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C.D. Rose

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Beschreibung

Sechs packende, spannende, wichtige und coole Romane - vorgelegt von sechs unabhängigen, anspruchsvollen und einfallsreichen Verlagen. Das ideale Angebot für Leserinnen und Leser, die sich oder ihre Bekannten mit ganz besonderen Büchern beschenken oder betören wollen.

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Seitenzahl: 169

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Die Buchkoop Konterbande, ein Zusammenschluss aus sechs Independent-Verlagen aus Hamburg, Berlin und München, liefert Ihnen ausgewählte Leckerbissen aus ihren aktuellen Herbstprogrammen 2015 und nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise in die Welt der unabhängigen Verlage. Lesen Sie rein, tauchen Sie ab und lassen Sie sich begeistern!

DAS ERWARTET SIE

Transit Buchverlag »Das biographische Lexikon vom literarischen Scheitern«: Die denkwürdigsten Fälle von literarischen Misserfolgen: Witzig, voller Anspielungen und vor allem kenntnisreich – das Geschenkbuch des Jahres…

Edition Nautilus: »Erschlagt die Armen!«: Eine ebenso provokante wie poetische Auseinandersetzung mit dem Thema Asyl.

LOUISODER Verlag »Frauenkaserne«: 1951 erstmals in den USA veröffentlicht und in 14 Sprachen übersetzt, bietet dieses dramatisierte Zeitdokument ein spannendes, psychologisch wie historisch packendes Leseerlebnis.

edition fünf »Ein Haus mit vielen Zimmern«: Unterhaltsame Einblicke in die Welt des Literaturbetriebs, das Verhältnis von Schreiben und Leben. Plaudereien aus den Werkstätten der Büchermacherinnen…

Assoziation A »Ich war in Lissabon und dachte an dich«: Der alltägliche Überlebenskampf eines Migranten vor dem Hintergrund der Stadt Lissabon fernab von touristischen Klischees.

A1 Verlag »Double Negative«: Ein subtiles Triptychon, das das gewöhnliche Leben während der außergewöhnlichen Revolution Südafrikas einfängt. Ein großartiger Roman, eine Charakterstudie.

© 2015 by :TRAN SIT BuchverlagPostfach 121111 | 10605 BerlineISBN: 978- 3 -88747-328-0

INHALT

: TRANSIT BUCHVERLAG

C.D. Rose DAS BIOGRAPHISCHE LEXIKON VOM LITERARISCHEN SCHEITERN

Casimir Adamowitz-Kostrovicki

Stanhope Barnes

Das Beasly Kollektiv

Hans Kafka

Marta Kupka

Hartmut Trautman

Enst Bellmer

EDITION NAUTILUS

Shumona Sinha ERSCHLAGT DIE ARMEN!Roman

Weisses Verlangen

Den Mund voll Kirschen

Auf der anderen Seite der Dinge

Kalis Zunge

Der Mann, der einen Guavenbaum im Garten hatte

Die Menschenhändler

LOUISODER

Tereska Torrès FRAUENKASERNERoman

Kapitel 1

Kapitel 2

EDITION FÜNF

EIN HAUS MIT VIELEN ZIMMERNAutorinnen erzählen vom Schreiben Erzählungen, Essays und Gedichte

Aus dem Inhalt

Tove Jansson: Die Hauptrolle

Annette Pehnt: Am Ende

Virginia Woolf: Berufe für Frauen

ASSOZIATION A

Luiz Ruffato ICH WAR IN LISSABON UND DACHTE AN DICHRoman

A1 VERLAG

Ivan Vladislavic DOUBLE NEGATIVERoman

C.D. RoseDAS BIOGRAPHISCHE LEXIKONVOM LITERARISCHEN SCHEITERN

Aus dem Englischen von Rainer NitscheDeutsche ErstausgabeOriginalausgabe: The Biographical Dictionary of Literary FailureMelville, New York, 2014

Gebunden mit Schutzumschlag,ca. 176 SeitenISBN 978-3-88747-322-8Erhältlich im Buchhandel ab Anfang September 2015

