Wieder besser drauf! - Gunter Groen - E-Book

Wieder besser drauf! E-Book

Gunter Groen

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Beschreibung

Endlich ein Buch, das Jugendliche und junge Erwachsene direkt anspricht: Es macht mit stimmigem Ton und passenden Beispielen behutsam deutlich, was typische Anzeichen für eine Depression sind und wann man sich professionelle Hilfe suchen sollte. Die Botschaft: Du bist nicht allein und du kommst da wieder raus! In der Pubertät sind Stimmungstiefs, Weltschmerz und der Rückzug in eigene Welten nichts Ungewöhnliches, schließlich stehen die ersten Entscheidungen über das eigene Leben in einer komplexen Welt an. Auch die Beziehungen zu Familie und Freunden unterliegen oftmals emotionalen Krisen. Was aber, wenn Verstimmungen und Launen, Gefühle von Unlust und Leere, Schuld und Wertlosigkeit überhandnehmen? Das Buch macht Mut und vermittelt hilfreiche Strategien: Eine Depression ist eine Erkrankung, eine Krise, die irgendwann vorübergeht. Sie macht nicht den Menschen an sich aus. Der Mensch behält seine Persönlichkeit, all seine Besonderheiten und Stärken und all das, was über die Depression hinausgeht. - kein langatmiger Selbsthilfeschmöker - zielgruppengerechte Sprache - sachliche Information - ansprechende Beispiele - mit Downloadmaterialien - separates Kapitel für Eltern und Lehrer

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Gunter Groen und Dorothe Verbeek

Wieder besser drauf!

Ein Ratgeber für junge Menschen zum Umgang

mit Stimmungstiefs und Depressionen

1.Auflage 2018

ISBN-Print: 978-3-86739-122-1

ISBN-PDF: 978-3-86739-913-2

ISBN-ePub: 978-3-86739-914-2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

BALANCE buch + medien verlag im Internet:

www.balance-verlag.de

© BALANCE buch + medien verlag, Köln 2018

Der BALANCE buch + medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.

Lektorat: Karin Koch, Köln

Illustrationen: Rosa Linke, Weimar

Umschlagbild und Umschlaggestaltung: GRAFIKSCHMITZ, Köln

unter Verwendung eines Bildes von mi.la photocase.de

Typografiekonzeption und Layout: Iga Bielejec, Nierstein

Cover

Titel

Impressum

Downloadmaterialien

Vorwort

Warum es sich lohnen könnte, dieses Buch zu lesen

Traurig, müde, leer und zu nichts mehr Lust: Kennst du das?

Wie geht es anderen?

Wie geht es dir?

Was ist das, eine Depression?

Was passiert, wenn ich depressiv bin?

Wie können die anderen verstehen, wie schlecht es mir geht?

Noch mal das Wichtigste in Kürze

Woher kommt die Depression?

Warum ist das Risiko für Jugendliche und junge Erwachsene erhöht?

Warum ist das Risiko bei Mädchen höher als bei Jungen?

Was kann eine Depression auslösen?

Was erhöht die Anfälligkeit für eine Depression?

Kennst du den Teufelskreis der Depression?

Hast du vielleicht noch andere Schwierigkeiten?

Noch mal das Wichtigste in Kürze

Lass dich nicht unterkriegen! Hilfe suchen und finden

Ambulante Psychotherapie

Stationäre Therapie

Medikamente

Erste Hilfe im Notfall: Wenn du nicht mehr weiterweißt

Noch mal das Wichtigste in Kürze

Wie du dir selbst helfen kannst

Lerne dich und deine Stimmung kennen

Stimmungstagebuch

Säulen deiner Gesundheit: Ohne das geht nichts

Fang wieder an zu leben

Negative Gedanken: Was tun?

