Wirklichkeit mit Nebenwirkung - Martin Henke - E-Book

Wirklichkeit mit Nebenwirkung E-Book

Martin Henke

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Beschreibung

„Wirklichkeit mit Nebenwirkung“ vereint zwei literarische Welten: tiefgründige, realitätsnahe Prosatexte und absurde, poetisch-verspielte Miniaturen. In kurzen Episoden erzählt das Buch von menschlichen Brüchen, Verletzungen und Hoffnung – und stellt ihnen humorvolle Fantasiegeschichten gegenüber, in denen Papageientaucher Walzer tanzen, Vorratsschränke diskutieren und Seepferdchen Hufe tragen. Zwischen Ernst und Leichtigkeit entsteht ein rhythmisches Leseerlebnis, das dazu einlädt, die Welt neu zu betrachten – still, nachdenklich und überraschend leicht zugleich.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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„Sind wir zu früh?“, fragte Gerd.

Kulibert sah sich um.„Nein“, sagte er.„Die anderen sind nur noch nicht da.“

Zum Buch:

Wirklichkeit mit Nebenwirkung ist ein Buch über zwei Welten, die selten nebeneinander Platz finden – und doch gemeinsam gelesen werden wollen:die Tiefe des echten Lebens und die Leichtigkeit des Absurden.

Martin Henke verbindet in diesem Werk kurze Prosatexte, die von realen Bruchstellen, Verletzungen, Würde und menschlicher Widerstandskraft erzählen, mit poetischen, spielerischen und bisweilen völlig verrückten Miniaturen über Seepferdchen, die Hufe tragen, philosophierende Vorratsschränke oder Papageientaucher auf Weltreise.

Zwischen Humor und Ernst, zwischen Fantasie und Realität entsteht ein Rhythmus, der das Lesen trägt: mal still, mal laut, mal tief, mal befreiend leicht – und immer einladend, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Dieses Buch ist für alle, die wissen,dass Wirklichkeit manchmal Pausen braucht.Und dass genau in diesen Pausen etwas entsteht,das uns wieder atmen lässt.

Zum Autor:

Martin Henke, geb. 29.04.1976 in Löningen,

Diplom Sozialwissenschaftler, systemischer Familientherapeut und Mediator. Er studierte in Duisburg, Oldenburg und in Bremen. Seit 2005 lebt und arbeitet er im LK ROW (GER). Martin Henke ist seit 2008 Geschäftsführer und Pädagogische Leitung eines Jugendhilfeträgers in Niedersachsen – Deutschland. Er lebt und arbeitet auf der Grundlage der soziologischen Systemtheorie.

Januar 2026

Martin Henke

Wirklichkeit mit Nebenwirkung

© 2026 Martin Henke

Coverdesign: Franziska Poppe

Verlag: Fast am Meer

Druck und Distribution im Auftrag des Verlags:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Verlag verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Verlags, zu erreichen unter: Fast am Meer, Orthof 6, 27374 Visselhövede, Germany.Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Inhalt

Wirklichkeit mit Nebenwirkung

Nebenwirkung

Als die Seepferdchen noch an Land lebten

Das erste Mal

Die Linse

Der Froschschnabler

Die Zwillinge

Die Zwillinge – eine Fortsetzung

Der ewige Kreislauf

Gerd, Kulibert und die Sonne von Lundey

Gerd und Kulibert – Teil II

Gerd und Kulibert – Teil III

Kontroverses aus der Speisekammer I

Kontroverses aus der Speisekammer II

Kontroverses aus der Speisekammer III

Kontroverses aus der Speisekammer IV

Verben

Eine verrückte Liebesgeschichte

Luisa

Wirklichkeit

Elise

Mensch, Heinz!

