Wohlstand neu denken - Horst Opaschowski - E-Book

Wohlstand neu denken E-Book

Horst Opaschowski

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Beschreibung

Lebe wohl, Wohlstand? - Die große Herausforderung für die nächste Generation

-Von den Warenwerten zu den wahren Werten: mehr Zeit zum Leben
-Konsum nach Maß für mehr Lebensqualität

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten findet eine Neubesinnung auf das Beständige statt. Und das ist immer weniger eine Frage des Geldes. Stattdessen richtet sich der Blick mehr auf das Wohlergehen: Gut leben statt viel haben! Von den Warenwerten zu den wahren Werten! »Immer besser« statt »immer mehr«.
Der Zukunftswissenschaftler Horst W. Opaschowski zeichnet in seinem neuen Buch ein weitsichtiges Bild der zukünftigen Konsumgesellschaft, in der die Menschen ihrem Dasein andere Schwerpunkte geben: Konsum ja, aber maßvoller, bewusster, kritischer und genussvoller Konsum, der der Steigerung der Lebensqualität dient und die ethische Komponente dabei fest im Blick hat.

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Seitenzahl: 246

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Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
Was sich in Zukunft ändert und wie sich das Leben verändert
 
Die nächste Generation. »Wir sind die Zukunft!«
Zukunftsvision: Die Beste aller möglichen Welten
Krisenprofis: Das Beste aus dem Leben machen
Lebenskünstler: Mehr Beständigkeit als Beliebigkeit
Generation V: Vertrauen wird zur wichtigsten Währung
Sinnsucher: Sehnsucht nach dem guten Leben
 
Copyright
Für die nächste Generation:Alexander und KarenIrina und Jörg
 
 
 
»Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit,in einer Welt, in der nichts sicher scheint.Gib mir in dieser schnellen Zeitirgendwas - was bleibt.«SILBERMOND, CD-Bestseller 2009
Was sich in Zukunft ändert und wie sich das Leben verändert
Die Wohlstandsgesellschaft entlässt ihre Kinder - in eine unsichere Zukunft. Die nächste Generation bis und um die dreißig tritt ein schweres Erbe an. Für sie wird es in Zukunft viel schwieriger, ebenso abgesichert und im Wohlstand zu leben wie die heutige Elterngeneration. Die Zahl der Geringverdiener wird größer. Und auch Studienabschlüsse schützen vor Niedriglöhnen nicht mehr (»Generation Praktikum«). In Wirtschaft und Gesellschaft stehen »Nullwachstum« und »Nullrunden« zur Diskussion. Der Wohlfahrtsstaat gerät in Finanznot. Und deutliche Abstriche im Niveau staatlicher Sozialleistungen sind zu erwarten.
Die nächste Generation wird Antworten auf die Frage finden müssen, wie sie zeitweilig auch Wohlstand ohne Wachstum erreichen kann. Wachsende Arbeitsplatzunsicherheit, sinkender Lebensstandard und drohende Altersarmut zeichnen sich als realistische Wohlstandswende für sie ab.
Die heute noch junge Generation der 14- bis 34-Jährigen will dennoch nicht am Leben vorbei leben: Sie wird mit ständigen Umwelt-, Bildungs- und Wirtschaftskrisen leben müssen - aber trotzdem das Beste aus dem Leben machen wollen. Ihre Einstellung zum Leben lässt schon heute darauf schließen: Geradezu krisenerfahren verhält sie sich beinahe so, als gehörten Krisen zur Normalität des Lebens, ja als ginge sie das laute Krisengejammer fast gar nichts an.
Diese Generation will ihren Zukunftsoptimismus unter allen Umständen retten. Ihre Lebenshaltung gleicht eher einer neuen Gelassenheit. Sie träumt weder vom materiellen Überfluss, noch ängstigt sie sich vor existenzieller Not. Diese Wedernoch-Generation definiert ihren Wohlstand einfach um und neu: Wohlhabend ist der, der mit sich zufrieden ist und gut und glücklich leben kann.
Dieses Wohlstandsleben, das persönliches Wohlergehen nachhaltig garantiert, bekommt die nächste Generation nicht einfach geschenkt. Sie muss neue prosoziale Kräfte freisetzen und den Wert einer Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit wiederentdecken. Je mehr die ökonomische Kraft in gesellschaftlichen Krisenzeiten erlahmt, desto mehr ist die soziale Kraft des Einzelnen gefordert - aber nicht aus purer Menschenliebe. Was auf den ersten Blick als »Gutmenschentum« gedeutet werden kann, ist in Wirklichkeit ein Ausdruck kalkulierten Gemeinsinns. Denn in Krisenzeiten gibt es zum Aufeinander-Angewiesensein keine Alternative. Wenn Zusammenrücken erforderlich wird, wächst zwangsläufig auch das Lager hilfsbereiter Egoisten, die an sich und andere denken.
Um sozial abgesichert zu sein und nicht sozial ausgegrenzt zu werden, muss die junge Generation bereit und in der Lage sein, in ihrer persönlichen Lebensplanung zwanzig, dreißig Jahre vorauszudenken. Die spürbaren Wohlstandseinbußen an Geld und Gütern werden für sie zur wichtigsten Antriebskraft für einen mehr sozialorientierten Lebensstil mit nachhaltigen Folgen. Die nächste Generation nimmt Abschied von einer Wachstumsillusion, die Wachstum »nur« in Geldgrößen misst. Wachsen sollen für sie auch Lebensqualität und Lebenszufriedenheit.