Probleme angehen

Wenn es besser ist, etwas zu akzeptieren

Mit anderen klarkommen

Das Gute nicht vergessen, eigene Stärken erkennen

Noch mal das Wichtigste in Kürze

Wie andere dir helfen können

Scham- und Schuldgefühle

Da sein und den anderen ernst nehmen

Was Eltern tun können

Was Freunde tun können

Was die Schule tun kann

Noch mal das Wichtigste in Kürze

Was sonst noch wichtig ist

Hilfreiche Internetquellen und weiterführende Informationen

Verwendete und weiterführende Literatur

Downloadmaterialien

Arbeitsblätter

Wie geht es dir? Fragen, die auf eine Depression hinweisen können

Wie sieht deine Stimmung aus?

Mein Plan für den Notfall

Wie zeigt sich die Depression bei dir?

Woher kommt meine Traurigkeit?

Warum geht die Traurigkeit nicht weg?

Ein Porträt meiner Depression

Mein Stimmungstagebuch

Die Säulen meiner Gesundheit

Liste positiver Aktivitäten

Mein Wochenplan

Mein Tagespprotokoll Anleitung Atemübung

Was tut mir gut?

Typische negative Gedanken

Hilfreiche Gedanken

Meine gute innere Stimme

Mein Gedankenprotokoll

Meine fünf Lösungsschritte

Mit Erfahrungen leben lernen

Liste zwischenmenschlicher Fertigkeiten

Das Gute suchen und finden

Checkliste: Wie ist es in unserer Familie?

Infoblätter

Symptome und Merkmale einer depressiven Episode im Jugendalter nach der ICD-10 der WHO

Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen

Wie entstehen Depressionen bei Jugendlichen?

Der Teufelskreis der Depression

Wichtiges zur Psychotherapie im Jugendalter

Wie Antidepressiva wirken

Alle Materialien findest du auf

www.balance-verlag.de/​buecher/​detail/​book-detail/​wieder-besser-drauf.html

Vorwort

Das Leben zeigt sich nicht immer von seiner guten Seite: Enttäuschungen und Schicksalsschläge, Benachteiligungen und eine komplizierter werdende Welt verursachen Stress. Sie führen zu Streit mit anderen Menschen, zu dem Gefühl, nicht dazuzugehören, zu Selbstzweifeln und Zukunftsängsten. All das kann gerade auch jungen Menschen das Leben schwer machen. Traurigkeit ist dabei ein wichtiges Gefühl, das helfen kann, gewisse Dinge zu verarbeiten, etwas zu verändern oder auch zu akzeptieren. Wenn aber Traurigkeit, Zweifel und Ängste immer stärker werden und gar nicht mehr weggehen, können sich daraus echte Stimmungsprobleme und auch Depressionen entwickeln. Der Alltag wird immer anstrengender, nichts macht noch wirklich Spaß, immer mehr erscheint sinnlos.

Es gibt viele »gute« und nachvollziehbare Gründe, durch die junge Menschen in emotionale Krisen und schwierige Lebensphasen geraten können. Ebenso wie viele Erwachsene leiden auch viele Jugendliche und junge Erwachsene unter ernst zu nehmenden Stimmungsproblemen und Depressionen. Wir wissen aus unserer psychotherapeutischen Arbeit, wie viel Mut dazu gehört, sich seine Schwierigkeiten einzugestehen und Hilfe zu suchen. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, sich seinen Problemen zu stellen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen und sich um sein Wohlergehen zu kümmern. Ein erster Schritt dazu kann die Nutzung der Arbeitsmaterialien im Downloadbereich dieses Buches sein. Sie können Jugendlichen eine erste Sondierung ihrer Stimmungsprobleme erleichtern, aber auch therapiebegleitend eingesetzt werden.

Wir möchten in diesem Buch verständliche Informationen zu Traurigkeit und Depression zusammentragen und hilfreiche Strategien zum Umgang damit vorstellen. Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen fließen dabei vor allem auch viele Erfahrungen ein, die wir gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Bewältigung von Stimmungsproblemen und psychischen Belastungen sammeln konnten. Wir möchten uns bei diesen jungen Menschen für ihre Offenheit, ihr Vertrauen und ihre Rückmeldungen bedanken.