Flashback

Die Liebe zweier Unübersetzbarer

Ramona

Das feministische Missverständnis

Juri

Ohne Worte

Ron

Platz an der Garderobe

Und manchmal reicht das

Danksagung

Wirklichkeit mit Nebenwirkung

Eine Einleitung

Dieses Buch bringt zwei literarische Unmöglichkeiten zusammen, die in meinem Alltag auf merkwürdige Weise längst selbstverständlich geworden sind. Wer mit Menschen arbeitet, begegnet häufig Schicksalen, die schwer wiegen. Manchmal sind sie düster, manchmal verworren, manchmal brutal aber fast immer herzzerreißend. Lebensgeschichten, die sich nicht geradeaus erzählen lassen, weil sie voller Brüche, Verwerfungen und unbeantworteter Fragen sind. Geschichten, die es nicht verdienen in überzeichneter Manier kommerzialisiert zu werden.

Es sind Menschen, deren Lebensumstände nicht nach schnellen Lösungen verlangen, sondern nach einer aufmerksamen, die Räume lässt - für Würde, für Scheitern, für Hoffnung und für Umwege.

Damit ich all dem gerecht werden kann, benötige ich Ausgleich.

Ich habe keine Freude an Unterhaltung, die Menschen zur Kulisse macht. Ich mag nicht zynisch schreiben und nicht sarkastisch denken, denn beides verformt den Blick auf die Wirklichkeit so sehr, dass die Betroffenen darin verschwinden. Doch irgendwo muss der Geist ruhen – sich von der Tiefe lösen. Für mich liegt die Lösung im Absurden.

Die Schicksale und das Absurde - beide Welten folgen ihrer eigenen Logik, beide sind voller unerwarteter Wendungen, beide offenbaren Wahrheiten, die sich nicht in schlichte Sätze pressen lassen.

So bringe ich in diesem Buch zwei Formen des Schreibens zusammen, die auf den ersten Blick kaum zueinander gehören: Prosa, die der Wirklichkeit Tiefe und Gewicht verleiht, und Poesie, die sich dem Absurden widmet und den Geist lüftet. Die Texte sind geordnet. Mir blieb keine Wahl. Irgendeine Ordnung musste her. Doch jede Arbeit steht für sich. Und trotzdem verbinden sich einzelne zu Größerem.

Die Texte stehen in zwei getrennten Kapiteln, als zwei Wege, die sich in derselben Welt befinden. Der eine ernst, konzentriert, tiefsinnig. Der andere leicht, verspielt, lüftend. Ich empfehle, hin und wieder zwischen den Kapiteln zu wechseln – einmal hier zu kosten, einmal dort – und nicht zu viel von einem auf einmal zu sich zu nehmen. Gibt unnötig Kopfweh – also lest bitte mit Vorsicht!

Die Wirklichkeit verlangt Pausen, und auch das Absurde wirkt besser in kleinen Schritten. Macht also ruhig zwischendurch eine Rast. Legt das Buch beiseite. Verweilt. Es läuft nicht weg.

Und vielleicht entsteht genau in diesen Zwischenräumen das, worum es mir geht: ein Blick auf die Welt, der weder die Schwere unterschlägt noch die Leichtigkeit verrät.

Nebenwirkung

„Geht es nun los?“, fragte Gerd.

Kulibert sah sich um.„Alles still.“

Als die Seepferdchen noch an Land lebten

Bevor die Seepferdchen ins Meer gingen, hatten sie ganz normale Hufe. Größe 2 x 0. Wintergrip, TÜV-geprüft. Manche sogar mit Glitzerhufbeschlag für regionale Tanzveranstaltungen und Preisverleihungen im Gemeindezentrum von

Akureyri. Sie lebten im Norden Islands und träumten davon, einmal so robust zu sein, wie die Islandpferde es waren oder wenigstens wie ein gut gestrickter Filzpantoffel.

Sie stapften über Island, suchten nach Sinn, Wärme und gelegentlich WLAN. Doch vor allem: Sie hatten immer kalte Füße. Die Winter waren hart. Der Wind hieß Björn, hatte 34 verschiedene Pfeifmodi und einen Master in „unangenehmes Timing“. Jeden Morgen standen zahlreiche Seepferdchen bibbernd vor dem Tankstellenshop und fragten:

„Haben sie beheizbare Hufeisen?“ „Nein.“

„Moralische Unterstützung?“ „Auch vergriffen.“

Eines Tages entdeckten die Seepferdchen eine heiße Quelle. Dampfend. Einladend. Wärme für Körper und Seele oder zumindest für Huf und Hoffnung.