Die nächste Generation mag materiell ärmer werden und von drastischen Einschnitten ins soziale Netz besonders betroffen sein. Sie wird dennoch gestärkt aus jeder Krise hervorgehen, weil ihr gleichermaßen eigen- wie gemeinnütziges Denken materielle Wohlstandsverluste ausgleichen hilft. Sie lebt dann in einer Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit, in der mehr als bisher auch gemeinnützige Gegenleistungen erbracht werden müssen, wenn staatliche Sozialleistungen weiterhin in Anspruch genommen werden wollen. Die Frage »Wer zahlt die Zeche?« stellt sich für die nächste Generation kaum, weil sich beide - Staat und Bürger - mehr in die soziale Pflicht nehmen, gemeinsam Verantwortung tragen, nach Problemlösungen suchen und entsprechend handeln. Die nächste Generation verliert ihre Zukunftszuversicht nicht, weil sie an sich und ihre Fähigkeiten glaubt.
Andererseits muss sie neue politische Verteilungskämpfe befürchten. Massive Kürzungen staatlicher sozialer Leistungen stehen zur Diskussion: bei Wohn-, Kinder- und Arbeitslosengeld ebenso wie bei den Ausgaben für Umwelt, Bildung und Kultur. Wo sollen Einsparungen vorgenommen werden, damit die nächste Generation nicht nur Schulden erbt? Eigentlich war sie in den letzten drei Jahrzehnten als so genannte Erbengeneration um ihren Wohlstand beneidet worden. Treten die 14- bis 34-Jährigen als Generation der »Gekniffenen« (Peer Steinbrück 2009) wider Erwarten ein schweres Erbe an?
Oder lernt die als pragmatisch geltende Generation mit weniger materiellem Wohlstand genauso gut und glücklich zu leben - inmitten starker Familien, verlässlicher Generationenbeziehungen und nachbarschaftlicher Netzwerke? Diese Generation träumt von einer »besseren Welt« - mit großen Idealen, aber ohne dogmatische Ideologien. Und sie glaubt an ein »gutes Leben«. Selbst wenn der Lebensstandard auf breiter Ebene sinkt und viele Menschen ärmer werden - die nächste Generation will weiterhin das Beste aus ihrem Leben machen.
Die nächste Generation wird wieder mehr Wert auf die »Groß«-Familie legen, in der die Generationenbeziehungen mindestens so wichtig wie die Partnerbeziehungen sind wie z. B.
• Generationenwohnen unter einem Dach,
• Kinderbetreuung durch Großeltern und
• Altenbetreuung durch Kinder und Eltern.
Eine der nachhaltigsten Ressourcen der Zukunft wird die Solidarität zwischen den Generationen sein. Als Perspektive zeichnet sich ein konsumärmeres, aber dafür beziehungsreicheres Leben ab. Dies kann gelingen, wenn die heutige Elterngeneration eine entsprechende Beziehungs- und Bindungsqualität vorlebt, also die Beziehungen zwischen den Generationen pflegt und die nächste Generation zu dauerhaften Bindungen ermutigt.
Wissenschaftliche Grundlage des vorliegenden Zukunftsreports ist das vom Autor verfasste und 2009 in zweiter Auflage erschienene Buch »Deutschland 2030. Wie wir in Zukunft leben«. Auf rund 800 Seiten werden hier repräsentativ alle wesentlichen Daten und Fakten, Tabellen und Grafiken zur Zukunftsentwicklung Deutschlands dargestellt. Es ist ein Grundlagenwerk für die Fachwelt in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Das hier veröffentlichte Buch »Wohlstand neu denken. Wie die nächste Generation leben wird« wendet sich direkt an die junge Generation im Alter bis und um die dreißig, an Eltern, Lehrer und Erzieher, an Multiplikatoren und Entscheidungsträger in Jugendarbeit und politischer Bildungsarbeit. Es gibt konkrete Antworten auf die existenziellen Fragen der jungen Generation: Was kommt nach der Krise? Wie soll es weitergehen? Und: Wie werde ich zukunftsfähig?
 