Ganz herzlich bedanken möchten wir uns auch bei Frau Karin Koch für ihr engagiertes Lektorat und die sehr konstruktive Zusammenarbeit bei der Fertigstellung dieses Buches. Besonders bedanken möchten wir uns auch bei unseren Familien: Ihr wart uns tolle Zuhörer, Kritiker und Ratgeber.

Wir wünschen uns, dass junge Leserinnen und Leser Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Probleme erfahren und in diesem Buch Ideen für einen besseren Umgang mit ihren Stimmungsproblemen finden. Wir wünschen uns, dass Leserinnen und Leser sich selbst besser verstehen lernen oder auch ermutigt fühlen, sich um weitere Hilfe zu kümmern. Ebenso hoffen wir, dass Freunde und Verwandte Informationen finden, die ihnen helfen, ihre Nächsten besser zu verstehen und ihnen zur Seite zu stehen.

Und: Wir freuen uns über Rückmeldungen und Anregungen.

Gunter Groen und Dorothe Verbeek

[email protected]

Warum es sich lohnen könnte, dieses Buch zu lesen

Wenn du dieses Buch zur Hand genommen und aufgeschlagen hast, kann es sein, dass auch dir Phasen von Traurigkeit und Stimmungsprobleme nicht unbekannt sind oder du dich sogar gerade jetzt intensiv damit beschäftigst. Vielleicht fühlt sich in deinem Leben vieles ziemlich schwer und anstrengend an. Möglicherweise fühlst du dich ganz schön schlecht, zweifelst an dir, bist belastet oder überfordert oder weißt nicht so recht, wie es weitergehen soll.

Auch wenn du dich besonders traurig, leer und mutlos fühlen solltest, du bist nicht allein. So wie dir – oder ganz ähnlich – geht es vielen anderen Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Vielleicht kann auch dieses Buch ein Schritt sein auf einem neuen oder anderen Weg, mit deinen Problemen besser klarzukommen und dich bald schon etwas besser zu fühlen.

Wir möchten dir zeigen, dass Traurigkeit in einem gewissen Ausmaß zum Leben dazugehört. Es ist nichts Schlimmes, und oft sogar wichtig, über bestimmte Dinge traurig zu sein. Wir möchten aber auch zeigen, woran du merken kannst, dass du vielleicht mehr als »nur« traurig bist.

Der Unterschied zwischen einer stärkeren »normalen« Traurigkeit und ernst zu nehmenden Stimmungsproblemen oder einer Depression ist manchmal gar nicht so leicht zu erkennen. Du findest in diesem Buch Informationen darüber, was das überhaupt ist, eine Depression, und wie sie sich bei dir zeigen kann. Und wir gehen der Frage nach, was sie für dich und dein Leben bedeuten kann. Du bekommst auch Antworten auf die Frage, woher Depressionen kommen und wie sie entstehen. Vielleicht kommt dir dabei einiges bekannt vor.

Das Buch soll dir vor allem zeigen, was du tun kannst, um Schwierigkeiten in deinem Leben anzugehen und deine Stimmungsprobleme zu bewältigen. Du erhältst konkrete Informationen, wo und wie du professionelle Hilfe von Fachleuten bekommst und wann diese nötig wird. Du bekommst aber auch viele praktische Ideen, was du selbst tun und ausprobieren kannst, um dich wohler zu fühlen. Vielen dieser Ideen gehen Übungen zur Selbstbeoabachtung voraus, die du – wenn du dieses Zeichen liest:  – auch im Downloadbereich des Buches unter www.balance-verlag.de/​buecher/​detail/​book-detail/​wieder-besser-drauf.htmlnutzen kannst. Sicher findest du Anregungen, die auch dich weiterbringen, um schon bald wieder besser oder gut drauf zu sein.

Traurig, müde, leer und zu nichts mehr Lust: Kennst du das?

