Wok 'n' Roll - Ruth Fend - E-Book

Wok 'n' Roll E-Book

Ruth Fend

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Beschreibung

Landeskunde geht durch den Magen.

Als leidenschaftliche Liebhaberin von außergewöhnlichem Essen beschließt Ruth Fend, nach dem Verlust ihres Korrespondentenjobs in China kochen zu lernen. Auf der Suche nach Lehrmeistern bereist sie das Land, schaut den Köchen in einem kleinen südwestchinesischen Familienrestaurant in den Wok, gewinnt einen reichen Pekinger Manager als Kochpartner oder zieht mit einem Nudelmeister die feinsten Nudeln Chinas. In diesem widersprüchlichen Land, in dem alle Traditionen durch die Kulturrevolution und die rasante Industrialisierung in Frage gestellt sind, in dem Dissidenten die Todesstrafe fürchten müssen, ist das gemeinsame Kochen und Essen für viele die eine Möglichkeit zur Besinnung auf althergebrachte Traditionen und verkörpert zugleich den Stolz auf die Gegenwart.

Eine kulinarische und kulturelle Entdeckungsreise durch das Reich der Mitte: Die Journalistin Ruth Fend bereist das Land auf dem Pfad der Köstlichkeiten und beißt auch bei für den westlichen Gaumen eher skurrilen Gerichten herzhaft zu.

Mit zahlreichen Fotos und Rezepten!

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Informationen zum Buch

Landeskunde geht durch den Magen

Eine kulinarische und kulturelle Entdeckungsreise durch das Reich der Mitte: Die Journalistin Ruth Fend bereist das Land auf dem Pfad der Köstlichkeiten und beißt auch bei für den westlichen Gaumen eher skurrilen Gerichten herzhaft zu.

Mit zahlreichen Fotos und Rezepten!

»Die Kantonesen essen alles, was am Himmel fliegt, außer Flugzeuge, alles, was auf der Erde kriecht, außer Autos, alles, was vier Füße hat, außer Stühlen und Tischen.«

Als leidenschaftliche Liebhaberin von außergewöhnlichem Essen beschließt Ruth Fend, nach dem Verlust ihres Korrespondentenjobs in China kochen zu lernen. Auf der Suche nach Lehrmeistern bereist sie das Land, schaut den Köchen in einem kleinen südwestchinesischen Familienrestaurant in den Wok, gewinnt einen reichen Pekinger Manager als Kochpartner oder zieht mit einem Nudelmeister die feinsten Nudeln Chinas. In diesem widersprüchlichen Land, in dem alle Traditionen durch die Kulturrevolution und die rasante Industrialisierung in Frage gestellt sind, in dem Dissidenten die Todesstrafe fürchten müssen, ist das gemeinsame Kochen und Essen für viele die eine Möglichkeit zur Besinnung auf althergebrachte Traditionen und verkörpert zugleich den Stolz auf die Gegenwart.

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Widmung

Vorwort

Kraft im Topf

Bei Baba Mama

Kopfüber ins Fettnäpfchen

Erste Nudelbegegnung

Von Schnaps und Göttern

Mit vier Hunden ins Jahr der Schlange

Wok und Messer

Lehre bei Nudel-Wu

Blind Dates im Perlflussdelta

Kochen ohne Küche

Fischauge und Schweinefuß

Shenzhen – Unter Junggesellen

Auf der Fährte der Nudel

In den Höhlen von Shanxi

Vergiss die Terrakotta-Armee

Sichuan – Die Jagd nach dem besten Mapo Doufu

Im Hühnerhaus

Komische Hühner und Kochschüler

Chinesische Mauer und zweite Etappe der Seidenstraße

Reisen mit Kostverächtern

In der Küche des neuen chinesischen Reichtums

Xinjiang – In Chinas wildem Westen

Kashgar – Pizza oder Pasta?

Epilog – China zuhause

Dank

Über Ruth Fend

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Für Ida und Helmut

Vorwort

Dem Volk ist das Essen der Himmel.

