Wir können es besser - Clemens G. Arvay - E-Book

Wir können es besser E-Book

Clemens G. Arvay

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  • Herausgeber: Quadriga
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Erst durch negative Umwelteinflüsse konnte COVID-19 zu einer Pandemie werden. Wer nun denkt, dass uns Abstand, Masken und ein unausgereifter Impfstoff auf Dauer retten werden, begreift nicht den Ernst der Lage. Das Coronavirus ist nur ein Symptom. Es steht für einen Lebensraum, der uns zunehmend krankmacht. Anhand neuester Studien zeigt Clemens Arvay erstmals, wie Gesundheitskrisen und Umweltzerstörung zusammenhängen. Dabei weist er nach, dass COVID-19 in Wirklichkeit ein Umweltskandal ist - und dass sowohl Politik als auch Medien seit Monaten viel zu einseitig auf die Krise reagieren und damit fatalen Schaden anrichten. Er fordert einen ökomedizinischen Umbruch - und zeigt, was jeder tun kann, um gesund zu bleiben.

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Seitenzahl: 351

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Inhalt

Cover

Titel

Hinweis

Impressum

Widmung

Wissenschaftler über dieses Buch

Vorwort von Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen

Corona: unsere Chance auf eine gesunde Welt

Teil 1

Corona: Krise oder Skandal?

COVID-19 als Symptom

Das Ungeheuer aus Wuhan und die Medien

»Ground Zero«: zerstörte Ökosysteme

Eilmeldungen über Wildtiere

Weckruf Ebola: eine sozioökologische Gesundheitskatastrophe

Psychosomatik bei Fledermäusen

COVID-19 als Umwelt-, Medien- und Wissenschaftsfiasko

Das Killervirus-Narrativ

Eine epidemiologische Einordnung von SARS-CoV-2

Falschmeldungen in den Leitmedien

Panikmache statt Berichterstattung?

Killervirus oder Killerumwelt?

Corona-Tote oder Feinstaub-Tote?

Letalitätsrate: Übertreibung trotz Korrekturen

Der Killervirus-Filter: selektive Verbreitung von Wissenschaft

Immunbiologische Verwirrung auf dem Höhepunkt

Teil 2

Aus COVID-19 lernen

Kranker Planet – kranke Menschen

Krebs, Umwelt und Lebensstil

Klima und Gesundheit

Malaria im (Umwelt-)Wandel

Hunger als größte globale Gesundheitsbedrohung

Lockdown und Hungersnot

Epidemien und die Fleischindustrie

Irrweg Corona-Impfstoff

COVID-19-Impfung: schnell oder sicher

Genetische Impfstoffe

»Speed-Queen«: Medienpropaganda im Dienst der Konzerne

Verstöße gegen das Vorsorgeprinzip?

Intermezzo zum Innehalten von Gerald Hüther

Teil 3

Wir können es besser

Ökologische Medizin als Ausweg

Generation Lockdown?

Frische Luft statt Lagerkoller

Öko-Immunologie

Gesunde Lebensräume – gesunde Menschen

Schlussbetrachtungen

Appell an die Medien

Was jeder von uns tun kann

Danke

Anmerkungen

Clemens G. Arvay

WIR KÖNNEN ESBESSER

Wie Umweltzerstörung die Corona-Pandemie auslöste und warum ökologische Medizin unsere Rettung ist

QUADRIGA

Da Sachbücher ein besonders hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit beanspruchen, wurde beim Verfassen des vorliegenden Buches weitgehend auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet. Sofern es aus dem Kontext nicht anders hervorgeht, sind stets Frauen wie Männer

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

QUADRIGA Verlag in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Dieser Titel ist auch als Hörbuch erschienen

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Redaktionsschluss für dieses Buch: 31. Juli 2020 Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Einband-/Umschlagmotiv: © wildpixel/gettyimages

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0156-3

quadriga-verlag.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Ich widme dieses Buch allen Menschen, die während der COVID-19-Krise ihre Liebe zum

■ Wissenschaftler über dieses Buch

»Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Daran zu denken drängt sich am Beginn des gegenwärtigen ›Virozäns‹ auf, welches offenbar mit COVID-19 begonnen hat. Dieser Satz von der Freiheit der Wissenschaft aus dem Staatsgrundgesetz impliziert auch das Recht auf unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen, wenn man sie intellektuell redlich zu begründen versteht. Clemens Arvay präsentiert in diesem Buch eine holistische Darstellung der pandemischen Hintergründe, die zweifellos einer Diskussion würdig ist. Darüber hinaus stellt er die berechtigte und in der allgemeinen Nervosität oft zu kurz kommende Frage, welche Verantwortung das Anthropozän an der Krise hat, ob es nicht der Homo faber, der schaffende Mensch, selbst ist, der die Natur und seine anderen Mitgeschöpfe so auszunutzen versuchte, dass die kleinsten und ältesten Lebensformen unseres Planeten zurückzuschlagen beginnen. Diese Frage erörtert Clemens Arvay in diesem Buch ausführlich – und unter dem Zeichen der freien Wissenschaft.«

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes Huber, Gynäkologe und Endokrinologe, Wien

»Seit Monaten schüren Massenmedien und Politik Ängste im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 und vermitteln eine einseitige Perspektive. Das Ergebnis ist eine tiefe Spaltung der Gesellschaft in eine verängstigte Mehrheit, die bereit ist, sich mit unzureichend getesteten Impfstoffen behandeln zu lassen, und eine Minderheit, die auch kompetente Gegenstimmen zu der offiziellen Politik ernst nimmt. Will man sich dem Verständnis einer so komplexen Situation wie der ›Corona-Krise‹ annähern, so ist dies nur in einer umfassenden, ökologischen Betrachtung möglich, die wesentliche Zusammenhänge aufzeigt und untersucht. Der Gesundheitsökologe Clemens Arvay leistet dazu mit diesem Buch einen wertvollen Beitrag.«

Univ.-Doz. Dr. rer. nat. Peter Weish, Ökologe und Zoologe, Wien

»Nicht nur in der Medizin, sondern auch in vielen anderen Lebenszusammenhängen konzentrieren wir uns auf die kleinsten Bausteine des Lebens und übersehen dabei, dass diese in Funktionskreisläufen sinnhaft zusammenwirken. So gesehen, dürfen wir uns nicht wundern, dass unsere Handlungen am Leben lebensgefährlich werden. Clemens Arvay zeigt anhand einer evidenzbasierten Gesundheitsökologie auf, warum die Corona-Krise als ein großer Warnruf gesehen werden muss, um unsere Entfremdung von der Natur zu stoppen und ein neues Verständnis von Gesundheit zu schaffen. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Buch wesentlich zu einem Umdenken in Richtung Ganzheitlichkeit beitragen wird.«

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Christian Schubert, Arzt, Psychologe und Psychotherapeut, Innsbruck

»Die Art und Dauer der in Hinsicht auf die Corona-Pandemie getroffenen behördlichen Schutzmaßnahmen erscheinen bei Sichtung der mittlerweile vorliegenden Evidenzen und empirischen Daten nicht mehr als angemessen. Unverständlich – für viele fast unerträglich – ist es nun geworden, dass wissenschaftliche Betrachtungen, die vom vorherrschenden Diskurs abweichen, in der Öffentlichkeit als bedrohlich angesehen und heruntergespielt werden. Vor diesem Hintergrund ist es essenziell, dass ein Wissenschaftler wie Clemens Arvay die Fahne des evidenzbasierten Diskurses hochhält und sich mit diesem wichtigen Buch einbringt.«

Dr. rer. nat. Rainer Mohr, Pharmazeut und Apotheker, Berlin

■ Vorwortvon Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen

Seit mehr als einem halben Jahr hat ein Virus die Menschheit fest im Griff: SARS-CoV-2 – oder umgangssprachlich einfach »Corona«. Diese sprachliche Vereinfachung zeigt etwas sehr Wichtiges. Dieses Virus ist nicht so neu, wie es bei all den Schlagzeilen der letzten Monate den Anschein hatte. Coronaviren sind älter als die Menschheit, und die gesamte menschliche Evolution wurde von Coronaviren begleitet, vielleicht sogar hier und dort relevant beeinflusst.

