Wölfe im Designerpelz - Ann-Kathrin - E-Book

Wölfe im Designerpelz E-Book

Ann Kathrin-

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Beschreibung

Ann-Kathrin ist mit ihrem Leben zufrieden: Sie hat zwei großartige Söhne, die besten Freundinnen der Welt und als Unternehmerin hat sie es auch weit gebracht. Dann beschließt sie, einen Teil ihres erwirtschafteten Vermögens gewinnbringend anzulegen, um ihren Kindern eine sorgenfreie Zukunft zu ermöglichen. Dabei gerät sie einer Bande von Betrügern ins Netz, die sie in beispielloser Weise ausnutzen. Als Ann-Kathrin sich zu wehren beginnt, treiben die Betrüger sie gezielt in den Nervenzusammenbruch. Obwohl Ann-Kathrin tatsächlich zusammenbricht, gibt sie nicht auf. Sie nimmt die Opferrolle nicht an und versucht, ihrer Situation Sinn zu verleihen... Ihre tollen Söhne, ihre Ersatz-Mama, ihre Mitarbeiterinnen und ihr Anwalt stehen fest an ihrer Seite.

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Seitenzahl: 173

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Wölfe im Designerpelz

Ann-Kathrin

Dieses Buch ist eine Erzählung, Handlungen, FirmennaMen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Firmen, lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

© 2023 Ann-Kathrin

Coverdesign von: Katharina B.

Covergrafik von: Katharina B.

Satz & Layout:

Volker R.

ISBN: 978-3-384-08348-7

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Widmung

Vorwort

1. Der Vorlauf

2. Die Investition

2.1. Das Bankgespräch

2.2. Das Netz wird gesponnen

2.3. Alte und neue Freunde

3. Frieconpet Holding GmbH

3.1. Die Verhandlungsphase

3.2. Die Aufbauphase

3.3. Beständiges Wachstum

4. Die Wende

4.1. 2019 verfliegt

4.2. Der Putz bröckelt weiter

4.3. Risse im Fundament

4.4. Tarnen und täuschen

4.5. Eine Katastrophe kommt selten allein

4.6. Der Weg in die Tiefe

4.7. Die Klinik am See

5. Gerechtigkeit

Widmung

Dieses Buch ist meinen Liebsten gewidmet:

Den besten Söhnen der Welt

Meiner lieben Ersatzmama und meinem Ersatzpapa

Meiner Schwester mit Familie

Meinem Bruder mit Familie

Meinem Dreamteam - das sind meine einmaligen Mitarbeiterinnen

Meinen besten Freundinnen und Freunden

Meinem Anwalt

Meinem Arzt

Dem Klinikum samt Patienten, die ihre Geschichten mit mir teilen und mich täglich neu aufbauen.

Meiner Psychologin, die mich unterstützt hat, dieses Buch zu schreiben, um den Versuch zu starten die Frage „Warum ich“ zur Seite zu legen und anzufangen zu akzeptieren, dass ich den falschen Menschen blindlings vertraut habe.

Meiner Therapeutin, die mich noch immer stützt und aufbaut. Sie gibt mir die notwendige Kraft.

Ich gehe gerade durch eine der schwersten Phasen meines Lebens. Seit vielen, vielen Monaten steige ich von einer Eskalationsstufe zur nächsten. Ein Ende der Schwierigkeiten ist nicht in Sicht. Das Ende Eurer Geduld auch nicht.

Vielen Dank, Ihr Lieben, dass Ihr in dieser schwierigen Zeit kompromisslos für mich da seid!

Durch Euren Beistand habe ich inmitten der vielen Unwegsamkeiten begonnen, einen Lösungsweg zu sehen. Eure Liebe und Unterstützung haben mir gezeigt, dass es sich lohnt zu leben.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen in meinem Leben! Also natürlich nicht in meinem ganzen Leben, das gibt Material für mindestens zwei weitere Bücher. Ich spreche von meinem aktuellen Lebensabschnitt, der wirklich ganz besonders große Schwierigkeiten mit sich bringt.

