Wie Du Dich bettest, so liegst Du - Susann Winkler - E-Book

Wie Du Dich bettest, so liegst Du E-Book

Susann Winkler

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Häufig haben wir das Gefühl, der Alltag halte uns mit unzähligen Aufgaben, Zwängen und Notwendigkeiten fest im Würgegriff. Wir arbeiten emsig Listen ab, chauffieren den Nachwuchs zum Klavier- und Qi-Gong-Unterricht, treffen uns lustlos mit hartnäckigen Bekannten und werden Mitglied im Golf-Klub, weil unser Chef es auch ist. Bei all dem »Das muss man«, »Das braucht man unbedingt«, »Das ist die neueste Mode« und »Das machen alle so« verlieren wir unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse oft völlig aus den Augen. Dieses Buch ermutigt uns, bewusst zu wählen, was für uns persönlich wirklich wichtig ist und uns guttut. Es unterstützt uns dabei, den Lauf unseres Lebens aktiv zu lenken, ohne uns zu sehr von äußeren Einflüssen und Zwängen leiten zu lassen. Zahlreiche Tipps und gezielte biografische Fragen regen dazu an, unseren persönlichen Lebensweg zu hinterfragen sowie unsere Tage und Jahre nach ganz eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Denn: Wie man sich bettet, so liegt man.

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Seitenzahl: 192

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Susann Winkler

Wie Du Dich bettest, so liegst Du

Anleitung für ein unkompliziertes und genussvolles Leben ohne Druck

Copyright: © 2018: Susann Winkler

Umschlag & Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Druck im Alltag

Das Leben – ein Entwicklungsweg

Zu viel denken ist ungesund

Entscheidungen von früh bis spät

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt

Ärgern verboten!

Ihre Gesundheit hat oberste Priorität

Ewige Jugend und Schönheit

Glaubensfragen

Keiner muss alles wissen und können

Druck im Berufsleben

Folgen Sie Ihren Leidenschaften

Wo (viele) Menschen aufeinander treffen, menschelt es

Druck in der Freizeit

Freizeit – wirklich frei

Druck in Beziehungen, Familie

Liebe und Sympathie kann man nicht erzwingen

Kindererziehung – konsequent und nervenschonend

Druck im Seniorenalter

Sie haben es sich verdient

Quellenverzeichnis

Einleitung

Zweifellos kennen wir alle Druck und Ärger im Alltag zur Genüge und machen in der Regel spontan andere dafür verantwortlich: unseren Chef oder unsere Kollegen, den Nachbarn, unsere Eltern, den Partner, die Politiker oder die Gesellschaft. Aber ist das wirklich die ganze Wahrheit? Wie viel des von uns empfundenen Drucks wird tatsächlich von außen an uns herangetragen und welchen Teil davon generieren wir selbst durch eigene Ansprüche, ehrgeizige Ziele und verinnerlichte Glaubenssätze, vielleicht aber auch durch eigene Trägheit oder Neid anderen gegenüber?

Wenn ich früher meiner Freundin Erika von Problemen vorgejammert habe, erhielt ich von ihr häufig die Antwort: „Tja, wie man sich bettet, so liegt man.“ Damals ärgerte mich dieser Kommentar und ich fühlte mich von Erika unverstanden, wollte ich doch von ihr einfach nur bestätigt bekommen, wie arm ich dran war und wie ungerecht mich das Leben behandelte. Dennoch hat mich dieser Spruch heimlich verfolgt und irgendwann begann ich, mir bei passenden Gelegenheiten selbst zuzuflüstern: „Wie du dich bettest, so liegst du eben.“ Das tue ich bis heute regelmäßig. Und während es mir anfangs schwerfiel einzusehen und zu akzeptieren, dass ich mir meine jeweilige Lebenssituation mit den entsprechenden Schwierigkeiten irgendwann selbst so gewählt und eingerichtet hatte, erkannte ich nach und nach auch die Chance, die in dieser Erkenntnis lag. Denn wenn ich mir meine Probleme selbst geschaffen hatte, lag es auch in meiner Hand, die Situation zu verändern und für mehr Zufriedenheit in meinem Leben zu sorgen.

Zudem fiel mir in Alltag und Beruf immer wieder auf, dass ich scheinbar längst nicht die Einzige war, die ihre Lage lieber beklagte und mehr oder weniger heldenhaft ertrug, statt etwas daran zu ändern. Also begann ich, mich intensiver mit dieser Frage zu beschäftigen, wobei immer mehr und neue Facetten des Themas auftauchten.