Der Vorreiter Hartmut rief begeistert: „Das ist die Rettung! Ein Thermalbad für unsere Seele, ein Wellness-Upgrade für unsere komplette Kältegeschichte!“

Es war der glücklichste Moment in der Geschichte ihrer Spezies. Bis Björn kam. Mit dem Pfeifmodus 21 „Vulkanorgel Nord, Süd-Ost“ schoss er quer über den Geysir und spülte die gesamte Seepferdchen-Gemeinschaft durch den Überlauf direkt ins offene Meer.

Die Seepferdchen schrumpften im salzigen Brandungsstress. Erst die Hufe, dann der Stolz, dann bog sich der Rücken, wie es sich für tragische Mythen gehört. Heute passen sie in jeden Bänkelsang: „Tiny. Elegant. Unterschwellig

traumatisiert.“

Wenn man auf Island still am Meer sitzt und ganz genau hinhört, kann man sie flüsternd fluchen hören. Während Björn dazu leise eine Melodie pfeift. Im Pfeifmodus 7C: „Sorry. Mein Fehler.“

Das erste Mal

Als ich das erste Mal vor einem Unverpacktladen stand und hineinschaute fühlte ich mich wie ein Anfänger vor dem Tempel der Achtsamkeit. Ich dachte, dass hier sicher die friedlichsten Menschen der Stadt einkaufen. Niemand drängelt, niemand hetzt – alle tragen Jutebeutel wie einen Orden.

Alle um mich herum hatten perfekt beschriftete Gläser, nur ich ein altes Marmeladenglas mit der Aufschrift „Sauerkirsch 2018“. Eine Frau polierte ihre Nudelgläser, ein Mann sprach zärtlich mit seinem Leinenbeutel. Eine andere Frau balancierte fünf Gläser auf dem Fahrrad, als wäre das ganz normal und ein Mann neben mir sagte: „Ich war früher beim Discounter – aber da war einfach zu viel Verpackung zwischen mir und meinem Seelenfrieden.“

Ich dachte kurz ans Weglaufen, ehrlich – blieb aber, aus Respekt vor der Menschheit und wegen der guten Nüsse. Irgendwie hatte dieser Ort etwas Beruhigendes. Vielleicht liegt es an der Luft oder einfach daran, dass man hier lernt, mit einem Linsenspender geduldiger zu sein als mit den meisten Menschen. Und irgendwie fand ich`s schön: so viel Mühe für so wenig Müll.

Die Linse

Als ich merkte, dass ich als Linse in einem normalen Supermarkt keine Zukunft hatte, war es eigentlich schon zu spät. Zwischen Plastik, Rabattaufklebern und vakuumierten Cousins lag ich da – bio, aber ohne Würde. Da hörte ich von diesem sagenumwobenen Ort: dem Unverpacktladen. Ein Paradies für Freigeister, Nackthafer und Körner mit Charakter.

Also rollte ich los. Es war ein langer Weg, vorbei an Coffee-to-go-Bechern und Einwegverlockungen. Als ich schließlich durch die Tür kullerte, empfing mich der Duft von Nachhaltigkeit und ein Hauch gelebter Mühe. Überall Gläser, Schaufeln, Menschen mit Jutebeuteln und einem moralischen Glanz in den Augen, der fast blendete.

Ich hatte kaum Zeit mich im Regal einzurichten, da sah ich sie: eine rote Linse, leuchtend wie Sonnenuntergang auf Couscous. Sie war kein Typ für Dosen oder Fertigsuppe, das sah man sofort. Ich tat so, als wäre ich zufällig neben ihr gelandet, aber mein Puls war höher als der CO₂-Wert eines SUV.

---ENDE DER LESEPROBE---