Altes chinesisches Sprichwort

Dies ist kein Kochbuch. Ich sage das, weil mir während des Schreibens stets die Frage nach dem Fortschritt »meines Kochbuchs« gestellt wurde. Ja, es geht um Essen. Aber wie könnte das auch anders sein, wenn man über das Leben in China schreiben will? Da kommt man um das Thema Essen gar nicht herum. Es nimmt in der Kultur einen so zentralen Platz ein, dass ein Chinese als Begrüßungsfloskel eher fragt »Hast du schon gegessen?« als »Wie geht’s?« Essen ist seine größte Leidenschaft und das unverfänglichste Gesprächsthema. Wo die Deutschen über das Wetter reden, tauschen die Chinesen sich über ihre neuesten kulinarischen Erlebnisse aus, über Restaurants, über Rezepte, über die Spezialitäten ihrer oder anderer Regionen. »Die chinesische« Küche im Singular existiert so wenig wie »die europäische« Küche. Formal gesehen gibt es acht große Küchen, aber im Grunde hat mindestens jede von Chinas 23 Provinzen ihre eigene, dazu kommen Einflüsse ethnischer Minderheiten. Und mehr noch als jeder Europäer glauben die Chinesen daran, dass der Mensch das ist, was er isst. Die Mädchen aus dem chiliversessenen Sichuan etwa gelten als besonders scharf.

Man kann lange spekulieren, woher diese Obsession mit dem Essen kommt. Die Hungersnöte während der Mao-Zeit mögen eine Rolle spielen, aber schon aus den Zeiten früher kaiserlicher Dynastien stammen lange Oden an einzelne Gerichte. Ja, die Liebe zum Essen ist wohl auch derjenige Teil der Kultur, der sich als der widerstandskräftigste gegenüber dem traditionszerstörenden Maoismus und später dem Kapitalismus erwiesen hat. Diese Leidenschaft hält Familien und Gemeinschaften zusammen, über sämtliche politische Systeme hinweg. Umso allergischer reagieren die Chinesen auch auf die nahezu alltäglichen gravierenden Lebensmittelskandale. Diese könnten die kommunistische Partei mehr destabilisieren als so manche Unterdrückung von Meinungsfreiheit – droht hier doch das von Korruption zersetzte System dem Volk seine liebste Beschäftigung zu vergällen.

Als Ausländer in China begegnet einem mit hoher Wahrscheinlichkeit als Erstes die Frage: Wie schmeckt dir das chinesische Essen? Und als zweite: Kannst du scharf essen? Lautet die Antwort auf beides »ja«, erntet man ein breites Grinsen und zwei hochgereckte Daumen, und man hat eigentlich schon gewonnen. Ich schaue in diesem Buch auf China durch das Schlüsselloch der Küchentür. Über meine oft unbeholfenen Versuche, selbst von Chinesen kochen zu lernen, bin ich China und seinen Menschen nähergekommen. Allein das Interesse für ihr Essen, Kochen und Leben hat mir etliche Türen und Herzen geöffnet. Vielleicht auch, weil die Chinesen sich von niemandem in der Welt so recht geliebt fühlen.

Ich hoffe, dass meine persönlichen Begegnungen einen kleinen Ausschnitt der ungeheuer vielseitigen, oft widersprüchlichen chinesischen Gesellschaft widerspiegeln. Ich erhebe dabei nicht den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit – weder in der Darstellung der verschiedenen Küchen noch der kulturellen Besonderheiten. Meine Auswahl an Regionen, Küchen und Menschen ist von Zufällen und Gelegenheiten geleitet – und natürlich von meinem Gaumen. Denn in meiner Liebe zum Essen fühle ich mich den Chinesen wohl am nächsten.

Eine Warnung: Es fängt alles ein bisschen eklig an, so wie viele bei China auch erst mal an Hunde im Kochtopf und Schlangen denken. Aber das legt sich. Die chinesische Küche ist voller Köstlichkeiten, auch im ganz Einfachen. Von denen handeln die meisten Kapitel. Also, lassen Sie sich bitte nicht vom ersten abschrecken.

1.

