Wortschatz und Textproduktion - Sybille Werner - E-Book

Wortschatz und Textproduktion E-Book

Sybille Werner

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  • Herausgeber: ibidem
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Wie kann man die Schreibkompetenz von bildungsfernen Schülern erhöhen? Welche Schritte müssen dazu durchgeführt werden? Was muss zuerst in den Blick genommen werden, die Orthographie oder das Schreiben der Texte? Sybille Werner setzt sich fundiert mit diesen Fragen auseinander. Aus einer Darstellung, was schulische Schreibprozesse für Schülerinnen und Schüler so schwierig und damit fehleranfällig werden lässt, ergibt sich eine empirische Überprüfung, wie die Schreibkompetenz erhöht werden kann. Dabei zeigt sich, dass es erfolgreich möglich ist, die beiden wesentlichen Elemente der Schreibkompetenz, nämlich sowohl die Orthographie als auch das Textverfassen, in einer komplexen Wortschatzarbeit parallel im Unterricht zu erhöhen. Der Band richtet sich besonders an Lehrende, die sich mit der Didaktik der Deutschen Sprache beschäftigen: Sprachdidaktiker, Lehrerinnen und Lehrer, die sich im Fach Deutsch oder in Sach-fächern mit Schreibprozessen befassen, aber auch an Lehramtsstudierende oder Referendare, die ihr Repertoire an Schreibkompetenzmethoden erweitern und aktualisieren möchten.

