Wie kannst du mich lieben? - Friederike von Buchner - E-Book

Wie kannst du mich lieben? E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Bürgermeister Fritz Fellbacher brauste durch das offene Tor des Parks, der das Waldschlösschen umgab, und kam gerade noch rechtzeitig vor der Freitreppe zu stehen. Graf Tassilo von Teufen-Thurmann und Pfarrer Zandler standen oben an der Treppe und schüttelten die Köpfe. Fellbacher stieg aus und knallte die Autotür zu. »Grüß Gott, Fritz!«, rief ihm Tassilo entgegen. »Bist jetzt unter die Rallyefahrer gegangen? Tust üben? Ich muss sagen, des war net schlecht, der Boxenstopp, den du hingelegt hast.« Bürgermeister Fellbacher fand Tassilos Bemerkung nicht lustig und kam mit grimmigem Gesicht die Treppe herauf. »Grüß dich, Tassilo! Ja, ja! Du weißt ja: ›Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.‹ Ich bin total im Stress, seit die Irene fort ist.« Pfarrer Heiner Zandler begrüßte seinen Freund und legte ihm einen Augenblick tröstend die Hand auf die Schulter. »Fritz, des kommt alles wieder ins Lot«, sagte er und lächelte dem Freund aufmunternd zu. »Heiner, wie sagt man? ›Dein Wort in Gottes Gehörgang.‹ Also bei mir hört der Herrgott im Augenblick net zu. Der ist taub für meine Anliegen. Stocktaub! Er sollte sich ein Hörgerät anschaffen.« »Vielleicht kannst du ihn net hören, weil du dich im Augenblick gegen jeden Rat verschließt, Fritz.« Fritz Fellbacher warf seinem Freund Heiner nicht gerade einen freundlichen Blick zu. »Heiner, ich will mich heute Morgen mit dir net auf ein theologisches Gespräch einlassen. Es könnte sein, dass mir dabei der Kragen platzt, verstehst?« Tassilo bat die beiden in die Bibliothek. »Mei, dein Büfett!«, rief Fellbacher. »Des gefällt mir. Da steigt meine Laune sofort. Ich hab' gestern kein richtiges Abendessen

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Toni der Hüttenwirt – 143 –Wie kannst du mich lieben?

Der Mann ohne Gedächtnis

Friederike von Buchner

Bürgermeister Fritz Fellbacher brauste durch das offene Tor des Parks, der das Waldschlösschen umgab, und kam gerade noch rechtzeitig vor der Freitreppe zu stehen. Graf Tassilo von Teufen-Thurmann und Pfarrer Zandler standen oben an der Treppe und schüttelten die Köpfe.

Fellbacher stieg aus und knallte die Autotür zu.

»Grüß Gott, Fritz!«, rief ihm Tassilo entgegen. »Bist jetzt unter die Rallyefahrer gegangen? Tust üben? Ich muss sagen, des war net schlecht, der Boxenstopp, den du hingelegt hast.«

Bürgermeister Fellbacher fand Tassilos Bemerkung nicht lustig und kam mit grimmigem Gesicht die Treppe herauf.

»Grüß dich, Tassilo! Ja, ja! Du weißt ja: ›Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.‹ Ich bin total im Stress, seit die Irene fort ist.«

Pfarrer Heiner Zandler begrüßte seinen Freund und legte ihm einen Augenblick tröstend die Hand auf die Schulter.

»Fritz, des kommt alles wieder ins Lot«, sagte er und lächelte dem Freund aufmunternd zu.

»Heiner, wie sagt man? ›Dein Wort in Gottes Gehörgang.‹ Also bei mir hört der Herrgott im Augenblick net zu. Der ist taub für meine Anliegen. Stocktaub! Er sollte sich ein Hörgerät anschaffen.«

»Vielleicht kannst du ihn net hören, weil du dich im Augenblick gegen jeden Rat verschließt, Fritz.«

Fritz Fellbacher warf seinem Freund Heiner nicht gerade einen freundlichen Blick zu.

»Heiner, ich will mich heute Morgen mit dir net auf ein theologisches Gespräch einlassen. Es könnte sein, dass mir dabei der Kragen platzt, verstehst?«

Tassilo bat die beiden in die Bibliothek.