In 52 phantastisch erzählten, skurrilen und sorgfältig recherchierten Porträts werden Autorinnen und Autoren vorgestellt, die aus den unterschiedlichsten Gründen gescheitert und deswegen auch weitgehend unbekannt geblieben sind. Sie werden hier, in diesem »monumentalen Werk« (Dallas Morning News), dem Vergessen entrissen – und es stellt sich die beunruhigende Frage: wie hätte sich der Kanon der Weltliteratur, wie hätte sich unsere eigene Wahrnehmung der Welt anders entwickelt, wenn dieses literarische Potential, wenn diese untergegangenen Werke sich doch durchgesetzt hätten? Wieviele überall gefeierten Romane, Erzählungen, Gedichte wären dann zum Mittelmaß geschrumpft, wohin sie – ein provozierender, aber lohnender Gedanke – vielleicht auch tatsächlich gehören?

Dem Vergessen entrissen werden Autorinnen und Autoren, u.a. aus England, Frankreich, Russland, USA, Deutschland und Österreich, die (im Zeitraum vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts) nicht nur aufregend schrieben, sondern auch aufregend lebten. Insofern ist dieses Buch »ein wahrer Schatz.« (The Guardian)

Die denkwürdigsten Fälle von literarischen Misserfolgen:

»Witzig, voller Anspielungen und vor allem kenntnisreich – das Geschenkbuch des Jahres.«

Washington Post

C.D. Rose wurde Ende der sechziger Jahre in Manchester geboren, studierte Literatur und Kreatives Schreiben; er lebt als Autor und Kritiker in Norwich (England).

CASIMIR ADAMOWITZ-KOSTROWICKI

DENKEN SIE, WENN SIE MÖGEN, an Kafka, wie er Max Brod und Dora Diamant darum bat, alle seine Manuskripte zu verbrennen, bevor er der Tuberkulose erlag, die ihn seit Jahren schleichend dem Tode nähergebracht hatte. Denken Sie an Vergil, vom Fieber geschwächt und nicht mehr fähig, die letzten Passagen seiner Aeneis zu vollenden, wie er im Hafen von Brindisi ankam und verlangte, sein Werk lieber zu zerstören als es unvollendet zu lassen. Denken Sie an Lavinia Dickinson, die sich weigerte, die Gedichte ihrer Schwester Emily zu verbrennen. Und jetzt denken Sie an Casimir Adamowitz-Kostrowicki. Natürlich können Sie das nicht, denn im Gegensatz zu Franz Kafka, Publius Virgilius Maro und Emily Dickinson hatte Casimir Adamowitz-Kostrowicki einen Freund, der ruchlos genug war, seinen letzten Willen zu befolgen.

Wir können nicht an Adamowitz-Kostrowicki denken, weil wir nichts von ihm kennen – aber stellen Sie sich vor, Kafkas bester Freund und seine Geliebte hätten getan, was ihnen befohlen wurde, oder Vergils Schreiber wären nicht Kaiser Augustus begegnet, der ihnen deutlich machte, was sie nicht tun sollten, oder Lavinia hätte den letzten Willen ihrer Schwester nicht so raffiniert interpretiert und deren Gedichte genauso verbrannt wie die Briefe, die sie dann tatsächlich vernichtete.

Auch das das ist fast unmöglich – sich vorzustellen, was nicht ist – eher schon, was hätte sein können. Stellen Sie sich die Leere vor; die Abwesenheit von etwas. Stellen Sie sich die literarische Welt vor – oder überhaupt eine Welt, die nicht auf irgendeine Weise geprägt ist von Kafkas düsteren Fabeln, Virgils Epos und Dickinsons poetischen Erfindungen. Wir können es natürlich nicht genau wissen, aber immerhin ist es denkbar, dass Adamowitz-Kostrowickis Werk einen ähnlichen Einfluss darauf gehabt hätte, wie wir die Welt sehen.