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Seitenzahl: 367

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhalt

Danksagung
Einleitung und Überblick
Erster TeilTheoretische Grundlagen
1 Schreiben
1.1 Merkmale von Schriftlichkeit
1.2 Schreiben als Problemlöseprozess
1.3 Modelle zum Schreibprozess
1.3.1 Das Schreibprozessmodell von Flower und Hayes
1.3.2 Das Schreibprozessmodell von de Beaugrande
2 Arbeitsgedächtnis
2.1 Modell zum Arbeitsgedächtnis
2.2 Modell zum Arbeitsgedächtnis für das Schreiben
3 Schreiben und Arbeitsgedächtnisbelastungen
3.1 Empirische Daten aus der Schreibdidaktik
3.1.1 Überlasten beim Verfassen von Phantasieerzählungen
3.1.2 Überlasten durch schreibmotorische Prozesse
3.2 Empirische Daten zu kognitiven Belastungen beim Schreiben
3.2.1 Deutscher Sprachraum
3.2.2 Internationale Forschung
4 Prozeduralisierungen
4.1 Was sind Prozeduralisierungen?
4.2 Die Bedeutung von Prozeduren für den Lernprozess
4.2.1 Theorie der repräsentationalen Redeskription
4.2.2 Empirische Daten für die Bedeutung von Prozeduren für den Lernprozess
Zusammenfassung und Leitthesenformulierung
Zweiter TeilDidaktisches ModellVorstellung und Zusammenführung der wissenschaftlichen Disziplinen
5 Bedienungsanleitungen
5.1 Komplexität als Merkmal für die Erstellung von Bedienungsanleitungen
5.2 Textart Bedienungsanleitung
5.2.1 Begriffsbestimmung Bedienungsanleitung
5.2.2 Elemente der Bedienungsanleitung
5.3 Welche kommunikativen Bedingungen stellen Bedienungsanleitung?
5.4 Schreibentwicklung in der Textart Bedienungsanleitung
6 Wörter und Wortschatzarbeit
6.1 Welche Relevanz hat der schulische Wortschatzerwerb?
6.1.1 Wortschatz und Lesen
6.1.2 Wortschatz und Texte schreiben
6.1.3 Wortschatz und Orthographie
6.1.4 Wortschatz und Wissen
6.2 Wörter und ihre mentale Verarbeitung
6.2.1 Was ist ein Wort?
6.2.1.1 Lemma und Lexem
6.2.2 Wie werden Wörter mental verarbeitet?
6.2.2.1 Wie werden Wörter beim Sprechen und Schreiben abgerufen?
6.3 Spracherwerb
6.3.1 Lexikalische Entwicklung (Wortbedeutungserwerb)
6.3.2 Wortschatzentwicklung bei Deutsch als Zweitsprache-Lernern (DaZ)
7 Orthographie
7.1 Orthographiesystem
7.1.1 Der Aufbau der Orthographie
7.1.2 Das alphabetische Prinzip
7.1.3 Funktionen von graphischen Zeichen
7.2 Orthographiedidaktik
7.2.1 Erwerb der Orthographie
7.2.1.1 Wissensbasierter Orthographieerwerb
7.2.1.2 Logogenmodell
7.2.2 Verschiedene Lernweisen
7.2.3 Förderung der Orthographie in der weiterführenden Schule
7.2.3.1 Rechtschreibung am Ende der Primarstufe und in der Sekundarstufe I
7.2.3.2 Grundwortschätze
7.3 Silbe
7.3.1 Strukturen die den Aufbau von Orthographie befördern
7.3.2 Die Eignung der Silbe für den Aufbau der Orthographie
7.3.3 Die Silbe in der Fachdidaktik
7.3.4 Unterschiedliche bestehende Silbenkonzepte
7.3.5 Das Silbenkonzept der Arbeit
7.3.5.1 Vokale
7.3.5.2 Verletzungen des Silbenschemas und der Sonoritätsbeschränkung
7.3.5.2.1 Anlaut
7.3.5.2.2 Auslaut
7.3.5.2.3 Epenthese
7.3.5.3 Phonologische Wörter
7.3.5.4 Silbifizierungsalgorhitmus
Dritter TeilEmpirische Untersuchung
8 Wortschatz, Rechtschreibung und Textverfassen: Vorüberlegungen zur Konzeption
8.1 Wortschatz
8.1.1 Warum eine Wortschatzarbeit zur Unterstützung der Leistungen im Texteverfassen?
8.1.2 Aufgabenformate zum Wortschatz
8.2 Rechtschreibung
8.2.1 Warum Rechtschreibübungen zur Unterstützung der Leistungen im Texteverfassen?
8.2.2 Warum die Rechtschreibung über eine Wortschatzarbeit unterstützen?
8.2.3 Aufgabenformate zur Rechtschreibung
9 Konzeption der Wortschatzarbeit
9.1 Durchführung
9.1.1 Einführung in die Intervention und Ablauf
9.1.2 Vorstellung des Lernmaterials
9.2. Thematische Inhalte der Wortschatzarbeit
9.2.1 Textarbeit
9.2.2 Orthographie
9.2.3 Zusammenstellung des Wortkorpus
10 Daten der Untersuchung
10.1 Fragestellung
10.2 Vorstellung der Stichprobe
11 Methodisches Vorgehen
11.1 Operationalisierung der forschungsleitenden Fragen
11.2 Kriteriensatz und Methodik der Auswertung
11.2.1 Vorstellung des Kriteriensatzes zur Textauswertung
11.2.1.1 Methodisches Vorgehen bei der Textauswertung
11.2.2 Vorstellung des Testinstrumentes: Hamburger Schreib Probe (HSP)
4.2.2.1 Methodisches Vorgehen bei der HSP-Auswertung
12 Ergebnisse
12.1 Gesamtergebnis
12.2 Ergebnisse Klassen 5
12.2.1 Beantwortung Frage 1
12.2.2 Veränderungen durch die Intervention?
12.2.2.1 Beschreibung der Leserorientierung
12.2.3 Hamburger-Schreib-Probe
12.2.4 Tabellarische Gesamtauswertung Klasse 5
12.3 Ergebnisse Klassen 6
12.3.1 Beantwortung Frage 1
12.3.2 Veränderungen durch die Intervention?
12.3.2.1 Beschreibung der Leserorientierung
12.3.3 Hamburger-Schreib-Probe
12.3.4 Tabellarische Gesamtauswertung Klasse 6
Vierter TeilDiskussion und Didaktische Konsequenzen
13 Allgemeine Beobachtungen zu den Texten
13.1 Hinweise zum Untersuchungsmaterial
13.2 Vergleich des Untersuchungsmaterials mit den Texten aus Becker-Mrotzek (1997)
14 Diskussion der Zugewinne im Untersuchungsmaterial
15 Textverfassen und Arbeitsgedächtniskapazitäten
16 Didaktische Konsequenzen
Literatur