»Mei, dein Büfett!«, rief Fellbacher. »Des gefällt mir. Da steigt meine Laune sofort. Ich hab’ gestern kein richtiges Abendessen gehabt und des Frühstück heute Morgen, das war auch net so, wie es sein soll.«

Mit einer Handbewegung lud Tassilo den Bürgermeister ein. Der nahm sich sofort einen Teller und lud ihn voll mit Leberkäse, Leberwurst, Blutwurst und rohem und gekochtem Schinken. Er gab einen dicken Klacks Senf daneben und mehrere kleine Senfgurken. Dann griff er zum Brot.

»Ich kann euch gar net sagen, wie ich leide. Jeden Morgen fahre ich ganz früh nach Kirchwalden. Da gibt es am Bahnhof einen Stehimbiss. Sie haben belegte Brötchen und Kaffee. Aber besonders gut schmeckt es net und im Stehen erst recht net. Nix ist mit gemütlichem Zeitungslesen und so weiter. Bei so einem Start in den Tag ist doch alles schon gelaufen, oder? Dann musste ich in die Wäscherei und die Reinigung. Ich hatte keine sauberen Hemden mehr. Des ist wirklich ein Kreuz, dass die Irene so stur ist. Mittags muss ich wieder nach Kirchwalden zum Essen fahren, weil die Meta Baumberger mir nix mehr gibt, weder mittags noch am Abend. Sie hat zu ihrem Mann gesagt, wenn er mir eine Brotzeit serviert, dann würde sie auch streiken. Darauf kann sich der Xaver net einlassen mit dem Wirtshaus und der Pension. Des verstehe ich ja. Die im Restaurant im Hotel ›Zum Ochsen‹, die will ich auch net in Verlegenheit bringen. Also muss ich jeden Tag dreimal nach Kirchwalden fahren oder hungern.«

Bürgermeister Fellbacher seufzte tief und fuhr fort:

»Und der Haushalt wächst mir über den Kopf. Gestern Abend habe ich mal im Garten gegossen und die Blumenkästen vor den Fenstern. Aber genützt hat es nix. Der Garten sieht schlimm aus. Alles lässt die Köpfe hängen, des Unkraut schießt ins Kraut. Mei, mei, ich weiß wirklich nimmer, wo mir der Kopf steht.«

Pfarrer Zandler versuchte ein Grinsen zu unterdrücken, was ihm aber nicht ganz gelang.

»Grins nicht so, Heiner! Ich weiß schon, was du mir sagen willst, kannst es dir schenken. Ich hab’ es begriffen. Ich konnte mir net vorstellen, dass des so viel Arbeit ist, im Haus und im Garten. Und jetzt sind noch nicht einmal die Kinder daheim.«

»Irene umsorgt net nur Haus, Hof und Kinder, sondern auch dich, Fritz!«

»Ja, Heiner. Ich sage es noch einmal. Herrschaftszeiten, ich habe es begriffen! Bist jetzt zufrieden?«

»Nun beruhige dich, Fritz«, sagte Tassilo. »Wir sind hier, weil Heiner eine Idee hat.«

»Dann soll er endlich anfangen, damit das Elend ein Ende hat. Was hast du dir also ausgedacht, Heiner? Jetzt red’ schon.«

Pfarrer Heiner Zandler trank erst noch einen Schluck Kaffee.

»Also gut! Es ist ja nicht so, dass nur die Irene sauer ist, wegen des Schönheitswettbewerbs. Es gärt in der Gemeinde. Ich will es mal so sagen. Die verheirateten Frauen, besonders die Älteren darunter, fühlen sich zurückgesetzt.«

»Des ist doch ein Schmarrn!«, schrie Fellbacher. »Ja sind die jetzt alle narrisch?«

»Himmelsakrament«, schrie sein Freund zurück, dabei schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. »Du bist jetzt still und hörst mir zu.«

»Mei, Heiner, mei, kannst du fluchen. Ich habe nicht gewusst, dass du so fluchen kannst.«

Pfarrer Heiner Zandler schaute Tassilo an und erklärte:

»Ein Pfarrer flucht net und hat nie geflucht und wird auch nie fluchen. Aber ich bin nicht nur Pfarrer, sondern auch Freund. Und hier bin ich als Freund, ist des jetzt klar?«

Er trank wieder einen Schluck Kaffee. Tassilo schenkte ihm nach.

