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Ein spannender Halloween-Kinderkrimi für Acht- bis Zwölfjährige: Andreas und seine Freunde Wombie, Tirri und Bimse möchten gerne tapfere, junge Helden sein. Aber das ist gar nicht so einfach - oft genug geht alles schief. Dieses Mal landen sie in einem alten Kriminalfall. Sie beschließen, den Unschuldigen zu helfen und die Schuldigen zu finden. Tatkräftige Unterstützung finden die vier Freunde bei der frechen Kiara und bei den Brüdern von Andreas.
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Für Andreas
und seine Brüder
Orte, Handlungen und Personen in diesem Buch sind frei erfunden oder werden als Fiktion eingesetzt. Ähnlichkeiten mit Namen und Geschichten lebender oder verstorbener Personen, Orten oder Ereignissen sind rein zufällig.
Vorgeschichte
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Halloween-Kürbiskuchen (Kastenform-Rezept)
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Zaziki (Rezept für Dip oder Beilage zu Gegrilltem)
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kürbiscremesuppe (Rezept für 4 Personen)
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Apfelkuchen vom Blech (Hefeteig-Rezept)
Geschichte nach der Geschichte
Rezepteübersicht
Halloween 1995
Es war kurz vor Mitternacht und ein eisiger Wind blies über Wolfenberg, eine kleine Gemeinde nordöstlich von München. Die Zweige der Bäume und Sträucher peitschten im Oktoberwind, und wenn sich die Luft in einem der Schornsteine fing, ertönte ein Heulen, das jedem, der es hörte, das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die Dorfbewohner hatten sich längst in ihre Häuser verkrochen, die meisten lagen schon unter dicken, warmen Decken im Bett.
Das einsame Haus am Ortsrand wirkte wie verlassen, doch wer sich ihm näherte, hörte ein Baby weinen. Wieder und wieder drang sein hilfloses Klagen durch die Nacht, doch keiner kam, um es zu trösten.
Der Wind wurde stärker und das Heulen in den Schornsteinen lauter. Es war, als wenn eine Spannung in der Luft lag. Plötzlich ging Licht in dem Zimmer an, in dem das Kind lag und weinte, und von außen durch das Fenster sah man, wie sich ein Schatten langsam auf das Kinderbettchen zu bewegte.
Das Weinen des Babys hörte kurz auf, wurde dann aber heftiger. Wenig später öffnete sich die Seitentür des Hauses und eine schwarze Gestalt in einem Umhang trug das weinende Kind hinaus in die eisige Nacht.
11 Jahre später …
Andreas glaubte nicht an Geister. Mit fast zwölf Jahren glaubt man so einen Kinderkram nicht mehr, auch wenn es Spaß macht, Gruselfilme anzusehen oder sich zu Halloween zu verkleiden. Was ihm sein Freund Wombie da heute Morgen während des Unterrichts zugeflüstert hatte, war garantiert dessen wilder Fantasie entsprungen – eine Geisterfrau sei in der Nacht vor seinem Fenster gewesen. So ein Quatsch.
Der dicke Wombie hieß eigentlich Karl-Heinz und saß im Klassenzimmer in der Bank hinter Andreas. Er stupste ihn öfter mal an, um ihm etwas zu erzählen oder um ihm einen Zettel zuzustecken.
Aber auch wenn Andreas nicht an Geister glaubte, ein Schauer war ihm doch über den Rücken gelaufen, als Wombie ihm die Gestalt beschrieben hatte, die er gesehen hatte: Eine klapperdünne Frau mit schwarzen, abstehenden Haaren sei sie gewesen. Und sie hätte ein dunkles, weites Gewand getragen. Ihr Gesicht sei totenbleich gewesen mit tiefen schwarzen Schatten um die Augen.
Mindestens dreimal habe sie an sein Fenster geklopft, hatte Wombie gesagt. Erst habe er gedacht, er träume, doch dann, als er die Augen öffnete, um zu schauen, was da los war, habe er die Frau glasklar gesehen. Sie sah in sein Fenster hinein und sang dabei ein Lied. Schaurig, aber irgendwie auch schön. Das Lied war ihm bekannt vorgekommen und hatte etwas in ihm geweckt. Aber als die Frau ihm zuwinkte, da hatte er schnell die Decke über den Kopf gezogen. Und als er wieder hingeschaut hatte, war sie weg gewesen.