Auch Epidemien mit Coronaviren gab es immer wieder, wahrscheinlich viel mehr, als wir ahnen, weil sie bisher einfach nicht gemessen wurden und sich auch im Zeitalter vor der zunehmenden Globalisierung nicht so schnell über die ganze Welt verbreitet haben. Im Winterhalbjahr 2002/03 fegte die erste dokumentierte Coronavirus-Pandemie über den Globus. Im November 2002 wurden damals die ersten Fälle einer außergewöhnlich ausgeprägten und häufig tödlichen Lungenentzündung dokumentiert, aber erst im März 2003 gelang es, das Virus zu identifizieren. Im darauffolgenden April, also fast ein halbes Jahr nach den ersten Fällen, gab die WHO bekannt, dass SARS – die Kurzform für Severe Acute Respiratory Syndrome – durch ein Coronavirus verursacht sei, und erst im Mai gelang der diesbezügliche Beweis im Tierversuch. Es ist also mehr als fraglich, ob die offiziellen Zahlen von knapp 1000 Toten und 8500 Erkrankten tatsächlich der Realität entsprechen. Es wurde nicht getestet. Es konnte auch gar nicht getestet werden, weil einfach kein Test zur Verfügung stand. Aufgrund fehlender Messungen ist es also vollkommen unbekannt, wie viele Menschen sich damals wirklich infizierten. Ähnlich wie bei SARS-CoV-2 blieb daher auch im Dunkeln, wie viele Infizierte leichtere Verläufe hatten, die unbemerkt blieben.

Potenziell tödliche Coronavirus-Infektionen gab es immer wieder. Im Jahr 2008 wurde über einen Coronavirus-Ausbruch in einem kanadischen Pflegeheim berichtet, währenddessen etwa zehn Prozent der Bewohner verstarben. 2012 brach das Middle East Respiratory Syndrome (MERS) aus, an dem bisher laut Aussagen der WHO etwa 2500 Menschen erkrankt und knapp 900 verstorben sind. Auch hier ist unbekannt, wie hoch die Zahl der Infizierten wirklich ist, weil nie breite Massentestungen durchgeführt wurden. Es sind mindestens vier weitere Coronaviren bekannt, die Menschen infizieren können. Es sind Verwandte von SARS-CoV-1, SARS-CoV-2 und MERS, die zusammen für etwa 30 Prozent der saisonalen Atemwegsinfektionen verantwortlich sind.

Was ist also das Neue an SARS-CoV-2? Hier sind fünf wesentliche Aspekte zu nennen:

Die zunehmend globalisierte Welt mit ihrem immensen Flugverkehr hat zu einer rasanten weltweiten Ausbreitung des Virus geführt.

SARS-CoV-2 ist möglicherweise infektiöser als SARS-CoV-1 (ganz sicher sein können wir uns hier nicht, weil die »Dunkelziffer« von SARS-CoV-1 nie gemessen wurde).

Das Virus konnte sich über von uns selbst geschaffene Strukturen wie menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen vor allem von Migranten und sozioökonomisch Benachteiligten wie beispielsweise den Arbeitern in norditalienischen Textilfabriken oder Fleischfabriken, etwa der Marke Tönnies, aber auch über »feuchtfröhliche« Massenveranstaltungen wie Fußballspiele, Après-Ski-Partys und Karnevalsfeiern ungehindert ausbreiten.

Bereits wenige Wochen nach den ersten Fällen war das Virus entdeckt und über einen PCR-Test messbar gemacht worden, und die Anzahl der Fälle schnellte durch breite Massentestungen in die Höhe.

Die Erkrankungs- und Todesfallzahlen wurden sensationsheischend kumulativ und ohne Bezug zu Bevölkerungszahlen wiedergegeben. Man stelle sich vor, Herzinfarkt-Tote würden ab sofort kumulativ gezählt, man würde aber die Registrierung der Herzinfarkte nicht überall gleichzeitig beginnen, sondern ausgehend von einer einzelnen Stadt die Zählung allmählich auf das ganze Land und dann die Erde ausdehnen. Das Ergebnis wäre eine Kurve mit exponentiellem Verlauf, sehr ähnlich, wie sie uns für SARS-CoV-2 täglich präsentiert wurde. Das Gleiche gilt für die klassische Grippe (Influenza), aber auch für schwere Lungenentzündungen durch Pneumokokken, Chlamydien, Mykoplasmen und zahlreiche andere Erreger, an denen geschätzt allein in Deutschland jedes Jahr Zigtausende Menschen versterben. Weltweit sind es mehrere Millionen. Die genauen Zahlen und Ursachen dieser Mortalität werden in diesem Buch vom Autor noch ausführlich dargelegt. Es ist im Interesse der öffentlichen Gesundheit sehr wichtig, durch diese Angaben eine Verhältnismäßigkeit der Corona-Zahlen herzustellen und nicht nur auf SARS-CoV-2 zu blicken.

Alle diese Zahlen sind zunächst Absolutzahlen ohne Bezug zur Bevölkerungszahl und daher für Vergleiche ungeeignet. Todesfälle sollten zur Herstellung der Vergleichbarkeit immer auf eine bestimmte Anzahl von Personen in der Bevölkerung und auf einen bestimmten Zeitraum bezogen werden, beispielsweise auf 100 000 Einwohner. Das heißt zum Beispiel: jährlich geschätzt ungefähr 40 Tote auf 100 000 Einwohner pro Jahr durch Lungenentzündungen in Deutschland. In der Grippe-Saison 2017/18 starben in Deutschland nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts 30 Menschen pro 100 000 Einwohner an oder mit Influenza. Mit Stand vom August 2020 starben durch SARS-CoV-2 11 Menschen pro 100 000. An den Folgen des Rauchens versterben jedes Jahr ca. 150 pro 100 000 Einwohner. Dieses Buch wird sich ausführlich beispielsweise mit der hohen Mortalität durch Luftverschmutzung befassen, auf die Mediziner und Umweltwissenschaftler seit vielen Jahren warnend hinweisen. Der Autor macht deutlich, dass auch die Häufung von schweren Infektionsverläufen in den COVID-19-Hotspots nachweislich auf Umweltbelastungen zurückgehen und die mögliche Überlastung dortiger Gesundheitssysteme schon vor Corona vorausgesagt wurde.

Im Vergleich zu vielen anderen Todesarten machen die Toten durch COVID-19 einen verhältnismäßig geringen Anteil aus. Dies soll die Erkrankung nicht verharmlosen – natürlich sollte alles unternommen werden, um Menschenleben zu retten –, das gilt aber nicht nur für COVID-19! Unser Bemühen sollte sein, durch geeignete Hygienemaßnahmen auch andere Infektionskrankheiten wie die bakteriellen Pneumonien und die jährliche Influenza einzudämmen. Es lassen sich aber durch geeignete Maßnahmen nicht nur Infektionskrankheiten und dadurch bedingte Todesfälle verhindern. Wir können aus Corona für viele andere Gesundheitsbedrohungen lernen! Mit diesem Lernpotenzial befasst sich das vorliegende Buch ausführlich.