Gerne verbinden wir mit Klagen über unsere Lebensumstände ein Loblied auf die „gute, alte Zeit“, in der das Leben vermeintlich wesentlich einfacher, unbeschwerter und sorgloser ablief. Auch dieser Annahme bin ich nachgegangen und habe im Rahmen der einzelnen Themenkomplexe einen kurzen Rückblick auf die vergangenen 100 bis 150 Jahre gegeben, mit zahlreichen biografischen Beispielen. Sie werden dabei feststellen, dass ein relativ großer Teil dieser historischen Lebensgeschichten aus Österreich stammt. Grund dafür ist die schlichte Tatsache, dass mir von dort ein größerer Fundus an autobiografischen Berichten zur Verfügung stand. Es war mir dabei besonders wichtig, repräsentative Lebensgeschichten von durchschnittlichen Mitgliedern des Volkes zu wählen und nicht von privilegierten Bürgern der Oberschicht. Ich denke, die gewählten Beispiele gewähren einen recht guten Einblick in die Arbeits- und Lebensbedingungen, die ein Großteil der Bevölkerung auf deutschsprachigem Raum in der damaligen Zeit vorfand. Sie können aber in dieser knappen Form keineswegs sämtliche Erscheinungsformen und Varianten abdecken.

Bevor ich Sie einlade, mich auf eine gedankliche Reise durch verschiedene bewegende Gebiete unseres Lebens zu begleiten, noch einige Anmerkungen zu Struktur und Schreibstil des Buches.

Die Themen der einzelnen Kapitel könnten häufig allein ein ganzes Buch füllen. Natürlich konnten sie von mir in diesem Rahmen längst nicht mit allen ihren Facetten behandelt werden, sondern lediglich im Hinblick auf die Fragestellungen des Buches.

Zugunsten eines angenehmen Flusses habe ich bei der Nennung von Personen und Personengruppen jeweils lediglich die männliche Wortform verwendet. Selbstverständlich sind damit immer beide Geschlechter gemeint – es sei denn, es geht aus dem Kontext deutlich hervor, dass nur Männer oder Frauen betroffen sind.

Am Ende der einzelnen Kapitel gibt es neben „Tipps für jeden Tag“ die Rubrik „Nachgedacht“. Diese besteht aus Fragen zur eigenen Biografie, persönlichen Werten, Zielen und Beweggründen. Die dort gegebenen Anregungen können uns unter Umständen helfen, Klarheit über bestimmte Themen zu erlangen oder Veränderungsprozesse einzuleiten. Es geht hier nicht darum, jede Frage akribisch zu beantworten, sondern sich auf die Fragen zu konzentrieren, die Sie am meisten ansprechen und die für Sie momentan aktuell sind.

Nun wünsche ich Ihnen vergnügliche und hoffentlich auch einige erleuchtende Stunden mit diesem Buch.

Ihre

Susann Winkler

Druck im Alltag

Haben Sie auch das Gefühl, ständig Listen abarbeiten zu müssen, mit Dingen, die es zu erledigen gilt? Nach der Arbeit noch schnell zum Arzt, Lebensmittel einkaufen und danach in die Schule Ihres Sohnes zum Elternabend. Morgen früh dürfen Sie auf keinen Fall vergessen, den Klempner anzurufen, damit er die Waschmaschine repariert. In der Mittagspause haben Sie einen Termin bei der Bank und am Abend einen Töpferkurs an der Volkshochschule. Nächstes Wochenende fahren Sie nach Frankreich zur Geburtstagsfeier Ihrer Schwester, am Wochenende danach zu Ihren Eltern nach Berlin … Dieses Beispiel mag etwas überzogen sein, aber wir haben tatsächlich oft den Eindruck, dass unser Kopf geradezu überläuft von Dingen, die wir „unbedingt tun müssen“. Sätze wie „Ich kann nicht mehr.“ oder „Ich schaffe es einfach nicht.“ hören und denken viele von uns regelmäßig.

