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Als der junge Mann mitten im Wald erwacht, hat er keine Ahnung, wer er ist oder woher er kommt. Es ist niemand bei ihm, so begibt er sich allein auf eine Reise um seine Erinnerungen wieder zu finden. Mit der Zeit macht er einige Erfahrungen, findet Freunde und trägt stückweise zusammen, was ihm helfen könnte, sich zu erinnern. Eine fantastische Geschichte inmitten der nordischen Mythologie erzählt das Schicksal eines Jungen ohne Namen und ohne Herkunft inmitten einer Welt voller Gefahren, Fallen und der Hoffnung , sich seiner selbst wieder erinnern zu können.
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Seitenzahl: 285
Veröffentlichungsjahr: 2018
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An die, die mich in den Momenten gesehen haben, in denen niemand anderes mich sah. Danke.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Epilog
Das Rauschen des Windes, der durch die Blätter fuhr, ließen ihn erwachen, wie aus einem Traum, den er hatte. Doch konnte er sich nicht erinnern, was er darin erlebt hatte, noch konnte er verstehen, warum er gerade hier. War er wirklich wach oder schlief er noch?
Als er seine Augen öffnete, wusste er nicht, wo er gerade war oder wie viel Zeit in diesem Moment verstrich. Sein Atem stieg in kleinen Nebelschwaden in die eisige Luft auf und voller Orientierungslosigkeit blickte der Junge umher. Er stand mitten auf einer Waldlichtung, die Bäume knarzten und knacksten um ihn herum, über ihm erstrahlte ein leuchtendes Rot von der Verfärbung des Himmels. Wurde es Tag oder Nacht?
Unter seinen Füßen knirschte der Wald, der Boden war mit Zweigen und Blättern übersät, soweit er es sehen konnte. Dunkelblonde Strähnen fielen ihm in die Augen und mit einem genervten Handstrich wischte er sich diese aus dem Sichtfeld. Dabei fiel ihm etwas auf. Knapp unter seiner Hand, etwa über dem Gelenk, war ein merkwürdiges Mal zu sehen, von der Farbe sehr dunkel und die Form so seltsam, doch irgendwie auch bekannt. Das Zeichen war wie ein keltische Triqueta geformt, dicke Linien wurden an den Stellen, wo sie sich mit anderen Linien trafen, dünner bis sie sich miteinander zu verschlingen schienen. Hatte er das schon immer so gehabt? Er konnte sich nicht daran erinnern, es schien einfach nichts einen Sinn zu ergeben. Und es war niemand hier, der ihm Antworten zu seinen vielen Fragen geben konnte.
Mit dem Daumen seiner anderen Hand versuchte er, das schwarze Zeichen weg zu reiben, angestrengt starrte er dabei auf die Stelle doch es tat sich einfach nichts. Das Ding blieb dort, als ob es sich an ihm festgefressen hatte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, es konnte doch nur ein böses Omen sein, das ihm von den Göttern auferlegt worden war.
Bei Thors Namen, wenn er jemals aus diesem Albtraum erwachen würde, er würde allen Göttern danken, dass er doch nicht verrückt geworden war. Aber es schien nicht, als würde er aufwachen. Und er glaubte, dass er nicht so bald nach Hause kommen würde, wo auch immer das sein mochte.
Etwas klirrte und sofort sah er in die Richtung, aus der es kam. Jemand oder etwas kam auf ihn zu, was ein leises Knurren aus seiner Kehle entlockte. Doch über das Geräusch, das ihn doch etwas verwirrte, konnte er nicht lange nachdenken, denn eine gebeugte Silhouette tauchte aus den Bäumen auf und je näher diese kam, umso besser konnte er erkennen, um wen es sich da handelte.
„Junge, du bist hier falsch!“, sagte die alte Frau mit den grauen, langen Haaren und den graublauen Augen.
Ihre Stimme klang rau und doch schwang Wissen in dieser Stimme mit, vor dem er sich eigentlich hätte fürchten müssen. Doch je näher sie ihm kam umso neugieriger wurde er.
„Ich weiß doch noch nicht einmal, wo ich hier bin“, antwortete er während er den Kopf leicht neigte und sie von oben nach unten musterte.
Sie wirkte in ihrem langen Kleid und den vielen bunten Ketten wie eine Zauberin oder eine Hexe, doch etwas an ihr war seltsam vertraut. Er kannte sie nicht, da war er sich absolut sicher, doch wie sie auf ihn zuging, mit dem Stab in ihrer Hand, ließ ihn kurz den Kopf schütteln.
„Du musst gehen, beeil dich!“
An der oberen Spitze ihres Stabes waren Steine, Scherben und kleine Utensilien festgemacht, die bei jedem Schritt, den sie ging, ein lautes Geräusch von sich gaben. Man hätte ihn wunderbar zum Musik machen benutzen können, wenn man die Lust dazu hätte aber der junge Mann wusste gerade nicht, wo sich oben und unten befand.