Sicherlich ist nicht jede Phase von Traurigkeit gleich eine Depression. Traurigkeit gehört zum Leben dazu und ist ein wichtiges Gefühl. Sie kann uns zeigen, was uns fehlt und was uns guttut. Sie hilft uns, Dinge zu verarbeiten, die uns belasten. Traurigkeit kann Ausdruck davon sein, dass wir uns mit den wichtigen und manchmal schwierigen Fragen im Leben auseinandersetzen. Und sie kann uns dabei unterstützen, neue Wege zu finden und auszuprobieren, wenn andere Wege in eine Sackgasse geführt haben. Wenn die Traurigkeit allerdings sehr lange anhält, immer größer wird und immer mehr Teile unseres Lebens in Mitleidenschaft zieht, kann die Traurigkeit zu einer Depression werden.

Wir wissen aus zahlreichen Gesprächen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass es viele nachvollziehbare und »gute« Gründe gibt, traurig und depressiv zu werden. Die meisten jungen Menschen haben es mit besonderen Herausforderungen, schweren Aufgaben und handfesten Problemen zu tun: Es ist nicht immer einfach, in der Schule zu bestehen und mit dem Stress klarzukommen. Es ist nicht immer leicht, es den eigenen Freunden recht zu machen oder die richtigen Freunde überhaupt zu finden. Das Miteinander in der Familie kann schwierig und anstrengend sein. Es kann ganz schön schwer sein herauszufinden, was man aus seinem Leben machen möchte und wie man die eigene Zukunft gestalten kann. Und es kann sehr schwer sein herauszufinden, was man an sich selbst mag und was die eigene Person überhaupt besonders macht.

Neben diesen ganz normalen Herausforderungen, mit denen es Jugendliche und junge Erwachsene zu tun haben, kommen oft noch andere Probleme dazu: Wenn Beziehungen in die Brüche gehen. Wenn es heftigen Streit und Auseinandersetzungen im Freundeskreis oder in der Familie gibt. Wenn man von anderen verletzt und ausgegrenzt wird. Wenn man sich einsam und verlassen fühlt. Wenn man mit etwas überfordert ist. Wenn man selbst schwerer krank ist oder Personen, die einem wichtig sind. Wenn einem anderen schreckliche Dinge passiert sind. Oder auch wenn man an die ganzen schlimmen Dinge denkt, die überall in der Welt passieren und noch passieren können.

Gerade in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter gibt es also viele Dinge, die einen belasten und das Leben schwer machen können. Keiner kann was dafür, wenn er sich traurig fühlt. Keiner kann was dafür, wenn er depressiv wird. Wichtig ist es nur, sich gerade dann um sich selbst zu kümmern und sich Hilfe zu holen, wenn es nötig ist.

ALINA, 16 »Ich kam mir unendlich dumm und schlecht vor. Allen schien es gut zu gehen, nur ich fühlte mich so unendlich leer und verzweifelt. Ich dachte oft, ich bin an allem schuld und ich habe es verdient, mich so schlecht zu fühlen.«

Auch wenn man sich in dieser Situation kaum vorstellen kann, dass so ein Gefühl der Leere und Verzweiflung wieder weggehen wird, möchten wir dir eines an dieser Stelle schon sagen:

Es gibt gute Hilfe gegen Depression! Sicher, es geht nicht von heute auf morgen, aber du kannst dir helfen lassen und dir auch selbst helfen. Eine Depression ist gut behandelbar und geht irgendwann vorbei. Vor allem wenn du dir selbst hilfst und bereit bist, Hilfe anzunehmen.×

Bevor wir zeigen, wie du dir selbst helfen und wo du Hilfe finden kannst, wollen wir dir zeigen, dass du nicht allein bist.

Wie geht es anderen?

Stimmungstiefs und Depressionen kennen viele junge Menschen, wir werden von einigen erzählen. Manches wird dir vielleicht bekannt vorkommen, anderes nicht, denn letztendlich sehen solche Phasen bei jedem Menschen etwas anders aus. Dennoch gibt es einige gemeinsame Merkmale, die wir benennen können. Wir machen auch deutlich, wann eine traurige Stimmung in eine Depression umschlägt, was typische Anzeichen und Kriterien für eine Depression sind und wann man sich in jedem Fall professionelle Hilfe suchen sollte. Dabei werden auch die möglichen Ursachen und Folgen einer Depression zur Sprache kommen.