Danksagung

Das Schreiben einer Doktorarbeit lässt sich gut mit einem Marathon vergleichen: Eines Tages erwacht in einem der Gedanke, dass man einen Marathon laufen könnte und fängt zaghaft an zu trainieren. Nach zögerlichen Anfängen folgen die selbstbewussteren Läufe, deren Hochgefühl schnell von der Anstrengung der langen Trainingsläufe abgelöst wird. Etliche Kilometer später hat man den Verdacht, dass die Schinderei des Trainings nur ein schwacher Ausblick auf die finale Kraftanstrengung des Wettkampfs sein wird, die wohl mit nichts außer Geduld und der Hoffnung, dass man das Ziel erreichen kann, auszuhalten sein wird.

Dass ich die Kraftanstrengung einer Doktorarbeit bewältigt habe, ist vielen Menschen zu verdanken, die an mich geglaubt und mich immer wieder ermutigt haben. Zu allererst Christoph Bräuer, ohne den ich nie zu"trainieren"angefangen hätte. Den Weg über all die kleinen Krisen und großen Katastrophen haben Martin Böhnisch und Ute Fischer mit mir überstanden, wofür ich ihnen ganz herzlich danke!

Mein Dank gilt darüber hinaus den Lehrerinnen, die bereit waren, die Wortschatzarbeit durchzuführen, ganz besonders Barbara Schupp und Elke Treichel.

Werner Knapp als meinem Doktorvater möchte ich für sein Fördern und Fordern danken, ihm und seiner Analyse von Schülertexten ist es zu verdanken, dass diese Studieentstand.

Ohne einen Lehrer wie Jakob Ossner wäre niemals die Leidenschaft für die Sprachdidaktik in mir geweckt worden! Er hat es, wie kein anderer, verstanden, mich zu immer neuen Leistungen zu motivieren und mich zu vielen Überarbeitungen der Arbeit anzuspornen.

Viele sind Teile des Weges mit mir gegangen und haben mich vor dem Straucheln bewahrt. Stellvertretend möchte ich Daniel Gilgen, Oliver Stengl, Bea Vomhof und Jens Zielke erwähnen und mich bei ihnen bedanken! Großer Dank gebührt auch meinen Eltern, die mir dies alles ermöglicht haben.

Einleitung und Überblick

Beobachtet man Schüler[1]beim Verfassen von Texten, so fällt einem eine große Heterogenität in denArbeitsweisen auf. Während manche noch unentschlossen auf ihrem Stift kauen oder in ihrem Mäppchen kramen, schreiben andere schon an ihrem Text. Wieder andere lenken noch den Sitznachbarn ab, währenddessen die nächsten den Text schon fast fertig auf das Papier gebracht haben. Eine Möglichkeit zu finden, diesen Differenzen angemessen gegenüber zu treten und alle Schüler beim Verfassen von Texten zu unterstützen und zu entlasten, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.

Texte zu verfassen kann ein beschwerlicher Vorgang sein. Der Schreibprozess, aus dem ein Text hervorgeht, fordert einiges vom Verfasser. Das bedingt sich durch das Wesen des Prozesses. Nach Krings (1992:47) werden unter Schreibprozessen"alle mentalen Prozesse und die dazu gehörigen materiellen Handlungen (verstanden), die ein Schreibprodukt, also einen wie auch immer gearteten Text, erst entstehen lassen. Der Schreibprozess beginnt mit der Wahrnehmung der Aufgabenstellung oder dem Bewusstwerden einer selbstgestellten Aufgabe und endet mit der Verabschiedung des Textproduktes durch den Produzenten".