Casimir Adamowitz-Kostrowicki wurde 1880 in Paris als Sohn eines polnischen Vaters und einer amerikanischen Mutter geboren. Zunächst als Apotheker ausgebildet, war er schon bald fasziniert von den neuen Techniken des Films, der Photographie und der Tonaufnahmen. Die Beschäftigung damit brachte ihn in den Umkreis der Bohème und er begann, einige der Menschen, die er am meisten bewunderte, aufzunehmen oder zu porträtieren: Picasso und Apollinaire, Rilke und Lou Andreas-Salomé, Ezra Pound, Wyndham Lewis und den jungen T.S. Eliot.

Von seinen Vorbildern beflügelt, begann Adamowitz-Kostrowicki zu schreiben und zeigte seine Arbeiten mehreren seiner Portätierten, die alle enthusiastisch reagierten. Trotzdem lehnte er deren Veröffentlichung ab mit dem Hinweis, dass sein größtes Werk noch unvollendet sei. 1914 meldete er sich freiwillig zur französischen Artillerie und überließ seinem engsten Freund, Eric Levallois, einen Koffer voller Manuskripte. Adamowitz-Kostrowicki gab seinem Freund die klare Anweisung für den Fall, dass er nicht zurückkäme: er solle den Inhalt des Koffers vollständig vernichten, auch sein Opus magnum, den ersten großen modernen Roman – L`homme avec les mains fleuries.

Dieses Werk, so wurde gesagt, hätte La Recherche in den Schatten gestellt, den Mann ohne Eigenschaften so langweilig aussehen lassen wie seinen Titel, den Ulysses aufs richtige Maß zurechtgestutzt und Zum Leuchtturm (Virginia Woolf) unbedeutend und provinziell scheinen lassen.

Bis ins Jahr 1918 hinein hatte Levallois nicht ein einziges Wort von seinem Freund gehört; voller Verzweiflung zündete er auf der Straße vor seiner Wohnung in Montmartre ein kleines Feuer an; Passanten dachten, er würde so das Kriegsende feiern.

Ohne dass Levallois davon etwas hätte ahnen können, war Adamowitz-Kostrowicki nicht an der Front umgekommen, sondern litt an einer kriegsbedingten Nervenkrankheit; er war genau in diesen Tagen nach Paris zurückgekehrt und hätte vielleicht seinen Freund aufgesucht, wenn nicht ein Pferd, scheu geworden von dem Feuerwerk der Siegesfeiern, ihn umgerissen und zu Tode getrampelt hätte.

Also denken Sie nochmal an Kafka und Vergil und Dickinson, denken Sie daran, wie wenig wir wissen von dem, was alles uns verloren ging, nicht nur im Fall von Pechvögeln wie Adamowitz-Kostrowicki, sondern auch im Fall von Dutzenden, Hunderten, Tausenden, deren Werk verloren ging durch Feuer oder Wasser, durch frühen Tod, durch Diebstahl oder das Fegefeuer der Zensur. Was alles verloren ging – und aus uns vielleicht bessere Menschen gemacht hätte?

STANHOPE BARNES

VERGLICHEN MIT DEM FALL Casimir Adamowitz-Kortsowicki könnte der von Stanhope Barnes eher trivial erscheinen. Bei Barnes gab es keine Anweisungen auf dem Totenbett, keinen letzten Willen, keinen Verwandten oder Freund, der in eine quälende moralische Verlegenheit gezwungen wurde. Sein Werk landete, soweit wir wissen, nicht in den gierigen Klauen eines grausamen Schredders oder gar in peinigenden Flammen. Nein, Stanhope Barnes beging bloß einen einzigen Fehler – in einer Zeit lange vor den USB-Sticks, Memory Sticks, vor Dropbox oder iCloud: Er ließ das einzige Exemplar seines Werks im Zug liegen. Auf den ersten Blick sieht das eher wie ein jämmerliches Beispiel literarischen Scheiterns aus. Dieser Mann, könnten Sie jetzt vermuten, war kein großer, verhinderter Künstler, dem ein grausames Schicksal einen Strich durch die Rechnung machte, sondern einfach nur ein Depp. Wir vom BLLS bitten Sie aber um eine differenziertere Sicht.