Ich bin in den bald sechs Jahrzehnten, die ich nun schon auf der Welt bin, durch viele Höhen und noch mehr Tiefen gegangen. Trotzdem war ich immer positiv eingestellt und neugierig darauf, was mir das Leben noch alles zu bieten hat. Die Ereignisse der letzten zehn Monate haben dazu geführt, dass ich mich aktuell in einer psychosomatischen Klinik befinde, in die ich mich selbst eingewiesen habe. Dabei habe ich mein Leben lang nie klein beigegeben. Es war mir immer wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen und für diejenigen zu sorgen, die ich liebe. Die Ereignisse, von denen dieses Buch handelt, haben mir jedoch den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich bin gestrauchelt, gefallen und jetzt ist es umgekehrt: die, die ich liebe, kümmern sich um mich. Jeden Tag bin ich dankbar, dass ich so viele gute Menschen in meinem Leben habe. Aber die Enttäuschung darüber, dass ich den falschen Menschen auf den Leim gegangen bin, sitzt tief. Und das Schlimmste dabei ist die Enttäuschung über mich selbst. Ich habe mir lange entsetzliche Vorwürfe darüber gemacht, dass ich so dumm war einer Bande von schmierigen Angebern zu vertrauen. Ich habe einfach nicht gesehen, mit welcher Dreistigkeit ich hinters Licht geführt wurde. Ich bin nach Strich und Faden betrogen worden. Dieser Betrug hat meine Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Man hat mir auf die niederträchtigste Weise ins Gesicht gelogen und das tut weh.

Außerdem bin ich wahnsinnig wütend. Ich frage mich jeden Tag, ob diese verlotterte Bande am Ende noch stolz ist auf ihre Niedertracht. Ich frage mich, wie die das wohl finden würden, wenn jemand einer ihrer Ehefrauen dermaßen übel mitspielen würde.

Ich frage mich, ob die sich ins Fäustchen lachen, weil sie glauben sie sind so schlau und ich bin so dumm.

Und dann frage ich mich natürlich, wie viele „Dumme“ es außer mir denn noch gibt.

Und das ist der Punkt, wo ich nicht mehr schweigen kann. Ich will um jeden Preis verhindern, dass diese verlotterte Bande so weitermachen kann wie bisher! Für irgendetwas muss doch das ganze Unglück, das mir widerfahren ist, gut sein! Wenn ich nur eine einzige Person durch dieses Buch davor bewahren kann, in dieselbe Falle zu tappen, dann bekommt diese schmerzliche Lektion wenigstens einen höheren Sinn!

Liebe Leserin, lieber Leser! Das ist die Geschichte von einer betrügerischen Bande, die sich schamlos auf meine Kosten und auf Kosten unzähliger anderer in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Ich habe die Form eines Romans gewählt, weil das meiner Meinung nach am unterhaltsamsten zu lesen ist. Ich möchte gerne, dass diejenigen, die sich mit diesem unerfreulichen Thema auseinandersetzen, sich dabei wenigstens gut unterhalten.

Die handelnden Personen dieses Romans sind allesamt frei erfunden, das Handlungsgeschehen ist gekürzt. Schauplätze wurden verändert, Abläufe variiert. Aber der Betrug, die Dreistigkeit und die Gier sind eins zu eins realistisch abgebildet. Die Schlechtigkeit dieser Menschen ist leider nur zu wahr. Ich wollte, es wäre nicht so. Vielleicht konnte ich deshalb auch so lange nicht erkennen, welches Spiel da mit mir gespielt wird: ich wollte nicht wahrhaben, dass es solche Menschen gibt. In meiner Welt existierten derartige Menschen schlicht und ergreifend nicht. Jetzt weiß ich es. Jetzt habe ich es verstanden. Und jetzt wehre ich mich.

Ann-Kathrins Tagebuch 15. Dezember 2016

Carina, Martha und ich sind heute im Büro sitzen geblieben und haben miteinander angestoßen. Ab heute ist alles anders und trotzdem geht es für uns drei weiter wie bisher! Die Geschäfte sind endlich verkauft. Mein Bruder Frank hat übernommen, das ist jetzt unter Dach und Fach. Aber wir drei machen weiterhin den Einkauf, zentral organisiert für meine alten Unternehmen und Franks Firmen. Frank hat keine Ahnung vom asiatischen Markt. Er sagt immer „Ich kann doch einen Sella-Reis nicht von einem Basmatireis unterscheiden.“ Er hat sich bislang mit seinem Handel auf südeuropäische Spezialitäten beschränkt. Auch nicht schlecht, aber wir haben nochmal eine ganz andere Expertise. Wir sind halt echt ein Dreamteam. Und dieses Dreamteam wäre nicht komplett ohne Lena und Tanja. Wenn Lena nicht wäre, dann wären wahrscheinlich nicht nur wir Bürodamen verhungert, sondern in turbulenten Zeiten auch meine Kinder. Sie ist eigentlich als Putzfee angestellt, aber sie kann es einfach nicht lassen, alle zu füttern und zu versorgen. Für unsere kleine improvisierte Party heute hat sie auch flugs Brötchen herbeigezaubert. Woher weiß keiner….