Für die Gesamteinschätzung der Gefährlichkeit einer Erkrankung ist es jedenfalls wichtig, Risiken verhältnismäßig einzuschätzen, um dann auch verhältnismäßig zu reagieren und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Vor allem sollte es nicht passieren, dass die Maßnahmen der Schadensabwendung mehr Schaden anrichten, als sie verhüten, wie dies für die Corona-Krise schon mit ziemlicher Sicherheit vorhergesagt werden kann.

Es ist unmöglich, wirtschaftlichen Schaden von gesundheitlichem Schaden zu trennen. Der Lockdown hat weltweit immensen wirtschaftlichen Schaden angerichtet, mit schweren und langfristigen gesundheitlichen Folgeschäden sowohl für unsere eigene Bevölkerung als auch in noch weit größerem Ausmaß für andere Weltregionen. Zu den »üblichen« fünf oder sechs Millionen an Hunger versterbenden Kindern werden in diesem Jahr noch viele hinzukommen. Auch bei Todesfällen durch Malaria oder Tuberkulose wird mit einem dramatischen Anstieg aufgrund des teilweisen Ausfalls von Vorsorgeuntersuchungen und Gegenmaßnahmen gerechnet, der durch die übermäßige Fixierung ganzer Gesundheitssysteme auf SARS-CoV-2 verursacht wurde. Die in Teilen Europas messbare Übersterblichkeit ist wahrscheinlich nicht nur auf die Corona-Toten zurückzuführen, sondern auch auf die fehlende Gesundheitsversorgung anderer Erkrankter.

So reicht die Corona-Krise für die Menschheit bedeutend weiter, als es den Anschein hat, wenn man nur auf die Corona-Toten und die Infektionszahlen blickt. Genau diesen erweiterten Blick wagt Clemens Arvay. Er stellt die Corona-Krise in den Kontext der viel größeren globalen Krise, in der wir uns seit Jahren befinden und in die wir als Menschheit immer tiefer hineingleiten, während wir Bewohner der Industrieländer weiter in unbekümmertem Luxus leben und unser Wirtschaftssystem auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Wir sind dabei, unseren Planeten zu zerstören, und das hat dramatische Folgen für die Gesundheit der Menschheit. Jedes Jahr werden über 150 000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet, um Palmöl für unseren Luxus und Soja als Tierfutter für unseren übermäßigen Fleischkonsum zu gewinnen. Etwa 36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid muten wir jedes Jahr unserer Atmosphäre zu, und es gibt immer noch Menschen, welche die darauf zurückzuführenden Klimaveränderungen und deren Folgen leugnen. In diesem Buch wird der Klimawandel in einem größeren Kontext des »Umweltwandels« behandelt, der nicht nur das Klima, sondern auch die Biodiversität betrifft, die unser größter Schutz vor drohenden Epidemien und Pandemien ist. Es wird deutlich, dass die Corona-Pandemie schon in ihrem Ursprung eine »Biodiversitäts-Krise« ist.

Clemens Arvay stellt in diesem Buch nicht nur hervorragend recherchiert und durch Quellen und Zahlen belegt den Zusammenhang zwischen den globalen ökologischen Veränderungen und der Corona-Krise her, sondern er zeigt auch den Ausweg, den wir nehmen müssen, um zukünftigen Pandemien zu begegnen. Hierfür wird es nicht reichen, Pandemiepläne zu entwickeln, für Schutzausrüstung zu sorgen und verträgliche Maßnahmen des »Social Distancing« einzusetzen – das müssen wir zusätzlich machen. Aber das Wichtigste ist, bei den Ursachen anzusetzen und zu reflektieren, wie wir diesen Planeten unseren Kindern hinterlassen wollen. Das geht nur, wenn wir – jeder Einzelne von uns – anfangen, unseren Lebensstil zu hinterfragen und zu überlegen, was uns wirklich glücklich und zufrieden macht und ob nicht der Verzicht auf Materielles, der Verzicht auf die eine oder andere Fernreise, die Neuausrichtung der eigenen Lebensziele eine innere Zufriedenheit schaffen kann, die nicht käuflich ist.

Ja, wir können das besser – wir müssen nur anfangen zu wollen.

Andreas Sönnichsen, Wien, im Sommer 2020

Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen ist Facharzt für Innere Medizin sowie Allgemeinmedizin und Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Er leitet die Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.

■ Corona: unsere Chance auf eine gesunde Welt

Wir schreiben das Jahr 2020. Alle Scheinwerfer der Welt sind auf ein Virus gerichtet. Stephen King, der Meister des Horrors, reagiert auf die Angst, die den Globus beherrscht, und versucht, die Menschen durch einen Kommentar im Internet zu beruhigen: »Nein, das Coronavirus ist nicht wie in Das letzte Gefecht.« Bei diesem Roman des weltbekannten Autors handelt es sich um eine Geschichte, in der ein mutiertes Grippevirus im Rahmen einer Pandemie fast die gesamte Menschheit ausrottet und nur wenige verschont, die aufgrund einer genetischen Abweichung immun gegen den Erreger sind. Diese Wenigen bewegen sich bald durch eine Welt der Leichen, die von Verwesung beherrscht wird und in der die Infrastruktur vollständig zusammengebrochen ist. Aber Stephen King schrieb über das Coronavirus: »Es ist nicht annähernd so ernst. Man kann es sehr gut überleben. Bleiben Sie ruhig, und treffen Sie angemessene Vorbeugemaßnahmen.«1 Wenige Tage später macht die Welt ihre Schotten dicht: »Shutdown«. Es dauert nicht lange, und der Großteil der Weltbevölkerung wird auch noch unter Quarantäne gestellt: »Lockdown«!

Die Welt scheint stillzustehen. Der Flugverkehr ist zum Erliegen gekommen. Private Autos sind in vielen Ländern von den Straßen fast verschwunden, und auf den Autobahnen sind weniger Lastkraftwagen unterwegs als sonst. Industrieanlagen werden auf das Nötigste heruntergefahren. Die Feinstaubbelastung in Städten fällt zeitweise auf rekordverdächtige Tiefstwerte. Die Straßen sind menschenleer, die Ballungszentren zu Geisterstädten geworden. Nur in dieser Hinsicht ist es dann doch wie in Stephen Kings Roman.

Was Umweltwissenschaftlern jahrzehntelang nicht gelungen ist, hat eine infektiöse organische Struktur geschafft, die in der Biologie nicht als Lebewesen gilt.

Auch Soziologinnen sowie Agrar- und Ernährungswissenschaftler könnten angesichts des Virus erblassen, haben doch viele von ihnen trotz intensiver Bemühungen bisher keinen Erfolg damit gehabt, Öffentlichkeit und Politik für die Ausbeutung von Billigarbeitskräften zu sensibilisieren, die bei uns als Erntehelfer, Fließbandarbeiterinnen und Schlachthofmitarbeiter unter teilweise skandalösen Bedingungen arbeiten und wohnen müssen und dabei unsere Wirtschaft und Lebensmittelversorgung am Laufen halten. Die meisten Stimmen, die einen besseren Umgang mit diesen Menschen oder faire Löhne für sie eingefordert haben, führten vor dem Jahr 2020 trotz starker Anstrengungen zu keinen nennenswerten politischen Reaktionen oder medialen Aufklärungskampagnen. An wirksame Maßnahmen war gar nicht erst zu denken.