Stanhope Barnes war alles andere als ein Depp, und was dort auf dem abgewetzten Zweite-Klasse Sitz in der Reading Station liegen blieb, hätte es mit dem Prozess, der Aeneis oder mit Dickinsons I could not stop for death durchaus aufnehmen können.

Barnes, 1897 in eine Arbeiterfamilie in Nottinghamshire hineingeboren, gehörte zu einer Generation, die von den Schlachtfeldern der Somme geprägt wurde, Erfahrungen, die er zu dem Roman Here are the Young Men formte, der auf dem Weg nach London verloren ging, wo er ihn bei Faber und Faber mit T.S. Eliot durchsprechen wollte. Das Buch war ein modernes Epos, das das Bild von Ersten-Weltkriegsautoren als todgeweihten Dichtern völlig revidiert und sie als Teil der Moderne hätte erscheinen lassen. Here Are the Young Men war ein tiefempfundenes Werk über die Schrecken des Krieges. Ein unermesslicher Verlust.

Auch wenn die Umstände dieses Verlustes etwas dusselig scheinen, umso mehr decken sie sich mit unseren eigenen Erfahrungen. Wenige von uns hatten jemals eine Entscheidung auf Leben oder Tod zu treffen – aber wieviele – egal ob in Bussen, Zügen, Bars oder Restaurants – haben wertvolle Sachen vergessen, im Stress, in der Eile oder aus purer Gedankenlosigkeit. (Freud würde natürlich behaupten, dass dahinter der Wunsch steckt, zum Schauplatz des Verlustes zurückzukehren, um so einen Ur-Kummer noch einmal zu durchleben, und obwohl wir etwas ratlos sind, weswegen Barnes ausgerechnet nach Reading hätte zurückkehren sollen, können wir uns die Bemerkung nicht verkneifen, dass T.E. Lawrence bekanntermaßen an selber Stelle die erste Fassung von Die sieben Säulen der Weisheit hatte liegen lassen.)

Für uns bleibt noch eine Frage offen: Was passierte mit dem Manuskript? Es gibt da Vermutungen: dass es von einem passionierten Leser entdeckt wurde, der davon so begeistert war, dass er es in einen Tresor einschloss oder auf dem Dachboden versteckte, um ihn dort von einer noch nicht existierenden Nachwelt entdecken zu lassen; oder dass es von einem freundlichen Ausländer gefunden wurde, der kein Englisch sprach, es aber mit heim nach Paraguay nahm und dort ins Spanische übersetzen ließ, wo es dann, dank einer extrem dürftigen Übersetzung, unter dem Titel Dónde están los jóvenes bekannt wurde, einem äußerst erfolgreichen Bericht über ein jugendliches Fußballteam, das durch das vom Krieg zerrissene Europa tourte, zufällig ins Visier von Heckenschützen geriet und dabei elendig umkam (der Bericht war dann die Vorlage für eine telenovela in den 70er Jahren); und schließlich, dass es einem anderen armen Reisenden, der im Themse-Tal gestrandet war, bei der dringenden Suche nach Toilettenpapier in die Hände fiel. Aber das sind bloß Vermutungen aufgrund von Gerüchten und bedürfen noch der Beweise.

In seinem Roman Der Engel der Geschichte deutet Bruno Arpaia an, dass Walter Benjamins letztes und verlorenes Werk einem Anti-Franco-Kämpfer anvertraut wurde, der es zum Feueranzünden benutzte und sich so auf der Flucht vorm Erfrieren in den Pyrenäen rettete. Wir können nur hoffen, dass auch Stanhope Barnes’ Werk, in seinen letzten Momenten, ein Leben gerettet hat.

