Wirkfaktoren der psychoanalytischen Behandlung - Erich Fromm - E-Book

Wirkfaktoren der psychoanalytischen Behandlung E-Book

Erich Fromm

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Beschreibung

Was wirkt eigentlich bei einer Psychotherapie? Diese Frage ist mittlerweile empirisch gut erforscht. Umso interessanter ist, was Erich Fromm auf Grund seiner eigenen therapeutischen Erfahrung vor mehr als 50 Jahren als Wirkfaktoren ausgemacht hat. Neben konstitutionellen Wirkfaktoren nennt er unter anderem den Leidensdruck, das Vorhandensein einer Vision von dem, „was jemand mit seinem Leben will“, die Ernsthaftigkeit des Veränderungswunsches und die aktive Teilnahme des Patienten; nicht zuletzt aber ist auch die Persönlichkeit der Psychoanalytikerin und des Psychoanalytikers ein wichtiger Wirkfaktor. Der aus einem Vortrag von 1964 hervorgegangene Beitrag ist noch aus einem anderen Grund wichtig: Fromm unterscheidet in ihm zwischen einer gutartigen und einer bösartigen Neurose und zeigt deutlich die Grenzen der psychoanalytischen Behandlung auf. Vor allem enthält er – fast ein Unikum bei Fromm – ein erhellendes Fallbeispiel.

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Seitenzahl: 52

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Wirkfaktoren der psychoanalytischen Behandlung

(Causes for the Patient’s Change in Analytic Treatment)

Erich Fromm(1991c [1964])

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer FunkAus dem Amerikanischen von Rainer Funk.

Englischer Vortrag aus dem Jahr 1964. Deutsche Erstveröffentlichung unter dem Titel Wirkfaktoren der psychoanalytischen Behandlung, in: E. Fromm, Von der Kunst des Zuhörens, hg. von Rainer Funk (Schriften aus dem Nachlass, Band 5), Weinheim (Beltz Verlag) 1991; Reprint als Heyne Sachbuch 1995 beim Heyne Taschenbuchverlag in München. Überarbeitet fand der Beitrag 1999 Aufnahme in die Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag), Band XII, S. 237-257. – Eine Erstveröffentlichung im englischen Original erfolgte 1991 unter dem Titel Causes for the Patient’s Change in Analytic Treatment in: Contemporary Psychoanalysis (New York: The William Alanson White Institute, Jahrgang 27, Nr. 4, Oktober 1991, S. 581-602).

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an den von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassungen der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, Band XII, S. 237-257.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1991 by The Estate of Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2015 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2015 by Rainer Funk.

Inhalt

Wirkfaktoren der psychoanalytischen Behandlung

1. Die therapeutischen Wirkfaktoren nach Sigmund Freud und meine Kritik daran

2. Benigne und maligne Neurosen. Mit einem Fallbeispiel für eine gutartige Neurose

3. Konstitutionelle und andere Wirkfaktoren

Literaturverzeichnis

Der Autor

Der Herausgeber

Impressum

1. Die therapeutischen Wirkfaktoren nach Sigmund Freudund meine Kritik daran

Zur Frage, welche Faktoren bei der psychoanalytischen Behandlung ausschlaggebend sind[1], hat Freud mit seiner Schrift Die endliche und die unendliche Analyse (S. Freud, 1937c) meines Erachtens den wichtigsten Beitrag geleistet. Die Schrift ist nicht nur brillant, sondern auch äußerst couragiert geschrieben, wobei es Freud in keinem seiner Werke an Courage fehlte. Sie entstand kurz vor seinem Tode; in gewisser Weise fasst er in ihr seine eigenen Ansichten über die Wirkung der analytischen Behandlung zusammen. Ich möchte im Folgenden zunächst die wichtigsten Gedanken dieser Schrift kurz darstellen, um dann ausführlich auf sie einzugehen und weiterführende Vorschläge zu machen.

