekannten heraus. Und die ewig Unterdrückten hatten damit eine unerschütterliche Basis für ihre tiefe Abneigung. Unterdrückung geht an den Menschen nicht spurlos vorüber.

In der Ansaaru Allah Community waren Weiße folglich nicht willkommen. Da haben sie mal wieder richtig Glück gehabt. »Ansaaru Allah« ist Arabisch und bedeutet »Helfer Gottes«. Das mag dazu verleiten, uns für eine muslimische Glaubensgruppierung zu halten. Stimmt aber nicht. Wir waren ein Potpourri aus Christen- und Judentum, halsbrecherischen UFO-Geschichten und ja, auch eine gute Prise Islam war mit im Topf. Geschmeckt hat das Ganze überhaupt nicht, aber es wird nun einmal gegessen, was auf den Tisch kommt. Ich kannte es ohnehin nicht anders. Ich wurde hinter den Gitterstäben der Community geboren, und es sah zunächst ganz so aus, als würde ich eines Tages auch dort sterben.

In einer Sekte aufzuwachsen bedeutet, dass man sich jeden Tag wünscht, man könne sich einfach Flügel wachsen lassen und über den Zaun davonfliegen oder das metallene Gitter mit Superheldenkräften auseinanderbiegen und hindurchhuschen oder wie ein Maulwurf mit Schaufelhänden einen Tunnel darunter graben und einfach verschwinden. Es bedeutet aber auch, dass man in der Tiefe seines Herzens weiß, dass man niemals entkommen wird. Ein Teil von dir will es vielleicht auch gar nicht, egal, wie schrecklich es in der Sekte ist. Denn du kennst nur das, nur dieses Korsett, in dem du lebst, nein, existierst, gerade eben so, und was sich fernab dieses Mikrokosmos befindet, ist fremd und gefährlich und macht dir Angst. Hier kennst du das Elend immerhin, du weißt, wie sie dich hier misshandeln, die Schmerzen sind dir vertraut. Sie sind in dich übergegangen, haben deine DNA verändert und sind längst ein Teil von dir. Die anderen Schmerzen, die da draußen, sind dir fremd. Die Mär vom weißen Unterdrücker tut ihr Übriges und ist unglücklicherweise historisch tausendfach belegbar.

Und diese schwache Stimme in dir fragt: Was, wenn es draußen schlimmer ist?

Und du antwortest: Schlimmer halte ich nicht aus.

Und die schwache Stimme sagt: Dann bleib hier.

Und du bleibst.

Im Grunde ähnelte unser Brownstone-Komplex einem Gefängnis. Statt jedoch zum Aufenthalt verurteilt zu werden, schwärmten täglich noch mehr freiwillig in den Schoß des Imam, den Versprechungen eines Lebens frei von Handschellen, Rassenhass und jeglicher Repression folgend. Die Erwachsenen waren in der Segregation aufgewachsen, wurden angelockt von der Vision einer schwarzen Gemeinschaft, in der wir als Brüder und Schwestern füreinander da wären. Wir Kinder kannten kein Draußen, lediglich die Geschichten von Polizeiwillkür und Gewalt. Kein vernünftiger Mensch würde sich dem freiwillig aussetzen.

Ende der Leseprobe