»Also habe ich mir gedacht, dass wir die verheirateten Frauen mit einbeziehen müssen. Man könnte den Wettbewerb doch erweitern. Es gibt eben mehrere Schönheitsköniginnen, je nach Alter und Familienstand. Damit würden die jungen Madln unter sich bleiben und die älteren Frauen unter sich. Das bedeutet, dass die Älteren sich nicht mehr von den Jüngeren bedroht fühlen müssten. Das denke ich mir jedenfalls.« Pfarrer Zandler schmunzelte. »Freunde, ich gehe jede Wette ein, dass die sich alle binnen Stunden genauso aufgedreht verhalten, wie sie es bisher den Jungen vorgeworfen haben. Sie stürmen nach Kirchwalden zum Einkaufen, gehen zum Friseur und wahrscheinlich noch zu einem Stylisten und zum Fotografen. Wie sagt man? ›Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.‹« Er grinste. »In dem Fall verhält es sich eben umgekehrt. Erst haben sich die jungen knackigen Äpfelchen schön gemacht und jetzt setzen sich die älteren Bäumchen auch ins rechte Licht.«

Bürgermeister Fritz Fellbacher sah Tassilo verwundert an.

»Was meinst du dazu?«

»Also, ich finde Heiners Idee sehr gut. Wir erweitern nur die Bedingungen. Es gibt dann eben zwei Abteilungen, die jungen unverheirateten Madln bis zum Alter von fünfundzwanzig Jahren und die Verheirateten, die älter sind.«

Fritz Fellbacher schüttelte den Kopf.

»Naa, Tassilo, so geht des net. Was ist mit denen, die älter als Mitte Zwanzig, aber noch unverheiratet sind?«

»Da hast auch wieder recht, Fritz. Dann machen wir einfach zwei Abteilungen, die Unverheirateten, gleich wie alt sie sind und

die Verheirateten. Die einen sind dann die ›Waldkogeler Bergmadln‹ und die anderen sind die ›Waldkogeler Bergfrauen‹ oder ›Bergweiber‹ oder … Ach da wird uns schon etwas einfallen. Aber grundsätzlich halte ich die Idee für gut und auch für durchführbar, Fritz.«

»Meinst, die lassen sich darauf ein?«

»Hast du Zweifel, Fritz?«, fragte Tassilo.

»Im Augenblick bin sich sehr skeptisch. Mei, die riechen doch den Braten. Wenn ich da an meine Irene denke, mei, die sagt mir ins Gesicht, dass ich nur versuchen will, mit Speck Mäuse zu fangen, verstehst? Das würde sie mit Sicherheit sagen, wenn sie mit mir reden würde. Aber das tut sie nicht. Wenn es etwas Wichtiges gibt, das ich wissen muss, dann legt sie mir einen Zettel hin. So weit ist die Sache schon gekommen.«

Fritz Fellbacher schüttelte den Kopf.

»Ich bin an sich kein Feigling. Aber ich habe da doch so meine Bedenken, dass die Sache dann völlig aus dem Ruder laufen könnte.«

Pfarrer Zandler nickte.

»Fritz, deine Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Ich habe auch schon daran gedacht. Und für diesen Fall habe ich einen Plan B. Das heißt, wir sollten gleich mit Plan B starten.«

»Und der wäre?«

»Fritz, es ist doch ganz einfach. Der Plan B darf nicht von dir, von uns oder von irgendeinem Mannsbild ausgehen. Es muss so gedreht und gewendet werden, dass die Frauen selbst darauf kommen. Dann schaut es so aus, als wäre es ihre Idee und wir stimmen dann zähneknirschend zu.«

»Das ist wirklich eine ausgezeichnete Idee, Heiner«, rief Tassilo. »Damit haben wir sie dort, wo wir sie hin haben wollen. Jetzt müssen wir nur noch überlegen, wie wir sie dazu bringen, dass ihnen die Idee einfällt.«

»Das habe ich geregelt«, schmunzelte Pfarrer Zandler.

»Ich will euch nicht zu viel verraten. Ich sage nur so viel. Nach dem nächsten Frauentreffen im Pfarrhaus, mit der Helene Träutlein wird die Sache ins Laufen kommen, da bin ich mir sicher. Jetzt stellt mir bitte keine weiteren Fragen«, sagte er und hob abwehrend die Hände. »Mir ist bei der Sache nicht ganz wohl. Streng genommen ist das übelste Manipulation.«

Fritz und Tassilo brachen in schallendes Gelächter aus. Pfarrer Zandler sah sie erstaunt an.

»Was habt ihr?«, fragte er und lös­te damit bei den beiden nur eine weitere Lachsalve aus.