Die Experten für Umwelt und Soziales gingen im täglichen Medienzirkus zwischen Talentshows, seichter Comedy und Talk-Formaten unter, die vorwiegend um kurzlebige politische Befindlichkeiten und Grabenkämpfe zwischen Parteien kreisten. Investigativ arbeitende Fernsehjournalisten bekamen nicht ausreichend Sendezeit für ihre Reportagen über die Schattenseiten unserer Industrie und mussten sich mit gelegentlichen Sendeplätzen im Spätabendprogramm zufriedengeben. Seltene wachrüttelnde Reportagen sind aber nicht ausreichend, um etwas zu bewegen. Es ist bekannt, dass einzelne kritische Sendebeiträge bei den Zuschauern zwar eine spontane Betroffenheit erzeugen können, dann aber rasch wieder »vergessen« werden.

Wie Corona uns gezeigt hat, braucht es für ein steigendes Problembewusstsein anhaltende mediale Informations- und Bildungsangebote. Erst seit es um unsere Gesundheit geht, seit wir betroffen sind, richten wir unsere Scheinwerfer auf die Hotspots der wirtschaftlichen Ausnutzung von Menschen und Tieren mitten in Europa, die auch zu Zentren der viralen Ausbreitung geworden sind. Und dabei scheint es uns weniger um die Billigarbeitskräfte und deren Gesundheit als vielmehr um die Ausbreitung eines Virus zu gehen.

Die Tradition der Ignoranz gegenüber denen, die einen fairen Umgang mit Menschen und mehr Rücksicht auf den Planeten und andere Lebensformen einfordern, ist alt. Schon der Schriftsteller, Philosoph und Naturforscher Henry David Thoreau, amerikanischer Menschenrechtler und Mitbegründer der Ökologie, musste in der Mitte des 19. Jahrhunderts mitansehen, wie die frühe Expansion der Industrie buchstäblich über Leichen ging. Thoreau setzte sich gegen Sklaverei, für die Rechte der indigenen Nordamerikaner und gegen die Zerstörung von Naturflächen zugunsten von Fabriken, Bergwerken und Gütereisenbahnen ein. Als Folge wurde er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vorübergehend ins Gefängnis gesteckt. Am 4. Juli 1845, am amerikanischen Unabhängigkeitstag, zog sich Thoreau in eine selbst errichtete Blockhütte in ein Waldgebiet in Massachusetts zurück. Dort verbrachte er seine Zeit damit, Gemüse anzubauen und die Ökologie des Walden-Sees zu studieren. So wie damals Henry David Thoreau werden diejenigen, die gegen Ausbeutung und Zerstörung von Lebensräumen auftreten, auch in unserer Zeit weitgehend ignoriert.

Ändert ein Virus nun jedoch alles? Beginnt jetzt das »goldene Zeitalter« der Solidarität und des Umweltbewusstseins? Kommt das Jahrhundert der globalen Gerechtigkeit, in der Ressourcen, Nahrung und Chancen fair in der Welt verteilt werden? Diese Hoffnung wäre übertrieben. Aber das Corona-Phänomen eignet sich dazu, endlich ein paar Dinge zu besprechen, deren Thematisierung schon lange ansteht. Dieses Buch verfolgt das Ziel, einige der wegen Corona angeworfenen Scheinwerfer auf Gesundheitsbedrohungen zu richten, die uns in Europa, aber auch Menschen in anderen Regionen betreffen; Bedrohungen, die schon seit langer Zeit unnötig Menschenleben kosten und gegen die wir etwas hätten tun sollen. Werfen wir also ein bisschen von unserem Scheinwerferlicht auf die Frage, wie sich unsere Art des Wirtschaftens und unser Umgang mit der Biodiversität auf unser eigenes Leben und das Leben anderer auswirken; wo unser Planet und der menschliche Organismus kranken und was man dagegen tun könnte.

Das Problem ist nur, dass alle Scheinwerfer der Welt jetzt auf ein Coronavirus gerichtet sind. Das neuartige Virus ist ohne Frage ein Gesundheitsrisiko, das Menschen geschädigt hat und das wir daher ernst nehmen müssen. Es handelt sich um eine Gesundheitsbedrohung von vielen. Die öffentliche und politische Aufmerksamkeit richtet sich jedoch im Moment fast ausschließlich auf diesen selektiven Ausschnitt. Während wir für andere Probleme weiterhin Scheuklappen haben, rückt Corona unverhältnismäßig in den Mittelpunkt. »Unverhältnismäßig« ist ein Wort, das ich mit Bedacht gewählt habe. Denn unser Umgang mit dem Coronavirus ist dazu geeignet, den Eindruck zu erwecken, als befänden wir uns erst seit Auftreten des Erregers in einer gravierenden Gesundheitskrise. Die Unverhältnismäßigkeit zeigt sich auch darin, dass virale Infektionen und Atemwegserkrankungen bisher kein Thema in der Politik und medialen Berichterstattung waren, obwohl diese schon lange zu ähnlichen Folgen für Leben und Gesundheit führen wie das Coronavirus, und zwar in einem vergleichbaren und teilweise sogar größeren Ausmaß. Dieses Ausmaß lässt sich nachweislich mit Umweltbelastungen in Verbindung bringen.

Und auch die Zahl von neun Millionen Krebs-Toten pro Jahr könnte durch politische Maßnahmen und Bildungsangebote problemlos gesenkt werden. Dieses Buch tritt den Beweis an, dass Krebs unter anderem eine Umwelterkrankung ist, die durch ökologische und umweltmedizinische Strategien sowie durch Änderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise zurückgedrängt werden könnte. Dazu wäre es wünschenswert und möglich, neun Millionen Hunger-Tote pro Jahr, davon der Großteil Kinder, durch eine solidarische Weltpolitik zu verhindern. Der Welthunger ist kein Naturphänomen. Er hängt unter anderem mit unserer Art des Umgangs mit Ressourcen zusammen. Welthunger ist ein politischer Skandal, der längst schon hätte beendet werden müssen. Doch unsere einseitige Ausrichtung auf Corona hat den Skandal nun sogar noch verschärft. In diesem Jahr werden mehr Hunger-Tote zu beklagen sein als in den Jahren zuvor.

Seit Jahrzehnten versuchen Menschenrechtsorganisationen jährlich Hunderttausende Malaria-Tote zu verhindern, was unter Mithilfe der internationalen Solidargemeinschaft längst möglich gewesen wäre, jedoch wegen fehlender finanzieller Mittel nicht gelungen ist. Die Medien und die Politik hätten dafür nur einen Bruchteil des Engagements an den Tag legen müssen, das sie bei Corona zeigen. Drei Viertel der Sterbefälle bei Malaria betreffen Kinder. Aktuell wird die Übersterblichkeit wegen der Ausrichtung der globalen Gesundheitsvorsorge auf Corona allein bei afrikanischen Kindern, die der Malaria zum Opfer fallen, im Vergleich zum langjährigen Mittel mehr als 50 Prozent betragen. Die zusätzlichen Malaria-Toten in Afrika könnten die Gesamtzahl aller Corona-Toten des Kontinents im Jahr 2020 um das Zehnfache übersteigen.