„Wohin soll ich denn gehen?“, fragte er deswegen die alte Frau, die sich vor ihm hinstellte und mit dem Ende des Stabs auf ihn zeigte.
„Sie kommen dich holen, du dummer Junge. Lauf so schnell du kannst!“, rief die Hexe, oder was auch immer sie war, weswegen er die Beine in die Hand nahm und lief.
Er eilte so schnell und so weit, bis dass es dunkel wurde als er bei einem kleinen Bach stoppte um zu verschnaufen. Wo war er denn nun? Irgendetwas hatte ihn hierhergetrieben, von weitem hörte er lautstarkes Gebrüll und doch wusste er, dass ihm hier nichts passieren konnte. Eigentlich sollte er sich wundern, wer diese Leute dort waren und doch war er für den ersten Augenblick froh, sich in Sicherheit gebracht zu haben.
Langsam beugte er sich zu dem klaren Wasser hinunter und schöpfte etwas mit seinen beiden Händen hinaus, damit er es trinken konnte. Um ihn herum war es finster, doch er sah noch genug um sich zurecht zu finden. Es war, als kannte er jeden Stein und jeden Ast hier, doch er selbst war noch nie an diesen Ort gewesen. Der Junge kannte ja noch nicht einmal seinen eigenen Namen oder sein Alter. Alles was ihm Aufschluss über sich selbst geben konnte, waren die Sachen an seinem Leib.
Mittlerweile war die Nacht wieder ruhig geworden, nur einzelnes Rascheln kam von den Bäumen. Langsam richtete er sich wieder auf, er betrachtete seine Kleidung die zwar nicht mehr die Neuste war, dennoch immer noch einen guten und stabilen Eindruck machte. Seine Schuhe sahen schlimmer aus, sie wirkten abgetragen und würden wohl nicht mehr lange durchhalten. Doch darum musste er sich ein andermal kümmern.
In seinen Taschen befand sich nichts außer ein kleiner Metallschlüssel, der schon leichten Rost angesetzt hatte. Der Schlüssel würde eher zu einer Kiste passen als zu einer Tür. Vielleicht, wenn er das passende Schloss fand, fand er auch etwas über sich selbst raus? Möglich wäre alles und so formte sich ein Plan in seinem Kopf, der nur noch ausgeführt werden musste. Der erste Punkt war, sich etwas Nahrung zu besorgen und dann in die nächste Stadt zu gehen, in der er möglicherweise etwas Arbeit fand und sich so sein Essen verdienen konnte. In dieser Zeit würde er alle möglichen Kisten versuchen zu öffnen mit dem kleinen Gegenstand in seiner linken Wamstasche. Das hörte sich doch wirklich gut an, anders konnte er es nicht beschreiben.
Um sich etwas zu orientieren, blickte er sich um und biss sich auf die Unterlippe, er konnte nicht einmal sagen, in welche Richtung er musste. Schon etwas verzweifelt, schaute er nach oben und entdeckte dort die Sterne. Wenn er sich so nicht weiterhelfen konnte, dann mussten ihm diese leuchtenden Dinger eben den Weg weisen.
Zuerst würde er nach Norden gehen, vielleicht traf er dabei sogar auf eine kleine Siedlung. Auf jeden Fall würde er sich etwas besorgen müssen, um jagen zu können. Vielleicht würde er sich einen Speer schnitzen, er musste ihn nur spitz genug kriegen um durch Fell zu kommen. Das Fell könnte er irgendwo verkaufen, es würde sich bestimmt ein Käufer dafür finden. Und vielleicht auch etwas Fleisch, man musste eben nur sehen, an wen man sich da genau wendete.
Etwas später hatte der junge Mann einen passenden Stock gefunden, der für ihn die passende Größe hatte, den er mit Steinen und viel Geschick spitz schleifen konnte. Um ihm noch etwas zu schmücken, band er ein paar Federn, die er am Boden gefunden hatte, um den Schaft. Das sollte verdeutlichen, dass dieser Speer jemanden gehörte und zwar ihm allein.
Langsam wurde es wieder hell, als er sich auf die Suche machte. Vielleicht gab ihm das einen Vorteil, wenn die meisten Tiere träge und müde nach einem Schlafplatz suchten während er noch hellwach war. Um nicht gleich gesehen zu werden, ging er in die Hocke und ging schleichend hinter den Büschen entlang, so leise wie nur möglich. Leider hatte einfach kein Glück, egal wie lange er suchte oder wartete, es war einfach kein Tier zu entdecken.
Fluchend gab er nach stundenlanger Suche auf. Mittlerweile knurrte ihm der Magen, Beeren und Kräuter würden ihn zwar am Leben halten aber es ihn würde nicht wirklich dauerhaft sättigen. Er sehnte sich nach einem köstlichen Stück Fleisch, aber auch eine schön warme Suppe würde es gerade tun. Nachher würde er noch einmal sein Glück versuchen, doch erst einmal brauchte er eine Pause. Das Letzte, was er noch mitbekam war ein zischendes Geräusch, wie von einem Pfeil, der die Sehne eines Bogens verließ bevor er in eine Bewusstlosigkeit fiel.