Tassilo ergriff das Wort:

»Heiner, an deiner Reaktion sehen wir, dass du doch net so viel von den Weibern verstehst. Das soll kein Vorwurf sein. Aber ein Pfarrer, der Zölibat leben muss, der kann nicht wissen, wie oft man als Ehemann von seiner Frau manipuliert wird. Ich liebe meine Otti, das steht fest. Aber ich möchte nicht wissen, wie oft im Leben sie mich auf ganz raffinierte Weise dazu gebracht hat, etwas zu tun oder etwas so zu sehen, wie sie es wollte, und ich es nicht einmal bemerkt habe. Weißt, Heiner, des ist nun mal so. Aber um der Wahrheit alle Ehre zu geben, gestehe ich ein, dass es nicht zu meinem Nachteil war.«

Pfarrer Zandler schmunzelte.

»Ich verstehe schon. Selbst meine fleißige, treue und fürsorgliche Haushälterin, die Helene Träutlein, versucht mich zu beeinflussen!«

»So, was du nicht sagst, Heiner?«

»Ja, ich gestehe es. Manchmal kann sie richtig stur sein, dann schmollt sie und kocht eine Woche lang nur Essen, von dem sie genau weiß, dass ich es net mag. Und Kuchen gibt es auch nicht.«

»Mei, was du nicht sagst?«, staunte Fritz.

Tassilo und Fritz schmunzelten und dachten sich ihren Teil.

Nach der gemeinsamen Brotzeit gingen sie daran, die Teilnahmebedingungen für den Wettbewerb zu erweitern. Das musste aber vorläufig geheim bleiben. Darüber waren sie sich einig. Auch wenn die Älteren sie dann darauf ansprechen würden, durfte es nicht so aussehen, als wäre alles schon fertig.

Bürgermeister Fritz Fellbacher, Pfarrer Zandler und Graf Tassilo von Teufen-Thurmann waren damit bis zum Mittag beschäftigt. Tassilo schloss die Entwürfe der erweiterten Teilnahmebedingungen des Schönheitswettbewerbs von Waldkogel in seinem Safe ein.

Zum Abschied tranken sie einen Obstler und stießen auf den Erfolg an.

*

Den ganzen Tag über war strahlender Sonnenschein gewesen. Die Sonne brannte fast gnadenlos vom Himmel. Clara Nauer schwitzte. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie so viel in ihren großen Rucksack gepackt hatte. Aber sie war jemand, der gern auf Nummer sicher ging. Sie machte Urlaub in den Bergen. Ihr Plan sah eine einwöchige Wanderung vor, rund um Waldkogel. Danach wollte sie noch einige Tage auf der Berghütte bei Toni, Anna, den Kindern Franzi und Basti, sowie dem alten Alois verbringen. Auf Franziska und Sebastian freute sich die unverheiratete und kinderlose Clara besonders. Seit ihrem ersten Aufenthalt auf der Berghütte, vor zwei Jahren, hatte sie die beiden fest ins Herz geschlossen. Clara träumte immer noch von einer eigenen Familie, einem Haus mit Garten und einem Hund. Dieser Traum ließ sich nur mit einem Mann verwirklichen. Seit Jahren suchte Clara. Doch alle so hoffnungsvollen Beziehungen waren gescheitert. Einige gleich zu Anfang, andere später. In Claras Herzen keimten immer mehr Zweifel auf, ob ihr das Glück je vergönnt sei, nach dem sie sich so sehnte. Vor wenigen Tagen war ihr 30. Geburtstag gewesen.

Ihr war klar, dass ihre biologische Uhr tickte. Sie steigerte sich in den letzten Wochen und Monaten immer mehr hinein. Fast waren es Panikattacken. Sie sah sich als alte Jungfer, allein im Park sitzen und wehmütig die jungen, glücklichen Familien betrachten.

Dabei war Clara keineswegs ein Mauerblümchen. Trotz ihrer zarten, zierlichen Figur, die sie auf den ers­ten Blick zerbrechlich wirken ließ, war sie stark und sportlich. Jeden Morgen joggte sie durch den Park. Sie betrieb Krafttraining in einem Fitnessclub, war eine ausgezeichnete Schwimmerin und verbrachte die meisten ihrer Wochenenden auf einem Reiterhof.