Dabei führen die meisten Menschen in Mittel- und Westeuropa heute einen bequemeren Lebensstil als jemals zuvor in der Geschichte. Wir leben in der Regel in schönen, sauberen Häusern oder Wohnungen mit Zentralheizung, fließendem Kalt- und Warmwasser, eigenem Badezimmer, geregelter Müllabfuhr, Fernseher, Waschmaschine, Geschirrspüler und zahlreichen weiteren Extras. Wir fahren oder fliegen regelmäßig in den Urlaub, besitzen eines oder mehrere Autos, ernähren uns wie im Schlaraffenland und werden medizinisch gut versorgt.

So selbstverständlich uns diese Dinge heute erscheinen mögen, wären die meisten davon noch vor hundert Jahren als absoluter Luxus zu bezeichnen gewesen – wenn sie denn überhaupt schon existierten.

Die meisten Wohnräume waren damals ungeheizt, ein Toilettenhäuschen stand in der Regel hinter dem Haus, das Wasser wurde von einem Brunnen geholt, elektrische Geräte existierten nicht, die Räume wurden mit Kerzen oder Petroleumlampen spärlich erhellt. Oftmals schliefen mehrere Personen in einem Bett, wobei auch Küche, Keller, Ställe oder Scheunen als Schlafplatz genutzt wurden. So berichten die Nachkommen der Familie Huber folgendes von ihrer Kindheit in der Steiermark in den 1930er -1950er Jahren:

„Im Winter war es schon recht kalt. Sogar in der Kammer hat es oft weniger als null Grad gehabt. Unter unserem Bett ist das Nachttopferl gestanden und der Inhalt ist im Winter manchmal eingefroren. So kalt war´s!

Als kleine Kinder haben wir zu sechst in einem Bett geschlafen. Drei sind in die eine Richtung gelegen und die anderen drei mit dem Kopf in die andre Richtung. In der Nacht haben wir uns umgedreht und in der Früh sind wir alle ganz verkehrt gelegen. Wenn es kalt war, ist die Mutter immer aufgestanden und hat uns zurechtgelegt und wieder zugedeckt.

Bei uns im Haus waren die Fugen in den Wänden mit Moos abgedichtet. Wir Buben haben oft das Moos weggekratzt, damit wir hinausschauen haben können. Im Winter hat es da natürlich den Schnee hineingeweht und in der Früh ist in der Kammer dann Schnee gelegen …

Auf der anderen Seite sind wir im Oktober noch bloßfüßig in die Schule gegangen. Einmal habe ich keine Schuhe gehabt, als es geschneit hat. Momentan hat es keine Schuhe für mich gegeben! Jetzt habe ich daheim bleiben müssen und dann bin ich halt nicht zur Schule gegangen. Nach zwei Tagen ist meine Lehrerin gekommen und hat mir Schuhe von sich gebracht …“ (1)

Wer nun meint, derart widrige Lebensbedingungen seien vielleicht eine Ausnahme in ländlichen Gebieten gewesen, befindet sich leider im Irrtum. Gerade in größeren Städten waren die Lebensbedingungen für einen Großteil der Bevölkerung bis zum Ende des 2. Weltkrieges katastrophal. Im Zuge der Industrialisierung hatte man für die wachsende Arbeiterschaft vielerorts sogenannte Mietskasernen errichtet, in denen die Menschenmassen auf engstem Raum zusammengepfercht wohnten. Werner Sombart schrieb 1906 in seiner Schrift „Das Proletariat“:

„Ja, in den meisten deutschen Großstädten wohnt, wie ich schon sagte, die Hälfte, oder annähernd die Hälfte aller Menschen in Wohnungen, die nicht mehr als ein Zimmer umfassen…

Was nun aber das Wohnungselend der ärmeren Bevölkerung, wenigstens in den Großstädten, auf das Höchste steigert, ist der Umstand, daß selbst in den engen Behausungen, die nicht mehr den Namen Wohnung verdienen, noch nicht einmal immer die Familie allein lebt, sondern noch fremde Personen, die Schlafgänger, dazwischen kampieren.“(2)

Da die in den Wohnungen vorhandenen Schlafstellen oft längst nicht für alle Bewohner ausreichten – selbst, wenn sie mit mehreren Personen belegt wurden – nutzten Familienmitglieder sowie Schlafgänger die Betten teilweise im Schichtbetrieb. Der Mietbeitrag der Schlafgänger stellte in der Not vieler Familien ein unverzichtbares Zubrot dar.

Aber die engen Wohnräume waren nicht nur Wohn- und Schlafzimmer für 6 und mehr Personen pro Raum, sie dienten in der Regel auch als Heimarbeitsstätte für die Mütter, die auf diese Weise mit Auftragsarbeiten (z. B. als Näherin, Wäscherin oder Plätterin) einen kargen Zuverdienst sicherten.