Wombie hatte sich nicht gleich getraut zum Fenster zu gehen, um zu gucken, wo sie war. Stattdessen hatte er sich unter der Bettdecke versteckt. Erst nach einer ganzen Weile hatte er allen Mut zusammengenommen und war mitsamt der Bettdecke zum Fenster gerobbt.
Wombie hatte vorsichtig hinausgeschaut, aber da war nur der bleiche Mond gewesen, der zwischen den schnell segelnden Wolken hindurchspähte. Er tauchte den großen Garten in blasses Licht und warf die Schatten der schwarzen Baumriesen, deren Zweige sich wie Peitschen im Wind bewegten, auf den Rasen.
Keine Menschenseele war zu sehen gewesen, hatte Wombie gesagt, aber er hatte so ein komisches Heulen gehört, und das sei bestimmt ein Werwolf gewesen.
„So ein Quatsch“, war Andreas mitten im Unterricht laut herausgeplatzt. „Die Geschichte hast du erfunden. Werwölfe gibt es doch gar nicht.“
Die Lehrerin hatte Andreas und Wombie missbilligend angeschaut. „Passt bitte im Unterricht auf und unterhaltet euch in der Pause. Ihr wollt doch wohl in der nächsten Klassenarbeit besser sein als in der letzten“, hatte sie gesagt.
Andreas hatte Wombie trotzdem noch einen Vogel gezeigt und der hatte ihm einen Papierball an den Kopf geworfen. Das wiederum konnte Andreas natürlich nicht ungerächt lassen und er hatte den Papierball aufgehoben, um ihn zurückzuwerfen.
Genau in dem Moment, als er zum Wurf ausholte, war die Tür aufgegangen und Direktor Ruprecht hereingekommen. Eigentlich hieß der Direktor Ruppert mit Nachnamen, aber hinter seinem Rücken nannten ihn die Kinder heimlich Ruprecht, weil er wie der strenge Gehilfe vom Nikolaus – Knecht Ruprecht – oft Strafen verteilte.
Andreas war mit dem erhobenen Arm und dem Papierball in der Hand erstarrt und natürlich war der Blick des Direktors gleich auf ihn gefallen. Der Blick hatte sich verfinstert und in der Mitte zwischen den Augenbrauen hatten sich steile Falten gebildet.
Oh nein, hatte Andreas gedacht und sein Gesicht war ganz heiß geworden vor Schreck. Bestimmt muss ich nachher wieder zu ihm ins Direktorzimmer und dann wird er mich schimpfen, war ihm sofort durch den Kopf geschossen. So ein Mist aber auch, dieser Mittwoch fing ja gar nicht gut an. Und bestimmt wird Ruprecht dann auch wieder von der kaputten Scheibe im letzten Monat anfangen. Dabei war er das doch gar nicht gewesen, dem der Ball in die Scheibe gedonnert war. Aber er hatte sich geschworen, niemals seinen Freund Tirri zu verraten - der würde nämlich so eine Schimpfe nicht ohne Weinen durchstehen, Andreas möglicherweise auch nicht, aber trotzdem fühlte er sich stärker. Und theoretisch hätte es ihm ja auch passieren können, dass ihm der Ball ausrutschte und etwas kaputt machte, wäre ja auch nicht das erste Mal.
Jedem von den vier Freunden hätte es passieren können:
dem dicken Wombie, dessen Finger von den vielen Cremeschnitten und der Schokolade, die er ständig in sich hineinstopfte, immer ganz glitschig waren,
dem zarten Tirri, der zwar so doll warf, wie er nur irgendwie konnte, aber meist völlig die Richtung verfehlte,
dem quirligen Bimse, der sehr schlau war, aber so viel Energie hatte, dass er manchmal einfach über die Stränge schlug und dann schon mal etwas zu Bruch ging oder
ihm, dem Andreas, der sich viele Gedanken um seine Freunde und seine Familie machte und der daher manchmal nicht ganz bei der Sache war.
All diese Gedanken waren Andreas in dem Moment durch den Kopf geschossen, als der Direktor ihn mit dem Papierball in der Hand erwischt hatte. Und er hatte recht behalten, der Direktor hatte ihn lange böse angeschaut und dann gesagt, er solle um Punkt ein Uhr zu ihm kommen und vor seinem Büro warten, bis er ihn hereinrufe.
