Wirtschaftsvölkerrecht - Markus Krajewski - E-Book

Wirtschaftsvölkerrecht E-Book

Markus Krajewski

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Beschreibung

Das Buch richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaft, die ein internationalrechtliches Wahlfach studieren. Darüber hinaus wendet es sich an Nebenfachstudierende, die sich ohne den Hintergrund eines rechtswissenschaftlichen Studiums mit wirtschaftsvölkerrechtlichen Fragen befassen wollen. Schließlich hoffe ich, dass sich das Buch auch einem weiteren Leserkreis erschließt, der aus beruflichen Gründen an einem Überblick über das Wirtschaftsvölkerrecht interessiert ist. Für die fünfte Auflage wurden Aufbau und Inhalt des Lehrbuchs beibehalten, die Darstellungen und Literaturverweise jedoch aktualisiert und auf den Stand von Januar 2021 gebracht.

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Wirtschaftsvölkerrecht

 

 

von

Markus Krajewski

 

 

5., neu bearbeitete Auflage

 

 

www.cfmueller.de

Wirtschaftsvölkerrecht › Autor

Markus Krajewski, Jahrgang 1969, Studium der Rechts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaft in Hamburg und Tallahassee (USA), M. S. in International Affairs in Tallahassee (1995), Promotion und Assessorexamen in Hamburg (2001), von 2001 bis 2003 DAAD-Lektor an der School of Law, Kings College London, von 2003 bis 2008 Juniorprofessor für Öffentliches und Europäisches Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Potsdam, von 2008 bis 2010 Gastprofessor am Sonderforschungsbereich „Staatlichkeit im Wandel“ der Universität Bremen, seit 2010 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg.

Ausgewählte Veröffentlichungen: Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der Welthandelsorganisation (2001), National Regulation and Trade Liberalization in Services (2003), Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen (2011).

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-8114-9283-7

 

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598

 

www.cfmueller.de

 

© C.F. Müller GmbH, Waldhofer Straße 100, 69123 Heidelberg

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Vorwort

Die Covid-19-Pandemie hält die Welt seit über einem Jahr im Griff und hat sich auf alle Bereiche des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens ausgewirkt. Insbesondere die Folgen der Pandemie und der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung für die Weltwirtschaft sind erheblich und in ihrem Ausmaß noch nicht absehbar. Covid-19 hat auch das Wirtschaftsvölkerrecht vor neue Herausforderungen gestellt und bekannte Probleme deutlich gemacht (siehe Rn. 531).

Dabei zeigt sich erneut, wie groß der Einfluss des Wirtschaftsvölkerrechts auf das nationale Recht inzwischen ist und wie stark internationales und nationales Recht miteinander verflochten sind. Das gilt indes seit geraumer Zeit: So erklärte die WTO das europäische Verbot von hormonbehandeltem Rindfleisch für rechtswidrig (siehe Rn. 377), ein internationales Schiedsgericht beurteilte den zulässigen Umfang einer kommunalen Genehmigung nach mexikanischem Recht (siehe Rn. 610) und der IWF meinte, das Arbeitslosengeld II in Deutschland müsse noch stärker gekürzt werden, wenn ein Arbeitsloser zumutbare Arbeit ablehne (siehe Rn. 855).

Die praktische Bedeutung des Wirtschaftsvölkerrechts für den internationalen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr ist ebenfalls kaum zu unterschätzen. Für ein weltweites Handelsvolumen von ca. 19 Bio. US$ und Auslandsinvestitionen im Wert von knapp 2 Bio. US-$ (Zahlen für 2019) stellt das Wirtschaftsvölkerrecht den völkerrechtlichen Rahmen dar. Wirtschaftsvölkerrecht ist somit das Völkerrecht der wirtschaftlichen Globalisierung. Nicht zuletzt deshalb entfaltet es auch eine besondere (rechts-)politische Relevanz.

Die politischen Kontroversen um Freihandelsabkommen wie das neue Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA, siehe Rn. 1050), das im Oktober 2016 unterzeichnet wurde, haben wirtschaftsvölkerrechtliche Fragen sogar zum Gegenstand von Massendemonstrationen, Online-Petitionen und Berichten in den Abendprogrammen des Fernsehens werden lassen. In welche Richtung sich das Wirtschaftsvölkerrecht in den kommenden Jahren weiterentwickelt, ist allerdings unklar. Ob die Wahl eines neuen US-Präsidenten im November 2020 dazu führt, dass der Multilateralismus nachhaltig gestärkt wird, muss sich noch erweisen. Auch die Politik Chinas, dessen globale Bedeutung und wirtschaftspolitischer Einfluss in Asien und Afrika enorm zugenommen hat, wird von entscheidender Bedeutung sein.

Nicht zuletzt angesichts dieser geopolitischen Lage sind das grundlegende Verständnis und die kritische Reflektion des geltenden Wirtschaftsvölkerrechts wichtiger denn je. Das vorliegende Lehrbuch soll hierzu befähigen, indem es eine überblicksartige Einführung in das Wirtschaftsvölkerrecht bietet. Die Darstellung legt einen Schwerpunkt auf die Erläuterung von allgemeinen Prinzipien und Strukturen und verzichtet daher auf eine vertiefte Erörterung zahlreicher Detailprobleme. Da das Wirtschaftsvölkerrecht nicht zum juristischen Pflichtfachkanon gehört, sondern regelmäßig Teil des Schwerpunktstudiums ist, gibt es keinen sog. „examensrelevanten Stoff“ dieses Rechtsgebiet. Die Auswahl der in diesem Lehrbuch behandelten Aspekte berücksichtigt einerseits, was nach meinem Dafürhalten vernünftigerweise von Studierenden in einer Schwerpunktprüfung erwartet werden kann und andererseits, welche Themen des Wirtschaftsvölkerrechts von allgemeinem rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischem Interesse sind.

Das Buch verzichtet bewusst auf die vollständige Aufbereitung aller behandelten Aspekte und auf einen ausführlichen Fußnotenapparat. Anhand der weiterführenden Literaturhinweise können die Leser die behandelten Materien vertiefen und sich weitere Quellen, insbesondere auch das ausländische Schrifttum, erschließen. Einzelne Problembereiche werden allerdings exemplarisch ausführlicher erörtert, insbesondere um zentrale Prinzipien und Grundsätze deutlich zu machen.

Das Buch richtet sich in erster Linie an Studentinnen und Studenten der Rechtswissenschaft, die ein internationalrechtliches Wahlfach studieren. Darüber hinaus wendet es sich an Nebenfachstudierende, die sich ohne den Hintergrund eines rechtswissenschaftlichen Studiums mit wirtschaftsvölkerrechtlichen Fragen befassen wollen. Schließlich hoffe ich, dass sich das Buch auch einem weiteren Leserkreis erschließt, der aus beruflichen Gründen an einem Überblick über das Wirtschaftsvölkerrecht interessiert ist.

Für die vorliegende fünfte Auflage wurden Aufbau und Inhalt des Lehrbuchs beibehalten, die Darstellungen und Literaturverweise jedoch aktualisiert und auf den Stand von Januar 2021 gebracht. Bei der Aktualisierung haben meine Hilfskräfte Tina Brosi und Michelle Heblik wertvolle Unterstützung geleistet, wofür ich mich herzlich bedanke.

Für Verbesserungsvorschläge aus dem Kreis der Leserinnen und Leser bin ich weiterhin sehr dankbar. Am einfachsten erreichen mich diese per E-Mail: [email protected]

 

Erlangen, im Februar 2021        Markus Krajewski

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Hinweise zum Auffinden der Rechtsquellen des Wirtschaftsvölkerrechts

 Abkürzungsverzeichnis

Teil 1Grundlagen

 I.Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts

  1.Elemente des internationalen Wirtschaftsrechts

   a)Nationales Wirtschaftsrecht

   b)Völkerrecht der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

   c)Europäisches Wirtschaftsrecht

   d)Internationale Standards und die sog. „Lex mercatoria“

  2.Abgrenzung des Wirtschaftsvölkerrechts von anderen Elementen des internationalen Wirtschaftsrechts

  3.Gegenstand dieses Lehrbuchs

 II.Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

  1.Völkerrechtssubjekte

   a)Staaten

   b)Internationale Organisationen

   c)Individuen

   d)Transnationale Unternehmen

   e)Nichtregierungsorganisationen

  2.Rechtsquellen des Völkerrechts

   a)Völkerrechtliche Verträge

   b)Völkergewohnheitsrecht

   c)Sonstige Völkerrechtsquellen

  3.Grundprinzipien des Völkerrechts

   a)Souveräne Gleichheit

   b)Friedliche Streitbeilegung

   c)Völkerrechtliche Verantwortlichkeit

   d)Diplomatischer Schutz

  4.Innerstaatliche Geltung und Wirkung des Völkerrechts

 III.Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

  1.Außenwirtschaftstheorie

  2.Internationale Politische Ökonomie

Teil 2Welthandelsrecht

 I.Umfang und Struktur des Welthandels

 II.Theorie des Außenhandels und der Handelspolitik

  1.Klassische Theorie der komparativen Kostenvorteile

  2.Erweiterungen und Modifikationen der klassischen Theorie

  3.Theorie und politische Ökonomie der Handelspolitik

 III.Entwicklung des Welthandelssystems

  1.Zur Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung für das Verständnis des Welthandelsrechts

  2.Internationale Handelsbeziehungen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

  3.GATT 1947

   a)Gründung des GATT 1947

   b)Struktur und Funktion des GATT 1947

   c)GATT-Verhandlungsrunden

  4.Die Uruguay-Runde (1986–1994)