DAS BEASLEY KOLLEKTIV

NUR WENIGE GROSSE WERKE der Literatur sind von mehr als einer Hand verfasst worden. Während einige frühe Poeme (die Odyssee und das Mahabharata eingeschlossen) sehr wohl von mehreren Autoren (im Laufe einer langen Zeit) stammen könnten, gibt es in der modernen Zeit nichts Vergleichbares. Das Vorwort zu den Lyrischen Gedichten war ganz offensichtlich das Werk allein von Wordsworth, egal was er selbst und Coleridge behaupteten. Die Groep 52 experimentierte in den Niederlanden, in Italien setzten Luther Blissett und verschiedene Wu Mings ein Zeichen, endeten aber zwangsläufig in ichbezogenen Fragmenten. Hinter manchen Trivialautoren verbergen sich ganze Komitees, aber ihre Werke werden kaum von Bestand sein.

Was hat es mit Gruppen oder Kollektiven auf sich, dass ihnen literarische Größe verwehrt bleibt? Es mag da mehrere Erklärungen geben, aber die wichtigste ist wahrscheinlich der harte Fakt, dass Schreiben eine äußerst einsame Beschäftigung bleibt. Einige jedoch, entweder aus Mangel an Begabung oder öfter noch aus ideologischen Gründen, haben sich diesem Trend widersetzt. Eine dieser Gruppen wäre das Beasley Kollektiv.

Gegründet 1979 in Hulme, Manchester (der Name Beasley bezog sich keineswegs auf ein Gedicht, sondern tatsächlich auf den Standort eines besetzten Hauses, in dem sie alle residierten), wollte das Kollektiv den ideologischen Schwung der Post-Punk-Ära aufnehmen und ihn mit dem schieren Kick, Mitglied einer Band zu sein, verbinden. Aber nachdem sie erkennen mussten, dass keiner von ihnen ein Instrument beherrschte (was übrigens für andere in dieser fruchtbaren Zeit absolut kein Hinderungsgrund war), beschlossen sie, in der literarischen Sphäre zu arbeiten. Lesen und schreiben konnten sie ja. Mit ihrer Strategie wollten sie die »imperialistische Hochkultur von innen angreifen«.

Die meisten waren Anarchisten, andere waren Maoisten, Trotzkisten, Anarcho-Syndikalisten, Leninisten, Marxisten-Leninisten, Kroptkinisten oder radikale Lacanianer. Jürgen Kittler (siehe einen späteren Beitrag) soll kurze Zeit Mitglied gewesen sein, vermutlich während seiner Zeit als Bassist in der ziemlich legendären Band King Ink.

Das Kollektiv befreite eine IBM Selectric aus einer Versicherungsagentur, in der einer von ihnen tagsüber arbeitete, und entwickelte eine ziemlich strenge Kompositionsmethode. Sie saßen in einem Kreis auf dem Boden ihres sparsam möblierten Hauses, tippten einer nach dem anderen jeweils ein Wort und reihten so peu à peu Sätze eines literarischen Werks aneinander, das, so hofften sie, den ganzen neoliberalen Nachkriegskonsens von der Bühne fegen sollte.

Ihr erstes Werk war selbstverständlich ein Manifest.

Es gibt keine andere literarische Form, die so aufregend ist wie ein Manifest. Mit Ideen das künstlerische Sternenzelt auszuschmücken oder eine großartige Deklaration von sich zu geben im sicheren Glauben, dass man damit die menschliche Gesellschaft verändert, ohne sich darum scheren zu müssen, dass solche Proklamationen auch wahr werden, ist eine aufregende Herausforderung. Von diesem Beasley Kollektiv Manifest gab es nur ein Exemplar: Der Xerox-Drucker der Versicherungsagentur musste zur Wartung.

Unverdrossen produzierte das Kollektiv weiter, aber seine rigorose Methode führte nur langsam zu Ergebnissen. Jedes eingetippte Wort bot Anlass zu genauer ideologischer Analyse und erhitzten Debatten. Für ihr erste Short Story brauchten sie sechs Monate, aber dann wurde entschieden, dass es sich bei einer Short Story um eine kommerzielle Form handle, die mit ihren eigenen radikalen Standards unvereinbar war. Weitere Diskussionen führten zum Ergebnis, das der Roman »bourgois« und die Lyrik »elitär« sei.