Es wurde also häufig in einem Zimmer gleichzeitig geschlafen, gekocht, Wäsche gewaschen, gebügelt und Heimarbeit verrichtet, im Hintergrund das unablässige Geschrei der meist zahlreichen Kinderschar. Damit aber nicht genug. Aufgrund der engen Bebauung drangen zusätzlich Lärm und Ausdünstungen nahe gelegener Fabriken sowie sämtlicher Nachbarn fast ungefiltert in die eigenen Räume. Oftmals teilten sich 10 Familien und mehr (also ohne weiteres 60-120 Personen) ein Klosett, das nur in den seltensten Fällen regelmäßig gereinigt wurde. Entsprechend mussten sich die Bewohner meist in lange Schlangen einreihen, bevor sie endlich in dem verdreckten und zum Himmel stinkenden Etablissement ihre Notdurft verrichten konnten.

Diese ungesunden Lebensbedingungen, geprägt von Lärm, Enge sowie Mangel an Licht, frischer Luft, Privatsphäre und Hygiene waren regelrechte Brutstätten für Krankheiten wie Rheumatismus, Tuberkulose, Diphtherie oder Cholera. Todesfälle bei Kindern und Erwachsenen gehörten zum Alltag.

Familienbilder wie das hier beschriebene waren ganz und gar keine Seltenheit:

„In einem Kinderwagen liegt ein Kind von 4 Wochen, das an Tuberkulose erkrankt und mit einer alten Decke belegt ist, welche von Urin und Schweiß völlig durchnässt ist. Nach Angabe der Eltern schreit das Kind Tag und Nacht, die Geschwister fahren den Wagen, an Pflege fehlt es gänzlich, da der Mann an Rheumatismus erkrankt und arbeitsunfähig ist. Die Frau näht in der Küche Säcke, um Brot für die Kinder zu schaffen.“ (3)

In anderen westeuropäischen Städten, beispielsweise in London oder Manchester, waren die Lebensbedingungen oft noch prekärer.

An Eigentum wie Möbeln oder Bekleidung besaß man meist nur das allernötigste, häufig schon mehrfach gebraucht und repariert. Vor allem Kleider wurden nach Möglichkeit selbst hergestellt und ausgebessert. In ländlichen Gegenden baute man zu diesem Zweck teilweise Flachs an, der zu Garn und Stoff verarbeitet wurde. Ebenso hielt man gerne eigene Schafe, deren Wolle selbst gesponnen und zu Kleidungsstücken verstrickt wurde. Gerade Kinder bekamen in der Regel gebrauchte Kleider, die bei Bedarf abgeändert wurden. Frauen und Kinder verbrachten meist viel Zeit mit entsprechenden Handarbeiten wie Nähen, Flicken, Stricken, Sticken und Stopfen.

Auch am Schuhwerk wurde so weit wie möglich gespart. Kinder gingen im Sommer meist barfuß. Abgetragene Schuhe wurden häufig repariert oder bekamen neue Sohlen.

Die Bewohner ländlicher Gebiete waren in der damaligen Zeit weitestgehend Selbstversorger. Durch die Bewirtschaftung von Feldern, Gärten und Wäldern sowie durch Nutztierhaltung versuchte man, den eigenen Bedarf an Lebensmitteln und Brennholz möglichst vollständig abzudecken. Mit den meist sehr beschränkten finanziellen Mitteln musste man so gut wie möglich haushalten.

Die Eigenversorgung war entsprechend arbeitsintensiv: Nicht nur musste das Land bewirtschaftet und das Vieh versorgt werden, auch die Verarbeitung der Produkte sowie die Vorratshaltung kosteten viel Zeit und Mühe. Denken wir beispielsweise an die Herstellung von Butter, Quark und Käse aus Kuh- oder Ziegenmilch.

Da es noch keine Kühlschränke oder Gefriertruhen gab, wurde Fleisch zur Haltbarmachung vielfach geräuchert oder gepökelt, Gemüse eingelegt und Obst eingekocht.

Wer die Gelegenheit hatte, sammelte und nutzte wild wachsende Nahrungsmittel von Wald und Feld (Pilze, Beeren, Kräuter etc.) oder fing Fische aus Flüssen und Seen.