Corona ist eine Chance, unseren Blick endlich auf die Gesundheit der gesamten Welt zu richten und uns zu fragen, was wir grundlegend besser machen sollten, wenn es uns wirklich um Menschenleben geht – und wenn wir zukünftige Pandemien verhindern möchten, die uns noch viel schwerer treffen könnten als das neuartige Coronavirus. Es wäre fatal, den Corona-Tunnelblick beizubehalten. Dieses Buch korrigiert deshalb falsche und irrationale Vorstellungen über das Coronavirus, die sich während der Schlacht um Schlagzeilen medial verbreitet haben. Falsche Diagramme, mangelhafte Zahlen, irreführende Meldungen über Viren und das Immunsystem sowie einseitige Darstellungen über Folgeschäden nach viralen Infekten, die es nicht erst seit Corona gibt, müssen mithilfe von Evidenzen und wissenschaftlichen Einordnungen in ein richtiges Licht gerückt werden.

Das anfängliche Wettrennen um Schlagzeilen hat zu einer medialen Auslese von Nachrichten zugunsten dramatischer Meldungen geführt. Die Politik kam dadurch immer mehr unter Zugzwang und reagierte mit restriktiven Maßnahmen, die einzelnen Politikerinnen und Politikern durchaus auch zu besseren Umfragewerten verhalfen. So entstand ein Sog des gegenseitigen Wetteifers, bei dem man jetzt nicht mehr sagen kann, wer wen vor sich hertreibt: die Medien die Politik oder umgekehrt. Außerdem ist zu bedenken, dass auch Journalisten und Politiker Ängste haben, die bei der Entwicklung des öffentlichen Corona-Diskurses bestimmt eine Rolle gespielt haben. Ich erlaube mir, dem Alarmismus wissenschaftliche Fakten entgegenzuhalten und auch mal Entspannendes über Corona zu berichten.

Dieses Buch reicht mit anderen Worten den Teil der Wissenschaft nach, den viele Presseberichte unterschlagen oder tendenziös wiedergegeben haben. Die Situation ist nicht so einzigartig, wie viele glauben. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, dass wir die »Ausnahmesituation« nur irgendwie überstehen müssten, damit dann alles wieder beim Alten ist. Die Aussage dieses Buches soll auch nicht so verstanden werden, dass Corona ein falscher Alarm sei und wir ruhig so weitermachen könnten wie bisher. Im Gegenteil: Es sollte nie wieder weitergehen wie bisher, aber der Grund dafür ist nicht Corona. Statt restriktiver Maßnahmen, die sich auf ein ausgewähltes Gesundheitsrisiko konzentrieren und teilweise nicht evidenzbasiert sind, benötigen wir eine angemessene Agenda der ökosozialen Gesundheitsvorsorge überhaupt. Diese bezieht Erreger wie das neue Coronavirus mit ein. Darauf zielt dieses Buch ab. Die sachliche Betrachtung des Corona-Massenphänomens und die Korrektur von Falschmeldungen sind dabei wichtige Elemente.

Ein Teil des Buches befasst sich auch mit der Frage, ob die rasche Impfung gegen Corona der Weg aus der Krise und »zurück« in die Normalität sein kann. Ich werde auf wissenschaftlicher Grundlage zeigen, dass wir bereits dabei sind, durch die Herstellung von Impfstoffen im Schnellverfahren ein neues Gesundheitsrisiko zu schaffen. Medienberichte über Impfstoffe verharmlosen dieses Problem, unterschlagen experimentelle Auswertungen von favorisierten Impfstoffkandidaten, die beunruhigende Fragen aufgeworfen haben. Viele Journalistinnen und Journalisten geben die Presseaussendungen pharmazeutischer Konzerne wieder, anstatt kritische Fragen zu stellen. Konzerninteressen zu hinterfragen hat aber nichts mit Impfgegnerschaft zu tun. Impfungen können wichtige Arzneimittel sein, sofern sie angemessen und verhältnismäßig eingesetzt werden, lang genug klinisch getestet wurden und allen Sicherheitsstandards entsprechen. Ich werde nachweisen, dass die schnelle Entwicklung des Corona-Impfstoffs diese Anforderungen nicht erfüllt, und hierzu auch Stimmen renommierter Wissenschaftler zitieren. Arzneimittelsicherheit ist schließlich ein hohes gesundheitspolitisches Gut.

Dieses Buch richtet sich an Menschen, die auch während der Corona-Krise noch differenziert denken möchten. Ich nähere mich dem Thema aus der Perspektive meines Fachgebiets, der Gesundheitsökologie. Diese biowissenschaftliche Disziplin betrachtet die Entstehung von Krankheit und Gesundheit unter Berücksichtigung medizinischer, biologischer sowie ökologischer Aspekte. Generationen von Ökologen haben sich bereits mit Epidemiologie befasst. Die ökologische Epidemiologie erforscht die Ausbreitung von Krankheiten in der menschlichen Gesellschaft ebenso wie in Tier- und Pflanzenpopulationen.2 Sie untersucht, wie Eingriffe in Ökosysteme zur Entstehung neuer Erreger führen, die den Menschen bedrohen können, und wie sich diese Erreger ausbreiten.3 Sie erforscht aber auch, welche ökologischen Mechanismen diese Ausbreitung eindämmen können. Ich bin kein Virologe. Die Virologie befasst sich vorwiegend mit der Genetik und der Evolution von Viren. Als Gesundheitsökologe bin ich es gewohnt, Krankheits- und Gesundheitszustände komplex zu betrachten und einzuordnen. Daher werden in diesem Buch bewusst auch Vergleiche zwischen Corona und anderen Gesundheitsbedrohungen gezogen. Vergleiche sind keine Gleichsetzungen. Erst die Einordnung der Zahlen rund um Corona verhilft uns zu einem Verständnis der Krankheit, ihrer tatsächlichen Gefährlichkeit und ihrer globalen Bedeutung. Auch die Frage, welche Gesundheitsschäden die restriktive Corona-Politik in Europa und auf anderen Kontinenten verursacht hat, gehört unbedingt zu einer gesundheitsökologischen Betrachtung. Daher untersucht dieses Buch auch die Verhältnismäßigkeit unserer Reaktion auf das neue Virus.

Wer gegenüber solchen Überlegungen offen ist oder diese zumindest zulassen möchte, wird von diesem Buch nicht enttäuscht werden. Ich werde nicht bei der Kritik stehenbleiben. Im letzten Buchteil befassen wir uns mit öko-immunologischen Erkenntnissen und damit, was jeder Einzelne von uns tun kann, um die eigene Hintergrundimmunität, die bei Corona und anderen Krankheiten eine wichtige Rolle spielt, zu unterstützen. Das Immunsystem ist der Schlüssel zur Gesundheit. Ich plädiere in diesem Buch für das Recht aller Menschen auf gesunde Lebensräume, die ihre Immunfunktion fördern, anstatt sie zu beeinträchtigen, wie das derzeit durch Umweltbelastungen der Fall ist. Auch der Verlauf der Corona-Infektion wird von Umweltfaktoren beeinflusst. »Menschenleben vor Wirtschaft« – das muss mehr als ein Corona-Wahlkampfspruch werden. Beginnen wir mit den Zusammenhängen zwischen Epidemien und Naturzerstörung.

Teil 1■Corona: Krise oder Skandal?