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Textprodukten und ihrem Entstehungsprozess und ist dabei besonders an den Schwierigkeiten von schulischen Schreibprozessen und den dabei zu vollziehenden"mentalen Prozessen und … materiellen Handlungen"(Weinhold 2000:36) interessiert, denn"die Reflexion über den gesamten Schreibvorgang ermöglicht eine neue Perspektive auf Texte: Sie lässt Struktureigenschaften von Texten als welche erkennen, die sich aus spezifischenBedingungen des'schreibenden'Formulierens erklären lassen"(Weinhold 2000:36).

Schreiben ist ein komplexer Produktionsprozess, welcher sich aus verschiedenen kognitiven Prozessen zusammensetzt, die parallel ablaufen (vgl. Flower/Hayes 1980, Eigler 1985 & 1990, Ludwig 1983, Molitor 1984 und Molitor-Lübbert 2003), so dass das Bild des Textverfassers als Jongleur, der mehrere Handlungen parallel ausführen muss, als Metapher für den Schreibprozess aufgekommen ist. Versteht man das Textverfassen jedoch als Technik, die zur Teilhabe an der Schriftkultur dient, so wird es – wie jede Technik – erlernbar, sofern man die mentalen Prozesse aufspürt und betrachtet, die beim Schreiben stattfinden. Denn auch diese können auf technische Verfahren reduziert werden. Wichtig ist es dabei, nicht die Parallelität der auszuführenden Prozesse aus dem Blick zu verlieren und gerade auf Abläufe zu achten, die sich gegebenenfallsgegenseitig bedingen oder blockieren, so dass es zu Engpässen in der Aufmerksamkeitsverteilung kommen kann (vgl. de Beaugrande 1984).

Die Tätigkeit des Niederschreibens, welche häufig für den Schreibprozess gehalten wird, ist somit nur ein Element unter weiteren. Während der Schreiber die motorische Handlung der Niederschrift vollzieht, überlegt er das nächste Wort, den nächsten Satz, den nächsten Absatz, gleichzeitig behält er den bereits geschriebenen Text als mentale Repräsentation im Gedächtnis und denkt über Grammatik, Stilistik und Orthographie nach (vgl. de Beaugrande 1984). Häufig kommt noch die Suche nach den entsprechenden Ausdrücken oder einfach nur nach passenden Wörtern dazu, um hier nur einen kleinen Ausschnitt an Teilhandlungen anzuführen, die alle im Prozess auftreten und ihn so deutlich bedingen, dass sich die Herausforderungen, die der Entstehungsprozess an den Schreiber stellt, als Spur in den Schreibprodukten finden lässt. Eine Spur, die die Anstrengungen, die dem Schreiber abverlangt werden, wenn er einen Text produziert, widerspiegelt. Diese Anstrengungen schlagen sich, wenn die Engpässe in der Aufmerksamkeitsverteilung des Schreibers zu groß werden, als Fehler im Text nieder (vgl. Hasert 1998a). Dabei ist die Qualität des Produktes keineswegs von der Länge des entstandenen Textes abhängig, denn auch ein sehr kurzer Text kann kognitiv aufwendig sein, sondern vielmehr von der Höhe der kognitiven Anforderungen, die der Text stellt, und den Möglichkeiten, wie der Schreiber mit den an ihn gestellten Anforderungen umgeht.