Da auf diese Weise nur eine gewisse Palette an Lebensmitteln zur Verfügung stand und haltbar gemacht werden konnte, war die Kost oft karg und einseitig. Nicht selten kamen auch verdorbene oder von Ungeziefer befallene Lebensmittel noch auf den Tisch. Für viele war Hunger ein ständiger Begleiter. So schreibt Josef Eger, Jahrgang 1927, aus dem österreichischen Burgenland:

„Hunger leiden mussten die meisten Kinder unserer Zeit. Wenn einer einen Apfel in der Schule aß, da standen immer zwei oder drei daneben. Der eine sagte: ‚Geh, laß mich einmal abbeißen!‘ – der andere gleich darauf: ‚Und mir gibst die Gradn!‘ Wenn einer eine Orange hatte – das kam aber selten vor, das konnten sich nur bessere Leute leisten –, da wurde schon um die Schale gestritten.

Ich hatte einen Schulfreund. Sein Vater war Grenzgendarm, das waren zu unserer Zeit schon bessere Leute. Da kam es vor, dass ich gerade zur Jausenzeit mit ihm beisammen war und seine Mutter auch mich zur Kaffeejause einlud. Das war für mich ein Festessen: gezuckerter Kaffee mit Butterbrot! Ich habe bei uns Butterbrot nie gekannt. Bei uns gab es nur Ziegenmilch, gesalzen oder ohne Salz, wie es jeder wollte, aber keinen Zucker. Jausenzeit gab es bei uns überhaupt nicht. Und wenn wir ein Brot bekamen, dann gab es weder Schmalz noch Butter.“ (4)

Solche authentischen Berichte führen uns besonders deutlich vor Augen, wie sehr sich unser Leben in den letzten hundert oder hundertfünfzig Jahren verändert hat und in welchem Luxus wir heute größtenteils leben.

Aber unser Leben ist nicht nur deutlich komfortabler geworden, wir haben auch zahlreiche persönliche Freiheiten dazugewonnen. Heute steht in unserem Land grundsätzlich allen Bürgern jede berufliche und gesellschaftliche Karriere offen – wenn man nur bereit ist, die entsprechenden Mühen auf sich zu nehmen.

Besonders einschneidend waren im letzten Jahrhundert die Veränderungen für Frauen. 1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt und erst 1928 das Züchtigungsrecht des Ehegatten gegenüber seiner Gemahlin abgeschafft. Noch bis 1957 durften Frauen in der BRD nur mit Zustimmung ihres Ehemannes ein eigenes Konto eröffnen oder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar.

Nicht zuletzt haben zahlreiche technische Errungenschaften (Haushaltsgeräte, Autos, Telefone, Handys etc.) unser Dasein maßgeblich beeinflusst, unser Leben bequemer gemacht, uns mehr Freiheiten und Möglichkeiten verschafft.

Wie mühsam und zeitintensiv beispielsweise einzelne Hausarbeiten noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren, verdeutlicht die Beschreibung des Wäschewaschens von Maria Gremel:

„An allen Abflüssen und Dachrinnen wurden Eimer und Wannen aufgestellt und das darin aufgefangene Wasser wurde zum Geschirrabwaschen, Wäsche und so ziemlich alles im Haus verwendet, außer zum Essen und Trinken.

Das Waschen der Wäsche geschah ausschließlich mit Regenwasser, vorausgesetzt dass es regnete. Standen die Bottiche leer, wartete man mit dieser Arbeit, bis es wieder regnete. Es gab oft drei Monate keinen Waschtag. Zum Schwemmen lud man die Wäsche in Körben auf einen Wagen und fuhr damit zum Bach. Dort wurde die Wäsche mit einem Holzpracker auf einer Bank bearbeitet …

Im Sommer war das ein großer Spaß. Jedoch im Winter, wenn der Bach dick zugefroren war, musste erst das Eis aufgehackt und angestaut werden, so daß vier Wäscherinnen in einem Schaff, welches mit Stroh aufgefüllt war, im Wasser stehen konnten. Zwei auf jeder Seite in der Mitte die Wäschebank.

Da herrschte manchesmal eine ungeheure Kälte, die alles erschwerte, denn 28 bis 30 Grad unter null war das Übliche.

Es musste nebenbei geheizt werden, denn ohne Wärmewasser, woran man die Hände von Zeit zu Zeit tauchen konnte, wäre es nicht zum Durchhalten gewesen, drei bis vier Stunden lang.