Horst W. Opaschowski
Die nächste Generation. »Wir sind die Zukunft!«
Sieben Thesen zur Zukunft der Jugend von heute
• Die nächste Generation wird zum Krisenprofi ohne Zukunftsangst.
• »Tu was« heißt die Lebensdevise: Das Beste aus dem Leben machen.
• Die Zukunft gehört einer pragmatischen Generation, die im Gleichgewicht von alten und neuen Werten lebt.
• Die Generation der Ichlinge befindet sich auf dem Rückzug.
• Die Jugend lebt ein neues Gesellschaftsideal vor: »Ich helfe dir, damit auch mir geholfen wird.«
• In Konturen zeichnet sich das Bild einer neuen »Generation V« ab: Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit werden zur wichtigsten Währung für den sozialen Zusammenhalt.
• Die nächste Generation träumt von einer »besseren Welt« - mit großen Idealen, aber ohne dogmatische Ideologien.

Zukunftsvision: Die Beste aller möglichen Welten

Die Wiederaufbaugeneration nach dem Krieg war beseelt von dem Gedanken: »Unseren Kindern soll es einmal besser gehen!« Heute scheint eine ganz andere Forderung realistischer zu sein: »Unseren Kindern darf es künftig nicht schlechter gehen!« Mitte des 20. Jahrhunderts konnten die Amerikaner Kahn und Wiener noch die freudige Zukunftsbotschaft verkünden: »Ihr werdet es erleben!« In Davos rief Bill Clinton 2009 den versammelten Managern und Politikern eine ganz andere Heilsbotschaft zu: »Wir werden es überleben!«
Vor drei Jahrhunderten behauptete der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz in seinen »Abhandlungen zur Rechtfertigung Gottes« (1710): Wir lebten »in der besten aller möglichen Welten«. Im 21. Jahrhundert müssten wir ergänzen: »… wenn wir daran arbeiten (und nicht nur daran glauben).« Dazu aber brauchen wir einen selbstbewussten und tatkräftigen (nicht blinden und naiven) Optimismus - in einer Mischung aus Hoffen und Handeln, Wagen und Tun.
Krisen, Kriege und Katastrophen können wir auch in Zukunft nicht verhindern. Aber es lohnt sich, aus der vermeintlichen Schicksalhaftigkeit von Endzeitdiagnosen und »German angst« frühzeitig auszusteigen. Wenn die nächste Generation wirklich die beste aller möglichen Welten vorfinden soll, dann müssen wir heute schon die Welt verbessern und unser Leben zum Besseren umgestalten. Dies ist eine zeitaufwendige Lebensaufgabe. Und die beginnt: Jetzt! Es ist schließlich kein Zufall, dass mittlerweile selbst Gewerkschaften Kampagnen zum »Guten Leben« (IG Metall 2009) ausrufen. Zuversicht sollte unser künftiges Leben prägen. Und eine positive Vision sollte nur denen Angst machen, die von der Angst leben.
Erinnern wir uns: 1963 versammelten sich in der Frankfurter Paulskirche so unterschiedliche Persönlichkeiten wie John F. Kennedy, Carl Friedrich von Weizsäcker und Georg Picht. Sie forderten neue Wege in die Welt von morgen und erklärten ihre Bereitschaft, als Visionäre die Zukunft vorwegzunehmen. Am Beginn einer neuen Epoche könne man mit rückwärts gewandtem Pessimismus den Kampf um die Zukunft nicht mehr gewinnen. John F. Kennedy sprach seinerzeit von »unserer Mission« und forderte für die Zukunft »ein besseres Leben« mit der Begründung: »Wir sind alle Visionäre« (1).
Zeitsprung - fast ein halbes Jahrhundert später: 20. Januar 2009. Der amerikanische Präsident Barack Obama kündigt in seiner Regierungserklärung eine neue Ära der Verantwortung an, damit kommende Generationen »ein besseres Leben« führen können. Die Zeit der Untätigkeit sei nun endgültig vorbei. Wer vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise die Zukunft erleben und nicht nur erleiden will, soll sich nach Obama »aufrichten, den Staub abschütteln und beginnen«. Obamas Botschaft für die Amerikaner lautet: Packen wir die Krise gemeinsam an und schaffen wir - wie die ›Gründungsväter‹ und Pioniere - eine lebenswerte Zukunft!
Auf die heutige Erwachsenengeneration in Deutschland wartet eine zweite Wiederaufbauleistung, bei der sie Spuren und nicht nur Staub hinterlassen soll. Auf gut Deutsch: Die Ärmel hochkrempeln - und loslegen. Aus Verantwortung für die nächste Generation, für die Kinder und Enkelkinder. Ihnen soll es nicht schlechter gehen. Ja, sie sollen möglichst besser leben und nicht nur überleben.
Daher brauchen wir Mut machende Visionen, die immer auch ein Stück Gesellschaftskritik sein müssen und die auf Schwächen der Vergangenheit und Fehler von heute hinweisen sollen. Nicht zufällig gehören »Wagnis« und »Weg« etymologisch zusammen, so wie die Chinesen für »Krise« und »Chance« nur ein Schriftzeichen kennen. Die Krise wird zur Chance.