Luft! Er musste atmen, er brauchte Sauerstoff, der seine Lungen füllte und ihn am Leben hielt. Als er dazu die Gelegenheit bekam, zog er ihn mit raschen Zügen ein als wäre, dass das Einzige, was er noch tun konnte. Er trug eine Augenbinde und seine Hände waren hinter ihm gefesselt, so dass er weder wusste, wo er war, noch konnte er sich informieren, wer da bei ihm stand. Kurz kniff er seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, diese Situation hier war alles andere als behaglich.
„Er ist wach…“, hörte er eine weibliche Stimme flüstern, sie klang rauchig und mit einem Geheimnis belegt, das ihn zu sich locken wollte.
„Ich sehe es. Geh zu Goliath und sag ihm Bescheid“, erwiderte eine dunkle Männerstimme, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte.
Irgendetwas an seiner Sprechweise sagte ihm, dass der Junge nichts Gutes von diesen Menschen zu erwarten hatte. Trotzdem hob er fragend den Kopf in die Richtung der Stimme, damit er besser lauschen konnte. Irgendetwas, ein Wort oder ein Geräusch, konnte ihm verraten wo er war oder wenigstens, mit wem oder was er es zu tun haben würde. Denn er würde nicht einfach klein beigeben.
Der Stofffetzen, der als Augenbinde gedient hatte, wurde ihm vom Kopf gerissen und für einen Augenblick musste er sich an das helle Licht des Tages gewöhnen. Es waren also mehrere Stunden vergangen seitdem er ohnmächtig geworden war. Mit einem Ruck blickte er zu seiner Schulter, sie schmerzte als ob eine Biene ihn dort gestochen habe. Man musste ihn wohl mit einem Betäubungspfeil getroffen haben, der zur Bewusstlosigkeit führte.
Lautes Klappern, die von der Tür gegenüber ihm herrührte, ließ ihn seinen Blick zu dem großen Mann führen, der mit dunklen Augen auf ihn hinunter stierte. So richtig wohl war ihm bei dessen Anblick nicht und sein Magen zog sich vor Furcht und Respekt regelrecht zusammen. Seine ganze Statur schien nur eins zu sagen: Zerstörung. Allein würde er es niemals schaffen, diesen Kerl irgendwie zu umgehen, geschweige denn zu bekämpfen. Was sollte er denn gegen diesen riesengroßen Kerl schon machen?
Dunkle Haare, die in langen Strähnen durcheinander hingen, gaben ihm noch mehr den Eindruck eines Wilden, der nur auf eines wartete, nämlich zu zertrümmern, was auch immer ihm unter die Nase kam. Der Junge auf jeden Fall wollte vermeiden, dass seine Knochen das Nächste waren, was der Riese zertrümmerte. Selbst der Käfig, in dem er gerade hockte, wirkte schmal und klein bei dem Anblick des Mannes, der in der Tür stand. Doch bevor auch nur ein Wort gesprochen werden konnte, schellte eine Glocke, so laut, dass man es vermutlich noch Kilometer weit hören konnte. Jeder Einzelne schreckte auf, man hatte wohl nicht damit gerechnet und damit sollte der dunkelblonde Schopf recht behalten.
„Wir werden angegriffen!“, schrie jemand, niemand den er sah aber doch nah genug um gehört zu werden.
Der Gefangene zerrte an seinen Fesseln, er musste hier raus, denn nochmal wollte er das nicht mitmachen. Der Riese wendete sich selbst ab um zu sehen, was da genau vor sich ging, er schien der Anführer des ganzen Trupps zu sein und er würde das auch nicht mal hinterfragen. Alles an ihm schrie Chef, er hatte einfach schon ein autoritäres Auftreten. Doch diese Sache beschäftigte ihn wirklich nur einige Sekunden, denn er sah wie Flammen sich hochbäumten über die alten Gemäuer, in denen er festsaß. Der Käfig war nicht mehr abgeschlossen und wenn seine Entführer nicht mehr daran dachten, dann wäre er wohl schneller frei als die Typen auch nur denken konnten. Unruhig blickte er zu den merkwürdigen Flammen nach oben, die am oberem Rand der Mauern entlang züngelte. Sie waren von einer merkwürdig hellen blauen Farbe und schienen alles zu vernichten, was ihnen entgegenkam. Der junge Mann wollte nicht unbedingt Teil des Futters für die merkwürdige Hitze werden, weswegen er kurz an seinen Fesseln zerrte. Verdammt, wenn er hier nicht bald rauskam, würde er so Enden wie die armen Kerle dort am Tor, von denen nichts mehr übrig war außer Knochen. Blanke, weiße Knochen.