Kraft im Topf

Weglaufenist die beste Strategie.

Von außen sieht das »Guolizhuang« unauffällig aus. Nichts weist auf seine besondere Speisekarte hin. Der Name des Restaurants bedeutet »Kraft im Topf«, und das kann vieles bedeuten. Lächelnd nimmt uns eine rot und dunkelblau uniformierte Kellnerin in der Lobby in Empfang. »Haben Sie reserviert?«, fragt sie?

»Nein, leider nicht«, antworte ich.

»Dann haben wir nur noch diesen Tisch für sie«, sagt sie entschuldigend und führt uns über rote Teppiche zu einer Tür. Dahinter liegt ein schmuckloses weißes Kämmerchen mit Neonlicht. Ein Separée – auch das noch. Auf Intimität hätte ich gerne verzichtet. Ich bin hier, um Penisse zu essen. Mit einem Mann, den ich kaum kenne.

Als Korrespondentin einer deutschen Zeitung hatte ich schon vor langer Zeit von dem Penis-Restaurant gehört und es erkunden wollen, auch die Redaktion war scharf auf einen saftigen Bericht. China und abartiges Essen, das zieht immer, hieß es aus Deutschland. Als ein paar Wochen später plötzlich die Nachricht eintraf, dass die Zeitung eingestellt würde, dachte ich: Die Penisse müssen noch rein. Jetzt erst recht. Am Ende ließen mich alle Freunde, die zuvor noch enthusiastisch meine kulinarische Grenzerfahrung teilen wollten, im Stich. Nur Rob, ein langhaariger Engländer, den ich nur flüchtig kannte, blieb übrig.

Der beugt sich jetzt mit seiner Hakennase über die Speisekarte. Das Foto von dem imposanten Yakrindpenis für fast 100 Euro gesellt sich zu Bildern mit stolz in die Luft ragenden, kunstvoll geschnitzten Gemüsephalli, deren Formen an die menschliche Version des Organs erinnern. Ich bin nicht prüde, aber der Smalltalk bei der Penisauswahl überfordert mich doch ein wenig. »Wie lange bist du schon in Peking?«, versucht Rob es mit der Standardfloskel. Und dann: »Wie wäre es mit der mittleren gemischten Penisplatte?«

Die gemischte Penisplatte soll es sein. Kurz darauf kommt die Kellnerin mit einem silbernen Tablett zurück. Fein säuberlich angeordnet gruppieren sich auf einem Salatbett die guten Stücke roh um einen steil aufragenden Penis aus einer nicht mehr ganz frisch wirkenden, lebensnah zurechtgeschnitzten Karotte herum.

»Die verwenden sie wahrscheinlich immer wieder«, mutmaßt Rob.

»Hm, ich finde sie trotzdem noch das Appetitlichste auf diesem Teller«, murmel ich.

»Das ist Widder«, schaltet sich die Bedienung ein und zeigt auf gräuliche fingerlange Würstchen. Die sternförmig geschnitzten Kringel stammen vom Stier. Fast wie normales Rauchfleisch sehen braune, hauchdünn geschnitte Hirschpenis-Scheibchen aus. Dann deutet sie auf das schaurig braun-rote Etwas mit einem Knochen in der Mitte: »Hund.« »Wofür soll das gut sein?«, muss ich doch fragen. Die Kellnerin setzt zu einer langen, offensichtlich gut einstudierten Rede an, von der weder Rob noch ich viel verstehen. Was wir aufschnappen: Für Männer sind die Penisse besonders segensreich, bringen aber auch für Frauen allerlei Vorteile wie gute Haut. Bei Jugendlichen unter vierzehn Jahren gefährden sie dagegen den Hormonhaushalt, und von dem Verzehr von Eselshoden sei grundsätzlich abzuraten.