Jedes Wäschestück musste bis zu dreimal geklopft und geschwemmt werden …

Das Wäscheaufhängen auf dem Hausboden konnte auch nur mit Wärmewasser durchgestanden werden.

Da dies alles so beschwerlich war – manche Höfe mussten sehr weit zu einem Bach fahren – mußte nicht nur mit dem Wasser gespart werden, sondern auch mit der Wäsche. Öfter als einmal in der Woche durfte sie nicht gewechselt werden, die Knechte trugen sie oft noch viel länger.

Nicht selten fand man Läuse beim Waschen, Flöhe waren in jedem Bett zu finden. Bis zum Hals hinauf konnte man bei den Knechten die vielen Flohbisse sehen. Die Dienstboten schliefen im Winter im Stall und im Sommer in den Kellern, die bis zum Herbst leer waren.“ (5)

Heute erleichtern uns Waschmaschinen, Geschirrspüler, Staubsauger, elektrische Öfen, Kaffeemaschinen und, und, und die Arbeit. Warum also sind wir trotz all dieser Fortschritte und Zugewinne häufig unzufrieden und klagen über zu wenig Zeit und zu viel Hektik?

Ohne Frage ist unsere Lebenswelt im letzten Jahrhundert wesentlich komplexer und temporeicher geworden. Die Grenzen des persönlichen Umfeldes waren früher bedeutend enger gesteckt. Mangels Mobilität waren weitere Reisen innerhalb des eigenen Landes oder gar ins Ausland eine Seltenheit. Viele Menschen, vor allem die ärmere Bevölkerung, bewegten sich meistens nur im Umkreis weniger Kilometer ihres Heimatortes. Es gab keine Handys, kaum Telefone, keine Fernseher, keine Radios, keine Computer. Das Leben des Einzelnen konzentrierte sich auf eine deutlich engere, überschaubare Welt.

In der Gegenwart bringen uns die genannten Neuerungen sowie die globale Vernetzung zahlreiche Vorteile und ein hohes Maß an Komfort. Aber sie bescheren uns auch eine überwältigende Informationsflut und eine deutlich breitere, vielfältigere und kompliziertere Lebenswelt, in der wir uns zurechtfinden müssen. Während es früher vielleicht einen kleinen Dorfladen gab, der alle notwendigen Artikel des täglichen Bedarfs verkaufte, haben wir heute in der Regel die Auswahl zwischen mehreren großen Supermärkten, Drogerien, Fachgeschäften etc. Wir bestellen Waren im Internet, tätigen Überweisungen per Online-Banking, können zahlreiche kulturelle Angebote nutzen, wollen sportlich aktiv sein und uns regelmäßig fortbilden. Wir möchten ein ansehnliches Auto und eine vorzeigbare Wohnung oder besser noch ein Haus, das nach der neuesten Mode eingerichtet ist. Unsere Kinder gehen auf verschiedene, für sie geeignete Schulen, besuchen unzählige Freizeitaktivitäten, wollen Markenkleidung tragen, in den Ferien in den Kletterpark und zum Erlebnisbad fahren … – um nur eine kleine beispielhafte Palette der Dinge aufzuzeigen, die wir zu bewältigen versuchen.

In früheren Jahrhunderten haben Menschen in unseren Breiten die Lebensumstände, in die sie hineingeboren wurden, viel mehr als gegeben und unveränderlich akzeptiert, als wir dies heute tun. Mangels Medien und Reisen waren sie mit Alternativen zu ihrem eigenen Lebensstil kaum vertraut. Den Mitgliedern niedrigerer gesellschaftlicher Schichten fehlte es an Geld und Bildung, um nach Höherem zu streben. Sie waren meist schon froh, wenn sie genügend zu Essen und ein Dach über dem Kopf hatten. Spricht man heute mit älteren Menschen über die einfachen und beschwerlichen Bedingungen ihrer Jugendzeit, bekommt man in aller Regel die Antwort: „Wir waren nicht unzufrieden. Wir kannten es ja nicht anders und haben unser Los so akzeptiert, wie es war.“

Diese Einstellung hat sich drastisch verändert. Uns stehen in aller Regel – mit etwas gutem Willen und Engagement – so ziemlich alle schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Türen offen. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Dieser Umstand bietet jedem von uns unzählige Chancen, setzt uns aber auch unter Druck und macht uns unzufrieden. Was wir bereits erreicht haben, ist uns meist nicht gut genug, wir wollen immer noch höher hinaus. In Fernsehen, Zeitschriften und Internet sehen wir, dass es möglich ist, innerhalb weniger Monate zum Superstar erhoben zu werden oder Millionen zu verdienen. Wer will sich angesichts dessen schon in mühsamen 40-Stunden-Arbeitswochen den Basis-Komfort verdienen? Alles scheint möglich. Wieso also nicht auch für uns?