  5.Entwicklung der WTO seit 1995

   a)Die WTO bis zur Ministerkonferenz von Seattle 1999

   b)Die Doha Development Agenda

 IV.Allgemeines WTO-Recht

  1.Das WTO-Übereinkommen im Überblick

  2.Institutionelles Recht

   a)Rechtsstellung und Mitglieder der WTO

   b)Organe der WTO

   c)Entscheidungsfindung und Beschlussfassung

  3.WTO-Streitbeilegung

   a)Rechtsgrundlage und allgemeine Prinzipien der Streitschlichtung

   b)Organe der Streitbeilegung und Beteiligte am Verfahren

   c)Verfahrensablauf

   d)Auslegungsregel, anwendbares Recht und Normkonflikte

  4.Innerstaatliche und innerunionale Wirkung des WTO-Rechts

 V.Warenhandel

  1.Grundprinzipien des GATT

   a)Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. I GATT)

   b)Inländerbehandlung (Art. III GATT)

   c)Prinzip der Zollbindung (Art. II GATT)

   d)Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen (Art. XI GATT)

   e)Allgemeine Ausnahmen (Art. XX GATT)

   f)Handel und Umwelt

  2.Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS)

   a)Allgemeines

   b)Anwendungsbereich

   c)Allgemeine Prinzipien und Pflichten

  3.Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT)

   a)Anwendungsbereich

   b)Pflichten für technische Vorschriften

  4.Handelspolitische Schutzinstrumente

   a)Allgemeines

   b)Antidumpingübereinkommen

   c)Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen

   d)Übereinkommen über Schutzmaßnahmen

 VI.Dienstleistungshandel

  1.Hintergrund des Dienstleistungshandels

  2.Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)

   a)Anwendungsbereich des GATS

   b)Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. II GATS)

   c)Marktzugang (Art. XVI GATS) und Inländerbehandlung (Art. XVII GATS)

   d)Disziplinen für innerstaatliche Regulierung (Art. VI GATS)

   e)Allgemeine Ausnahmen (Art. XIV GATS)

   f)Sektorale Sonderregime für Telekommunikation und Finanzdienstleistungen

   g)GATS und öffentliche Dienstleistungen

 VII.Handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums

  1.Hintergrund des Handelsbezugs geistiger Eigentumsrechte

   a)Begriff und Schutz des „geistigen Eigentums“ im internationalen Recht

   b)Geistiges Eigentum und internationaler Handel

  2.Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)

   a)Ziele und Grundprinzipien des TRIPS

   b)Materielle Schutzstandards

   c)Durchsetzung

   d)TRIPS und Zugang zu HIV/AIDS-Medikamenten

Teil 3Internationales Investitionsrecht

 I.Wirtschaftlicher Hintergrund

  1.Umfang und Verteilung von Auslandsinvestitionen

  2.Formen von Auslandsinvestitionen und ihre wirtschaftliche Bewertung

 II.Rechtsgrundlagen

  1.Einleitung

  2.Gewohnheitsrecht

  3.Völkervertragsrecht

   a)Bilaterale Investitionsabkommen

   b)Regionale Abkommen

   c)Multilaterale Abkommen

  4.Investor-Staat-Verträge

 III.Materielle Elemente des Investitionsschutzes

  1.Schutzumfang

   a)Sachlicher Anwendungsbereich: Investition/Kapitalanlage

   b)Persönlicher Anwendungsbereich: Investor

  2.Enteignungen

   a)Begriff

   b)Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Enteignung

   c)Anerkennung ausländischer Enteignungen im innerstaatlichen Recht

  3.Weitere Schutzstandards

   a)Inländerbehandlung

   b)Meistbegünstigungsgrundsatz

   c)Gerechte und billige Behandlung

   d)Transferfreiheit und Abschirmklauseln

  4.Marktliberalisierung als neues Element des Investitionsrechts

 IV.Streitbeilegung

  1.Zwischenstaatliche Verfahren

  2.Investor-Staat-Verfahren

   a)Bedeutung und Verfahrensarten

   b)Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts

   c)Zusammensetzung eines ICSID-Schiedsgerichts und anwendbares Recht

   d)Inhalt, Rechtsfolgen und Überprüfbarkeit von ICSID-Entscheidungen

 V.Investitionsgarantien

  1.MIGA

  2.Investitionsgarantien der Bundesrepublik Deutschland

 VI.Regeln für multinationale Unternehmen

  1.Steuerungsinstrumente des Gast- und Heimatstaats

  2.Deliktische Haftung

  3.Internationale Regulierungsansätze

   a)OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen

   b)Tripartite Declaration der ILO

   c)Normen und Rahmen der Vereinten Nationen

Teil 4Internationales Wettbewerbsrecht

 I.Rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen

 II.Elemente des internationalen Wettbewerbsrechts

  1.Extraterritoriale Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts

  2.Wettbewerbsrechtliche Kooperation und Rechtshilfe

  3.Materiell-rechtliche Vorschriften

  4.Ansätze eines multilateralen Wettbewerbsrechts

 III.Ausblick

Teil 5Internationales Währungs- und Finanzrecht

 I.Wirtschaftstheoretische Grundlagen

  1.Formen des internationalen Finanzverkehrs

  2.Struktur und Bedeutung der Zahlungsbilanz

  3.Aspekte des Währungssystems

   a)Währungskonvertibilität

   b)Wechselkurssystem

 II.Entwicklung der internationalen Währungsordnung

  1.Internationale Währungsordnung bis zur Konferenz von Bretton Woods

  2.Das Bretton-Woods System (1945 bis 1976)

   a)Feste Wechselkurse und Währungskonvertibilität

   b)Niedergang des Bretton Woods-Systems und Liberalisierung der Finanzbeziehungen

  3.Probleme und Herausforderungen des gegenwärtigen Systems

   a)Währungs- und Finanzkrisen der 1990er Jahre

   b)Eine „neue internationale Finanzarchitektur“?

   c)Das internationale Währungs- und Finanzsystem nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007–2009

 III.Der Internationale Währungsfonds (IWF)

  1.Institutionelle Grundlagen

   a)Rechtsstellung

   b)Bedeutung von Quoten und Sonderziehungsrechten

   c)Organe und Entscheidungsfindung

  2.Aufgaben des IWF

   a)Allgemeine Grundlagen

   b)Kreditvergabe

   c)Politiküberwachung

  3.Verpflichtungen der IWF-Mitglieder

   a)Wechselkursregelungen

   b)Devisenkontrollen

 IV.Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)

  1.Institutionelle Grundlagen

   a)Rechtsstellung

   b)Organe

  2.Aufgaben

  3.Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht

Teil 6Entwicklungsvölkerrecht

 I.Grundlagen

  1.Hintergrund

  2.Allgemeine Prinzipien des Entwicklungsvölkerrechts

  3.Problemkreise

 II.Handel und Entwicklung

  1.Sonderregeln für Entwicklungsländer im WTO-Recht

   a)Geschichtlicher Hintergrund

   b)Besondere und differenzierte Behandlung als Grundsatz des WTO-Rechts

   c)Präferenzsysteme und die Enabling Clause

  2.Regulierung des Rohstoffhandels

   a)Internationale Rohstoffabkommen

   b)Transparenzregeln für Rohstoffmärkte

  3.EU-AKP-Assoziierungsabkommen

 III.Finanzierung und Verschuldung

  1.Entwicklungsfinanzierung durch die Weltbank

  2.Staatsverschuldung und Zahlungskrisen

   a)Hintergrund und Maßnahmen zur Reduzierung der Verschuldungskrise

   b)Zahlungsnotstand und Insolvenzverfahren für Staaten

 IV.Recht auf Entwicklung als Menschenrecht?

Teil 7Regionale Wirtschaftsintegration

 I.Grundlagen

  1.Formen regionaler Integration

  2.Proliferation und Wandel regionaler Integration

 II.Verhältnis regionaler zu multilateraler Integration

  1.Grundsätzliche Perspektiven

  2.Regionale Integrationsabkommen und WTO-Recht

 III.Beispiele regionaler Integration

  1.Nordamerikanische Freihandelsabkommen

  2.Integrationsabkommen in Lateinamerika und der Karibik

  3.Integrationsabkommen in Asien: ASEAN und RCEP

  4.Regionale Wirtschaftsintegration in Afrika

  5.Freihandelsabkommen der EU

 Stichwortverzeichnis

Hinweise zum Auffinden der Rechtsquellen des Wirtschaftsvölkerrechts

Wie jedes Rechtsgebiet kann auch das Wirtschaftsvölkerrecht nicht ohne die Kenntnis der einschlägigen Normen verstanden werden. Auch wenn wichtige Normen in diesem Buch im Wortlaut zitiert werden, sind die Texte der jeweiligen völkerrechtlichen Verträge unerlässliche Hilfsmittel für das Studium des Wirtschaftsvölkerrechts. Leider gibt es keine Textsammlung, die alle in diesem Buch erörterten Verträge enthält. Folgende Textsammlungen sind auf dem Markt erhältlich:

Sartorius II, Internationale Verträge, Europarecht (C. H. Beck). Diese Loseblattsammlung, die als Standardtextsammlung für das Völker- und Europarecht gilt, enthält neben allgemeinen völkerrechtlichen Verträgen folgende wirtschaftsvölkerrechtliche Normen: IWF- und Weltbank-Übereinkommen, ICSID- und MIGA-Abkommen, WTO-Übereinkommen, GATT und das WTO-Streitschlichtungsübereinkommen (DSU).

WTO, Welthandelsorganisation (Beck-Texte im dtv). Diese Sammlung enthält die wichtigsten WTO-Verträge, aber keine weiteren wirtschaftsvölkerrechtlichen Normen.

Völker- und Europarecht, mit WTO-Recht (C. F. Müller). Diese etwas preisgünstigere Alternative zum Sartorius II enthält neben dem allgemeinen Völkerrecht einige wichtige WTO-Verträge (WTO-Übereinkommen, GATT, GATS, TRIPS, DSU und TPRM). Weitere WTO-Verträge und der Mustervertrag für die deutschen Investitionsschutzverträge werden auf den Verlagsseiten im Internet bereitgestellt.