Während er fieberhaft überlegte, wie er seine Fesseln lösen könnte, verschwand der riesige Mann aus der Zelle, in dem der Blonde gefangen war, und mit ihm gingen auch alle anderen. Seufzend schloss der Junge die Augen und atmete tief ein und aus bevor er gleich versuchen würde, sich auf den Boden zu werfen und so irgendwie weiter zu kommen. Das würde schmerzhaft werden. Langsam und auch etwas ängstlich schaukelte er den Stuhl auf und ab, er wusste nicht wann genau er sich zu Boden schubsen sollte, auch wenn er das eigentlich gar nicht wollte. Doch er konnte nicht einfach abwarten, bis diese Kerle wiederkamen. Sie sahen gefährlich genug aus um dem Jungen einen Heidenrespekt einzujagen.
„Das ist wirklich dumm, was du da versuchst“, raunte eine weibliche Stimme hinter ihm, seine Handfesseln wurden durchgeschnitten und mit einem erleichterten Ausstoß hob er den Blick an.
Ein Mädchen, das ungefähr sein Alter haben musste, stand mit einem Umhang schräg hinter ihm, in ihrer linken Hand ein Messer. Er schnappte er sich das Messer aus ihrer Hand und löste das dicke Seil an seinen Füßen, das ihn an den Füßen festgebunden hatte. Als er den Kopf wieder hob, wurde ihm das kleine Messer mit dem hölzernen Griff aus der Hand gerissen.
„Fass nie die Waffe eines Räuberkindes an“, hörte er die warnende Stimme des Mädchens, doch bevor er darüber nachdachte, wurde er am Arm gepackt und gezogen.
Widerwillig ließ er es zu, dass das Mädchen mit den kupferroten Haaren und dem wilden Blick ihn steuerte, denn er kannte sich hier nicht aus. Er hörte nur Schreie, grobe Flüche und er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber bestimmt lagen auch ein paar Tote und Verletzte hier rum. War das ein Überfall? Oder hatte er gerade einen sehr wilden Traum und würde in wenigen Augenblicken schweißgebadet in einem weichen, gemütlichen Bett aufwachen? Er war sich nicht wirklich sicher.
Das Räubermädchen sah nur für ein paar Sekunden zu ihm zurück, wohl um zu gucken ob bei ihm alles in Ordnung war. Aber das war es nicht, er war verstört. Irgendetwas hier stimmte einfach nicht, zuletzt, weil es eben auch ein Überfall war. Oder eine Entführung? War er das Ziel? Nein, ganz bestimmt nicht, so viel wusste er einfach. Trotzdem kam es ihm einfach merkwürdig vor.
„Das Feuer…!“, schrie er auf als er die tobenden Flammen erblickte, die sich weiter nach vorne gegraben hatten.
Sie züngelten nach unten über das Gemäuer und schienen nur auf die nächste nahrhafte Speise für sie zu warten, die sie mit vergnügen verschlingen würden. Das Mädchen hatte ihn wohl nicht gehört, oder aber, was er eher vermutete, sie ignorierte ihn einfach. Sie kannte sich ja wohl damit aus, er aber so überhaupt gar nicht. Er hatte sowas noch nie gesehen und fast war er stehen geblieben um das Schauspiel zu verfolgen. Die Rothaarige zog ihn mit sich und durch das große Steintor nach draußen in die Freiheit des Waldes. Da sie endlich stehen geblieben waren, einige Meter von dem Tor entfernt, atmete er zum ersten Mal, seit er in diesem Käfig aufgewacht war, richtig durch. Er stemmte seine Hände gegen seine Knie, das war doch alles einfach so verrückt!
„W…wie heißt du überhaupt?“, kam Atem holend von ihm an das Mädchen vor ihm gerichtet.
Dieses schien gerade die Gegend mit ihren Augen abzusuchen, wohl um alles abzusuchen. Dabei betrachtete er die dünne Gestalt in den dicken Klamotten aus Fell und Leder. Ihre Haare waren zusammengebunden und unter einer Kapuze versteckt.
„Lehy…und jetzt rede nicht so viel!“, befahl sie ihm mit verkniffenem Mund.
Sie schien unruhig zu sein, sie suchte die Gegend ab als würde sie auf etwas oder jemanden warten und schon Sekunden später erhellte sich ihre Miene als sie der Ruf einer Eule zu hören war.
Eine Eule mitten am Tag? Ein seltsames Gefühl machte sich in seinem Bauch breit, dass ihm sagte, dass dieser Tag noch sehr lange andauern würde. Würde er denn jemals seine Ruhe haben um für einen Moment zu verschnaufen? So wie er das sah, nicht.
Einige Männer in dunklen Gewändern kamen auf sie zu, er setzte schon zurück um weg zu laufen, doch er stockte weil Lehy dasselbe nicht tat. Sie kannte wohl diese Gestalten, was ihn verwirrte und zugleich verschreckte.
„Dalairia“, meinte einer der Männer unter den Kapuzen zu dem jungen Mädchen, wohl eine Art Begrüßung oder dergleichen.