Rob lehnt sich tief atmend zurück. Sind das Schweißperlen auf seiner Stirn? Doch nein, er gibt sich lässig: »Ich hab bisher ja nur einmal Schafhoden gegessen. Danach war ich so horny, dass ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte.« Er streicht sich eine Locke hinter das Ohr. Ich weiche seinem Blick aus und betrachte die Widder-Genitalien. Die Bedienung stellt einen Topf mit kochender Brühe zwischen Rob und mich auf eine kleine Elektroplatte. Schildkrötenpanzer und getrocknete Seepferdchen schwimmen schon in der Brühe. Sie zeigt auf die Penisse, dann auf die Brühe. »Guolizhuang! Kraft im Topf!«, sagt die Kellnerin und schließt die Tür hinter sich.

Ich brauche jetzt erst mal Kraft für den Topf.

Mein Verhältnis zum chinesischen Essen gleicht ohnehin einer permanenten psychologischen Achterbahnfahrt. Das liegt zum einen an meiner Verfressenheit. In Deutschland neige ich dazu, nicht nur meinen Teller leer zu essen, sondern auch die meiner Tischgenossen. In China, wo in Restaurants notorisch zu viel bestellt wird und alles für alle in der Tischmitte steht, kann ich auch dann schwer aufhören, wenn die Stäbchen der anderen längst ruhen. Der Anblick der Mengen und der exotischen Speisen erregt und verzweifelt mich zugleich. Immer wieder stoße ich auf Gerichte, die ich einfach köstlich finde. Je mehr ich kenne, desto besser schmeckt es mir, selbst einfaches Essen von Straßenständen ist stets ganz frisch. Gleichzeitig plagte mich gerade am Anfang – abgesehen von der Sorge um die Figur – stets eine diffuse Angst vor schauerlichen Körperteilen oder Schummelfleisch wie Ratte oder Iltis, wenn ich – von den Bezeichnungen der Gerichte auf der Speisekarte sprachlich meist überfordert – zum Bestellen auf eines der schönen bunten Bilder tippte. Und selbst wenn ich die Karte lesen kann: Die blumigen Namen vieler Gerichte helfen oft auch nicht weiter. Hinter einer Bezeichnung wie »Ameisen klettern auf Baum« verbirgt sich etwas Harmloses wie Glasnudeln mit scharfer Hackfleischsoße. Aber es könnten eben auch Ameisen sein. Also bestelle ich immer wieder die gleichen Gerichte, die sich schon einmal als lecker erwiesen haben – nur um dann unter dem Gefühl zu leiden, so viel Unbekanntes, womöglich Großartiges zu verpassen.

Inzwischen hängt Rob mit seiner Hakennase über dem Topf und attackiert mit seinen Stäbchen Widderpenisse, als wäre nichts dabei. Ich glaube aber, zumindest doch ein angewidertes Zucken um seine Mundwinkel wahrzunehmen. Ich selbst befinde mich noch immer in der mentalen Vorbereitungsphase. Unzählige plumpe Zoten schwirren mir durch den Kopf, und ich bin sicher, dass es Rob ähnlich geht. Also flüchte ich mich in das gängiste aller Smalltalk-Themen in China: Essen. Um uns von den Topfinhalten abzulenken, schwärme ich Rob von meinen eigentlichen chinesischen Lieblingsgerichten vor. Von Dim Sum – mit hauchdünnem Teig umhüllte gedämpfte Köstlichkeiten – oder von den prickelnd-scharfen Auberginen aus Sichuan. »Am besten finde ich die Yunnan-Küche aus Chinas Südwesten, die in Europa keiner kennt«, schließe ich. Rob pflichtet mir bei, und sehnsuchtsvoll schwärmen wir von würzigen gebratenen Flundern und Hühnchensalaten mit Minzblättern, die es in den einschlägigen Pekinger Yunnan-Restaurants gibt – und die wir jetzt so viel lieber auf dem Teller hätten. »Weißt du, was das Komische ist?«, frage ich Rob. »Als ich mal nach Yunnan gereist bin, habe ich dort keines meiner Lieblingsessen aus Peking wiedergefunden. So wie auch das, was man in deutschen China-Restaurants so serviert bekommt, nichts mit dem Original zu tun hat. Fettige Frühlingsrollen und süß-saure Saucen, das sieht man hier doch praktisch nie! Oder Glückskekse! Hast du jemals einen Glückskeks gesehen?« Rob blickt von der Penisplatte zu mir auf. »Nein. Die sind eine Erfindung amerikanischer China-Restaurants. Aber du kannst ja ein echtes Chinarestaurant in Deutschland aufmachen. Du hast doch jetzt Zeit«, witzelt er. Der Mann könnte auch ein bisschen mitfühlender sein, denke ich mir. Schließlich hatte ich gerade meinen Job verloren. »Dafür müsste ich wohl erstmal chinesisch kochen lernen«, gebe ich missmutig zurück. »Dann mach doch das«, erwidert Rob.