In Ergänzung zu diesen Sammlungen ist daher auf das Amtsblatt der Europäischen Union für die Verträge, denen die EU beigetreten ist und das Bundesgesetzblatt Teil II für die Verträge, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, zurückzugreifen. Das Amtsblatt der EU ist unter http://eur-lex.europa.eu/oj/direct-access.html und das Bundesgesetzblatt II unter http://www1.bgbl.de/ im Internet abrufbar. Wirtschaftsvölkerrechtliche Verträge, denen (auch) die Schweiz beigetreten ist, finden sich in der Systematischen Sammlung des Schweizer Bundesrechts, die im Internet unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/international.html zur Verfügung steht.

Dokumente internationaler Organisationen und Entscheidungen internationaler Schiedsgerichte sind zunehmend ebenfalls im Internet aufzufinden. Neben den allgemeinen Internetadressen von WTO, IWF, Weltbank u.a. sind zu nennen:

http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/dispu_status_e.htm (alle Entscheidungen der Panels und des Appellate Body der WTO)

http://docsonline.wto.org/ (Suchmaske für alle WTO Dokumente)

https://icsid.worldbank.org/cases/case-database (Entscheidungen des International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID)

http://www.sice.oas.org/agreements_e.asp (Sammlung regionaler Integrationsabkommen auf dem amerikanischen Kontinent)

Abkürzungsverzeichnis

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Union

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

ASEAN

Association of Southeast Asian Nations

AVR

Archiv des Völkerrechts

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BIZ

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

CAFTA

Central American Free Trade Agreement

CARICOM

Caribbean Community

CETA

Comprehensive Economic and Trade Agreement (EU-Kanada)

CISG

Convention on International Sale of Goods

CMLR

Common Market Law Review

DDA

Doha Development Agenda

DSB

Dispute Settlement Body

DSU

Dispute Settlement Understanding

EFARev

European Foreign Affairs Review

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GSP

Generalized System of Preferences

ICC

International Chamber of Commerce

ICSID

International Centre for Settlement of Investment Disputes

ILC

International Law Commission

ILO

International Labour Organisation

ITO

International Trade Organization

IWF

Internationaler Währungsfonds

JIEL

Journal of International Economic Law

JWT

Journal of World Trade

LDCs

Least developed countries

MAI

Multilateral Agreement on Investment

MIGA

Multilaterale Investitions-Garantie Agentur

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NGOs

Non-governmental organisations

NWWO

Neue Weltwirtschaftsordnung

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development

SCM

Agreement on Subsidies and Countervailing Measures

SPS

Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures

SZR

Sonderziehungsrechte

TBT

Agreement on Technical Barriers to Trade

TPRB

Trade Policy Review Body

TPRM

Trade Policy Review Mechanism

TRIMs

Agreement on Trade-Related Investment Measures

TRIPS

Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

TTIP

Transatlantic Trade and Investment Partnership (EU-USA)

UNCITRAL

United Nations Commission on International Trade Law

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development

USMCA

Agreement between the United States, Mexico, and Canada

VRÜ

Verfassung und Recht in Übersee (Zeitschrift)

WTO

World Trade Organization

WVK

Wiener Konvention über das Recht der Verträge

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Teil 1Grundlagen

Inhaltsverzeichnis

I.Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts

II.Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

III.Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

Teil 1 Grundlagen › I. Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts

Teil 1 Grundlagen › I. Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts › 1. Elemente des internationalen Wirtschaftsrechts

1.Elemente des internationalen Wirtschaftsrechts

2

Internationale Wirtschaftsbeziehungen umfassen den grenzüberschreitenden Austausch von Gütern (Waren und Dienstleistungen), den grenzüberschreitenden Transfer von Kapital und Zahlungsmitteln sowie den grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verkehr von Personen (Unternehmen und Privatpersonen). Internationale Wirtschaftsbeziehungen werden von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsregeln erfasst. Unabhängig von ihrer Zuordnung zum nationalen oder internationalen, privaten oder öffentlichen Recht können alle Rechtsnormen, die die Regelung internationaler Wirtschaftsbeziehungen zum Gegenstand haben, als internationales Wirtschaftsrecht oder Recht der internationalen Wirtschaft bezeichnet werden. Diese Betrachtungsweise des Rechts knüpft an den einheitlichen Vorgang einer internationalen Wirtschaftstransaktion an und betrachtet die Gesamtheit der Regeln, die diesen Vorgang betreffen (können).[1]

3

Trotz des Bezugs auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt unterscheiden sich die Regeln des internationalen Wirtschaftsrechts in verschiedener Hinsicht: Sie betreffen teils das Verhältnis der Staaten untereinander bzw. zwischen Staaten und Privatrechtssubjekten (öffentlich-rechtliche Dimension) und teils das Verhältnis von Privatrechtssubjekten untereinander (privatrechtliche Dimension). Zum Teil entstammen sie dem nationalen Recht, zum Teil dem internationalen Recht (Völkerrecht) und zum Teil dem supranationalen Recht (Europarecht). Hinzu treten unverbindliche Standards und internationale Handelsbräuche, die für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen von großer Bedeutung sind.

Anmerkungen

[1]

Kreuter-Kirchhof, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 8. Aufl., 2019, 6. Abschnitt, Rn. 10.

a)Nationales Wirtschaftsrecht

4

Nationales Recht, das sich auf Sachverhalte der internationalen Wirtschaft bezieht, kann von den Staaten grundsätzlich rechtlich autonom, d.h. ohne Kooperation mit anderen Staaten gesetzt werden. Die für das internationale Wirtschaftsrecht typische Durchdringung und Verzahnung von nationalem Recht, Europa- und Völkerrecht führt jedoch dazu, dass das nationale Recht selten tatsächlich autonom gesetzt wird. Zu den Rechtsgebieten des nationalen Rechts, die als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts angesehen werden können, gehören in erster Linie das Zoll- und Außenwirtschaftsrecht als öffentlich-rechtliche Materie und das internationale Privatrecht als privatrechtliche Materie.

5

Das Zollrecht betrifft die Lenkung von Außenhandelsströmen mit fiskalischen Mitteln, weshalb es häufig gemeinsam mit dem Steuerrecht betrachtet wird.[1] Da in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Zollrecht auf europäischer Ebene harmonisiert ist (Gemeinsamer Zolltarif und Zollkodex)[2], gehört es für die Bundesrepublik Deutschland nicht zum nationalen Recht im eigentlichen Sinne. Der Vollzug des Zollrechts obliegt aber – wie zumeist im Europarecht – den Behörden der Mitgliedstaaten, d.h. in Deutschland den Hauptzollämtern. Das Verwaltungsverfahren und der gerichtliche Rechtsschutz bestimmen sich nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie dem Zollverwaltungsgesetz (ZollVG). Rechtsschutz in Zollsachen gewähren danach in erster Linie die Finanzgerichte. Hält ein Finanzgericht Fragen der Wirksamkeit oder der Auslegung des EU-Rechts für streiterheblich, kann es diese Fragen gem. Art. 267 AEUV dem EuGH vorlegen.[3]

6

Das Außenwirtschaftsrecht ist eine Sondermaterie des öffentlichen Wirtschaftsrechts (Wirtschaftsverwaltungsrecht) und umfasst Ein- und Ausfuhrregelungen.[4] Es ist weitgehend im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) von 1961 und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) kodifiziert. Zum Außenwirtschaftsrecht gehört auch die Erteilung von Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen, die häufig auf europäischen Vorschriften beruhen. Die Durchführung des Außenwirtschaftsrechts obliegt zu großen Teilen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Verfahrensrecht und Rechtsschutz richten sich nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht.

7

Das Internationale Privatrecht (auch Kollisionsrecht) klärt bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, welches nationale Recht auf den Sachverhalt Anwendung findet.[5] Es enthält dagegen keine materiell-rechtlichen Regeln.

8

Internationales Privatrecht ist – entgegen seiner Bezeichnung – nationales Recht. Das deutsche internationale Privatrecht wird im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) geregelt. Nach Art. 3 Abs. 1 EGBGB findet das internationale Privatrecht auf Sachverhalte „mit Verbindung zum Recht eines ausländischen Staats“ Anwendung. Nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB gehen Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen, „soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften dieses Gesetzes vor.“ Zu diesen Regeln zählt z.B. das sog. UN-Kaufrecht.[6] Für vertragliche Schuldverhältnisse wird das EGBGB inzwischen durch die einheitlichen Regeln des europäischen Kollisionsrechts (VO 593/2008, sog. Rom I-Verordnung) weitgehend überlagert. Die Vorschriften finden auch Anwendung, wenn das Recht eines Staates außerhalb der EU betroffen ist (Art. 2 Rom I-Verordnung).

9

Nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung sowie Art. 27 Abs. 1 EGBGB können die Vertragsparteien durch Vereinbarung einer Rechtswahlklausel frei bestimmen, welches Recht anwendbar sein soll. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, sehen die Vorschriften der Rom I-Verordnung und des EGBGB verschiedene Zuordnungen vor. So unterliegen Kaufverträge über bewegliche Sachen gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom I- Verordnung dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

10

Da jede nationale Rechtsordnung über ein internationales Privatrecht verfügt, kann es vorkommen, dass die jeweiligen nationalen Rechtsnormen für einen Auslandssachverhalt auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, bemühen sich die Staaten um eine Vereinheitlichung ihres internationalen Privatrechts. Dies geschieht mit Hilfe von völkerrechtlichen Verträgen.[7]

Anmerkungen

[1]

Dazu Witte/Wolffgang (Hrsg.), Lehrbuch des Zollrechts der Europäischen Union, 9. Aufl., 2018.