Das kam ihm seltsam vor, denn das schien eine ganz andere Sprache zu sein als die, die er kannte. Es konnte aber auch ein Code für etwas sein, vermutlich interpretierte er auch zu viel hinein. Die Möglichkeit bestand aber, dass er bei diesen Menschen mehr über sich herausfinden konnte, deswegen folgte er den Wink der Rothaarigen, die ihn dazu aufforderte, ihnen hinter her zu gehen. Also ging er mit, folgte ihnen über gewaltige Felsen und steile Hänge bis er zu einer Baumstadt gelangte. Und wenn er Baumstadt sagte, meinte er nicht in Bäume hinein geschlagene Häuschen, sondern riesige Häuser auf den Wipfel der Fichten, Tannen und zahllosen Laubbäumen, die es hier anscheinend sehr häufig gab und sich in grüner Pracht der Sonne entgegenstreckten. Geblendet von dieser Pracht bemerkte er nicht, wie sich alle vor einer Gestalt verneigten, die auf sie zu gingen und nur der scharfe Klang einer Stimme brachte ihn dazu, sich der merkwürdigsten Gestalt zu zuwenden, die er jemals in seinem Leben gesehen hatte, darin war er sich absolut sicher.
„Wer ist das?“, erklang eine sehr alberne Stimme, die zu einem sehr albernen Mann gehörte.
Beinahe hätte er gelacht, doch er riss sich zusammen und verneigte sich ebenfalls vor dem Mann mit diesem lächerlichen bunten Hut auf seinem Kopf. Das braune Kinnbärtchen und die leichenblauen Augen verliehen ihm einen fahlen Teint, der ihn wie eine bunt angezogene Leiche wirken ließ. Der junge Mann kräuselte die Lippen, es fiel ihm wirklich schwer, den anderen nicht auszulachen. Einer der Kapuzenträger erhob sich etwas und berichtete dem komischen Kauz davon, wie der Überfall stattgefunden hatte. Nun wurde ihm klar, wer oder was ihn vor diesem unheimlichen Riesen gerettet hat, auch wenn ihm Lehys Rolle dabei nicht ganz klar war. Denn sie wurde in dem ganzen Bericht nicht einmal erwähnt. Vorsichtig schielte er zu der Rothaarigen neben ihm, die sich selbst den Zeigefinger auf die Lippen legte. Also sollte er wohl nicht verraten, dass sie bei ihm gewesen war.
„Wie ist dein Name, Junge?“, hörte er die nasale Stimme ihn fragen, er hob augenblicklich den Kopf und blickte den Mann mit der krummen Nase an.
„Ehm…“, machte er nur, denn er hatte ja selbst keine Ahnung, wie er hieß.
Sollte er sich einen Namen ausdenken? Aber welchen? Welcher würde nicht komisch klingen und zu ihm passen? Weil seine Überlegungen schon viel zu lang dauerten, richtete er sich vollkommen auf. Das war wohl nicht die normale Umgangsweise mit diesem Kerl da drüben aber das interessierte ihn wirklich wenig.
„Ich kenne meinen Namen nicht“, antwortete er deswegen wahrheitsgemäß, was der bunten Leiche wohl nicht zu gefallen schien.
„Das glaube ich dir nicht! Sag mir, wie du heißt oder ich lasse dich köpfen!“, fing er an zu keifen, vielen der Männer stockte für einen Moment der Atem.
Warum nur hatten diese Menschen vor so einem Trottel Angst? Was brachte sie dazu, diesen Mann dort zu fürchten, obwohl er für den jungen Wanderer nur eine Witzfigur war.
„Ich lüge nicht!“, erwiderte er, seine Augen bohrten sich in die des anderen, was den Harkennasenmann zurückfahren ließ.
Er war wohl wirklich nicht daran gewöhnt, dass man ihm widersprach. Ob er wohl der König der Narren war? Jedenfalls ließ seine bunt gemischte Kleidung ziemlich gut darauf schließen, doch so wie er sich verhielt war das genaue Gegenteil der Fall.
„Hängt ihn! Der König der Räuber befiehlt es euch!“, schrie der Leichenmann und da hatte er auch schon die Rolle, die er ausfüllte.
Narrenkönig würde wohl besser zu ihm passen, doch auch diesen Kommentar verbiss er sich, denn er wollte nicht noch mehr Ärger provozieren als er eh schon hatte. Ob er gehängt wurde oder nicht, hing jetzt ganz alleine von der Reaktion der Männer um ihn herum ab. Diese schienen ratlos zu sein, sie waren es wohl nicht gewohnt solche Befehle entgegen zu nehmen.
„Ich habe keinen Namen und weiß nicht wer oder wo ich bin. Glaubt mir doch!“, bat er alle Menschen, die er sehen konnte, er blickte um sich herum um die verschiedenen Gesichter sehen zu können.
Was würde nun kommen? Was würde mit ihm geschehen, würde er heute sterben obwohl er noch nicht einmal seinen eigenen Namen wusste?