Krisenprofis: Das Beste aus dem Leben machen

Die Romanautorin Katharina Hacker, 2006 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, nannte die in den Wohlstandszeiten der achtziger und neunziger Jahre aufgewachsene Generation einmal »Die Habenichtse«: Diese Generation hatte eigentlich alles, was sie brauchte - und stand doch mit leeren Händen da. Sie hatte alle Möglichkeiten und Handlungsfreiheiten und schien doch unfähig zu sein, verbindliche Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Stattdessen empfand sie jeden Geburtstag nur als Zusammenfassung eines verstrichenen Jahres. Denn für das, was hinter ihr lag, genügte die bloße Zusammenfassung. Ansonsten zog sie gerne um, kaufte öfter etwas Neues und hatte am Ende doch nichts Beständiges. Irgendwie fehlte ihr ein Kern Hoffnung - und dann und wann ein Ausbruch. Sie spielte zwar die Rolle des Matchmakers, blieb aber doch ein Habenichts, der es satt hatte, dass nichts Außergewöhnliches mehr geschah. Selbst der 11. September 2001 und seine Folgen erschütterte das Lebensgefühl dieser Generation nicht nachhaltig. Fast jeder Wunsch schien in Erfüllung zu gehen - und doch fehlte ihr etwas: Die junge Generation machte keine Pläne fürs Leben mehr. Und so endet Hackers Roman auch, wie er begonnen hat. »Alles wird anders« heißt es am Anfang. Und: »Es wird anders« heißt es auch am Schluss (2). Die Konsequenz ist klar: Wenn morgen wirklich alles anders und besser werden soll, dann kann es sich eine solche Generation nicht länger leisten, zu wenig aus ihrem Leben zu machen.
Die ehemalige »Generation X« (als Synonym für die Jugend in der westlichen Welt) ist mittlerweile selbst in die Jahre gekommen: »Man wird so schnell alt! Die Zeit rast nur so dahin«, schrieb der kanadische Kultschriftsteller Douglas Coupland bereits 1991 in seinem Roman »Generation X« (3). Coupland hatte damals die in den sechziger und siebziger Jahren Geborenen im Blick, die Nach-Baby-Boomer. Von den unter Dreißigjährigen waren etwa zwei Drittel der Meinung, dass es für ihre Generation viel schwieriger geworden sei, ebenso angenehm zu leben wie vorausgegangene Generationen. Sie waren übersättigt. Die meisten hatten nur mehr zwei oder drei wahrhafte interessante Momente im Leben, der Rest war Füllmenge.
Auf dem Höhepunkt der Wohlstandsentwicklung gaben sie sich mitunter als Minimalisten und Anhänger einer besonderen Lebensstil-Taktik: Gereizt und gelangweilt vom Wohlstandskonsum erklärten sie das Nichtbesitzen von materiellen Gütern zum Statussymbol und zogen daraus ein Gefühl von moralischer und intellektueller Überlegenheit. Das war Zynismus pur. Denn die Generation X fühlte sich in Wirklichkeit vom gesellschaftlichen Leben weitgehend »eXcluded«, also ausgeschlossen und ausgegrenzt.
Aus der Generation X ist Ende der neunziger Jahre die Generation @ geworden. Sie gab erste konkrete Antworten auf das Phänomen der Ausgrenzung: Sie schuf sich eine eigene (mediale) Welt, eine neue Form der digitalen Cliquenkultur zwischen Facebook und StudiVZ. Seither pflegt diese Generation in ihren sozialen Netzwerken des Internet ihre Freundschaftskontakte intensiv und zugleich öffentlich - weil sie glaubt, ganz unter sich zu sein. Das Internet ist für sie auch zur Menschensuchmaschine geworden.
Die Generation @ macht den Bildschirm zum interaktiven Medium und die Welt zum globalen Dorf. Sie will nicht länger »nur« in der passiven Rolle des Zuschauers verharren, sondern auch zum Akteur in einer digitalen Welt werden. Konsumieren, sich berieseln und unterhalten zu lassen sterben deswegen nicht aus. Die Elterngeneration kommt mit dieser Art von Lebensvielfalt und Lebenstempo oft kaum mehr mit. Sie droht auf der Strecke zu bleiben, während die junge Generation mit Technik und mit Spaß davoneilt.