Nun saß Andreas also auf der Holzbank im Flur gegenüber der Tür zum Direktorzimmer und wartete darauf, seine Strafe zu kassieren. Andreas stöhnte: Was wird er sich diesmal Schreckliches ausdenken? Letztes Mal war seine Strafe gewesen, an einem Samstag Vormittag alle Landkarten im Kartenzimmer aufzurollen, mit einem Tuch abzureiben und dann wieder zusammenzurollen. Das war sooo langweilig gewesen. Außerdem konnte er damals wegen der Strafe nicht mit seinem Bruder Patrick zusammen zum Papa fahren und das war für ihn ganz schlimm gewesen. Seit seine Eltern geschieden waren, sahen sie den Papa nämlich nur an manchen Wochenenden und in den Ferien. Und das war ihm viel zu wenig.
Andreas blickte sich um. Der Flur war lang und derzeit menschenleer, denn die anderen Kinder waren noch bis Viertel nach eins in den Klassenzimmern. Der alte Holzfußboden glänzte im gelblichen Schein der Deckenlampen und im ganzen Schulgebäude lag wie immer ein strenger Geruch nach Bohnerwachs. An den Wänden im Flur hingen ein paar gerahmte Zeichnungen von Schülern und neben der Tür des Direktorzimmers stand eine Vitrine, in der einige bunte Papier-Bastelarbeiten ausgestellt waren.
Andreas sah zu der großen Uhr hin, die über der Tür des Direktorzimmers hing: schon zehn Minuten nach ein Uhr. Der Direktor ließ ihn warten. Bestimmt will er, dass ich noch mehr Angst bekomme, dachte Andreas.
Wenn er die Strafpredigt doch nur schon hinter sich hätte.
Andreas hasste es, geschimpft zu werden. Was sollte er dann auch sagen, er machte die Fehler doch nicht mit Absicht, es passierte einfach im Eifer des Gefechts. Meistens verhielt er sich sowieso eher ruhig, damit er erst gar nicht auffiel, aber andererseits wollte er auch, dass man ihn beachtete und ihn lobte. Und das zu erlangen, war als mittleres Kind von drei Brüdern manchmal gar nicht so einfach. Er beneidete seinen großer Bruder Patrick, der schon so viel mehr konnte als er: besser rechnen und besser Fußball spielen. Und der kleine Stiefbruder Nico fing einfach an, laut zu schreien und schon hatte er alle Aufmerksamkeit bei sich. Aber irgendwann würde er allen zeigen, dass er auch jemand besonderer war, immerhin lernte er Geige und spielte im Kindertheater mit, irgendwann würde sie ihn bewundern, seine Brüder, und alle anderen auch.
Andreas fiel wieder ein, was Wombie dann in der großen Pause behauptet hatte: Die Frau, die er in der Nacht angeblich gesehen hatte, sei eine Untote gewesen. Er habe das schon mal im Fernsehen gesehen. Und weil doch in wenigen Tagen Halloween sei, kämen die Untoten jetzt verstärkt in der Nacht heraus.
„Untote gibt es doch in echt gar nicht“, hatte Andreas geantwortet. Doch doch, hatte Wombie bestanden, Untote sind Vampire. Sie sind tot und nicht tot, sie ernähren sich von Menschenblut und bestimmt wollte die Vampirfrau ihn beißen.
Sie zuckten zusammen, als sie plötzlich Ganthers Stimme hinter sich hörten. „So dick, wie du bist, ist dem Vampir hinterher schlecht“, hatte Ganther Wombie hämisch ins Ohr gelacht. Wombie, Tirri, Bimse und Andreas wurden die Knie weich. Ganther war ein bösartiger, hässlicher Junge aus der Klasse über ihnen, der ihnen oft auflauerte. Den Lehrern gegenüber tat er immer lieb und nett, doch sobald kein Erwachsener in der Nähe war, verfolgte er kleinere Schüler und machte ihnen Angst oder zwang sie, ihm ihr Pausenbrot und ihr Taschengeld zu geben. Die Jungen atmeten erleichtert auf, als sie die Aufsichtslehrerin näher kommen sahen und Ganther sich falsch lächelnd verzog. Aber gleichzeitig waren sie auch wütend auf sich selbst, weil sie immer noch keinen Weg gefunden hatten, sich selbst gegen Ganther zu wehren.