JULIA, 18, besucht die 13. Klasse eines Gymnasiums. Sie ist eine gute Schülerin, hat Freunde und eine nette Familie. Kaum einer ahnt, wie schlecht es ihr geht. Sie weiß schon morgens, wenn der Wecker klingelt, nicht, wie sie den Tag überstehen soll. Sie fühlt sich kraftlos und matt. In der Schule fällt es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie hört die Fragen, die Antworten, doch sie ist wie taub und innerlich teilnahmslos. Sie müsste sich mehr melden, die mündliche Mitarbeit ist doch so wichtig, aber es geht einfach nicht. »Ich muss endlich wissen, was ich nach dem Abi machen will. Alle anderen wissen auch schon, was sie werden wollen. Ich brauche unbedingt ein gutes Abi!«, hämmert es in ihrem Kopf. Ihr ist zum Heulen zumute.

Nachmittags trifft sie sich mit ihren Freundinnen, dann geht es ihr etwas besser. Oft würde sie am liebsten absagen, aber sie weiß, dass es dann nur schlimmer wird. Zu Hause ist sie gereizt, vor allem ihr jüngerer Bruder nervt sie, obwohl sie ihn eigentlich gern mag. Ihre Familie merkt, dass es ihr nicht gut geht. Ihre Mutter hat ihr erzählt, dass Julias Opa auch schwermütig gewesen und wegen Depressionen mehrfach im Krankenhaus behandelt worden sei. Alle geben sich ganz viel Mühe und sind nett zu ihr.

Deshalb ist sie auch so wütend auf sich selbst. Sie bereitet allen Kummer und hat noch nicht einmal einen richtigen Grund. Abends ist sie in ihrem Zimmer, dann ist es am schlimmsten. Dann fühlt sie sich so schlecht, dass sie es kaum noch aushalten kann. Sie denkt, ob es nicht besser wäre, wenn sie tot wäre, dann würde sie niemandem mehr zur Last fallen. Vielleicht einfach Tabletten nehmen, die Pulsadern aufschneiden, sich vor einen Bus werfen oder von einem Hochhaus springen! Diese Gedanken machen ihr Angst, sie kann nicht mehr. Sie nimmt eine Rasierklinge und schneidet in ihren Unterarm, bis es blutet. Die Gedanken an den Tod und die Anspannung in ihr verschwinden dann für kurze Zeit. Sie hat viele Wunden und Narben an den Armen und Oberschenkeln, sie schämt sich dafür. ×

KARL, 14, war immer schon schüchtern. Im letzten Jahr ist es aber noch schlimmer geworden. Vor allem in Gegenwart von Mädchen wird er schnell rot. Die anderen Jungs aus seiner Klasse machen sich über ihn lustig. Auch weil er so viele Pickel bekommen hat, machen sie noch blöde Sprüche auf seine Kosten.

Karl sagt zu alledem nichts. Er tut so, als mache es ihm nichts aus, aber das stimmt nicht. Seine Mutter sagt, er lasse sich zu viel gefallen, müsse sich mehr wehren, sich mehr durchsetzen. »Du bist doch groß, größer als die meisten anderen, das kann doch nicht so ein Problem sein!«, meint sein Vater.

Karl hat den Eindruck, dass seine Eltern ihn nicht verstehen, und zieht sich immer mehr zurück. Seine Eltern streiten sich in letzter Zeit häufig, wegen des Geldes und wegen ihm. Er hat Angst, dass sie sich scheiden lassen.

Meistens ist Karl zu Hause in seinem Zimmer. »Ruf doch mal Timo an!«, schlägt sein Vater vor. Selbst für ein Treffen mit seinem besten Freund, den er schon seit der Grundschule kennt, fehlt ihm die Energie. »Timo hat eh mittlerweile andere Freunde«, denkt Karl.