Die Jugendphase als eine Vorbereitungsphase auf das spätere (Erwerbs-)Leben ist längst fragwürdig geworden. Die Kategorie Jugend scheint sich beinahe aufzulösen. Zu Zeiten beschleunigten sozialen Wandels gehört der ständige Generationenwechsel. So gesehen beschreibt der Generationsbegriff heute mehr ein Lebenskonzept und weniger eine Lebensphase. Gemeint sind veränderte Lebensziele und Lebensstile, wie sie insbesondere (aber nicht nur) von den 14- bis 34-Jährigen erlebt, ja geradezu »vorgelebt« werden.
»Die Generation um die dreißig« gibt es natürlich nicht. Aber es ist unverkennbar: Die Jungen, insbesondere die Urbanen und Gebildeten sind die Trendpioniere für einen neuen Lebensstil in Krisen- und Nach-Krisenzeiten. Heute noch eine Minderheit, morgen schon die Mehrheit. Doch Veränderungen künden sich immer in Minderheiten an.
Die nächste Generation verharrt nicht - wie das Kaninchen vor der Schlange - in Angst und Unsicherheitsgefühlen. Sie wird vielmehr zusammengehalten durch die gemeinsame Lebenserfahrung des sinkenden Lebensstandards.
Aufgewachsen in materiellen Wohlstandszeiten durchlebt sie jetzt die »Bedrohung ihres Wohlstandskokons« (4). Sie lebt prekär, aber krisenfest.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass »Hoffen« und »Hüpfen« die gleiche Wortwurzel haben und auf das gleiche Phänomen hinweisen: Wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen. Wenn »alles fließt« (Heraklit) oder die Welt wankt, kann der Mensch nicht unbeweglich bleiben oder im Stillstand verharren. Hier gilt eher: Wer eine lebenswerte Zukunft haben will, wartet nicht, bis die Zeit sich wandelt. Er packt sie kräftig an - und handelt.
Die nächste Generation ist krisenerfahren: Umwelt-, Bildungs- und Wirtschaftskrisen haben sie geprägt. Krisen sind für sie Normalität. Als so genannte »Krisenprofis« wissen sie: Die nächste Krise kommt bestimmt. Auch wenn die Zeichen der Zeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in eine ganz andere Richtung deuten: Die junge Generation von heute sieht positiv in ihre persönliche Zukunft. So unsicher die Zeiten auch sein mögen oder werden, verunsichert ist die junge Generation nicht. Für sie gilt: Das Beste aus dem Leben machen! Und das heißt: Das Beste aus sich herausholen: »Tu was!« Und hilf dir erst einmal selbst, statt nur auf die Hilfe von anderen zu warten.
Die jungen Leute machen zugleich die Erfahrung: Erlebnisse ohne Ersparnisse sind immer weniger möglich. Verliert die junge Generation im kommenden Sparzeitalter ihre Aura als Erlebnisgeneration? Das Leben bekommt dann eine andere Qualität als in den früheren Wohlstandszeiten. Hohe Arbeitslosigkeit auf der einen, steigende Lebenserwartung auf der anderen Seite lassen die Zukunft der nächsten Generation in einem anderen Licht erscheinen: Lebensstandardsicherung und Gesundheitserhaltung bis ins hohe Alter sowie neue Sinnorientierungen machen »ihr« Leben zu einer gleichermaßen ökonomischen wie sozialen Frage. Persönliche Zukunftsvorsorge heißt: die persönliche Lebensqualität erhalten und nachhaltig sichern.
Die junge Generation wird in zwanzig Jahren »die« leistungsfähige Generation der Mittdreißiger bis Mittfünfziger sein. Sie hat heute schon ganz klare Vorstellungen darüber, in welcher Gesellschaft sie dann leben will. Sie wünscht sich ein Leben in der Balance von materiellem und sozialem Wohlstand. Ihr Blick in die Zukunft beweist Realitätssinn.
Aus der ehemaligen Generation des »Ich will alles« der sechziger bis neunziger Jahre, die ihr Leben erleben und genießen und von multioptionalen Angeboten und Möglichkeiten träumen wollte, wird eine ebenso pragmatische wie ausgeglichene Generation, die im Gleichgewicht von alten und neuen Werten, von Konservativem und Progressivem zugleich lebt. Dabei beweist sie soziale Sensibilität, wünscht sich gleichermaßen ein Leben in sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit.