Dass wir fünf nach der Übergabe meiner Firma beisammenbleiben würden, war für uns alle total klar. Da gab es keine Sekunde der Unsicherheit, bei keiner von uns. Nur um meine anderen Mitarbeiter hatte ich mir wirklich Gedanken gemacht. Wie es für sie weitergehen wird, denn sie konnte ich ja nicht mehr behalten. Einfach auf die Straße setzen wäre aber auch unmöglich gewesen. Eine schreckliche Vorstellung, die Leute einfach so im Stich zu lassen! Und da bin ich jetzt auch wirklich froh, dass wir wirklich für jeden Einzelnen gute Lösungen gefunden haben. Die meisten wurden von Frank übernommen, einige wenige wollten sich sowieso gerade beruflich umorientieren und haben die Gelegenheit genutzt, sich was Neues zu suchen. Ich bin immer dafür, Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten in Ordnung sind. Das ist uns mit dieser Geschäftsübergabe auf jeden Fall gut gelungen! Für mich beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt, wo alles ein wenig leichter wird, so dachte ich es zumindest. Ich bin die übergroße Verantwortung losgeworden, dieses ganze Vertriebsnetz am Laufen zu halten und ständig auszubauen.

Gleichzeitig kann ich aber den Kern dieser Arbeit, der mich immer fasziniert hat, weiter betreiben: die Auseinandersetzung mit duftenden Gewürzen und besonderen Lebensmitteln aus fernen Ländern. Und das auch noch zusammen mit meinen besten Freundinnen! Ich bin wirklich ein glücklicher Mensch. Carina ist auch ganz aus dem Häuschen gewesen. Mit ihr ist wieder mal ihr italienisches Temperament durchgegangen. Sie hat ihre Haarspange aus den wilden Locken gezogen und sich daraufhin lachend im Kreis gedreht, während ihre Haare nur so geflogen sind. „Na, legt Carina wieder einen ihrer berühmten Freudentänze hin?“, schmunzelte Martha, während sie umständlich an einer Flasche Rosésekt herum gepfriemelt hat. Der Korken ist schließlich mit einem lauten Knall durchs Zimmer geschossen. Carina ist mitten in ihrem Freudentanz in Deckung gesprungen und ich bekam Seitenstechen vor lauter Lachen. „Für immer zusammen!“ hat Carina mit hoch erhobenem Glas gerufen während Martha mit verschmitzter Miene immer schön nachgeschenkt hat. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief... „Mädels, das war´s! Der Sekt ist alle. Wir müssen mit Wasser weiter feiern.“, sagte Martha schließlich. „Keine Panik, Rettung naht!“, rief Tanja und kam mit einem Karton gekühlter Proseccoflaschen angelaufen. Wir sind vor Lachen fast hintüber gekippt. Das war einfach so typisch Tanja: für jedes Problem vorgesorgt und wieder mal perfekt zugearbeitet. Ehrlich, was die in Teilzeit auf die Beine stellt, kriegen andere in einer 40-Stunden-Woche nicht gebacken.

Auf jeden Fall haben wir es heute ordentlich krachen lassen. Dabei bin ich wirklich keine, die gerne tief ins Glas schaut. Seit bei mir dieser Krebs festgestellt wurde, vertrage ich auch gar nicht mehr so viel. Aber heute Abend habe ich mal ein bisschen auf den Putz gehauen. Ich fürchte das merkt man, meine Schrift ist schon ganz krakelig…

Bei wem entschuldige ich mich eigentlich? Bei meinem Zukunfts-ich, das vielleicht irgendwann in diesem Tagebuch lesen wird? Du hast diesen schönen Nachmittag noch gut in Erinnerung, nicht wahr?

Oder vielleicht bei meinen Söhnen, die eines fernen Tages nach meinem Ableben zufällig auf dieses Tagebuch stoßen und gedankenverloren durch diese Seiten blättern werden? Legt sofort dieses Buch weg, Eure Mutter ist angeheitert! Aber wartet noch kurz, lest noch ein Stück, damit ich Euch noch einmal sagen kann, wie sehr ich Euch liebe.