Stille herrschte, die minutenlang nicht unterbrochen wurde, nicht einmal dieser königliche Idiot rührte sich. Lautes Pochen von Holz auf Stein unterbrach die Stille vor dem Sturm, die ihn beinahe getötet hätte. Alle Blicke, auch der seine, wanderten zu der Person, von der das laute Geräuschen gekommen war. Gebeugt und mit einem Mantel vermummt stand sie da, doch dem blonden Jüngling kam sie auf eine seltsame Weise bekannt vor. Hatte er sie schon mal gesehen? Jetzt wo er genauer hinsah, kam ihm dieser Umhang wirklich bekannt vor. Mit angehaltenem Atem sah er zu, wie die Person langsam ihren Kopf enthüllte.
„Habe ich dir dummer Junge nicht gesagt, du sollst laufen“, sprach die raue Stimme der alten Frau.
Er hatte sie im Wald gesehen, als er verwirrt nach einem Weg suchte, der irgendwie nach draußen führte.
Nun war er, gefühlte Tage danach, tiefer im Wald als zuvor. Und noch mehr in Gefahr. Hilflos zuckte er mit den Schultern, er wusste nicht so recht was er nun darauf antworten sollte. Denn an sich war er auch gelaufen, doch wohl in die völlig falsche Richtung, den die, vor denen sie ihn gewarnt hatte, waren wohl direkt um ihn herum. Oder ging es wirklich nur um den da vorne?
Langsam schob sich die alte Hexe nach vorne, ihre Ketten klimperten bei jedem Schritt und der König der Räuber zuckte zusammen als der Stab neben ihm auf den Boden klopfte, er wich sofort einen Schritt zur Seite.
„Ich bin mir sicher, du hast was zu sagen, Mama Birga, aber…“, versuchte er zu sagen, doch verstummte er sofort als sie ihm ihre freie Hand entgegenstreckte.
„Ich verweigere euch, diesen jungen Mann dort zu töten. Er steht unter dem Schutz der Götter und die Sterne haben sein Erscheinen prophezeit!“, kam herrisch von der unbekannten Dame, die hier wohl sehr viel Autorität genoss.
Sogar dieser sogenannte „König der Räuber“ schluckte und neigte sein Haupt.
Bei Thors Hammer, wenn er nur wüsste, wo er hier hineingeraten war? Er kannte keinen dieser Menschen, er wusste noch nicht einmal, woher er selbst stammte. Und doch stand diese alte Frau dort vorne für ihn ein, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut. Mit Wut im Bauch ballte er seine Hände zu Fäusten, ihm gefiel es einfach nicht, so zu sein…so unbekannt und ohne Namen. Doch bevor er seinen Gefühlen Luft machen konnte, sah er wie Birga ihn zu sich winkte und er folgte ihrer Aufforderung, indem er unsicher nach vorne ging. Die ältere Frau stupste mit dem Finger gegen seine Stirn und blickte ihm in die Augen. Es kam ihm vor, als würde er in die Tiefen der ihren versinken und doch nichts entdecken. Es gab keine Klarheit.
„Ich bin Mutter der Mütter und ich sehe, dass du keine hast. Deswegen nehme ich dich auf und gebe dir einen Namen“, begann sie zu sprechen, ihm wurde ganz flau im Magen.
Eigentlich wollte er keine Mutter haben, doch als er diese Worte hörte, wurde ihm klar, wie sehr er gerade eine brauchte. Mit hoffnungsvollen Augen blickte er auf, der Stab, den sie die ganze Zeit in ihrer Hand hielt, rasselte. Die Gestalt ließ eine Hand in den Beutel gleiten, die um den Stab hing und zog einen Stein heraus. Er trug eine Rune darauf, die schwarz gemalt war und leicht im Licht schimmerte.
„Ich nenne dich Sian, mein Kind. Und von nun an stehst du unter meinen Schutz und unter den Schutz der Götter, die dich auf deinen noch weiten Weg begleiten werden.“
Ein warmes Gefühl machte sich in seinem Herzen bereit und er nahm die Rune entgegen, die er mit leuchtenden Augen betrachtete. Er hatte einen Namen! Er drehte sich zu dem „König der Räuber“ um und hielt ihm die Rune entgegen.
„Mein Name ist Sian und ich verneige mich nicht vor dir!“, entkam seinen Lippen, mutig begegnete er den Blick des Königs, der fassungslos zu sein schien.
Etwas schien ihn zu beunruhigen, doch der junge Mann mit dem Namen Sian fragte nicht nach. Ob Götter oder Schicksal, was es auch sein mag, etwas hatte ihn hierhergeführt.