Die Fehler in den Textprodukten, die auf Engpässe in der Aufmerksamkeitsverteilung zurückgeführt werden können, sind nur schwer zu vermeiden und man kann ihnen didaktisch nur aufwändig begegnen. Entlastung entsteht dadurch, dass die kognitiven Anforderungen des Schreibprozesses reduziert werden, jedoch nicht allein indem der Schreibprozess künstlich in verschiedene Teile zergliedert wird, wie eine Planungsphase, eine Schreibphase und eine Überarbeitungsphase. Zwar ist die hinter dieser gängigen Methode stehende Idee auch die der Entlastung, jedoch führt sie schlussendlich nicht sicher zum Ziel, denn in der Schreibphase begegnet der Schreiber erneut den Herausforderungen des Prozesses und seiner parallel ablaufenden Handlungen (vgl. Fix 2006:56). Auf der Grundlage verschiedener, theoretischer Überlegungen könnte ein Weg, die Schwierigkeiten zu meistern, in der Minimierung der während des Prozess auftretenden Belastungen liegen, so dass mehr Raum für höherrangige Denkprozesse zur Verfügung steht, was sich in der Qualität der Schreibprodukte niederschlägt. Dazu müsste Teilen des Schreibprozesses die kognitive Belastung genommen werden, indem sie prozeduralisiert werden. Sie werden dann automatisch ausgeführt und bedienen sich keiner Arbeitsgedächtniskapazitäten mehr (vgl. Spada 1988, Wender 1990, Mandl et al. 1986, 1988, 1993).

Zu diesen Theorien eine Hypothese aufzustellen, die empirisch überprüfbar ist, gestaltet sich schwierig. Dazu müsste es ebenso gelingen, das Auftreten von Prozeduralisierungen nachzuweisen, als auch die Auswirkungen von Prozeduralisierungen auf Arbeitsgedächtniskapazitäten zu überprüfen, was die vorliegende Arbeit nicht leisten kann. Sie kann allerdings einen kleinen Beitrag zu dieser Frage erbringen und explorativ Zusammenhänge zwischen einer Einheit, die den Wortschatz und die Orthographie trainiert, und dem Textverfassen untersuchen. Die Ergebnisse können Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen Prozeduralisierungen und Arbeitsgedächtniskapazitäten bieten, die am Ende der Arbeit in Thesen formuliert werden.

Um einen empirischen Zugang zu dem beschriebenen Anliegen zu gewinnen, ist die vorliegende Untersuchung als Intervention konzipiert, in deren Kern eine 15-wöchige Wortschatzarbeit stattfindet, durch die sowohl der Wortschatz der Schüler erweitert als auch die Orthographie verbessert werden kann. In der empirischen Untersuchung wird kontrolliert, ob Veränderungen in den Textprodukten und in der Orthographie vorliegen, die aus der Wortschatzarbeit resultieren.

Der Untersuchungsansatz der Arbeit realisiert alle Momente des Schreibprozesses sowohl als eine Bedingung als auch eine Herausforderung des Herstellungsprozesses. Dennoch wird keine Prozessforschung betrieben, sondern es werden Textprodukte im empirischen Teil für die Untersuchung herangezogen. Damit folgt die Arbeit einem kognitiven Forschungsansatz, der bereits in früheren Arbeiten in der Sprachdidaktik beschritten wurde, beispielsweise in Weinhold (2000). Der Text wird neben und bedingt durch den Textproduzenten und den Akt der Textproduktion gestellt, so dass ein Ge- oder Misslingen eines Textes im Ort der Texterstellung zu suchen ist (vgl. Antos 1989:6)."Aufschlüsse über Texte sind darüber zu erlangen, dass das schreibende Subjekt in den Blick genommen wird als eines, das in einer Kommunikationssituation steht und den vielfältigen Anforderungen daraus in seiner Schreibhandlung gerecht werden muss. Aufschlüsse über Texte sind auch darüber zu gewinnen, dass man sie als Resultat der Anforderungen und Bedingungen des Schreibens betrachtet und würdigt"(Weinhold 2000:36).

Da die Studie an der PH Weingarten im Rahmen eines Forschungsprojektes zu den Lese- und Schreibfähigkeiten von Hauptschülern entstanden ist, bilden Sachtexte von Hauptschülern aus Klasse 5 und 6 die Textsorte des Untersuchungsgegenstandes. Insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um mangelnde Ausbildungsfähigkeit ist der Vorwurf laut geworden, Schüler und Auszubildende könnten keine Texte mehr verfassen und ihre Orthographie sei stark fehlerhaft (vgl. Knapp, Pfaff, Werner 2007).