■ COVID-19 als Symptom

Das Ungeheuer aus Wuhan und die Medien

Zuerst schlummerte das neuartige Coronavirus oder sein unmittelbarer Vorfahre in ostasiatischen Wildtieren. Die ersten Erkrankten, die stationär an Kliniken behandelt wurden, fielen im Dezember 2019 in der chinesischen Metropole Wuhan mit elf Millionen Einwohnern auf. Es handelte sich um Patienten mit Lungenentzündungen unbekannter Ursache. Dieses Krankheitsbild wurde später als »COVID-19« bezeichnet, ein Akronym aus dem englischen Begriff für »Coronavirus-Erkrankung 2019«. Das Virus selbst erhielt den wissenschaftlichen Namen SARS-CoV-2 für Schweres-Akutes-Respiratorisches-Syndrom-Coronavirus-2. Es ist also mit dem Erreger der SARS-Pandemie im Winterhalbjahr 2002 bis 2003 verwandt, der als SARS-CoV bekannt war und zur besseren Unterscheidung seit dem Auftreten des neuen Coronavirus auch als SARS-CoV-1 bezeichnet wird.

Von den ersten COVID-19-Fällen wurden 41 genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: 27 von ihnen, also etwa zwei Drittel, hatten sich im relevanten Zeitraum vor dem Ausbruch der Symptome auf dem Lebensmittelmarkt Huanan in Wuhan aufgehalten, die meisten davon als Marktmitarbeiter.4 Da im Umkehrschluss bei dem verbleibenden Drittel keine Verbindung zu dem Markt nachgewiesen wurde, ist es nicht gesichert, dass der Übertritt des Virus von Tieren auf Menschen mit dem Lebensmittelmarkt in Zusammenhang steht. Die folgenden Abschnitte, die auf den chronologischen Verlauf der Pandemie zurückblicken, werden zeigen, dass dieser Schauplatz wahrscheinlich erst in der weiteren Verbreitung des Erregers eine Rolle spielte und das neue Coronavirus schon länger im Umlauf sein dürfte.

Neben Obst, Gemüse, Fisch, Meeresfrüchten und dem Fleisch unterschiedlicher Tierarten von Geflügel, Rind, Schaf und Ziege bis hin zu Ratte, Krokodil und Schlange, wurde Berichten zufolge auf dem Markt auch sogenannte Lebendware verkauft, also lebendige Zucht- und Wildtiere. Darunter sollen sich Sikahirsche, Jungwölfe, Dachse, Strauße, Pfauen sowie Zibetkatzen befunden haben. Zibetkatzen sind kleine bis mittelgroße nachtaktive Raubtiere. Die Wildtiere sollen in Käfigen gehalten und beim Kauf direkt auf dem Markt geschlachtet worden sein.5 Viele dieser Tiere werden nicht nur zum Verzehr erworben, sondern auch, um aus ihren Organen und Sekreten Präparate zu gewinnen, die in der traditionellen chinesischen Medizin Anwendung finden. Zwischen dem 1. und 12. Januar 2020 wurden fast 600 Umweltproben von Oberflächen, Abwasser und Materialien des Marktes gesammelt und auf virale Bestandteile untersucht. In 33 dieser Proben konnte das genetische Material des neuartigen Coronavirus nachgewiesen werden. Davon stammten 31 aus Bereichen, in denen Wildtiere angeboten wurden, und nur zwei aus anderen Bereichen.6 Doch diese Umweltproben werfen die Frage auf, ob dabei wirklich das »richtige« Virus festgestellt wurde. Denn zum damaligen Zeitpunkt war die Entwicklung aussagekräftiger Tests noch nicht weit fortgeschritten. Auch die hohe Rate positiver Ergebnisse aus Bereichen, in denen sich Wildtiere verschiedener Arten aufgehalten hatten, deutet darauf hin, dass die Tests auf unterschiedliche Coronaviren angesprochen haben könnten. Es handelt sich ja um eine ganze Familie von Erregern, die bekanntermaßen in Wildtieren häufig vorkommen.

Nachdem der mögliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten des neuen Coronavirus und dem Lebensmittelmarkt Huanan bekannt geworden war, ließen die chinesischen Behörden alle Wildtiere von dem Gelände entfernen, ohne diese auf Krankheitserreger zu untersuchen. Zusammen mit der Tatsache, dass bei einem Drittel der frühesten Erkrankungsfälle keine Verbindung zum Markt nachgewiesen wurde, bleibt dessen Rolle ungeklärt. Bemerkenswert ist allerdings, dass bereits zu diesem Zeitpunkt trotz der lückenhaften Evidenzlage ein medialer Schnellschuss auf den anderen folgte, sodass das Rennen um Schlagzeilen nicht mehr zu bremsen war. Diese Dynamik führte rasch zur weltweiten Verbreitung widersprüchlicher Pressemeldungen. In einigen Berichten wurde dementiert, dass der Lebensmittelmarkt Huanan der Ausgangspunkt der Corona-Krise gewesen sei.7 Im Widerspruch dazu verbreitete sich in anderen Medienberichten für den Markt sogar die Bezeichnung »Ground Zero«, also »Urgrund« des COVID-19-Ausbruchs.8 Der Wettkampf um spektakuläre Nachrichten spitzte sich so stark zu, dass in zahlreichen Presseberichten die »Jagd auf Patient null« ausgerufen wurde. Diese Jagd soll zu einer Shrimps-Verkäuferin auf dem Lebensmittelmarkt Huanan geführt haben. Sogar der volle Name der Frau wurde im Rahmen der Berichterstattung veröffentlicht.9 Man berief sich dabei auf behördliche Dokumente, welche den Medien aus China verdeckt zugespielt worden waren. Sachlich betrachtet ist das Aufspüren einer Patientin null bei einem derart komplexen Geschehen unmöglich. Wer nach belastbaren wissenschaftlichen Evidenzen dafür sucht, dass die medial vorgeführte Frau die erste Infizierte war, wird nicht fündig werden. Denn die Person, die als Erstes positiv auf den neuen Erreger getestet wurde, muss nicht die erste Betroffene gewesen sein. Die öffentliche Jagd auf die Patientin null ist ein anschauliches Beispiel für das mangelhafte sachliche Niveau vieler, aber nicht aller Medien, die sich der reinen Quotenjagd zugewendet haben.

Im Januar 2020 lernte die ganze Welt, dass Fledermäuse aus evolutionsbiologischen Gründen häufig als Zwischenwirte für Viren fungieren, insbesondere für solche aus der Familie der Coronaviren. Die geflügelten Säugetiere dominierten schlagartig alle Mediengattungen, obwohl es noch keinerlei sicheres Wissen über die Herkunft des Erregers gab, sondern nur unterschiedliche Hypothesen. Sogar Gruselfotos von Suppentellern, in denen tote Fledermäuse schwammen, wurden nicht nur im Internet verbreitet, sondern schafften es bis in die TV-Programme und Printmedien. Ein Video, das eine junge asiatische Frau beim Verzehr von Fledermausfleisch zeigte, war dabei nur der Höhepunkt dieses Hypes, doch selbst dieses überflüssige Filmmaterial, das in keinem Zusammenhang mit dem Ausbruch des Coronavirus stand, fand Einzug in die Berichterstattung bekannter Presseunternehmen. Darunter war auch die international verbreitete britische Zeitung Daily Mail.10The Sun, eine der auflagenstärksten Zeitungen des Vereinigten Königreichs, brachte den Videoclip ebenfalls im Internet in Umlauf. Die dazugehörige Schlagzeile lautete: »Wie eine Fledermaus aus der Hölle«.11 In Deutschland wurde dasselbe Video unter anderem von Bild verbreitet.12 Ein ähnlicher Clip wurde von oe24 in Österreich veröffentlicht.13 Der amerikanische Nachrichtensender CBS News rief zusätzlich zur Jagd auf Patient null auch zur Suche nach der »schuldigen Fledermaus« auf.14 Spätestens im Februar 2020 hatten vermutlich alle Menschen rund um den Globus, die Medien konsumierten, derartige Aufnahmen und Schlagzeilen gesehen oder gelesen. Den Bildern haftete etwas von Bram Stokers Dracula an; etwas, das die tiefsitzende menschliche Urangst vor gefährlichen Bestien ansprach, aber auch vor dem Fremdartigen. Die Fledermäuse gaben dem neuen Coronavirus ein quotentaugliches Gesicht. Wir hatten es mit einem Ungeheuer zu tun – einem fremdartigen Ungeheuer aus Wuhan.