Der Mann mit der Harkennase grinste, er wusste, dass er sich das nicht gefallen lassen würde. In seiner Welt war er ein hohes Tier, alle hier hörten auf ihn und er besaß die Macht. Doch nicht in Sians Welt, er war ein Außenstehender und gehörte nicht zu ihnen. Er war frei, er brauchte keine Regeln, die ihn fesselten und zum Bleiben verurteilten. So wie ein Rabe würde er sich seinen Weg finden und wie ein Wolf würde er dafür kämpfen. Ungerührt blickte der blonde junge Mann in das Gesicht vor ihm, doch er würdigte ihm kein Wort mehr. Er hatte gesagt, was er sagen hatte wollen. Niemand würde ihn dafür noch verurteilen, denn es war sein Recht. Mit einem Namen konnte er sich Gehör verschaffen ohne sich peinlichst berührt zu fühlen, weil ihm kein Name zugedacht war. Und doch, obwohl er diesen Moment gerade triumphierend genoss, ergab sich ein bitterer Nachgeschmack. Wer war er eigentlich? Wieso war er hier auf dieser Welt? Hatte ihn jemand geschickt oder verlassen? Enttäuschung kroch in ihm hoch und verscheuchte jedes Zufriedenheitsgefühl, dass noch vor wenigen Augenblicken sein ganzes Sein erfühlt hatte.
Augenblicke jagten den vorherigen nach und mit jeder Minute, die verging, fühlte er sich unwohler. Sein Magen wurde ganz flau als er daran dachte, dass er weder Vergangenheit noch Zukunft hatte. Denn was wollte er eigentlich hier in diesem Dorf, wenn er noch nicht mal die Frage nach seiner Herkunft beantworten konnte. Nein, hier gehörte er nicht hin und deswegen blickte er zu Mama Birga auf, die schon zu wissen schien, was ihm durch den Kopf ging.
„Du hast das Herz am rechten Fleck und den Verstand eines Fuchses. Du bist schlau und wirst deinen Weg finden.“ Die Worte der alten Frau rührten hin und zaghaft nickte er.
Er konnte nicht bleiben, es musste einen Weg geben um heraus zu finden, weshalb er überhaupt hier auf dieser Welt war.
„Doch bevor du gehst…“, kam von der rauchigen Stimme der Alten, „…bleibst du diese eine Nacht noch hier. Du solltest dich vorbereiten auf eine lange Reise, die die Götter für dich erdacht haben. Nichts wird einfach aber das Ziel wird es wert sein.“
Sian biss sich auf die Unterlippe, Mama Birga hatte recht und doch konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen bis er von hier fortgehen konnte. Doch er brauchte eine Pause von den Dingen, die um ihn geschehen waren. Ereignisse hatten sich aneinander gejagt und ihn völlig erschöpft, er würde ein wenig Schlaf brauchen. Und auch etwas Essen. Bei dem Gedanken daran knurrte sein Magen laut und entlockte damit Mama Birga und einigen Menschen in seiner Nähe ein Lächeln. Beschämt wurden seine Wangen rot, er senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe, doch wurde seine Scham durch den Geruch des Essens vertrieben. Ja, er hatte wirklich Hunger und wenn es nach ihm ginge, dann könnte er einen ganzen Berg voll Nahrung zu sich nehmen.
Sich nach dem Ursprung des Essensgeruchs umsehend, erblickte er das junge Mädchen mit den rötlichen Haaren. Ihr Blick war intensiv, wissend und dennoch unergründlich, so dass er sich fragte, was sich wohl in ihrem klugen Kopf abspielte. Mehr doch fragte er sich, ob sie wusste, was das hier alles bedeuten sollte. Er hatte keine Ahnung, welchen Weg nun seine Reise nehmen würde und ob er das auch alleine schaffen würde. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinen schlanken Bauch breit, doch wollte er über diese ganzen Sachen wirklich keinen einzigen Gedanken mehr verschwenden. Wenigstens nicht heute Abend, denn es erwartete ihn ein Festmahl, dass er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte können.
Die alte Frau mit dem Namen Birga geleitete ihn zu einem sehr großen Tisch, versetzt standen viele kleinere, doch kam er gar nicht dazu, sich einen Platz davon auszusuchen. Sofort wurde er auf die harte Bank gedrückt, vor ihm erschien wie durch Zauberei ein voller Teller. Fleisch, Brot, Wein und Met, mit verschiedensten Gewürzen gekocht, gebraten, gebraut und gebacken. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, es fiel ihm wirklich schwer, sich noch zurück zu halten. Mit einem fast schon flehenden Blick sah er hinauf zu der krumm gebeugten Frau, die mit einem amüsierten Lächeln nickte.
Also warum sich jetzt noch zurückhalten?
Der erste Biss schmeckte so köstlich, dass er beinahe vor Glück gestöhnt hätte. Das Fleisch lag zart in seinem Mund und mit schnellen Bissen schluckte er es hinunter um sich ein Stück Brot zwischen die Zähne zu legen. Mann…er wusste gar nicht, wann er zuletzt etwas gegessen hatte, geschweige denn so etwas Leckeres. Plötzlich hatte er das Gefühl, angestarrt zu werden und mit unsicherem Blick wanderte sein Kopf nach oben. Doch nur ein paar andere lachten wegen ihm, die meisten anderen waren selbst aufs Essen konzentriert. Kein Grund sich zu schämen, sagte er sich selbst, doch wollte sich sein Körper nicht mehr weiter zum Essen überreden lassen. Um nicht weiter aufzufallen, aß er noch ein paar Gabeln voll, ehe er das Essen beendete um sich einen Ort zu suchen, an dem er sich ausruhen konnte. An dem er allein war, um einfach einmal durchzuatmen.