Meine Güte, ich bin ja ganz rührselig. Im Wein liegt die Wahrheit, das sagten ja schon die alten Römer. Dann ist es wohl die Wahrheit, dass ich sehr, sehr glücklich bin.

1. Der Vorlauf

Für Ann-Kathrin wurde ihr Leben jeden Tag besser. Das kam natürlich auch daher, dass ihr Leben früher so schwer gewesen war. Obwohl sie selbst das nie so ausgedrückt hätte. Sie war von Grund auf ein positiver Mensch und konnte auch in den finstersten Phasen ihres Daseins das Gute sehen. Für Ann-Kathrin waren einzelne Schwierigkeiten nicht so sehr das Entscheidende. Sie sagte immer: „Alles halb so wild. Was am Ende des Tages zählt, ist die Lebensbilanz!“ Und die stimmte für Ann-Kathrin im Großen und Ganzen. Denn jeder Schwierigkeit stand eine glückliche Fügung gegenüber:

Ann-Kathrins Mutter war schwere Alkoholikerin gewesen. Eines Tages fand ihr Leben mit fünf Promille im Blut ein viel zu frühes Ende. Das Leben hatte Ann-Kathrin eine problembeladene Mutter gegeben, die sich nicht angemessen um sie kümmern konnte. Aber das Leben hatte ihr auch Hannah geschenkt. Hannah war eine von Ann-Kathrins langjährigen Mitarbeiterinnen im Lebensmittelimport-geschäft gewesen. Sie war aber gut 25 Jahre älter als Ann-Kathrin und daher schon lange in Pension. Dennoch war sie ein fixer Bestandteil von Ann-Kathrins Alltagsleben geblieben. Hannah wusste um alle Sorgen und Nöte von Ann-Kathrin genauestens Bescheid. Und sie teilte natürlich auch alle Freuden. Die beiden Frauen verband nicht nur seit Jahren eine innige Freundschaft, sie waren füreinander Familie geworden. Hannah hatte mir ihrem Mann Franz einen Sohn, den sie sehr liebte, aber keine Tochter und keine Enkelkinder. Da kam ihr Ann-Kathrin gerade recht! Ann-Kathrin wiederum war seit 2010 alleinerziehend. Dabei war sie nicht nur von dem Vater ihrer beiden Söhne getrennt, nein, der Mann war auf Nimmerwiedersehen auf und davon. Ann-Kathrin hatte seit ihrer Trennung nichts mehr von ihm gehört. Das war für Ann-Kathrin sicherlich leichter als für ihre beiden Söhne Markus und Matthias. Die waren zu dem Zeitpunkt, als ihr Vater von der Bildfläche verschwand, 17 und 8 Jahre alt. Ann-Kathrin war zwar persönlich froh ihn los zu sein und weinte ihm keine Träne nach, aber das nahm sie ihm übel. Es ging schließlich um ihre Kinder! Jeder der Söhne hätte auf seine ganz eigene Art ein männliches Vorbild gut gebrauchen können, meinte sie. „Tolles Vorbild! Macht sich einfach aus dem Staub ohne sich weiter um seine Kinder zu kümmern. Ich habe Hunde gesehen, die ein besser entwickeltes Verantwortungsgefühl haben!“, schnaubte Carina, als sich langsam herauskristallisierte, dass von dem Ex-Mann auch als Vater nichts mehr zu erwarten sein würde. Und Martha setzte hinzu: „Besser gar kein männliches Vorbild, als ein schwaches. Nein wirklich, Ann-Kathrin, ihr seid alle drei besser dran ohne diesen Schwächling.“ Ann-Kathrin taten diese Bemerkungen natürlich gut. Aber sie war doch sehr wütend darüber, dass ihre beiden Söhne vom eigenen Vater so im Stich gelassen worden waren. Obwohl es für sie selbst eine immense Erleichterung war, sich nicht mehr mit ihrem Ex-Mann herumschlagen zu müssen. Die Trennung war schließlich aus gutem Grund erfolgt! „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“, erwiderte sie oft achselzuckend, wenn das Gespräch wieder auf den verschwundenen Vater kam. Die Empörung ebbte nach einigen Wochen ab, der Ex-Mann war kein Gesprächsthema mehr. Ann-Kathrin dachte nicht mehr an ihn und die beiden Söhne erwähnten ihn nie.