[2]

Dazu unten Rn. 20.

[3]

Streinz, Europarecht, 11. Aufl., 2019, Rn. 700 ff.

[4]

Dazu Wolffgang, Außenwirtschaftsrecht, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band I, 4. Aufl., 2019, 1521 und Gramlich, Außenwirtschaftsrecht – Ein Grundriß, 1991.

[5]

Dazu Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., 2004 und Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., 2006.

[6]

Dazu unten Rn. 14.

[7]

Dazu unten Rn. 11.

b)Völkerrecht der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

11

Völkerrecht ist internationales Recht, das zwischen Staaten (und anderen Völkerrechtssubjekten) gilt.[1] Völkerrechtliche Normen, die auf internationale Wirtschaftsbeziehungen Anwendung finden, können grundsätzlich in das Wirtschaftsvölkerrecht (im engeren Sinne) und die völkerrechtlichen Grundlagen des Einheitsrechts unterteilt werden.

12

Zum Wirtschaftsvölkerrecht zählen die völkerrechtlichen Regeln, die die Beziehungen zwischen Staaten untereinander bzw. zwischen Staaten und Privatrechtssubjekten betreffen (z.B. Zölle und andere Abgaben, Ein- und Ausfuhrkontrollen, Devisenkontrollen, Enteignungen). Dementsprechend umfasst das Wirtschaftsvölkerrecht bilaterale, regionale und multilaterale Regeln des internationalen Handels, der ausländischen Investitionen und der internationalen Finanz- und Währungsbeziehungen.[2]

Definition:

Wirtschaftsvölkerrecht umfasst die völkerrechtlichen Regeln des internationalen Wirtschaftsverkehrs, die öffentlich-rechtliche Beziehungen, d.h. Beziehungen zwischen Staaten und zwischen Staaten und Privatrechtssubjekten, betreffen.

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Unter dem internationalen Einheitsrecht (Einheitsprivatrecht) werden völkerrechtliche Abkommen verstanden, die sich auf den privaten Wirtschaftsverkehr beziehen und einheitliche Regeln für bestimmte internationale Transaktionen bereithalten.[3] Die jeweiligen Abkommen sind ihrer Natur nach Völkerrecht, so dass sich ihre Anwendung nach den allgemeinen Regeln für die Anwendung von Völkerrecht richtet.[4] Die Abkommen enthalten jedoch nicht in erster Linie Regeln für das Verhalten der Staaten, sondern für den Rechtsverkehr privater Wirtschaftssubjekte untereinander. Das Einheitsrecht umfasst sowohl völkerrechtliche Verträge, die das internationale Privatrecht vereinheitlichen (Einheitskollisionsrecht) als auch Verträge, die materielle oder prozessuale Regeln für verschiedene Privatrechtsverhältnisse enthalten. Für das Einheitsrecht ist die Vorrangklausel des Art. 3 Abs. 2 EGBGB einschlägig: Einheitsrecht hat danach Vorrang vor den Verweisungsvorschriften des internationalen Privatrechts. Eine entsprechende Norm findet sich auch in Art. 25 Abs. 1 Rom I-Verordnung.

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Ein für den internationalen Wirtschaftsverkehr praktisch bedeutsames Beispiel des materiellen Einheitsrechts ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980 (Convention on Contracts for the International Sale of Goods, CISG), das auch als UN-Kaufrecht bezeichnet wird.[5] Es handelt sich um Regeln des Kaufrechts, die in den Vertragsstaaten des CISG auf internationale Warenkäufe Anwendung finden. Das CISG enthält z.B. Regeln über den Abschluss von Verträgen (Art. 14 ff. CISG), Käufer- und Verkäuferpflichten (Art. 30 ff. und 53 ff. CISG), die Vertragsmäßigkeit der Ware (Art. 35 ff. CISG), Rechtsbehelfe des Käufers und Verkäufers (Art. 45 ff. und Art. 61 ff. CISG), Gefahrtragung (Art. 66 ff. CISG) und Schadensersatz (Art. 74 ff. CISG).

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Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem Wirtschaftsprivatrecht durch völkerrechtliche Verträge vereinheitlicht wird, ist das Transportrecht.[6] So enthält z.B. das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr von 1956 (Convention relative au contrat de transport international de merchandises par route, CMR) einheitliche Regeln für den Transport im Straßenverkehr.[7] In prozessualer Hinsicht sind vor allem das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958[8] und das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen von 1970[9] bedeutsam.

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Ansätze zur Rechtsvereinheitlichung finden sich teilweise auch im Wirtschaftsvölkerrecht, z.B. im Abkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS).[10] In diesem Abkommen werden Mindeststandards für verschiedene Schutzrechte des Immaterialgüterschutzes (Patente, Marken, Urheberrecht) festgelegt.

Anmerkungen

[1]

Zum Völkerrecht allgemein unten Rn. 39 ff.

[2]

Zu den Materien des Wirtschaftsvölkerrechts, siehe unten Rn. 35.

[3]

Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., 2020, § 14, Rn. 5; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., 2015, Rn. 2 f.

[4]

Dazu unten Rn. 107 ff.

[6]

Siehe Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., 2017, Teil E.

[7]

Dazu Otte, Internationales Transportrecht, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., 2015, § 7, Rn. 36 ff.

[8]

Dazu Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., 2020, § 9 Rn. 11.

[9]

Dazu Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., 2020, § 9 Rn. 38.

[10]

Dazu Teil 2 Rn. 497 ff.

c)Europäisches Wirtschaftsrecht

17

Sowohl der Wirtschaftsverkehr der Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander als auch der Wirtschaftsverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten und sog. Drittstaaten wird in weiten Teilen durch das EU-Recht geregelt. Den innerunionalen Wirtschaftsverkehr betreffen vor allem die Grundfreiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs, das harmonisierte Binnenmarktrecht und das EU-Wettbewerbsrecht (Art. 101 ff. AEUV).

18

Für die Beziehungen zu Drittstaaten sind das EU-Zoll- und Außenwirtschaftsrecht[1] von zentraler Bedeutung. Da die EU in diesen Bereichen weitgehend über ausschließliche Kompetenzen verfügt (vgl. Art. 28 ff. und 207 ff. AEUV), kann sie nach außen einheitlich auftreten. Das EU-Zoll- und Außenwirtschaftsrecht ist seinem Wesen nach daher auch eher mit nationalem Wirtschaftsrecht als mit Wirtschaftsvölkerrecht vergleichbar. Allerdings beruht auch das „autonome“ EU-Außenwirtschaftsrecht auf völkerrechtlichen Grundlagen.

19

Seit dem Vertrag von Lissabon verfügt die Europäische Union über die ausschließliche Kompetenz im Bereich der Außenhandelsbeziehungen.[2] Dazu zählen laut Art. 207 AEUV der Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen und handelsbezogenen Aspekten des geistigen Eigentums erfassen. Hinzu treten Regeln über die Ein- und Ausfuhrpolitik sowie handelspolitische Schutzmaßnahmen. Ausländische Direktinvestitionen werden ebenfalls von der EU-Kompetenz erfasst. Auf dieser Grundlage hat die EU zahlreiche Vorschriften in den Außenwirtschaftsbeziehungen erlassen.

20

Zu den zollrechtlichen Vorschriften der EU zählen die Verordnung 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif. In dieser Verordnung wird die zolltarifliche und statistische Nomenklatur der EU geregelt. Der Gemeinsame Zolltarif ist der gemeinsame EU-Außenzoll, der auf in die EU importierte Waren erhoben wird. Hinzu tritt die Verordnung (EU) 952/2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, in der das Zollverfahren geregelt wird.

21

Im Bereich des Ein- und Ausfuhrrechts sind Verordnung (EU) 2015/478 über die gemeinsame Einfuhrregelung, die den Grundsatz der Einfuhrfreiheit festlegt und die Verordnung (EU) 2015/479 über eine gemeinsame Ausfuhrregelung, die den Grundsatz der Ausfuhrfreiheit festlegt, von allgemeiner Bedeutung. Die Verordnung 428/2009 für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (sog. „Dual use“-Güter), betrifft die Ausfuhr von Gütern, die zu zivilen und militärischen Zwecken genutzt werden können.

22

Von erheblicher praktischer Bedeutung sind schließlich die handelspolitischen Schutzinstrumente[3], die es der EU ermöglichen gegen außenhandelsverzerrende Maßnahmen anderer Staaten vorzugehen. So können Waren, die unter ihrem Marktpreis im Ausfuhrland in die EU eingeführt werden unter bestimmten Bedingungen mit sog. Antidumpingzöllen belegt werden (Verordnung (EU) 2016/1036, Antidumping-Verordnung). Zur Abwehr der Auswirkungen wettbewerbsverzerrender Subventionen können Antisubventionszölle erhoben werden (Verordnung (EU) 2016/1037, Antisubventions-Verordnung). Schließlich besteht noch die Möglichkeit des Vorgehens gegen handelsbeschränkende Maßnahmen anderer Staaten mit Hilfe der Verordnung (EU) 2015/1843.

23

Diese allgemeinen Regeln werden durch zahlreiche Spezialregeln und Einzelfallentscheidungen, vor allem der Kommission, ergänzt. Weder die allgemeinen noch die speziellen Regeln des europäischen Außenwirtschaftsrechts dürfen allerdings den Vorgaben des Wirtschaftsvölkerrechts widersprechen, soweit die EU an diese Vorgaben gebunden ist (Art. 218 AEUV).

24

Schließlich ist auch das Europäische Privat- und Verfahrensrecht für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen bedeutsam.[4] Die Harmonisierung des Privat- und Verfahrensrechts beruht inzwischen weitgehend auf europäischem Sekundärrecht (Verordnungen und Richtlinien). Zuvor waren jedoch auch völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten der EU von Bedeutung, wie z.B. das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) von 1968, das jedoch inzwischen durch die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO) ersetzt wurde.