Das ist vielleicht gar nicht mehr so abwegig – zumindest vielleicht ein phantastisches Abenteuer. Nachdenklich rühre ich mit den Stäbchen durch die Penisbrühe und picke endlich auch einen kleinen Stierpimmelkringel heraus. Ich tunke ihn in das Soja-Ingwer-Chili-Sößchen, das sich in einem kleinen Porzellanschüsselchen befindet, und führe ihn dann entschlossen zum Mund. Konsistenz: leicht glitschig, aber fest. Geschmack: durch den Soja-Ingwer-Dip kaum wahrzunehmen. »Ist doch gar nicht so schlimm«, gebe ich mich nun auch stark.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich mitten ins pralle chinesische Küchenleben geworfen. Frei von Arbeitsverpflichtungen, raus aus der künstlichen Pekinger Expat-Blase. Ich könnte durchs Land reisen, in die Regionen mit dem leckersten Essen – anstatt mir für einen lausigen Artikel in einer bankrotten Zeitung Tierpenisse einzuverleiben. Ich würde mehr Chinesisch sprechen. Und wer weiß, vielleicht wirklich eines Tages ein Restaurant eröffnen.

Ich wende mich dem rötlichen Hundepenis zu, der da herausfordernd vor mir liegt, und denke: Wenn du den runterkriegst, dann machst du das. Die Bedienung steckt ihren Kopf zur Tür rein und sieht zu, wie ich das Würstchen mit den Stäbchen aufnehme und langsam zum Mund führe. Ich spüre einen Würgereflex, noch bevor ich hineinbeiße. Die Bedienung hechtet zur Kommode, holt vorsorglich einen Eimer heraus und schaut mich erwartungsvoll an. Doch da habe ich es schon heruntergeschluckt.

Einige Tage später, als der Hundepenis verdaut und die Reste an Robs Mischling verfüttert sind, mischen sich praktische Fragen in die Euphorie über meine neue Berufung. Welches der unzähligen chinesischen Restaurantkonzepte könnte in Deutschland funktionieren? Soll ich einen Kochkurs belegen? Was, wenn ich mich gar nicht zur Köchin eigne? Vielleicht sollte ich erst mal in ein paar Restaurants reinschnuppern? Nur: Welches würde eine mehr schlecht als recht Chinesisch sprechende, deutsche Praktikantin annehmen, die von der chinesischen Küche keine Ahnung hat?

Aber meine Neugierde und mein Entdeckergeist sind geweckt. In den knapp zwei Jahren, die ich nun in China verbracht habe, sind mir so viele Dinge noch verborgen geblieben. Das Land ist so riesig, die Gesellschaft so vielfältig wie seine Küche, doch was davon in Deutschland ankommt, ist ein einziger langweiliger Soßenmatsch in Süß-sauer. Sollte ich ein Restaurant in Deutschland aufmachen, dann muss es authentisch sein. Und um herausfinden, was authentisch ist, reicht es nicht, in Peking zu sein, denn nicht einmal alles in China ist überhaupt echt chinesisch. Nicht einmal das Penisrestaurant »Kraft im Topf« kommt ursprünglich aus China – sondern wurde erstmals in Chinatown in Atlanta aufgemacht.