Mit anderen Worten: Schon kurz nach Bekanntwerden des COVID-19-Erregers war ein Großteil der Medienberichterstattung ein Durcheinander aus reißerischen Schlagzeilen, unbewiesenen Hypothesen, widersprüchlichen Schnellschüssen und Schockbildern ohne evidenzbasierten Unterbau. Dabei war doch bereits im Januar klar, dass das Coronavirus wahrscheinlich nicht von Fledermäusen auf Menschen übergesprungen war, sondern ein anderes Wildtier als Zwischenwirt genutzt haben dürfte. Entgegen zahlreichen Presseberichten wurden auf dem Lebensmittelmarkt Huanan zum relevanten Zeitpunkt auch keine Fledermäuse angeboten.15 Außerdem ist in Wuhan das Verspeisen von Fledermäusen im Gegensatz zu anderen Regionen Asiens wenig verbreitet. Überhaupt wird die Suche nach den Verursachern im Sand verlaufen, wenn wir nur bei den »anderen« hinschauen; bei denen, die weit weg leben und fremdartige Essgewohnheiten haben; oder etwa sogar bei den Fledermäusen selbst.

Die Ökologie ist eine komplexe Beziehungswissenschaft. Sie erforscht mit biologischen Methoden, wie alles mit allem zusammenhängt. Innerhalb der Ökologie haben sich Spezialisierungen entwickelt, die ihren Fokus auf bestimmte Zusammenhänge und Wechselwirkungen richten. Die Gesundheitsökologie befasst sich unter anderem damit, wie Veränderungen an Ökosystemen auf die Gesundheit der Menschen zurückwirken. Die folgenden Abschnitte werden zeigen, dass der »Ground Zero« der CO-VID-19-Pandemie nicht auf Wuhan eingrenzbar ist, sondern dass die ganze Welt durch die Art unseres Umgangs mit Ressourcen, Naturvielfalt, Tieren und Menschen ihre Beiträge zu der problematischen globalen Gesundheitssituation geleistet hat, die weit über COVID-19 hinausgeht. »Ground Zero« ist überall.

»Ground Zero«: zerstörte Ökosysteme

Fledermäuse sind natürliche Träger zahlreicher Viren, darunter auch der Coronaviren. Genau genommen trifft das auf die gesamte zoologische Ordnung der Fledertiere zu, die außer in den Polarregionen fast überall auf der Erde verbreitet sind. Zu den Fledertieren zählen neben den Fledermäusen auch die Flughunde. Beide haben mit der Familie der Coronaviren eine gemeinsame Evolutionsgeschichte von mehreren Millionen Jahren hinter sich. Dabei hat sich ein Gleichgewicht zwischen dem Immunsystem der Fledertiere und den Viren eingestellt. Aus der Koevolution ist eine Koexistenz geworden. Verschiedene Arten der Fledertiere sind mit unterschiedlichen Varianten der Coronaviren vergesellschaftet. Das Immunsystem der Fledertiere toleriert die Anwesenheit der Viren so weit, dass es sie nicht gänzlich aus dem Organismus entfernt. Für Fledertiere bleiben die Coronaviren in der Regel ungefährlich. Das liegt unter anderem daran, dass ihr Immunsystem den Umgang mit den Erregern gewohnt ist und Entzündungsreaktionen dämpft.16 Ein solches Virus wird erst gefährlich, wenn es eine andere Tierart oder einen Menschen infiziert, da die Immunsysteme anderer Spezies den Umgang mit dem Erreger nicht beherrschen.

Unter natürlichen Bedingungen kommt bereits der Übersprung eines Virus von einer Fledertierart auf eine andere selten vor. Dieses Risiko steigt aber, wenn unterschiedliche Arten oder sogar Gattungen der Fledertiere unnatürlich nahe beieinander leben. Das kann zum Beispiel durch den Verlust des Lebensraumes passieren, wenn Ökosysteme zerstückelt, bebaut oder durch Umweltgifte belastet worden sind. Zusätzlich kann ein Rückgang der Artenvielfalt auch zu einem verminderten Nahrungsangebot führen, insbesondere, weil sich sowohl Fledermäuse als auch Flughunde spezialisiert ernähren. Drei Viertel von ihnen leben von bestimmten Insekten. Andere ernähren sich von Früchten, Blüten oder Nektar. Die Insekten- und Pflanzenvielfalt der Erde ist wegen menschlicher Umwelteingriffe rasant im Rückgang.17 Dieser Verlust ist unumkehrbar und setzt eine Kaskade aus unterschiedlichen ökologischen Folgeschäden in Gang, die bis auf uns Menschen zurückwirkt. Die damit verbundene Nahrungsverknappung für Fledertiere lässt diese nicht nur näher zusammenrücken, sondern die Tiere weichen als klassische Kulturfolger auch in menschliche Siedlungsgebiete und Städte aus, um dort nach Nahrung, Wasser und Unterschlupf zu suchen.

Am stärksten ist dieses Problem in Australien fortgeschritten – ein Kontinent, der zunehmend unter Dürre und Verwüstung durch Waldbrände leidet. Pia Lentini, eine australische Ökologin und Fledermausexpertin, brachte die Flucht der Fledertiere in menschliche Ballungszentren mit deutlichen Worten auf den Punkt: »Sie sind in unseren Städten, weil sie verhungern.«18 Das gilt auch für andere Regionen der Erde.

Gelangt beispielsweise ein Coronavirus in den Organismus eines anderen – artfremden – Fledertiers, dessen Immunsystem in keinem natürlichen Gleichgewicht mit dem Erreger steht, so kann sich das Virus im neuen Wirt stärker vermehren als im alten. Dieser Anstieg der Virulenz ist besonders ausgeprägt, wenn es zum Übertritt auf eine andere Gattung der Fledertiere kommt, weil die evolutionäre Verwandtschaft zwischen Gattungen geringer ist als zwischen den Arten derselben Gattung. Das bedeutet, dass auch die Immunsysteme fremder Fledertiergattungen nach dem Übertritt mit höherer Wahrscheinlichkeit ungünstiger auf den Erreger reagieren als die Immunsysteme der ursprünglichen Gattung. Die gestiegene Virulenz und die damit verbundene höhere Virenlast führen zu einem steigenden Risiko weiterer Ansteckungen, die dann auch eine völlig andere Tierart oder den Menschen betreffen können.