Gerade war wieder einmal eine Beziehung gescheitert. Auf ihrer Wanderung durch die Berge grübelte Clara darüber nach, woran es diesmal gelegen hatte. Viele Fragen bewegten ihr Herz.

Erwarte ich zu viel?

Was ist an mir, dass sich die Männer zurückziehen?

Was mache ich falsch?

Ein eiskalter Windstoß schreckte Clara aus ihren Gedanken auf. Sie blieb stehen und schaute in den Himmel. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie den Wettersturz nicht bemerkt hatte. Dunkle Wolken schoben sich über den Himmel. Über dem Unheilsberg von Waldkogel, dem ›Höllentor‹, hing eine riesige, bedrohliche tiefschwarze Wolke. Sie hing so tief, dass sie die schroffe Spitze des Berggipfels verbarg.

»Na super, das hat mir gerade noch gefehlt«, schimpfte sie vor sich hin. »Aber es passt zu mir. Immer geht bei mir etwas schief.«

Der Pfad war sehr schmal und führte an einer hohen Steilwand entlang. Auf der Seite der Felskante ging es beträchtlich tief hinab.

Clara fror. Die ersten dicken Regentropfen fielen vom Himmel. Clara ließ ihren schweren Rucksack von den Schultern gleiten. Sie wollte ihr Plastikregencape herausholen. Doch ein Blitz, der ganz in der Nähe einschlug, gefolgt von einem gewaltigen Donner, der noch als vielfaches Echo die Berge erzittern ließ, erschreckte sie. Sie ließ den Rucksack los, er neigte sich nach hinten. Auf Grund des Übergewichts fiel er in die Schlucht.

Clara fluchte laut. Aber es war geschehen, und es half kein Jammern. Sie drückte sich an die Felswand, die ihr kaum Schutz bot. Der Regen kam wie eine Wasserwand vom Himmel, dann hagelte es. Clara schlang schützend die Arme um ihren Körper. Es donnerte und blitzte. Binnen weniger Augenblicke war Clara durchnässt bis auf die Haut.

Sie überlegte, was sie tun sollte. Aber die Sicht war so schlecht, dass sie sich entschloss, den größten Sturm abzuwarten. Es dauerte fast eine Stunde, bis das Unwetter nachließ. Der Himmel war immer noch dunkel und es regnete. Doch das Gewitter und der Hagelsturm waren vorbei.

Clara richtete sich auf. Sie streifte das Wasser aus dem Haar und wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht. Dann ging sie weiter. Sie wusste, dass der Weg nach einigen Kilometer an einer Almhütte vorbeiführte. Die Hütte war im letzten Jahr unbewohnt gewesen und Clara hatte dort übernachtet. Damit Bergwanderer und Bergsteiger Schutz suchen konnten, waren die meisten leerstehenden Hütten zwar abgeschlossen, aber der Schlüssel hing neben der Tür oder lag unter einem Stein. Clara ging zügig weiter. Das Wasser rann an ihr herunter.

Endlich konnte sie die Almhütte sehen. Rauch stieg aus dem Schornstein. Das machte Clara Hoffnung. Sie beschleunigte den Schritt, angetrieben von der Hoffnung, sich am Feuer zu wärmen, ihre Kleidung zu trocknen und einen heißen Tee zu schlürfen.

Clara torkelte mehr als sie ging auf die Tür der Almhütte zu. Sie riss sie auf, trat ein, lehnte sich erschöpft innen gegen das Holz und schloss die Augen. Geschafft, schoss es ihr durch den Kopf.

Der Duft von Kaffee stieg ihr in die Nase. Sie öffnete die Augen. Auf einem Sofa saß ein Mann. Er stellte seinen Kaffeebecher ab und stand auf. Er musterte sie mit regungslosem Gesicht.

»Sauwetter draußen«, sagte er.

Seine Stimme ließ in Clara eine Wärme aufsteigen, obwohl ihr kalt war. Sie war nur fähig, zu nicken.

Er winkte ihr zu, dass sie ihm folgen sollte. Clara lief hinter ihm her, in den zweiten Raum, der eine Mischung aus Schlafzimmer und Arbeitszimmer war. Er öffnete den Schrank, gab ihr trockene Sachen und zwei Handtücher.

»Werden zu groß sein, aber besser als eine Lungenentzündung zu bekommen«, bemerkte er knapp.

Er sah nicht, wie Clara ihn anlächelte. Sie brachte kein Wort hervor. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Dann fiel auch schon die Holztür ins Schloss.