Anmerkungen

[1]

Dazu Herrmann/Michl, Grundzüge des europäischen Außenwirtschaftsrechts, ZeuS 2008, 81 und Streinz, Europarecht, 11. Aufl., 2019, Rn. 908, 1291 ff.

[2]

Tietje, Die Außenwirtschaftsverfassung der EU nach dem Vertrag von Lissabon, Beiträge zum transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 83, 2009, http://studiengang.wirtschaftsrecht.uni-halle.de/sites/default/files/altbestand/Heft83.pdf.

[3]

Siehe dazu auch Teil 2 Rn. 398 ff.

[4]

Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 8. Aufl., 2018, § 36 und Kreuzer/Wagner/Reder, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, Teil Q und dies., Europäisches Internationales Privatrecht, Teil R, in: Dauses/Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand März 2020.

d)Internationale Standards und die sog. „Lex mercatoria“

25

Internationale Wirtschaftsbeziehungen werden von einer Vielzahl von Standards, Gebräuchen und freiwilligen Übereinkünften bestimmt, die teils kodifiziert und teils ungeschrieben sind. Häufig sind diese Normen nicht Recht im formellen Sinne, da es sich um unverbindliche Empfehlungen an Hoheitsträger oder an private Wirtschaftssubjekte handelt. Diese Normen entfalten erst dann rechtliche Geltung und Wirkung, wenn sie von ihren Adressaten, d.h. von den Staaten oder den privaten Wirtschaftssubjekten in verbindliche Rechtsregeln (Gesetze, Verordnungen oder Verträge) übernommen werden.

26

Dies gilt zum einen für internationale unverbindliche Standards, die von internationalen öffentlichen Einrichtungen oder Zusammenschlüssen entwickelt werden und von den Staaten als Grundlage für nationale Rechtsvorschriften übernommen werden können. Teilweise wird in Normen des nationalen Wirtschaftsrechts oder des Wirtschaftsvölkerrechts allerdings auf diese Standards Bezug genommen oder sie werden in eine Rechtsmaterie inkorporiert.

Beispiele:

1. Die Baseler Standards für Eigenkapitalvorschriften(Basel II und Basel III).[1] Es handelt sich um Richtlinien, die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, dem zahlreiche Industrienationen und einige Schwellenländer angehören erarbeitet werden und die jeweils in nationales Recht umgesetzt werden sollen.

2. Die lebensmittelrechtlichen Standards der Codex Alimentarius Kommission der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Codex Alimentarius Kommission ist ein Gremium von unabhängigen Lebensmittelexperten, die gesundheitliche Standards für Lebensmittel formulieren. Ihre Standards gelten als Vorschläge für nationale Gesetzgeber. Zugleich wird jedoch im WTO-Übereinkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) auf sie Bezug genommen.[2]

27

Für den internationalen Wirtschaftsverkehr von erheblicher praktischer Bedeutung sind internationale Handelsbräuche und privatwirtschaftliche Standards („Lex mercatoria“ oder transnationales Wirtschaftsrecht).[3] Hierbei handelt es sich um Regeln des internationalen Wirtschaftsverkehrs, die sich aus der Praxis entwickelt haben. Die einzelnen Normen werden teilweise in Standards von internationalen Unternehmens- oder Wirtschaftsverbänden kodifiziert. Darüber hinaus werden sie auch von internationalen Schiedsgerichten entwickelt und angewandt.

Beispiel:

Die von der internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) in Paris standardisierten Vertragsbedingungen der sog. INCOTERMS.[4] Zu den bekanntesten zählen die Kürzel „FOB“ (Free on Board), wonach der Exporteur (nur) verpflichtet ist, die Ware an Bord des Seeschiffes zu transportieren und „CIF“ (Cost, Insurance, Freight), wonach der Exporteur die Kosten für Transport und Versicherung bis zum Bestimmungshafen übernimmt.

28

Die INCOTERMS und andere standardisierte Handelsklauseln können als eine Art internationale Allgemeine Geschäftsbedingungen verstanden werden. Sie müssen stets in einen Vertrag inkorporiert werden. Erst dadurch werden sie rechtlich verbindlich. Die Regeln können nur durchgesetzt werden, wenn sie in einer nationalen Rechtsordnung als verbindliche Teile des Vertrags anerkannt werden. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, ergibt sich aus dem jeweiligen nationalen Recht. Teilweise wird auf die Lex mercatoria auch im internationalen Einheitsrecht Bezug genommen (vgl. Art. 9 CISG). Bei der Lex mercatoria handelt es sich also nicht um eine eigenständige Rechtsordnung, die neben nationalem (staatlichem) und Völkerrecht besteht.

Anmerkungen

[1]

Dazu Teil 5 Rn. 895 ff.

[2]

Dazu Teil 2 Rn. 375 ff.

[3]

Ehricke, Zur Einführung: Grundstrukturen und Probleme der Lex mercatoria, JuS 1990, 967.

[4]

von Bernstorff, Incoterms 2010, RIW 2010, 672.

Teil 1 Grundlagen › I. Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts › 2. Abgrenzung des Wirtschaftsvölkerrechts von anderen Elementen des internationalen Wirtschaftsrechts

2.Abgrenzung des Wirtschaftsvölkerrechts von anderen Elementen des internationalen Wirtschaftsrechts

29

Die verschiedenen Elemente des internationalen Wirtschaftsrechts stehen nicht losgelöst nebeneinander. Vielmehr bestehen vielfach wechselseitige Abhängigkeiten, Überschneidungen und Durchdringungen. Einige sind bereits angeklungen: Völkerrechtliche Regeln beeinflussen nationales und europäisches Recht. Normen, die zunächst unverbindlich sind, können in verbindliches Recht transformiert werden. Ebenso lassen sich die Rechtsgebiete nicht immer trennscharf unterscheiden, das gilt vor allem für die Trennung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Materien und die Abgrenzung von Rechtsregeln und internationalen unverbindlichen Standards. Aus diesen Gründen wird die strikte Trennung von nationalem und internationalem Recht bzw. öffentlichem Recht und Privatrecht in der rechtswissenschaftlichen Literatur teilweise als unangemessen für das Verständnis des internationalen Wirtschaftsrechts angesehen.

30

Trotz der unbestreitbaren Verknüpfungen und wechselseitigen Bezüge der verschiedenen Materien des internationalen Wirtschaftsrechts unterscheiden sich die einzelnen Elemente jedoch erheblich mit Blick auf ihre Rechtsetzung, Anwendung und Durchsetzung und bezüglich der zu regelnden Rechtsbeziehungen. So lässt sich das Wirtschaftsvölkerrecht von den anderen Materien des internationalen Wirtschaftsrechts zum einen durch seine Rechtsnatur (Völkerrecht) und zum anderen durch die zu regelnden Rechtsverhältnisse (öffentlich-rechtliche Verhältnisse) abgrenzen.

31

Durch seine völkerrechtliche Qualität unterscheidet sich das Wirtschaftsvölkerrecht vom nationalen und europäischen Außenwirtschaftsrecht und internationalen Privatrecht. Diese Abgrenzung ist sinnvoll, da die völkerrechtliche Rechtsetzung, Interpretation und Durchsetzung anderen Regeln folgen als die innerstaatliche Rechtsetzung. Außerdem unterscheiden sich die Rechtssubjekte des Völkerrechts von denjenigen des innerstaatlichen Rechts.[1] Auch wenn sich z.B. das WTO-Recht und das nationale Außenwirtschaftsrecht z.T. auf die gleichen Rechtsmaterien beziehen (Zölle, Einfuhrregelungen, handelspolitische Abwehrmaßnahmen), sind die Materien theoretisch und praktisch zu trennen.

32

Von den völkerrechtlichen Grundlagen des Einheitsrechts kann das Wirtschaftsvölkerrecht durch seinen Bezug auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse abgegrenzt werden. Diese Trennung ist für eine Rechtsordnung, die zwischen öffentlichem und privatem Recht unterscheidet, zweckmäßig. Außerdem verfolgen öffentliches und privates internationales Wirtschaftsrecht unterschiedliche Ziele bzw. müssen unterschiedlichen Interessen gerecht werden. Für das internationale private Wirtschaftsrecht steht – ähnlich wie im nationalen Recht – der Gedanke der Parteiautonomie und der effizienten Regelung von Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund, während das öffentliche internationale Wirtschaftsrecht öffentlichen Zwecken dient und auch die Regulierung der Wirtschaft zur Verfolgung externer Ziele (Verbraucherschutz, Umweltschutz, etc.) betreffen kann.

33

Zusammenfassend stellt Figur 1 das Wirtschaftsvölkerrecht im System der Elemente des internationalen Wirtschaftsrechts dar. Da sich nationales und supranationales Recht (EU-Recht) aus Sicht des Völkerrechts zunehmend angleichen und ähnliche Funktionen übernehmen, werden beide Rechtskreise auf einer Ebene dargestellt.

Figur 1:

Wirtschaftsvölkerrecht im System des internationalen Wirtschaftsrechts

[Bild vergrößern]

Anmerkungen

[1]

Siehe dazu im Überblick unten Rn. 41 ff.