Der Wein hatte seinen Kopf etwas schummrig gemacht, so dass er nicht klarsah, doch wusste er ganz genau, wer dort in der Ecke saß und auf ihn wartete. Stolpernd hielt er sich an einem der Baumstämme fest während er die Gestalt mit den kupferroten Haaren musterte.
„Lehy“, murmelte Sian mit schwerer Zunge, schlafen klang gerade nach der einzigen vernünftigen Idee, die er jemals hatte. Dennoch bezweifelte er, dass ihm das bald gelingen würde.
„Sian also, ja?“ Ihre Stimme klang anders als sonst, vorwurfsvoll und auf eine Weise sehr verachtend.
Was ihn ein wenig schmerzte, denn er mochte die kleine flinke Gestalt. Seit sie ihn gerettet hatte, war er das Gefühl nicht losgeworden, dass sie beide etwas verbinden würde, das weit über eine bloße Freundschaft hinausgehen könnte. Doch die Möglichkeit bestand, dass er sich mit seiner Ahnung irrte und am Ende konnten sich die beiden jungen Leute so gar nicht leiden.
„Ja, Sian.“ Seine eigene Stimme klang hohl und auch etwas angetrunken, sie wollte so gar nicht zu ihm passen.
So wie der ganze Rest an ihm, irgendetwas stimmte gewaltig nicht, er gehörte hier nicht hin. Er fühlte sich fremd in einem Land, wozu er eingeladen wurde, doch sein Verstand weigerte sich, es als sein Zuhause zu betrachten. Nein. Er hatte zwar einen Namen, der ihm aber nicht gehörte und war in einem Land, das niemals sein Zuhause sein würde.
Als hätte die junge Frau vor ihm erkannt, was ihm durch den Kopf ging, kam sie zu ihm rüber und streichelte durch sein verwildertes Haar.
„Du bleibst nicht“, raunte sie, worauf er den Kopf schüttelte. Nichts hielt ihn hier außer der Tatsache, dass hier seine Geschichte begann. Doch auch wenn hier sein Anfang war, musste es ja irgendwie weitergehen. Nach dem Auftakt kam nämlich immer mehr und dazu musste er sich aufraffen. Ihre Berührung wurde tröstender und beinahe hätte er die zärtliche Geste ausgekostet, wenn hinter ihm nicht laute Schritte auf ihn zugekommen wären.
Wie ein Geist verschwand seine Gesprächspartnerin und er holte tief Luft, um sich aufzurichten und nicht wie ein betrunkener Trottel zu wirken, der er gerade war. Mit einem tiefen Atemzug nahm er den Geruch nach Bier war, frisch gebrautes Bier, und nasser Hund, was ihn mehr als verwunderte. Er hatte hier weder Hund noch Wolf gesehen, deswegen verwirrte ihn die Anwesenheit des Geruchs. Eine schwere Pranke legte sich auf seine Schulter und nur mit viel Überwindung konnte er es vermeiden, zusammen zu zucken.
Als er zögernd nach oben sah, um den Ursprung dieser massiven Hand zu sehen, erblickte er einen rothaarigen Bären. Nicht, dass es ein richtiger Bär war, aber diesen Mann dort konnte man nur als solchen bezeichnen. Er war massiv, muskulös und bestimmt sehr schwer. Der Kleinere von beiden musste es nicht ausprobieren um zu wissen, dass dieser massive Fels von einem Mann alles widerstehen konnte, was ihm über den Weg lief. Der Blonde erblickte eine Ähnlichkeit mit Lehy, die man nicht übersehen konnte. Die gleichen wissenden Augen mit der bodenlosen Tiefe, in der man sich verlieren konnte. Doch anders als bei seiner Tochter waren seine Augen nicht grün, sondern tief-braun. Was für eine seltsame Kombination, rotes Haar und braune Augen. Und aus einem unerfindlichen Grund wünschte sich der junge Mann, dass dieser Brocken ihn akzeptierte. Als Mensch, als Abenteurer und Krieger. Doch davon war er wirklich weit entfernt.
„Komm schon, Kleiner. Ich zeig dir dein Lager“, tönte die tiefe Stimme, die reine Männlichkeit ausdrückte und einen Beschützergeist.
Dieser Krieger würde alles für seinen Stamm und seine Familie tun, das sah man ihm sofort an. Ob er freiwillig ein Räuber war, das konnte der Junge nicht erkennen, doch schien ihm das Rauben nicht wirklich viel auszumachen. Er war einer der Männer, die diesen seltsamen Ort überfallen hatte, an dem Sian gefesselt in diesem Käfig sein Ende erwartete.