Die meisten Bands brechen auseinander wegen musikalischer Differenzen (eine Umschreibung der simplen Tatsache, dass sie sich nicht mehr ausstehen können), viele Schriftsteller machen einfach weiter, schreiben immer schlechtere Bücher oder geben auf, wenn ihnen wirklich nichts mehr zu sagen bleibt. Das Beasley Kollektiv war in dieser Hinsicht wenigstens originell: Ihre Arbeit endete 1982 wegen »ideologischer Unverträglichkeit«. Allein deswegen haben sie es verdient, dass man sich ihrer erinnert.

HANS KAFKA

DASS NAMEN VORHERBESTIMMEND sein können, ist ein eher windiger Gedanke, der dem unbestechlichen Blick einer fundierten kritischen Überprüfung kaum standhalten kann. Trotzdem könnte es etwas mit dem Namen »Kafka« (der, ein bisschen enttäuschend, im Tschechischen einfach nur »Dohle« bedeutet) zu tun haben, das ihren Träger zu heiklen graphomanischen Tendenzen verleitet. Wir beziehen uns hier jetzt nicht auf den berühmten, angstbesessenen deutschsprachigen Schriftsteller, sondern auf den weniger bekannten, verwandt klingenden Hans Kafka.

Nach Recherchen in allen uns zugänglichen Archiven sieht es so aus, als ob es zwischen diesen beiden Autoren keine verwandtschaftlichen Beziehungen gäbe – obwohl »Kafka« absolut kein gewöhnlicher Name ist. Ist es bloßer Zufall, eine sonderbare Verquickung von Zeit, Ort und Umständen oder hat es mit der diebischen corvus monedula zu tun, die ihre Namensvettern in das undankbare Geschäft des Schreibens treibt?

Hans Kafka wurde 1883 geboren, in derselben Straße gleich gegenüber, wo die andere Kafka-Familie wohnte, als Sohn einer Weißnäherin und eines erfolgreichen Modehändlers. Als Kind hörte er von den Nachbarn gleichen Namens, ihm wurde aber von seinem herrschsüchtigen Vater jeder Kontakt mit ihnen verboten.

Als ruhiger, fleißiger Junge beendete er die Schulausbildung und schrieb sich in die Juristische Fakultät der Karls Universität ein, wechselte dann aber zum Studium der Chemie (wobei er knapp den anderen Schriftsteller verfehlte, der denselben Weg, nur andersherum, wählte). Nach dem Examen nahm er eine Arbeit als analytischer Chemiker auf, einen Job, den er bis zum Ende seines Arbeitslebens ausfüllte. Er war an der Entwicklung einer Vorform von Asbest beteiligt und nutzte seine knapp bemessene Freizeit, um eine Reihe anspruchsvoller Kurzgeschichten zu schreiben.

Er sandte diese frühen Arbeiten den Zeitschriften Hyperion und Arkadia, die aber mehrfach mit verwirrenden Absagebriefen zurückgeschickt wurden. Sehr geehrter Herr, so begannen sie, wir würden Ihr Werk gerne veröffentlichen. Aber bitte sehen Sie davon ab, uns weitere Manuskripte unter diesem plumpen Pseudonym einzusenden.

Ohne auch nur das geringste vom Schicksal seines fast gleichnamigen früheren Nachbarn zu wissen, ließ sich Kafka von den Ablehnungsschreiben nicht entmutigen und begann mit einem umfangreicheren Werk, einer absurden Geschichte von einem Käfer, der sich in einen Menschen verwandelt.

Sie ahnen wahrscheinlich, wie diese Sache weitergeht: Manuskript verloren, verbrannt oder abgelehnt, unglückliche Liebschaften, die ständige Unterstützung durch eine Handvoll enger Freunde, der unvermeidliche Ausbruch einer schwelenden, zerstörerischen Krankheit. Hans Kafka enttäuschte uns nicht. Aber ein wesentlicher Unterschied lag in der Tatsache, dass die Krankheit, unter der Kafka in seinen zwanziger und dreißiger Jahren litt, sich nicht als Tuberkulose herausstellte, sondern als nichts anderes als eine unangenehme Erkältung, die er wegen seiner schlechten Ernährung, der feuchten Wohnung und des rauen Klimas der tschechischen Hauptstadt über viele Jahre einfach nicht los wurde.