Teil 1 Grundlagen › I. Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts › 3. Gegenstand dieses Lehrbuchs

3.Gegenstand dieses Lehrbuchs

34

Während sich das Wirtschaftsvölkerrecht zwar von den anderen Materien des internationalen Wirtschaftsrechts theoretisch abgrenzen lässt, besteht über seinen genauen Umfang und über die Materien, die zum Wirtschaftsvölkerrecht zu zählen sind, in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Ausbildungspraxis keine vollständige Einigkeit. Die in diesem Lehrbuch behandelten Materien des Wirtschaftsvölkerrechts orientieren sich an dem klassischen Kanon des sog. „International Economic Law“, wie es in Großbritannien und den USA gelehrt wird[1] bzw. des „Droit international économique“ im französischen Verständnis.[2] Dieser Kanon umfasst auch das, was an den meisten deutschen Fakultäten unter Wirtschaftsvölkerrecht verstanden und gelehrt wird. Damit wird zugleich der völkerrechtliche Teil von Lehrveranstaltungen abgedeckt, die sich mit dem internationalen Wirtschaftsrecht allgemein befassen.

35

Zum Kern des Wirtschaftsvölkerrechts zählen drei Rechtsgebiete:

Das Recht des Welthandels, vor allem in seiner Kodifikation durch das Recht der Welthandelsorganisation (WTO). Dazu gehören die institutionellen Regeln, insbesondere das Recht der Streitbeilegung in der WTO und das materielle Recht des Warenhandels, des Dienstleistungshandels und der handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums.

Das Recht der ausländischen Investitionen. Dazu zählen die völkergewohnheitsrechtlichen und vertraglichen Regeln zum Investitionsschutz (z.B. Schutz vor Enteignungen), zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren und zur Absicherung des wirtschaftlichen Werts einer Investition durch Investitionsgarantien. Ebenfalls zu diesem Bereich werden in diesem Buch Ansätze zur Regulierung multinationaler Unternehmen gezählt.

Das Recht des internationalen Währungs- und Finanzverkehrs. Hierunter wird das internationale Währungs- und Finanzsystem verstanden, wie es in den sog. Abkommen von Bretton Woods zur Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank materiell (z.B. flexible Wechselkurse) und institutionell (z.B. durch Vergabe von Krediten an Staaten zur Überbrückung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten) ausgestaltet wird.

36

Getrennt von diesen drei Kerngebieten behandelt das Lehrbuch das Entwicklungsvölkerrecht, das Internationale Wettbewerbsrecht sowie das Recht der außereuropäischen regionalen Wirtschaftsintegration (NAFTA, Mercosur, etc.), da es sich um Sondermaterien des Wirtschaftsvölkerrechts handelt, die handels-, investitions- und finanzrechtliche Aspekte enthalten, sich jedoch besser als geschlossene Materien darstellen lassen.

37

Das vorliegende Lehrbuch befasst sich nicht mit dem internationalen Steuerrecht[3], obwohl es nach der hier entwickelten Definition jedenfalls in Teilen auch zum Wirtschaftsvölkerrecht zählt. Der Ausschluss des internationalen Steuerrechts legitimiert sich durch die Komplexität der Materie, die sich erst bei vertieften Kenntnissen des nationalen Steuerrechts erschließt und dadurch, dass das internationale Steuerrecht klassischerweise nicht als Teil des Wirtschaftsvölkerrechts gelehrt wird.

38

Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Lehrbuchs sind Elemente anderer völkerrechtlicher Teilordnungen, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen, wie z.B. die seerechtlichen Regeln über die ausschließliche Wirtschaftszone oder die Bewirtschaftung des Meeresbodens, umweltvölkerrechtliche Handels- und Verbringungsverbote gefährlicher Stoffe oder die Regeln des Rechts der kollektiven Sicherheit über Handelssanktionen. Diesen Materien ist gemein, dass sie nicht in erster Linie auf die Regelung von internationalen Wirtschaftsbeziehungen abzielen, sondern diese lediglich betreffen und andere Zwecke verfolgen. Sie werden in der Ausbildungspraxis regelmäßig als Teil des allgemeinen Völkerrechts oder in eigenen Spezialveranstaltungen (Seerecht, Umweltvölkerrecht, etc.) gelehrt. Für Darstellungen dieser Materien kann auf die allgemeinen völkerrechtlichen Lehrbücher verwiesen werden.

Lösungshinweise zum Ausgangsfall

Zivilrechtliche Ansprüche mit Auslandsbezug richten sich grundsätzlich nach einer innerstaatlichen Rechtsordnung, auf die das internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) verweist. Völkerrechtlich begründetes Einheitsrecht geht jedoch vor (Art. 3 Abs. 2 EGBGB). Bei Kaufverträgen findet das einheitliche UN-Kaufrecht (CISG) Anwendung, wenn die Vertragsparteien ihren Aufenthalt in Staaten haben, die Parteien des CISG sind (Art. 1 Abs. 1 CISG). Da sowohl China als auch die Bundesrepublik Deutschland Mitglieder des CISG sind, findet das CISG auf den Vertrag zwischen G und T Anwendung. Die Pflichten der Parteien werden durch die INCOTERMS-Klausel „CIF“ konkretisiert, deren Bedeutung gem. Art. 9 CISG Vertragsinhalt geworden ist.

Nach Art. 45 Abs. 1 lit. b) CISG kann der Käufer Schadensersatz verlangen, wenn der Verkäufer seine Pflichten nicht erfüllt hat. Zu den Verkäuferpflichten gehört gem. Art. 35 Abs. 1 CISG, die Waren vertragsgemäß zu liefern. Daher kann G von T Schadensersatz nach dem CISG verlangen.

Ansprüche der G auf die zollrechtliche Freigabe der Textilien und auf Erteilung einer Einfuhrlizenz richten sich nach dem europäischen Außenwirtschafts- und Zollrecht. Da dieses jedoch von den Behörden der Mitgliedstaaten der EU ausgeführt wird, wird der Rechtsschutz von nationalen Gerichten gewährt. Will G gegen die Ablehnung der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr vorgehen, muss sie sich an das Finanzgericht wenden. Will G gegen die Versagung der Einfuhrgenehmigung durch das BAFA vorgehen, muss sie sich an das Verwaltungsgericht wenden. Sind Fragen der Auslegung des Unionsrechts erheblich, können beide Gerichte den EuGH gem. Art. 267 AEUV anrufen.

Das europäische Außenwirtschafts- und Zollrecht muss mit dem Wirtschaftsvölkerrecht, insbesondere dem WTO-Recht, übereinstimmen. Das Übereinkommen zwischen der EU und der VR China, auf dem die Einfuhrbeschränkungen beruhen, verstößt möglicherweise gegen das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen gem. Art. XI GATT oder das Verbot freiwilliger Ausfuhrbeschränkungen gem. Art. 11 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen.[4] Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das WTO-Recht jedoch nicht unmittelbar anwendbar, so dass sich G in einem Gerichtsverfahren nicht darauf berufen kann (dazu Teil 2 Rn. 296 ff.).

Lern- und Wiederholungsfragen zu Teil 1 I.:

1.

Identifizieren Sie einige nationale, europäische und völkerrechtliche Regeln, die einen internationalen Warenkauf berühren können.

2.

Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dem Wirtschaftsvölkerrecht und den völkerrechtlichen Grundlagen des Einheitsrechts?

3.

Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dem Wirtschaftsvölkerrecht und dem Außenwirtschaftsrecht?

Anmerkungen

[1]

Z.B. Qureshi/Ziegler, International Economic Law, 4. Aufl., 2019, und Lowenfeld, International Economic Law, 2. Aufl., 2008.

[2]

Carreau/Julliard, Droit international économique, 6. Aufl., 2017.

[3]

Dazu Wilke/Weber, Lehrbuch Internationales Steuerrecht, 15. Aufl., 2020.

[4]

Dazu Teil 2 Rn. 430.

Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

II.Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

 

Literatur:

Krajewski, Völkerrecht, 2. Aufl., 2020; von Arnauld, Völkerrecht, 4. Aufl., 2019; Herdegen, Völkerrecht, 19. Aufl., 2020; Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 8. Aufl., 2019; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018; Geiger, Staatsrecht III: Bezüge des Grundgesetzes zum Völker- und Europarecht, 7. Aufl., 2018; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 11. Aufl., 2020; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017; Hölscheidt/Ridinger/Zitterbart, Grundzüge des Völkerrechts und seine Bezüge zum Europa- und Verfassungsrecht, Teil 1 und 2, JURA 2005, 83 und 224.

Ausgangsfall

Der bayerische Unternehmer Sepp Franzlmeyer schloss mit der Regierung der Republik Archaien einen Vertrag über die Lieferung von mehreren Turbinen für Wasserkraftwerke in Archaien. Nach Lieferung und Installation der Turbinen weigerte sich die Regierung, den vollen Kaufpreis zu bezahlen. Der Vertrag zwischen Archaien und Franzlmeyer enthält eine Schiedsklausel, wonach Streitigkeiten durch ein bei der Handelskammer in Stockholm einzusetzendes Internationales Schiedsgericht entschieden werden sollen. In dem Verfahren beruft sich Archaien auf seine Staatenimmunität. Das Schiedsgericht hält diesen Einwand für unbegründet und verurteilt Archaien zur Zahlung von 2,35 Mio. US-Dollar zuzüglich Zinsen an Franzlmeyer. Dieser Schiedsspruch wurde durch das zuständige deutsche Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt.

Franzlmeyer betreibt nun die Zwangsvollstreckung aus diesem Schiedsspruch und beantragt beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten die Pfändung sämtlicher Ansprüche der Republik Archaien gegen Mieter von Räumlichkeiten im Archaischen Haus der Wissenschaft und Kultur (AHKW) in Berlin, das im Eigentum Archaiens steht. Gegen den antragsgemäß erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss legt die Botschaft von Archaien Erinnerung ein und beruft sich auf die staatliche Immunität Archaiens im Vollstreckungsverfahren. Sie führte aus, dass das AHKW Zwecken der Außenkulturpolitik diene. Außerdem beruft sie sich auf Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität. Das Vollstreckungsgericht half der Erinnerung nicht ab, da das AHKW jedenfalls auch ein kommerzielles Unternehmen sei. Im Übrigen gelte Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität nur für die Vollstreckung gerichtlicher Urteile und nicht für Schiedsgerichtsentscheidungen. Wie entscheidet das Beschwerdegericht über die Rechtsbeschwerde Archaiens?