Nachdem sie sich ein wenig erholt hatten, brachte Wombie ihre Gedanken zu seinem Problem zurück. „Was soll ich tun, wenn die Vampirfrau wieder kommt und an meine Scheibe klopft?“
„Du hast geträumt, Wombie! Glaub mir, da war niemand“, hatte Andreas gesagt. Aber die Angst in Wombies Augen war nicht zu übersehen gewesen.
War vielleicht doch was dran an Wombies Geschichte? Andreas schüttelte energisch den Kopf. Nein! Vampire gibt es nicht. Vampire nicht, Werwölfe auch nicht und auch keine Geister! Das hatte sein Papa ihm erklärt – damals als er Albträume hatte, weil er sich zusammen mit seinem Bruder Patrick heimlich einen Vampirfilm im Fernsehen angeschaut hatte, als der Papa auf der Couch eingeschlafen war.
Aber egal, was die Ursache war, dachte Andreas, Wombie hatte Angst. Und da Wombie sein Freund war, würde er ihm beistehen. Und das hatten auch Bimse und Tirri so gesehen und daher hatten sie gleich angeboten, die kommende Nacht bei Wombie zu verbringen. Dann könnten sie auch eine Kissenschlacht machen – in dem großen Haus von Wombies Eltern gab es bestimmt viele Kissen.
„Das erlauben meine Eltern niemals. Sie werden euch nicht mal ins Haus lassen“, hatte Wombie traurig auf ihr Angebot geantwortet, „meine Eltern mögen keine fremden Kinder im Haus.“ Und ob sie ihn überhaupt noch im Haus wollten, dessen war sich Wombie auch nicht sicher. Aber das hatte er nicht gesagt, sondern er hatte in seine Cremeschnitte gebissen, die er statt eines ordentlichen Pausenbrotes dabei hatte. Seine Mutter machte ihm kein Pausenbrot, sie hatte für so etwas keine Zeit, sie brauchte morgens ihren Schönheitsschlaf, denn sie war eine berühmte Theaterschauspielerin, und wenn sie abends auftrat, musste sie gut aussehen. Seine Mutter legte ihm immer Geld für die Bäckerei hin und Wombie durfte sich kaufen, was er wollte. Anfangs hatten die Freunde Wombie beneidet, weil er so viele Süßigkeiten essen durfte, wie er Lust hatte, aber sie sahen ja, was dabei herauskam, nämlich dass Wombie immer dicker wurde und dass er trotz Süßigkeiten nicht glücklich zu sein schien.
„Dann kommst du eben zu uns“, hatte Andreas vorgeschlagen.
„Sie erlauben auch nicht, dass ich woanders schlafe. Sie wollen, dass immer alles gleich ist und dass ich keine Arbeit mache.“
Die Kinder hatte das ganz traurig gemacht.
„Uns wird schon was einfallen, wie wir trotzdem heute Nacht zu dir kommen können“, hatte Bimse gesagt, der eigentlich Wilhelm-Alexander hieß, dessen kleiner Bruder den Namen jedoch nicht aussprechen konnte, sodass ihn nun alle Bimse nannten. Bimse hatte Wombie an der Schulter gedrückt und dem waren die Tränen in die Augen geschossen. Andreas hatte eifrig genickt, nur um nicht auch zu weinen, obwohl er noch keine Idee hatte, wie sie das anstellen sollten, wenn Wombies Eltern nicht erlaubten, dass sie kamen. Tirri hatte auch genickt und sich vor Aufregung an seiner Banane verschluckt. Dann hatte die Pausenglocke geläutet und sie hatten zurück ins Klassenzimmer gemusst.
Andreas sah wieder zur Tür des Direktorzimmers. Sie bewegte sich immer noch nicht und so konnte er weiter überlegen. Wie sollte er bloß seiner Mama erklären, dass er heute Nacht bei Wombie schlafen musste, mitten in der Woche und ohne dass Wombies Eltern das merkten? Vielleicht konnte ihm sein Bruder Patrick irgendwie helfen, dachte er. Andreas rutschte unruhig auf der harten Holzbank hin und her. Wenn er doch nur schon die Strafpredigt des Direktors hinter sich hätte, denn wer weiß, vielleicht wollte der Direktor ihn bei der Mama verpetzen wegen dem Papierball, und dann dürfte er heute Abend vielleicht gar nicht raus.