Also mache ich mich auf die Suche. Ich will die Gerichte an den Orten probieren und erlernen, aus denen sie stammen. In Restaurants, aber vielleicht auch bei Leuten zuhause. Von chinesischer Hausmannskost habe ich nämlich fast gar keine Ahnung. Und ohnehin verspüre ich wenig Lust, den Januar ohne Job in Peking zu verbringen. Dann dümpeln die Temperaturen tagsüber zwischen minus zehn und null Grad. Die umliegenden Kohlekraftwerke laufen auf Hochtouren und machen die Luft buchstäblich atemberaubend.

So reise ich als Erstes 2000 Kilometer nach Südwesten in das idyllische Städtchen Dali, das ich bereits kenne und dessen abwechslungsreiche Yunnan-Küche ich so liebe.

2.

Bei Baba Mama

Hundert Meilen von Zuhause ist der Lebensstil anders.Tausend Meilen von Zuhause sind die Sitten anders.Zehntausend Meilen von Zuhause ist das Essen anders.

Die Yunnan-Küche wird beeinflusst von Vietnam, Laos und Burma, an die sie grenzt. Die Provinz war mir schon bei einer ersten Reise vorgekommen wie das Tessin von China: Die gleiche perfekte Mischung aus Bergen, Seen und schnuckeligen Altstädten, wie man sie in der italienischen Schweiz findet. Dali liegt in einer Ebene zwischen bewaldeten Bergen und dem langgezogenen Erhai-See. In Peking und den anderen Großstädten hat nach Maos’ kulturfeindlichem Kommunismus spätestens der Wirtschaftsboom die meisten alten Stadtteile geschluckt. Dali hat zwar auch eine hässliche Neustadt mit hohen Apartmentblocks. Aber die liegt angenehmerweise eine gute halbe Stunde Autofahrt vom historischen Zentrum entfernt. Das hat sich zum seltenen Eldorado für Backpacker, Rumhänger und Sinnsucher entwickelt.

Die Altstadt wird von einer alten, massiven Stadtmauer eingegrenzt, und in den kopfsteingepflasterten Gassen drängen sich kleine Steinhäuser mit geschwungenen grauen Ziegeldächern. In zahlreichen Cafés und Bars lässt es sich unter immergrünen Bäumen wunderbar entspannen. Das lockt Chinesen und Westler gleichermaßen an, um Qigong, Buddhismus, Kung Fu oder Traditionelle Chinesische Medizin zu studieren, unterstützt durch spottbilliges Essen und Trinken.

Über ein Internetforum finde ich eine private Chinesischlehrerin. Sie ist 32 und heißt Li Qiang, hat kurze Haare und Sommersprossen und spricht von sich als Freelance-Journalistin, Lehrerin, Dolmetscherin und Unternehmerin. »Unternehmerin?«, frage ich verwundert. »Ja, ich verkaufe Hanfprodukte.« Auf die Frage nach ihrem Lieblingsrestaurant empfiehlt mir Li Qiang ohne zu zögern das »Yi Hua Yuan«, angeblich eine lokale Institution. »Wegen der Wohnzimmeratmosphäre wird es aber einfach ›Baba Mama‹ (›Papa und Mama‹) genannt«, fügt sie hinzu. Auf einem Spaziergang durch die Altstadt von Dali mit ihren engen Gässchen und niedrigen grasbewachsenen Ziegeldachhäuschen schließlich finde ich den Ort, wo meine kulinarische Abenteuerreise beginnen soll.

Das »Yi Hua Yuan« ist ein traditionelles Familienrestaurant in einem alten Eckhaus aus Stein. Durch eine gläserne Schiebetür tritt man ein und wähnt sich tatsächlich in einem Wohnzimmer. Es gibt zwei Esszimmer, beide klein. Das größere hat drei Tische und eine Theke mit meterhohen Plastikcontainern voll Flüssigkeiten und rätselhaften Früchten. Davor reiben sich in einem Aquarium silberne karpfenartige Fische eng aneinander. An der rechten Wand steht ein breites Regal mit Gemüse. Über dem Regal türmt sich buntes Kinderspielzeug. Die andere Wand ist tapeziert mit Werbepostern für Dali-Bier. In dem kleineren Nebenraum stehen zwei runde Tische, eine Waschmaschine und ein Kinderfahrrad.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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