Hannahs Mann Franz brachte sich in dieser Zeit noch mehr ein als früher. Hannah war ja nicht nur die Ersatzmama für Ann-Kathrin, sondern auch engagierte Ersatzgroßmutter. Und Franz liebte seine Enkelsöhne, die ihm das Leben auf Umwegen beschert hatte. Somit war die Familiensituation zwar ungewöhnlich, aber im Endeffekt eben auch ungewöhnlich gut. Ann-Kathrin war zufrieden: ihre Söhne entwickelten sich prächtig. Ihr Verhältnis mit den beiden auch. Sie hatte immer das Gefühl, dass Markus und Matthias ihr als Mutter voll und ganz vertrauten. Sie sprachen mit Ann-Kathrin über ihre großen und kleinen Sorgen und Ann-Kathrin hatte immer ein offenes Ohr für sie, auch wenn sie wirklich sehr viel arbeiten musste.

„Die Kinder kommen zuerst!“, sagt sie oft zu Hannah „Gott sei Dank bin ich selbstständig, da kann man sich das schon alles irgendwie einrichten.“

Aber natürlich war das alles nicht ganz so einfach, wie Ann-Kathrin es vor sich selber gerne darstellte: Sie hatte einfach immer wahnsinnig viel zu tun. Sie war an allen Fronten gefordert. Irgendjemand hing immer in der Warteschleife und wollte mit ihr sprechen.

Am laufenden Band mussten Entscheidungen getroffen werden. Sie trug nicht nur alleine die Verantwortung für ihre beiden Söhne, sondern auch für eine große Anzahl von Mitarbeitern. Ann-Kathrin sah es als persönliche Verpflichtung an, mit vollstem Einsatz zu arbeiten und so allen ein sicheres Arbeitsumfeld zu garantieren. Denn viele ihrer Mitarbeiter hatten Kinder zu Hause, genau wie sie selbst….

Da Markus schon fast volljährig war, hatte sie glücklicherweise auch einige Freiheiten. Sie ging zum Beispiel regelmäßig tauchen, um etwas Ausgleich zu ihrem Alltagsstress zu haben. Dann passte Markus auf seinen kleinen Bruder auf. Die beiden verstanden sich sehr gut, was für Ann-Kathrin ein ständiger Quell der Freude war. Dass auf Markus schon so früh Verlass gewesen war, half Ann-Kathrin enorm. „Gott sei Dank kommt er in dem Punkt nicht nach seinem Vater.“, munkelte Ann-Kathrin dann manchmal zu ihren vier Lieblingsmitarbeiterinnen. Die Frauen lachten dann, tauschten einen verschwörerischen Blick und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu.

Matthias, der Kleine, wünschte sich, seit er denken und sprechen konnte, einen Hund. Ann-Kathrin hatte das immer abgelehnt, da sie einfach zu viel arbeitete. Sie wollte sich nicht noch mehr Verantwortung aufbürden. Als Matthias aber dann nach dem Verschwinden seines Vaters so oft still und traurig vor sich hinblickte, gab sie sich einen Ruck. Sie begann sich ein bisschen umzuhören, wo es denn junge Hunde abzuholen gäbe. Eigentlich wollte sie auch ins Tierheim schauen, doch dann fiel eines Tages bei einem schnellen Einkauf ihr Blick auf das schwarze Brett im Supermarkt: Labradoodle-Welpen günstig abzugeben. Also riss sich Ann-Kathrin einen der Zettel mit der Telefonnummer der Züchterin ab. „Da ruf ich morgen nach meinem 10-Uhr-Termin an. Wenn dann noch Welpen da sind, dann soll es wohl so gewesen sein! Wenn nicht, dann schaue ich weiter. Es eilt ja nun wirklich nicht….“, dachte sie so halb überzeugt vor sich hin. Halb hoffte sie, die Welpen wären schon alle vergeben. Aber so war es nicht. Also holte sie das flauschige, lockige, tapsige Etwas von der Züchterin ab, als es 9 Wochen alt und somit groß genug war, von seiner Mutter getrennt zu werden. Das Welpenmädchen wackelte auf Ann-Kathrin zu und leckte ihr mit ihrer zarten rosa Zunge enthusiastisch die Hand. Ann-Kathrin nahm es hoch.