Lebenskünstler: Mehr Beständigkeit als Beliebigkeit

Die überwiegende Mehrheit der jungen Leute erhofft sich zudem für die Zukunft einen Sozialstaat, der sie vor Not, Armut und Arbeitslosigkeit schützt. Wohlstand soll es auch dann noch geben, aber gerechter auf alle verteilt. Und sie will auf ihre Weise den Generationenvertrag heute schon einlösen, indem sie eine Generationengesellschaft anstrebt, in der Alt und Jung konfliktlos miteinander leben und sich gegenseitig stützen und unterstützen können. Und das heißt: Mehr miteinander als gegeneinander.
Konsum statt Kinder? Das Geld, das Kinder kosten, lieber selbst ausgeben? Das war einmal. In den achtziger und neunziger Jahren wollte die junge Generation immer weniger von Kindern und Familiengründung wissen. Jetzt ist eine Trendwende feststellbar: Nicht mehr Sport, Hobby und Urlaubsreisen stehen im Zentrum des Lebens, sondern Kinder und Familie - mit steigender Tendenz. Beständigkeit ist wieder gefragt. Der Trend zur Individualisierung des Lebens hat seinen Zenit überschritten. Die Mehrheit der jungen Generation entdeckt den Wert von Verlässlichkeit wieder. Für den wachsenden Trend zur Beständigkeit spricht auch, dass die Ehen wieder stabiler werden. Sich ein Leben lang die Hand zu reichen wird wieder selbstverständlicher.
Für die nächste Generation wird die Familie kein Auslaufmodell und Konsum oder Kind keine wirkliche Alternative mehr sein. Wenn sich die veränderten Einstellungen der jungen Generation weiter stabilisieren, wird sich die junge Generation Zug um Zug vom Singledasein und der Kinderlosigkeit verabschieden. Dieser grundlegende Einstellungswandel wird sich natürlich nur langsam entwickeln und nicht gleich von heute auf morgen demografische Veränderungen zeigen. Dafür sprechen vor allem die noch immer großen Vorbehalte der jungen Männer, die deutlich mehr als junge Frauen Wert auf ihre persönliche Freiheit legen. Noch immer denken viele junge Männer bei Familie weniger an die eigene, sondern an ihre Elternfamilie, also an »Pension Mama«, in der sie als Nesthocker die Gründung einer eigenen Familie vor sich her schieben.
Dies alles gehört bald der Vergangenheit an, was durch die Einführung von Elterngeld und der »Vätermonate« noch beschleunigt werden kann. Die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist keine politische Tagesmode. Für Frauen und Männer ist es eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft, diese beiden Lebensbereiche zu einem harmonischen Ganzen zu integrieren. Die Politik und vor allem die Unternehmen müssen diesen stabilen Trend aktiv annehmen und gestalten - oder sie bekommen ihn passiv und mit negativen Folgen zu spüren. Die Gesellschaft der Ichlinge befindet sich auf dem Rückzug.
Die nächste Generation richtet sich auf ein ebenso langes wie selbstständig geführtes Leben ein: unterwegs und auf der Suche nach einer ausgeglichenen Balance zwischen Leistungs-, Genuss- und Sozialorientierung. Sie will im Leben etwas leisten und das Leben genießen, ist aber auch bereit - auf Gegenseitigkeit - anderen zu helfen.
Ein nachhaltiger Sinneswandel kündigt sich insbesondere bei der Jugend an. Ihre häufig kritisierte Egozentrik trägt eher Züge einer pragmatischen Solidarisierung: Ich helfe dir, damit auch mir geholfen wird. Da wird der Solitär zum Solidär. Ein neuer Typus von Solidarität entwickelt sich - jenseits von Pflichtgefühl und Helferpathos: Aus der Not heraus schließen sich junge Menschen zu einem Netzwerk als Beistandspakt zusammen und machen die Erfahrung des Aufeinander-Angewiesenseins. Die Jugend lebt geradezu ein neues Gesellschaftsideal vor, das für die Zukunft hoffen lässt: Sie will sich wieder gegenseitig mehr helfen und nicht alle sozialen Probleme einfach dem Staat oder der Politik überlassen. Zugleich verstärkt sich die Suche nach Sinn, Halt und Heimat. Die junge Generation mag traditionellen Formen und Institutionen der Politik distanziert gegenüberstehen - aber sie will eine bessere Gesellschaft, und sie will auch mithelfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen.