Hinweis: Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität lautet: „In einem Vertragsstaat darf gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat.“ Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragspartei dieses Übereinkommens; Archaien hat es unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert.

Sachverhalt nach BVerfG, NJW 2012, 293 und BGH, NJW 2010, 769

39

Da das Wirtschaftsvölkerrecht Teilgebiet des Völkerrechts ist, gilt das allgemeine Völkerrecht auch in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Die Grundzüge des allgemeinen Völkerrechts, soweit sie für das Wirtschaftsvölkerrecht relevant sind, sollen daher im Folgenden überblicksartig dargestellt werden. Für eine vertiefte Befassung muss auf die völkerrechtliche Lehrbuchliteratur verwiesen werden.

40

Die Grundlagen des Völkerrechts erschließen sich am besten, wenn man zunächst die Subjekte des Völkerrechts und seine Rechtsquellen und danach einige zentrale Rechtsprinzipien des Völkerrechts betrachtet. Zu klären ist schließlich auch das Verhältnis des Völkerrechts zum innerstaatlichen Recht.

Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts › 1. Völkerrechtssubjekte

1.Völkerrechtssubjekte

41

Wie jede Rechtsordnung muss das Völkerrecht die Frage beantworten, welche Personen von der Rechtsordnung als Subjekte anerkannt werden. Die Völkerrechtssubjektivität bestimmt sich dabei nicht danach, welche Institutionen und Personen in den internationalen Beziehungen tatsächlich eine Rolle spielen. Vielmehr kommt es darauf an, dass einer Person oder Institution durch die Völkerrechtsordnung die Fähigkeit zuerkannt wird, Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu sein. Völkerrechtssubjekte sind Subjekte, deren Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt werden kann.

42

Völkerrechtssubjekte sind nicht identisch mit den Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Unter Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind alle Institutionen und Personen zu verstehen, deren Verhalten sich auf den internationalen Austausch von Gütern, Kapital und Arbeitskraft bezieht. Dazu zählen neben den Staaten und internationalen Organisationen vor allem die natürlichen und juristischen Personen, die an diesem Austausch direkt beteiligt sind, insbesondere die international tätigen Unternehmen.

a)Staaten

43

Auch wenn in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Globalisierung staatliche Grenzen an Bedeutung verlieren und staatliche Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten verschwinden, gehören Staaten weiterhin zu den zentralen Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Staaten spielen für das Wirtschaftsvölkerrecht eine doppelte Rolle: Zum einen wirken sie durch die innerstaatliche und völkerrechtliche Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung und durch die Beachtung bzw. Verletzung der rechtlichen Regeln auf die Rahmenbedingungen internationaler Wirtschaftsbeziehungen ein (Rolle als Rechtssubjekt). Zum anderen beteiligen sie sich auch selbst am wirtschaftlichen Austausch, etwa durch die Ausbeutung und den Verkauf von Rohstoffen durch staatliche Monopole oder Staatsunternehmen (Rolle als Wirtschaftssubjekt). Die Rolle des Staats als Wirtschaftssubjekt ist jedoch durch den Bedeutungsverlust planwirtschaftlicher Modelle und im Zuge der weltweiten Privatisierung von Staatsunternehmen deutlich zurückgegangen.

44

Da das Völkerrecht als „zwischenstaatliches“ Recht verstanden wird, setzt es die Völkerrechtssubjektivität der Staaten notwendig voraus. Staaten leiten ihre Völkerrechtssubjektivität von keinen anderen Rechtssubjekten ab: Sie sind originäre (oder „geborene“) Völkerrechtssubjekte. Ihre Völkerrechtssubjektivität ist nicht auf bestimmte Materien beschränkt (absolute Völkerrechtssubjektivität) und gilt gegenüber allen anderen Völkerrechtssubjekten (generelle Völkerrechtssubjektivität).

45

Ein Staat definiert sich im Völkerrecht auf der Grundlage der von Georg Jellinek begründeten Drei-Elemente-Lehre durch ein abgegrenztes Territorium (Staatsgebiet), eine ständige Bevölkerung (Staatsvolk) und eine effektive, dauerhafte Regierung (Staatsgewalt). Als viertes Element wird z.T. die Fähigkeit, mit anderen Staaten Beziehungen aufnehmen zu können genannt, die jedoch regelmäßig bei Vorhandensein einer effektiven und dauerhaften Regierung gegeben sein wird. Der Anerkennung eines Staats durch andere Staaten oder internationale Organisationen kommt keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung zu.

46

Die Grenzen des Territoriums eines Staats müssen im Wesentlichen feststehen, d.h. der Staat muss über ein anerkanntes Kerngebiet verfügen. Das Territorium bedarf keiner Mindestgröße. Auch sog. Klein- oder Mikrostaaten sind Staaten i.S. des Völkerrechts. Das Staatsgebiet muss Teil der (natürlichen) Erdoberfläche sein; eine Bohrinsel kann also kein Staatsgebiet sein. Es umfasst in räumlicher Hinsicht neben dem Landgebiet (einschließlich der Binnengewässer) auch das Erdreich unter dem Landgebiet und den Luftraum über dem Staatsgebiet. Auf dem Meer wird das Küstenmeer bis zu einer Entfernung von 12 Seemeilen von der Küste hinzugezählt. Die sog. Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die bis zu 200 Seemeilen ab der Küste umfassen kann, ist nicht Teil des Staatsgebiets. Der Staat verfügt hier jedoch über das ausschließliche Recht der wirtschaftlichen Nutzung (vor allem Fischerei-Rechte).

47

Auch die Bevölkerung eines Staats muss keine Mindestgröße erreichen. Sie muss auch keine ethnisch, religiös oder sprachlich homogene Gruppe sein. Erforderlich ist lediglich eine gewisse dauerhafte Verbundenheit mit dem Staat. Regelmäßig wird diese bei natürlichen Personen durch die Staatsangehörigkeit ausgedrückt. Juristische Personen verfügen über keine Staatsangehörigkeit; ihre Zuordnung zu einer nationalen Rechtsordnung (Staatszugehörigkeit) erfolgt über das Gesellschaftsstatut.[1]

48

Von zentraler Bedeutung für die Staatsqualität ist die Ausübung einer effektiven und dauerhaften Staatsgewalt. Dazu zählt die Fähigkeit einer Regierung, das Staatsgebiet und die Bevölkerung nach innen effektiv und dauerhaft zu kontrollieren und die staatliche Ordnung zu organisieren (innere Souveränität). Zum anderen ist erforderlich, dass der Staat unabhängig von anderen Staaten oder internationalen Organisationen nach außen selbstständig handeln kann (äußere Souveränität).

49

Wird in einem Staat insgesamt keine effektive Staatsgewalt mehr ausgeübt, spricht man von einem „failed state“. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich in einem Staat mehrere rivalisierende Gruppen bekämpfen und öffentliche Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden (Bsp. Somalia nach 1991). Der „failed state“ bleibt jedoch weiterhin Völkerrechtssubjekt; ihm fehlt allerdings die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit.

50

Hat sich auf einem Territorium eine neue Herrschaftsgewalt etabliert, deren Dauerhaftigkeit noch nicht sicher ist, kann man von einem stabilisierten (lokalen) de facto-Regime sprechen. Ein Gebiet, auf dem ein de facto-Regime etabliert ist, hat noch keine Staatseigenschaften. Das de facto-Regime wird aber als partielles Völkerrechtssubjekt anerkannt, so dass es etwa den Schutz des eigenen Territoriums beanspruchen kann. Das Regime der Taliban, das zwischen 1996 und 2001 über wesentliche Teile des Gebiets von Afghanistan herrschte, wurde als de facto-Regime bezeichnet.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 105 f.

b)Internationale Organisationen

51

In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen spielen internationale Organisationen eine zentrale Rolle.[1] Dies gilt sowohl für globale Organisationen, d.h. Organisationen mit universeller (z.B. Vereinte Nationen[2], Internationaler Währungsfonds, Weltbank) oder nahezu universeller Mitgliedschaft (z.B. WTO) als auch für regionale Organisationen (z.B. OECD[3]), insbesondere regionale Integrationsorganisationen wie die Afrikanische Union oder Mercosur.[4]

52

Die Europäische Union nimmt eine Sonderstellung unter den internationalen Organisationen ein. Aufgrund ihrer umfassenden Kompetenzen hat sie vor allem in den internationalen Handelsbeziehungen die Mitgliedstaaten als eigenständige Akteure fast vollständig verdrängt. Auch in anderen Bereichen des Wirtschaftsvölkerrechts, wie dem Investitionsrecht, Wettbewerbsrecht und beim Abschluss von regionalen Handelsabkommen, lässt sich die Rolle der EU eher mit der eines Staates vergleichen als mit der einer herkömmlichen internationalen Organisation.

53

Die Völkerrechtssubjektivität der internationalen Organisationen leitet sich von der Völkerrechtssubjektivität der Staaten ab und wird daher auch als derivativ bezeichnet („gekorene Völkerrechtssubjekte“). Sie ist regelmäßig partiell, d.h. sie gilt nur für bestimmte Materien oder Sachgebiete. Zumeist ist sie auch relativ oder partikular, d.h. sie gilt nur gegenüber bestimmten anderen Völkerrechtssubjekten.

54

Die Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen wird durch den Willen ihrer Gründungsmitglieder begründet, die Organisation mit Rechten und Pflichten auszustatten. Die Begründung der Rechtspersönlichkeit kann sich ausdrücklich aus dem Gründungsvertrag der internationalen Organisation ergeben, wie z.B. im Fall der WTO.