Anders als sein Fast-Namensvetter überlebte Hans Kafka; er schaffte es sogar, die Brutalität der 1940er Jahre zu überstehen. Es war das reinste Wunder, dass er langsam und ruhig in das tschechische Nachkriegsleben hinüberglitt. Seine angesengten Manuskripte lagen immer noch in einem Koffer unter dem Bett seiner kleinen Wohnung in der Sokolovská und er verfolgte aufmerksam, wie der Ruhm des Jungen von Gegenüber, der fast den gleichen Namen wie er trug, wuchs und wuchs.

Als alter Mann, wenn er rausging, um seinen Morgen-Becherovka zu trinken, sah er Touristen auf den Straßen seiner Stadt, die mit T-Shirts herumliefen, die das Foto des dunkeläugigen, schmalgesichtigen Jungen zeigten, an den er sich so gut erinnerte. Er streckte seine Hand nach dem kühlen Glas aus und drehte sich eine Zigarette. Ich lebe, dachte er, als er einen kleinen Schluck Kräuterlikör nahm und den warmen Rauch einatmete. Ich lebe.

MARTA KUPKA

DIE WENIGSTEN BEKOMMEN Weihnachten das, was sie wirklich wollen. Während die Glücklichen unter uns jedenfalls ein altes Mensch-Ärgere-Dich-nicht-Spiel auspacken dürfen oder ein Buch, von dem wir nie gehört haben, das aber faszinierend aussieht oder vielleicht auch nur eine knappe Handvoll selbstgebackener Plätzchen, bekommt doch niemand eine garantierte Leserzahl, lebenslangen Respekt oder einfach Glück geschenkt. Kein Paket, mag es noch so wunderschön in einer großen roten Schachtel mit goldener Schleife daherkommen, bringt einem die Geliebte zurück.

Zum Weihnachsfest 1948 wurde Marta Kupka, einem lesewütigen Kind, das hingebungsvoll Geschichten in ein dünnes Notizbuch kritzelte, eine Royal Quiet Deluxe von ihren Eltern geschenkt; diese hatten eine Kontaktperson gefunden, genug Geld zusammengekratzt und – darauf bedacht, das aufkeimende literarische Talent ihrer einzigen Tochter zu fördern – es schließlich geschafft, dieses Muster amerikanischer Präzisionsarbeit zu erwerben. Die Schreibmaschine war in dickes braunes Packpapier eingewickelt, und so blieb sie es auch für die nächsten fünfundsechzig Jahre.

Denn für Kupka, die mit Eipulver und Brot aus Sägemehl großgezogen wurde, stellte das Geschenk (als intelligentes Kind hatte sie natürlich erraten, was sich unter dem Packpapier verbarg) einen unvorstellbaren Luxus dar. Sie wusste, einmal ausgepackt, würde es auf ihrem kleinen Tisch stehen, glänzen, voller Versprechen, aber auch voller Gefahren.

In den folgenden Jahren stellte sie sich immer mal wieder vor, ein Blatt Papier in die Maschine einzuspannen und dann, pflichtschuldig einem Fernlehrgang für angehende Sekretärinnen folgend, Sätze über schnelle Füchse und faule Hunde einzutippen, um so ihre Finger darauf zu trimmen, die Tasten zu treffen, die ihre eigenen Geschichten widergaben.

Allein schon das Gewicht dieses Gegenstands, nicht nur physikalisch, sondern auch in metaphysischer Hinsicht, war so bedrückend, dass sie sich nicht traute, seine Tasten mit einer Geschichte zu beflecken, die in ihren Augen noch nicht absolut perfekt war. So wie von manchen Zweit-Romanciers gesagt wird, dass sie paralysiert sind von dem Gedanken, einem erfolgreichen Debüt ein weiteres Werk folgen zu lassen, so konnte Kupka im Durcheinander ihres Kopfes noch nicht einmal das perfekte erste Wort finden. Und so blieb das Geschenk unausgepackt.