Generation V: Vertrauen wird zur wichtigsten Währung

Gier, Missmanagement und fehlende Verantwortung hatten in den letzten Jahren zur Folge, dass die wichtigste Währung für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft verloren zu gehen drohte: das Vertrauen. Doch im gleichen Maße, wie das Vertrauen in die Wirtschaft und die Politik kontinuierlich sinkt, wächst das Vertrauen im mitmenschlichen Bereich. Die Menschen rücken enger zusammen. Das Vertrauen wächst wieder. Und Hilfsbereitschaft steht hoch im Kurs. Statt also wie in Wohlstandszeiten auseinanderzudriften, machen die Menschen - wie schon immer in Krisenzeiten - die Erfahrung des Aufeinander-Angewiesenseins.
Das größte Vertrauen bringen die Jugendlichen ihren Mitmenschen entgegen. Dies lässt für die Zukunft hoffen. Denn nachweislich wächst mit dem Vertrauen auch die Gemeinschaftsfähigkeit. Das Vertrauen gilt geradezu als die Antriebskraft des sozialen Lebens. Es ist ein soziales Kapital, auf das Politik und Gesellschaft setzen können.
Es zeichnet sich in Konturen das Bild einer neuen Generation V ab, in der Vertrauensbildung zur großen Herausforderung wird - nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, auch im Arbeits- und Wirtschaftsleben. Die drei »V« (Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit) sind der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft in Zukunft zusammenhält.
Die Menschen suchen wieder mehr Beständigkeit als Beliebigkeit und setzen auf Familien-, Freundes- und Nachbarschaftshilfen. Gemeinsinn bürgert sich ein. Aus der Anspruchsgesellschaft wird in Zukunft eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit. Die staatliche Sozialfürsorge bleibt dann nur noch auf die Bedürftigen beschränkt, die aus eigener Kraft nicht mehr für sich selbst sorgen können. In einer mehr sozial orientierten Leistungsgesellschaft der Zukunft können und wollen die Bürger von Kindheit an für sich und andere etwas leisten.
Damit ändern sich die Beziehungen zwischen Bürger und Staat grundlegend. Wenn für die nächste Generation gilt »Hilf dir selbst, bevor der Staat dir hilft«, dann hat sie es auch selbst in der Hand, wie sie morgen leben will. Aus passiven Sozialhilfeempfängern können aktive Staatsbürger (»citoyens«) werden. Für das Erreichen von Glück und persönlicher Lebenszufriedenheit ist allerdings jeder selbst verantwortlich.
Deutschland in der nächsten Generation? Unsere Gesellschaft wird nach der Krise eine andere sein - eine solidarischere samt stärkerer Bürger.

Sinnsucher: Sehnsucht nach dem guten Leben

In den Wohlstandszeiten der sechziger bis neunziger Jahre regierten Ersatzreligionen zwischen Esoterik und New Age, Markenkult und Supermarkt der religiösen Gefühle. Hinzu kamen moderne Märchen im Stile von »Harry Potter« oder »Herr der Ringe« mit Ersatzantworten auf die Frage nach »Gott und der Welt«. Das Problem einer solchen Entwicklung war nicht so sehr der Verfall des Religiösen im traditionellen Sinne, sondern eher eine inflationäre Sakralisierung des Alltags irgendwo zwischen Wellness, Werbung und Lifestyle.
Gott ging verloren. Der Mensch spielte selbst Gott. Zum ersten Mal, so schien es, war eine Generation ohne Religion in einem Leben ohne Gott aufgewachsen (5). Vielleicht ist dies auch eine Erklärung dafür, warum viele junge Menschen plötzlich vom Buddhismus so fasziniert waren: Denn der Buddhismus ist nicht dogmatisch, erteilt keine Vorschriften und schöpft seine Lehren aus der Erfahrung des Lebens. Viele
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
 
 
 
1. Auflage
Copyright © 2009 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
 
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eISBN : 978-3-641-03683-2
www.gtvh.de
 
Leseprobe
 

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