Selbstverständlich steigt auch diese Gefahr mit der zunehmenden Zerstörung von natürlichen Lebensräumen und Nahrungsgrundlagen. Je weiter die intakten Ökosysteme schrumpfen, desto näher kommen sich Vertreter der unterschiedlichen Arten inklusive uns Menschen, auch wenn sie im Laufe der Evolutionsgeschichte bisher keinen Kontakt zueinander hatten. In den Worten der Wildtier- oder Gesundheitsökologie würde man sagen: Eine natürliche Strukturierung der Wirtspopulationen hemmt die Ausbreitung von Erregern, sodass sich diese nicht über die Wirtspopulation hinaus verbreiten. Hingegen führt die Zerstörung der natürlichen Populationsstrukturen sowohl zu einer höheren Virulenz als auch zu einer Verbreitung außerhalb der Population. Das ist durch zahlreiche ökologische Feldstudien und epidemiologische Analysen bewiesen.19

Ein kurzer Exkurs: Die Epidemiologie befasst sich mit den Ursachen und der Verbreitung von Krankheiten aller Art innerhalb der Bevölkerung oder innerhalb von Tierpopulationen, wofür sie mathematische Modelle und statistische Methoden nutzt. Die Gesundheitsprävention gehört ebenfalls in den Forschungsbereich der Epidemiologie. Ich habe bereits erwähnt, dass sich die ökologische Epidemiologie vor allem auf Menschen- und Tiergesellschaften bezieht, weil beide in einer ökologischen Beziehung zueinander stehen, die im Hinblick auf ansteckende Krankheiten bedeutsam ist. Daneben existiert auch eine Epidemiologie der Pflanzenkrankheiten, die ähnliche Rechenmodelle anwendet.20 Auch die Virologie spielt nicht nur bei Menschen und Tieren, sondern auch in der Pflanzenwissenschaft eine große Rolle. Es sind weitaus mehr Pflanzenviren bekannt als solche, die bei uns Menschen Krankheiten erregen.21 Viren wurden überhaupt zum ersten Mal in Pflanzen entdeckt. Pflanzenviren werden in der Impfstoffforschung genutzt, weil sie für unseren Organismus in der Regel ungefährlich sind. Impfstoffe auf der Basis von Pflanzenviren sind allerdings noch in einem frühen Entwicklungsstadium. In Zukunft könnten sie, sofern sie ausreichend lange getestet wurden, Verwendung in Impfstoffen finden und auch in der Krebsmedizin zum Einsatz kommen.22 Damit zurück zum Thema.

Durch menschliche Eingriffe in Lebensräume werden die Populationsstrukturen von Wildtieren in hohem Maße gestört und durchbrochen. Damit sind wir auf einen ersten Zusammenhang zwischen Naturzerstörung und der artübergreifenden Verbreitung von Krankheitserregern gestoßen. Übertragbare Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übergesprungen sind, werden als Zoonosen bezeichnet. Naturzerstörung ist die Zerstörung von Gleichgewicht und dynamischen Prozessen zwischen Lebewesen, die in einer ökologischen Beziehung miteinander stehen. Bezeichnen wir diese Prozesse, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, als »Funktionskreise«. Dieser in der heutigen Biowissenschaft wenig gebräuchliche, aber sehr gut passende Begriff stammt von dem Biologen und Philosophen Jakob Johann von Uexküll, der von 1864 bis 1944 in Estland lebte.

Als natürliche Spezies sind auch wir Menschen in die Funktionskreise der Natur eingebunden. Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger nehmen ebenfalls teil. Wenn Funktionskreise beeinträchtigt werden, gerät auch die Dynamik der Erreger aus dem Gleichgewicht. Man kann sich das ähnlich wie bei einem verschmutzten, also degradierten Gewässer vorstellen. Durch die Störung des Gleichgewichts zwischen den Arten kommt es zur »Algenblüte«: Eine oder wenige Algenarten verlassen ihren Platz in den natürlichen Funktionskreisen, beginnen zu wuchern und »ersticken« letztlich andere Lebensformen des Ökosystems unter sich. In einem solchen degradierten Ökosystem sind die natürlichen Funktionskreise zum Stillstand gekommen. Aus Vielfalt ist »Einfalt« geworden – eine krankmachende Einfalt.

Die Komplexität und Vielfalt der Natur wird auch als »Biodiversität« bezeichnet. Dieser Begriff wird in der Öffentlichkeit oft als Synonym für »Artenvielfalt« verwendet. Aber er bedeutet viel mehr. Biodiversität ist die Vielfalt der Arten und ihrer komplexen Wechselbeziehungen. Das Wort steht für die gesamte Naturvielfalt mit all ihren komplizierten Funktionskreisen. Wenn wir von einem Verlust der Biodiversität sprechen, dann meinen wir damit also viel mehr als das Artensterben. Wir meinen die Degradierung der Ökosysteme im globalen Maßstab, ja des gesamten Ökosystems Erde, und damit auch der natürlichen Funktionskreise, von denen menschliches Leben und menschliche Gesundheit abhängen.

Auch das neuartige Coronavirus hat seinen Platz in den natürlichen Funktionskreisen verlassen. Nachdem es vermutlich von »seiner« Fledertierart auf eine andere übergesprungen und dabei infektiöser geworden ist, dürfte es Wildtiere aus völlig anderen Ordnungen des Tierreichs infiziert haben. Zunächst vermuteten Wissenschaftler, dass sich das Coronavirus von Fledertieren auf eine Schlangenart ausgebreitet habe. Doch dabei dürfte es sich um einen Irrtum gehandelt haben, denn bislang waren Infektionen mit Coronaviren bis auf wenige Ausnahmen nur von Säugetieren und Vögeln bekannt.

Eilmeldungen über Wildtiere

Danach verbreitete sich die Hypothese, dass der Zwischenwirt, über den das neuartige Coronavirus seinen Weg von Fledertieren auf den Menschen gefunden hatte, ein Schuppentier war.23 Schuppentiere, auch Pangoline genannt, stellen eine eigene Ordnung und Familie unter den Säugetieren dar. Sie sind die einzigen Säuger mit Schuppen. Von den acht heute bekannten Schuppentierarten lebt die Hälfte in Afrika und die andere Hälfte im Osten des asiatischen Kontinents. Das chinesische Schuppentier, das auch als Ohrenschuppentier bekannt ist, weist mit Schwanz eine Länge von 70 Zentimetern bis einen Meter auf. Der nachtaktive Einzelgänger lebt bevorzugt in Wäldern und ernährt sich von bestimmten Insekten, überwiegend von Termiten und Ameisen. Daher verfügt er an den vorderen Extremitäten über eine bis zu sieben Zentimeter lange Mittelkralle, die er zum Graben benutzt. Wie die Fledertiere sind also auch die Schuppentiere nicht nur auf den Lebensraum Wald, sondern auch auf eine intakte Insektenvielfalt angewiesen, um ausreichend Nahrung zu finden. Sie werden in allen ihren Verbreitungsgebieten, aber besonders in China und Vietnam, intensiv bejagt. Ihr Fleisch ist sehr begehrt und erzielt hohe Preise. Beim chinesischen Schuppentier kommt noch hinzu, dass Teile seines Körpers laut der traditionellen chinesischen Medizin gegen eine Vielzahl von Krankheiten wirken sollen. Die Schuppen der Tiere werden in China sogar zur Vertreibung von Geistern verkauft. Alle acht Schuppentierarten der Erde, und insbesondere das chinesische, sind aufgrund der Jagd vom Aussterben bedroht. Zwar wurden sie in die Liste des Washingtoner Artenschutzabkommens aufgenommen und der internationale Handel mit Schuppentierprodukten ist seit 2017 verboten, jedoch florieren der regionale sowie der illegale internationale Markt nach wie vor, da die betroffenen Länder bislang keine ausreichenden Sanktionen für Verstöße durchgesetzt haben.24 Schuppentiere sind die am häufigsten geschmuggelten und illegal gehaltenen Säugetiere der Welt.25