Und so geben wir uns häufig nicht mit bescheidenem Wohlstand zufrieden, sondern streben am liebsten nach einem Ferienhaus mit XXL-Swimmingpool in der Karibik, einer Luxus-Jacht und einer Limousine mit Chauffeur, wie wir sie bei Prominenten gesehen haben. Und selbstverständlich wollen wir den Errungenschaften unserer Nachbarn, Freunde und Bekannten in nichts nachstehen.

So schwer es in unserer Zeit oft tatsächlich sein mag, auf dem Laufenden zu bleiben, sowie seine Position in der Gesellschaft zu finden und zu behaupten, setzen wir uns doch auch selbst immer wieder massiv unter Druck.

Wägen Sie deshalb genau ab, was für Sie persönlich wirklich wichtig ist, und worauf Sie ohne weiteres verzichten können. Setzen Sie Ihre ganz eigenen Prioritäten, ohne sich von Ihrem Umfeld, Modeerscheinungen oder Medien zu sehr beeinflussen zu lassen. Welche Elemente im Leben geben Ihnen Kraft und lassen Sie aufblühen? Danach sollten Sie Ihr Leben ausrichten.

Es ist schön und richtig, Wünsche und Träume zu haben. Aber deren Zweck sollte es sein, Ihnen Freude und Zuversicht zu schenken, nicht Ihre Umwelt zu beeindrucken. Passen Sie Ihr Lebensumfeld (Wohnort, Freunde, Beruf, Hobbys, u. a.) Ihren Bedürfnissen an und nicht umgekehrt.

Versuchen Sie, die guten und schönen Dinge in Ihrem Leben gebührend zu schätzen und zu würdigen. Viele Annehmlichkeiten unseres modernen Lebens sind für uns so selbstverständlich, dass wir sie kaum noch wahrnehmen. Nur wenn die Heizung und der Strom einmal ausfallen oder das Auto nicht anspringt, wird uns vielleicht punktuell klar, wie gut es uns eigentlich geht. Genießen Sie bewusst den Luxus Ihres Alltags! Es mag sich nach erhobenem Zeigefinger anhören, aber Dankbarkeit zu empfinden – gerade auch für die kleinen, vertrauten und gewohnten Dinge – ist tatsächlich eine große Quelle für persönliche Zufriedenheit.

Das Leben – ein Entwicklungsweg

„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere; aber wir sehen meist so lange mit Bedauern auf die geschlossene Tür, dass wir die, die sich für uns geöffnet hat, nicht sehen.“

Alexander Graham Bell

Man hört häufig den Ausspruch: „Menschen ändern sich nicht“. Aber, wäre es nicht tragisch, wenn wir uns in siebzig, achtzig oder neunzig Lebensjahren tatsächlich nicht verändern würden? Ob es uns gefällt oder nicht, das Leben ist ein Entwicklungsweg. Das Positive daran ist, wir bekommen im Laufe der Jahre unzählige Chancen, uns selbst und unseren Lebensweg immer wieder zu verändern, zu verbessern. Ja, zugegeben, die Vorstellung erscheint manchmal reizvoll: im Alter von 18 Jahren einen idealen Lebensstandard erreicht zu haben, und danach – ohne jegliche Sorgen und Veränderungen – das Leben nur noch genießen zu müssen. Gerade in besonders hektischen oder krisenhaften Lebensphasen erscheinen uns solche Vorstellungen wunderbar erlösend und beglückend. Aber ganz ehrlich, würde uns ein solches Leben nicht nach kurzer Zeit wahnsinnig langweilen? Würden wir uns nicht nach Bewegung, Abwechslung und Abenteuern sehnen? Wie lange würden wir all die schönen Dinge zu schätzen wissen, ohne unzufrieden zu werden und uns Veränderungen zu wünschen? Wer kennt ihn nicht, den leider oft wahren Spruch: „Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen.“