Nachts schläft er schlecht und wird oft wach. Morgens ist er erschöpft und müde. Er isst weniger als früher, er hat einfach keinen Appetit. ×

FINN, 15, sitzt am Computer und spielt seit mehreren Stunden ein Computerspiel. Eigentlich muss er am Freitag seinen Praktikumsbericht abgeben. Aber er kann sich nicht aufraffen. Sein Vater sagt, dass er endlich mit dem Bericht anfangen soll, das ganze Aufschieben mache es ja nicht besser. Als wüsste er das nicht selbst. Er hat ihm angedroht, den Computer aus seinem Zimmer zu holen, wenn er nicht bald mehr für die Schule macht. »Ich habe es satt, dass du nur vor dem Bildschirm hockst oder im Bett liegst. Steh endlich auf und mach was!«, platzt es aus dem Vater heraus.

Seit seine Mutter vor einem Jahr einen Suizidversuch unternommen hat, lebt er bei seinem Vater. Seine Mutter war lange in einer Klinik. Er wollte sie dort nicht besuchen und will sie auch jetzt nicht sehen. Er ist viel allein, sein Vater arbeitet den ganzen Tag. Das ist Finn auch am liebsten so. Dieses ständige Nachfragen seines Vaters, wie es ihm geht, nervt ihn.

Finn ist wütend auf seine Mutter, dass sie sich einfach umbringen wollte und dabei gar nicht an ihn gedacht hat. Er ist wütend auf seinen Vater, der seit der Trennung von Finns Mutter vor vier Jahren den 14-Tage-Wochenend-Vater gespielt und sich sonst nicht groß um ihn gekümmert hat. Er ist traurig, fühlt sich allein – aber das zeigt er niemandem. Dass seine Versetzung gefährdet ist, dass er nicht weiß, wie es weitergehen soll, daran mag er nicht denken. Er spielt lieber Computer, dann kann er alles vergessen, dann fühlt er keinen Schmerz, keine Wut und alles ist einfach. ×

9. Februar

Fühle mich: müde. Müde ist kein Gefühl, sagt mein Vater.

Er hat unrecht. Müde ist ein alles entscheidendes Mistgefühl.

Erna Sassen: Das hier ist kein Tagebuch, S. 10 f.

© Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2015

Wie geht es dir?

In unserem Leben haben wir es mit ganz verschiedenen Gefühlen und Stimmungen zu tun: Mal sind wir besser drauf, mal schlechter. Manchmal fühlen wir uns glücklich und fröhlich, manchmal traurig und verzweifelt. An einigen Tagen sind wir ängstlich und verzagt, an anderen Tagen mutig und voller Tatendrang. In einigen Momenten sind wir verärgert und wütend, in anderen ausgeglichen und entspannt.

Wie geht es dir? Kommen dir die Beschreibungen, die wir gerade von anderen Jugendlichen gegeben haben, oder Teile davon bekannt vor? Kennst du auch Phasen, in denen es dir besonders schlecht geht, du dich traurig, niedergeschlagen, verzweifelt und lustlos fühlst? Oder geht es dir gerade jetzt so?

Gerade wenn es dir schon länger nicht so gut geht, kann es sinnvoll sein, deine Stimmung zu beobachten und auf dich zu achten. Gerade wenn du besonders traurig und verzweifelt bist und nicht mehr so richtig weißt, wie es weitergeht, solltest du vielleicht ehrlich zu dir selbst sein. Das kann der Ausgangspunkt dafür sein, wieder nach vorn zu schauen, dir etwas Gutes zu tun, Probleme anzugehen und auch Hilfe von anderen zu bekommen. Umso eher kann es dir wieder besser gehen.

Nimm dir einen Moment Zeit, denke über dich, dein Leben und deine momentane Gefühlslage nach. Hier ist ein kleiner Selbsttest mit verschiedenen Fragen zu deiner Stimmung. Denke an die letzten Tage und Wochen und versuche, die Fragen im Kasten spontan und ehrlich zu beantworten.

ARBEITSBLATT Wie geht es dir? Fragen, die auf eine Depression hinweisen können

Wie geht es dir aktuell? Wie war deine Stimmung in den letzten Tagen und Wochen?

Nein

Ja

Fühlst du dich traurig und bedrückt?

Bist du schnell gereizt, fühlst dich schnell angegriffen und ungerecht behandelt?

Ist dir häufiger nach Weinen zumute?