Das Hündchen kuschelte sich an ihre Brust und war eingeschlafen, bevor sie noch das Auto erreicht hatten. Ann-Kathrin war

vollkommen hingerissen. Sie fuhren los und Ann-Kathrin schaute bei jeder Ampel in den Rückspiegel, um das flauschige Bündel zu bestaunen, das in seiner Hundebox sacht vor sich hin schnarchte. Bevor sie noch mit der Kleinen zu Hause angekommen war, wusste sie schon nicht mehr, wie sie jemals ohne Hund hatte leben können.

Wenn schon Ann-Kathrin durch und durch verliebt in das kleine Geschöpf war, so war das doch noch gar nichts gegen die Reaktion ihres Jüngsten. Als er von der Nachmittagsbetreuung nach Hause kam, lief ihm das Welpenmädchen entgegen. Matthias ließ Jacke, Schuhe und Schultasche fallen und schrie: „Mama, Mama, ist das wirklich wahr?!!! Ist das jetzt unser Hund? Du süße Kleine, wohnst du jetzt bei uns?!“

Das Hündchen präsentierte sofort seinen rosa Bauch und Matthias war in dieser Folge kaum dazu zu bewegen, noch etwas zu essen:

Er wollte mit dem Streicheln gar nicht mehr aufhören. Als Markus lachend meinte: „Die Kleine kommt ja daher gewackelt, als ob sie betrunken wäre!“, war allen dreien sofort klar: Unser Hund muss Whisky heißen!

Ann-Kathrin bereute ihre Entscheidung, einen Hund ins Haus zu holen also keine Sekunde. Aber natürlich wurden die Verpflichtungen dadurch auch nicht weniger. Ann-Kathrin sorgte für ihre Familie und hin und wieder auch ein bisschen für sich. Und sie arbeitete und

arbeitete. „Du fährst im Leben ständig auf der Überholspur“, sagte Hannah oft. Manchmal klang das bewundernd, aber manchmal klang das auch ein wenig besorgt. „Aber du kennst mich doch, Hannah!“, sagte Ann-Kathrin dann „Ich habe schließlich Energie für zwei! Da kann man leicht Vollgas geben!“

Und das stimmte auch. Bis Ann-Kathrin eines Tages nach dem Duschen einen Knoten in ihrer linken Brust entdeckte.

Der Arzt, den sie daraufhin umgehend aufsuchte, versuchte sie erst einmal zu beruhigen: „Das ist sicher alles ganz harmlos. Wir schicken Sie mal gleich zur Mammographie, damit Sie bald wieder ruhig schlafen können.“ Das Gegenteil war der Fall. Bei der Mammographie bedeutete man Ann-Kathrin doch noch ein bisschen Platz zu nehmen, bis der Arzt für sie Zeit hätte.

Als dieser dann mit ernster Miene das Besprechungszimmer betrat, wusste Ann-Kathrin eigentlich schon Bescheid.

„Da gibt es die ein oder andere Auffälligkeit in ihrer linken Brust.“, sagte er in beschwichtigendem Ton „Meistens sind das harmlose Gewebsveränderungen. In bis zu 80% aller Fälle ist das so. Sie sehen also: Man kann sich gar nicht spät genug Sorgen machen! Aber natürlich muss man sich das näher anschauen.“

Von der Mammographie ging es also flugs weiter zur Biopsie. Die Wochen bis zum Eingriff verbrachte Ann-Kathrin mit einem Kopf, der sich anfühlte wie in Watte gepackt. Sie sah alles, sie hörte alles, aber es war, als kämen die Eindrücke der Welt von ganz weit her. „Krebs“, dachte sie bei sich. „Ich habe Krebs, ich weiß es. Ich habe es sofort gewusst.“ „Wissen Markus und Matthias Bescheid?“, fragte Lena, während sie Ann-Kathrin unaufgefordert Kaffee nachgoss und ihr Wasserglas auffüllte. Ann-Kathrin schüttelte energisch den Kopf: „Auf keinen Fall jetzt schon! Diese Biopsie ist ja nur ein kleiner Eingriff, das kann ich ganz nebenbei machen. Aber früher oder später muss ich es ihnen sagen. Nicht erst, wenn mir von der Chemo alle Haare ausgefallen sind…“ Ann-Kathrin lachte trocken auf. Lena schüttelte nur den Kopf:“ Dein Galgenhumor in allen Ehren, aber es ist wohl noch viel zu früh, um den Teufel an die Wand zu malen.