An erster Stelle fällt auf, dass Freud in dieser Schrift eine Theorie der Psychoanalyse vorstellt, die sich seit den frühesten Tagen kaum verändert hat. Die Neurose fasst er als Konflikt zwischen den Trieben und dem Ich auf: Entweder ist das Ich nicht stark genug, oder die Triebstärke ist zu groß; in jedem Fall aber wird das Ich wie ein Damm gesehen, der dem Ansturm der Triebkräfte nicht widerstehen kann, weshalb es zur Ausbildung einer Neurose kommt. Diese Vorstellung liegt in der Konsequenz und auf der Linie seiner frühen Theorie, die er, ohne Verbesserungen und Veränderungen zu machen, im Kern hier wieder aufnimmt. Aus ihr ergibt sich, dass die analytische Kur im wesentlichen in einer Stärkung des Ichs besteht. Dieses Ich war von der Kindheit her zu schwach und wird durch die analytische Kur dazu befähigt, jetzt mit den Triebkräften fertig zu werden. Die Stärkung des Ichs gegen den Ansturm der Triebkräfte ist das Wesen der analytischen Therapie.

Zweitens ist zu fragen, was nach Freud eine erfolgreiche analytische Behandlung ist. In Die endliche und die unendliche Analyse (S. Freud, 1937c, S. 63) nennt Freud als erste Bedingung, dass „der Patient nicht mehr an seinen Symptomen leidet und seine Ängste wie seine Hemmungen überwunden hat“. Es gibt aber noch eine zweite sehr wichtige Bedingung. Freud glaubt nicht, dass die Befreiung von Symptomen, also das Verschwinden der Symptome allein, bereits Heilung bedeutet. Nur wenn der Analytiker davon überzeugt ist, dass ausreichend unbewusstes Material an die Oberfläche gebracht wurde, das erklären kann, warum die Symptome sich aufgelöst haben, kann von einer Heilung gesprochen und davon ausgegangen werden, dass die früheren [XII-240] Symptome nicht mehr wiederkehren. Freud spricht im Zusammenhang mit dem analytischen Prozess von der „Bändigung der Triebe“ und davon, dass „der Trieb (...) allen Beeinflussungen durch die anderen Strebungen im Ich zugänglich ist“ (S. Freud, 1937c, S. 64 und S. 68). Zuerst also werden die Triebe zu Bewusstsein gebracht – denn wie sollten sie sich sonst bändigen lassen? –, dann wird in der analytischen Kur das Ich gestärkt und gewinnt jene Stärke, die es in der Kindheit nicht entwickeln konnte.

Des Weiteren ist nach den Faktoren zu fragen, die Freud in Die endliche und die unendliche Analyse für das Ergebnis einer Analyse – für die Heilung oder für das Scheitern der Analyse – verantwortlich macht. Er erwähnt drei Faktoren: erstens den „Einfluss von Traumen“, zweitens die „konstitutionelle Triebstärke“ und drittens die „Ichveränderung“ im Prozess der Abwehr gegen den Ansturm der Triebe (S. Freud, 1937c, S. 68). Eine ungünstige Prognose ergibt sich nach Freud, wenn eine konstitutionell gegebene Stärke der Triebe auf ein in der Abwehr geschwächtes Ich stößt. Da Freud selbst diese Konstellation in Die endliche und die unendliche Analyse nicht ganz klärt, konzentriere ich mich hier auf die beiden ersten Faktoren, auf den Einfluss der Traumen und auf die konstitutionelle Triebstärke.

Es ist hinlänglich bekannt, dass der konstitutionelle Faktor der Triebstärke für Freud hinsichtlich der Heilung einer Krankheit von entscheidender prognostischer Bedeutung war. Es ist schon sehr seltsam, dass Freud quer durch sein ganzes Werk, von den frühen Schriften bis zu seinen allerletzten, die Bedeutung der konstitutionellen Faktoren unterstrich, und dass Freudianer wie Nicht-Freudianer diesen Faktoren, die Freud so wichtig waren, höchstens Lippenbekenntnisse gezollt haben.

Für Freud war also der eine die Heilung ungünstig beeinflussende Faktor die konstitutionelle Triebstärke, und zwar selbst bei normaler Ichstärke. Aber auch der zweite die Heilung ungünstig beeinflussende Faktor, die Ich-Verschiedenheit, kann konstitutionell sein. Es gibt für Freud deshalb auf beiden Seiten einen konstitutionellen Faktor: auf der Seite der Triebe und auf der Seite des Ichs. Schließlich gibt es einen weiteren Faktor, der sich ungünstig auswirkt, nämlich jenen Teil des Widerstands, der seine Quelle im Todestrieb hat. Dieser zusätzliche Faktor taucht erst mit Freuds späterer Theoriebildung auf. Im Jahre 1937, als Die endliche und die unendliche Analyse entstand, sah Freud auch in diesem Faktor einen die analytische Kur ungünstig beeinflussenden Faktor (vgl. S. Freud, 1937c, S. 88°f.).