Fühlst du dich oft müde, schlapp und ohne Energie?

Kannst du dich über kaum noch etwas richtig freuen?

Machen dir auch schöne Dinge und Sachen, die früher Spaß gemacht haben, keinen richtigen Spaß mehr?

Hast du keine richtige Lust auf irgendwas und bist oft und schnell gelangweilt?

Ziehst du dich oft zurück, bist oft allein?

Triffst du dich kaum noch mit anderen Leuten, machst kaum noch Unternehmungen mit Freunden und deinen Familienangehörigen?

Kommt dir vieles schwer und anstrengend vor?

Versuchst du Anforderungen des Alltags, wie zum Beispiel Hausaufgaben zu machen oder am Schulunterricht teilzunehmen, aus dem Weg zu gehen?

Bist du in der Schule schlechter geworden?

Machst du dir viele Gedanken und Sorgen, musst oft grübeln und kannst gar nicht mehr richtig abschalten?

Traust du dir wenig zu? Ist dein Selbstbewusstsein im Keller?

Hast du wenig Hoffnung in deine Zukunft?

Fällt es dir schwer, Gutes in deinem Leben zu sehen?

Leidest du häufig unter körperlichen Beschwerden, zum Beispiel Kopfschmerzen oder Bauchweh?

Leidest du häufig unter körperlichen Beschwerden, zum Beispiel Kopfschmerzen oder Bauchweh?

Fällt es dir schwer, dich zu konzentrieren oder zum Beispiel in der Schule aufzupassen?

Kannst du dich schlecht entscheiden?

Hast du Probleme mit dem Schlafen? Kannst du schlecht einschlafen, wachst du in der Nacht oder morgens zu früh auf? Oder schläfst du viel mehr als früher?

Hast du wenig Hunger und Appetit? Isst du weniger als sonst?

Oder hast du mehr Hunger und Appetit als sonst? Isst du mehr als sonst oder besonders viel, wenn es dir schlecht geht und du schlechte Laune hast?

Hast du dich schon mal selbst absichtlich verletzt?

Denkst du häufiger an den Tod? Hast du schon mal daran gedacht, wie es wäre, wenn du nicht mehr am Leben wärst?

Hast du schon mal daran gedacht, dich umzubringen, oder solche Pläne gemacht?

Wenn du mehrere dieser Fragen mit »Ja« beantwortet hast, spricht einiges dafür, dass du gerade eine besonders schwere Zeit durchmachst und du möglicherweise unter einer Depression leidest. Die genaue Diagnose einer Depression oder einer anderen psychischen Störung kann allerdings nur eine Fachperson stellen, d.h. eine Psychotherapeutin oder ein Psychiater. Wo und wie du professionelle Hilfe findest, beschreiben wir im Kapitel »Lass dich nicht unterkriegen« ab Seite 49.

Gut ist zunächst, dass du ehrlich und offen zu dir selbst bist und vielleicht auch anderen Menschen gegenüber, die dir nahestehen. Das kann ein erster Schritt sein, damit es dir besser geht.

PAUL, 19 »Es hat lange gedauert, bevor ich es überhaupt geschafft und mich überhaupt getraut habe, mich und mein anstrengendes Leben genauer verstehen zu wollen. Vorher bin ich in meiner Traurigkeit fast ertrunken. Als ich es in Worte gefasst hatte, konnte ich bald etwas besser damit umgehen.«

Wenn du weiterliest, kannst du erfahren, was das überhaupt ist, eine »Depression«. Und was es bedeuten kann, eine Depression zu haben.

Online-Tipp: Einen weiteren kurzen Selbsttest im Internet findest du hier: www.fideo.de/​fuer-mich/​selbsttest/​

Was ist das, eine Depression?

Eine Depression ist, wenn all deine Gefühle im Rollstuhl sitzen. Sie haben keine Arme mehr und es ist leider auch gerade niemand zum Schieben da. Womöglich sind auch noch die Reifen platt. Macht sehr müde.

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und die Tieferschatten, S. 163

© CARLSEN Verlag, Hamburg 2008