Art. VIII:1Übereinkommen zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO)

Die WTO besitzt Rechtspersönlichkeit; von jedem ihrer Mitglieder wird ihr die Rechtsfähigkeit eingeräumt, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

55

Art. VIII:1 WTO-Übereinkommen begründet nicht nur ausdrücklich die Völkerrechtssubjektivität der WTO, sondern macht auch deutlich, dass die Fähigkeit, Trägerin von Rechten zu sein, der WTO von ihren Mitgliedern eingeräumt wird. Außerdem zeigt Art. VIII:1, dass die Rechtsfähigkeit der WTO partiell ist, da sie auf den Umfang beschränkt ist, der „zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist“.

56

Die Völkerrechtspersönlichkeit internationaler Organisationen kann sich auch implizit aus dem Gründungsvertrag ergeben. Dies hat der Internationale Gerichtshof z.B. für die Charta der Vereinten Nationen angenommen. In seinem Gutachten über die Frage, ob die Vereinten Nationen gegenüber einem Staat Ansprüche wegen der Ermordung eines UN-Bediensteten gelten machen können, bejahte der IGH die Völkerrechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen mit einer funktionalen Perspektive. Die Vereinten Nationen könnten ihre Aufgaben nach der UN-Charta nur erfüllen, wenn sie Völkerrechtssubjekt seien.[5]

57

Die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation gilt zunächst nur gegenüber ihren Mitgliedern. Gegenüber Nicht-Mitgliedern wird sie erst begründet, wenn diese die Völkerrechtspersönlichkeit der internationalen Organisation mittels einer förmlichen Erklärung oder durch die Begründung von rechtlichen Beziehungen faktisch anerkennen. Hierin zeigt sich, dass die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation relativ ist. Die Völkerrechtspersönlichkeit gilt nur gegenüber Mitgliedern und solchen Nicht-Mitgliedern, die diese ausdrücklich anerkannt haben.

Anmerkungen

[1]

Ausführlich dazu Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl., 2015.

[2]

Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, §§ 6-8.

[3]

Organisation for Economic Cooperation and Development. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von überwiegend europäischen und nordamerikanischen Industrie- und Schwellenländern mit Sitz in Paris.

[4]

Zu regionalen Integrationsorganisationen siehe Teil 7.

[5]

IGH, Reparations for Injuries, Gutachten vom 11.4.1948, ICJ Reports 1949, 174, 179. Siehe auch Dörr, Kompendium völkerrechtlicher Rechtsprechung, 2. Aufl., 2014, Fall 10.

c)Individuen

58

Individuen wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts generell keine Völkerrechtssubjektivität zugebilligt. Soweit das Völkerrecht Rechte und Pflichten für Individuen begründete, galten diese zunächst nur für die Staaten. Rechte und Pflichten, die sich auf Individuen bezogen, mussten zunächst in staatliches Recht umgesetzt werden. Auf völkerrechtlicher Ebene konnten diese Rechte nur von Staaten wahrgenommen werden. Das Individuum trat aus völkerrechtlicher Sicht stets nur als Angehöriger eines Staats in Erscheinung („Mediatisierung des Individuums“).

59

Diese Auffassung ist heute überholt. Zwar können nach wie vor völkerrechtliche Individualrechte von den Staaten im Wege des diplomatischen Schutzes eingefordert werden.[1] Die regional und international verbürgten Menschenrechte können jedoch unmittelbar geltende völkerrechtliche Rechte für Individuen begründen. Dies gilt insbesondere für die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). In jüngster Zeit werden zunehmend auch Pflichten von Individuen angenommen, z.B. im entstehenden Völkerstrafrecht. Insofern geht man heute davon aus, dass Individuen jedenfalls eine partielle Völkerrechtssubjektivität zukommen.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 103 f.

d)Transnationale Unternehmen

60

Transnationale oder multinationale Unternehmen, d.h. Unternehmen, die durch Zweigniederlassungen in mehr als einem Staat wirtschaftlich tätig sind, gehören zu den Hauptakteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Sie sind für einen großen Teil des internationalen Waren- und Dienstleistungshandels, der ausländischen Direktinvestitionen und des internationalen Kapital- und Zahlungsverkehrs verantwortlich. Die wirtschaftliche Macht transnationaler Unternehmen zeigt sich plastisch daran, dass die Jahresumsätze mancher Unternehmen das Bruttoinlandsprodukt zahlreicher Staaten um ein Vielfaches übersteigen. Transnationale Unternehmen beeinflussen auch die Aushandlung völkerrechtlicher Verträge, wie z.B. der Einfluss US-amerikanischer Unternehmen auf die Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen der WTO (GATS) und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) zeigt.[1]

61

Trotz ihrer tatsächlichen Bedeutung für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und das Wirtschaftsvölkerrecht ist die rechtliche Qualifizierung von multinationalen Unternehmen aus völkerrechtlicher Sicht, insbesondere die Frage einer Völkerrechtssubjektivität, hochumstritten.[2] Nach überwiegender Auffassung sind multinationale Unternehmen keine Völkerrechtssubjekte, da es (derzeit noch) keine unmittelbar geltenden Völkerrechtsregeln gibt, durch die multinationalen Unternehmen direkte Rechte und Pflichten übertragen werden.

62

Die Frage der Völkerrechtssubjektivität transnationaler Unternehmen ist jedoch nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr ist zu prüfen, ob transnationalen Unternehmen im Einzelfall durch völkerrechtliche Normen Rechte oder Pflichten übertragen wurden. In Investitionsschutzverträgen kann multinationalen Unternehmen z.B. das Recht eingeräumt werden, Streitigkeiten im Rahmen einer Investor-Staat-Streitschlichtung[3] zu lösen. Wenn dieses Recht unabhängig von der Zustimmung des Sitzstaats ausgeübt werden kann, begründet der Vertrag für multinationale Unternehmen eine völkerrechtliche Rechtsposition. In einem solchen Fall ist auch eine partielle Völkerrechtssubjektivität multinationaler Unternehmen anzunehmen.

63

In gleicher Weise ist denkbar, dass durch eine völkerrechtliche Norm Pflichten für transnationale Unternehmen begründet werden.[4] Allerdings sind die Kodizes für das Verhalten transnationaler Unternehmen, die in internationalen Organisationen bisher entwickelt wurden, stets unverbindliche Richtlinien geblieben. Dies gilt sowohl für die von der ILO 1977 angenommene und 2017 zuletzt geänderte „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises“[5] als auch für die von der OECD 1976 erlassenen und zuletzt 2011 überarbeiteten „OECD Guidelines for Multinational Enterprises“.[6]

64

Da diese Richtlinien nur Erwartungen der Staaten gegenüber transnationalen Unternehmen enthalten, begründen sie keine völkerrechtlichen Pflichten. Ein Verstoß gegen sie führt nicht zu einer Völkerrechtsverletzung. Da das Völkerrecht multinationalen Unternehmen somit Rechte, aber (noch) keine Pflichten überträgt, kann man von einer asymmetrischen, partiellen Völkerrechtssubjektivität dieser Unternehmen ausgehen. Die Asymmetrie zwischen Rechten und Pflichten ist nicht ungewöhnlich: Auch die Rechtsstellung von Individuen enthielt zunächst nur völkerrechtliche Rechte. Erst später wurden auch Pflichten begründet.

Anmerkungen

[1]

Dazu Teil 2 Rn. 434, 496.

[2]

Nowrot, Nun sag, wie hast du‘s mit den Global Players? Die Friedenswarte 2004, 119.

[3]

Dazu Teil 3 Rn. 656 ff.

[4]

Dazu Teil 3 Rn. 691 ff.

[5]

Dazu Teil 3 Rn. 708 ff.

[6]

Dazu Teil 3 Rn. 705 ff.

e)Nichtregierungsorganisationen

65

Nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen (Non-governmental organisations, NGOs) spielen in den internationalen Beziehungen eine zunehmende Rolle. Dies gilt vor allem für den internationalen Menschenrechtsschutz (z.B. Amnesty International) und den Umweltschutz (z.B. Greenpeace, WWF). In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind vor allem Unternehmensverbände und -zusammenschlüsse (z.B. die internationale Handelskammer, ICC oder der Dachverband der europäischen Industrie, UNICE) und zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich kritisch mit dem gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem auseinandersetzen (z.B. ATTAC) von praktischer Bedeutung.

66

Von wenigen Ausnahmen vor allem in regionalen Menschenrechtskonventionen abgesehen begründet das Völkerrecht keine Rechte und Pflichten für Nichtregierungsorganisationen.[1] Gleichwohl unterhalten einige internationale Organisationen förmliche Kontakte zu diesen Organisationen. So werden z.B. NGOs im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) verschiedene Beteiligungsrechte eingeräumt. Andere internationale Organisationen, wie etwa die WTO, verstehen sich in erster Linie als Organisation von Staaten und lehnen förmliche Beziehungen zu NGOs ab.

Anmerkungen

[1]

Hobe, Die Völkerrechtssubjektivität internationaler nichtstaatlicher Organisationen, AVR 37 (1999), 152.

Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts › 2. Rechtsquellen des Völkerrechts

2.Rechtsquellen des Völkerrechts

67

Die allgemein anerkannten Rechtsquellen des Völkerrechts werden in Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH-Statut)[1] aufgeführt.

Wichtige Norm: Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut

1.

Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an

(a)

internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind;

(b)

das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung;

(c)

die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze;

(d)

vorbehaltlich des Artikels 59 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen.

68

Die Rechtsquellen des Völkerrechts sind demnach völkerrechtliche Verträge (Art. 38 Abs. 1 lit. a) IGH Statut), Völkergewohnheitsrecht (Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH Statut) und die allgemeinen Rechtsgrundsätze