Tausend Gedanken schossen Andreas durch den Kopf. Doch in dem Moment sah er Hausmeister Gebhard um die Ecke biegen und alle diese Gedanken waren auf einen Schlag verflogen. Seine Augen weiteten sich vor Schreck. Oh Gott, er und Hausmeister Gebhard alleine hier im Flur. Das war wirklich ein schlimmer Tag heute.
Andreas setzte sich kerzengerade hin und rutschte mit bleichem Gesicht ganz nach hinten zur Wand. Oh Gott, Hausmeister Gebhard, und er kam genau in seine Richtung. Wenn ihm wirklich jemand unheimlich war, dann war es dieser Mann, der kaum jemals mit den Kindern sprach, sondern schweigend seine Arbeit tat. Es gingen die schlimmsten Gerüchte um, zu was er fähig sei. Andreas dachte an Tobi, den getigerten Schulkater, wie gerne er ihn gekrault hatte und wie es geknattert hatte, wenn er dann sein Ohr an den weichen, haarigen Bauch gelegt hatte. Aber nach den letzten Sommerferien war Tobi weg gewesen und unter den Kindern wurde gemunkelt, dass der Hausmeister Tobi gegessen hätte. Doch niemand wagte, das laut auszusprechen, denn wenn jemand Katzen aß, dann vielleicht auch Kinder.
Hausmeister Gebhardt kam näher und Andreas rutschte noch weiter zurück an die Wand. Am furchterregendsten fand er die Hände des Hausmeisters, sie waren groß und rissig. Ob er seine Opfer erwürgte?
Noch nie war Andreas dem Hausmeister bisher alleine begegnet und am liebsten wäre er auch jetzt davon gelaufen. Stattdessen musste er hier ausharren und auf den Direktor warten. Sein Herz pochte immer lauter, während der Hausmeister näher kam. Andreas starrte vor sich auf den Boden. Bloß den Mann nicht reizen, dachte er bei sich.
Der Hausmeister hatte einen schlurfenden Gang, das Schlurfen kam immer näher. Andreas war vor Aufregung gleichzeitig kalt und heiß. Jetzt konnte er im Augenwinkel schon die Füße des Hausmeisters sehen. Oh Gott, was würde gleich passieren?
In diesem Moment hörte er, wie die Tür zum Direktorzimmer aufging. Er blickte hoch. Als er das strenge Gesicht von Direktor Ruprecht in der Tür sah, war er erleichtert und sprang froh auf ihn zu. Lieber vom Direktor geschimpft als vom Hausmeister zu Gulasch verarbeitet zu werden, sagte er sich.
„Und? Wie war es beim Direktor?“, fragte Wombie schmatzend und kramte in der Tüte schon nach dem nächsten Marshmallow. Sie hatten sich wie immer am Nachmittag, nachdem sie Hausaufgaben gemacht hatten, in ihrem Geheimversteck getroffen. Das Geheimversteck war der Zwischenboden unter dem Dach der Scheune von Bimses Großvater. Hier waren sie alleine und ungestört, und sie besprachen all die Dinge, die andere nicht hören sollten. Hier hatten sie auch ihre Finger-Zeichensprache erfunden, mit der sie sich verständigen konnten, ohne dass andere es merkten.
Die Scheune war Bestandteil vom Bauernhof des Großvaters und lag am Ortsrand von Wolfenberg. Zu dem Bauernhof gehörten auch einige der Felder und Waldstückchen, die um Wolfenberg herum verstreut lagen, und die sie im Sommer gerne durchstreiften. Doch jetzt im Oktober war es immer früh dunkel und kalt, sodass sie öfter bei einem der Freunde zu Hause spielten oder hier im Versteck ihre Pläne schmiedeten.
Einer nach dem anderen war die schwere alte Leiter aus Birkenholz, die Bimses Großvater vor vielen Jahren selbst gezimmert hatte, hinaufgeklettert. Nur sie vier trafen sich hier, keine anderen Schulkameraden und auch keine ihrer Geschwister nahmen sie mit hier rauf. Andreas hatte zwei Brüder: seinen älteren Bruder Patrick und den jüngeren Bruder Nico. Wombie und Tirri hatten keine Geschwister. Bimse hatte drei Geschwister: einen kleinen Bruder,