Entsprechend den hier vorgestellten Überlegungen ist die vorliegende Arbeit wie folgt gegliedert:

Über der Niederschrift liegt eine Makrostruktur, die den Inhalt in vier Teile gliedert. Der erste Teil gibt einen Forschungsüberblick zu den theoretischen Grundlagen, auf denen die Untersuchung aufbaut. Die Arbeit beruht auf Theorien aus der Philosophie, den Sozial- und Sprachwissenschaften. Sie vereint die aus den verschiedenen Disziplinen gewonnen Einsichten und gibt ihnen einen Anwendungsbezug in der Fachdidaktik. Diese Hintergründe werden im ersten Teil beleuchtet. Es werden zwei verschiedene Modelle zum Schreibprozess vorgestellt, die darstellen, dass Schreiben eine komplexe Problemlösung ist. Anschließend werden Modelle zum Schreibarbeitsgedächtnis als Ort der kognitiven Belastungen eingeführt. Die am Modell diskutierten Theorien werden in empirischen Untersuchungen bestätigt, bevor sich das abschließende Kapitel dem Wesen von Prozeduralisierungen, ihrem Erwerb und ihren Kennzeichen widmet.

Im zweiten Teil der Niederschrift wird das didaktische Modell der Arbeit entwickelt. Es werden die theoretischen Hintergründe aus den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen vorgestellt, die an der Intervention beteiligt sind. Die didaktische Perspektive dient dabei als Rückkopplung, um die gewonnenen Einsichten zu reflektieren und methodische Ansätze zu ihrer Vermittlung zu ermöglichen.

Bedienungsanleitungen sind Sachtexte und unterliegen damit einem zielgerichteten Produktionsprozess. Unter den Sachtexten nehmen sie jedoch eine besondere Stellung ein, da ihre Produktion von besonderer Komplexität gekennzeichnet ist und spezieller Versprachlichungsstrategien bedarf. Da im Prä- und Posttest der Intervention neben einer Hamburger-Schreib-Probe (HSP, vgl. May 1994) eine Bedienungsanleitung zu einer Stoppuhr angefertigt werden, werden die Besonderheiten der Textart, ihr Aufbau und ihre Schreibentwicklung im ersten Kapitel des zweiten Teils vorgestellt.

Kapitel 6 und 7 geben einen Forschungsüberblick über die beiden Ausrichtungen, auf denen die Intervention aufgebaut ist. Dabei befasst sich Kapitel 6 mit dem Wortschatz und Kapitel 7 mit der Orthographie.

In Kapitel 6 wird zuerst die Relevanz des Wortschatzes für die Schule und das tägliche Leben beleuchtet, um die Bedeutung von Wortschatzarbeit in der Schule hervorzuheben und zu zeigen, dass Wortschatzarbeit Wissenserwerb ist. Anschließend wird der kognitive Aspekt erklärt und dargestellt, wie Wörter mental gespeichert und verarbeitet werden und wie beim Sprechen und Schreiben darauf zugegriffen wird, um mit diesen Erkenntnissen die Methoden, die in der Intervention eingesetzt werden, begründen zu können. Ebenfalls werden der Erstspracherwerb und der gesteuerte Spracherwerb in der Schule in den Blick genommen. Auch hier dienen die Daten aus der Literatur dazu, geeignete Methoden und Strategien vorzustellen, die in der eigenen Studie eingesetzt werden.

Kapitel 7 behandelt die Orthographie. Nach einem kurzen Überblick über die Beschaffenheit der Orthographie und dem Wesen von Alphabetschriften wird der Orthographieerwerb am Modell und in empirischen Studien erörtert, um daran zu zeigen, wie Orthographie erworben wird und welche mentalen Prozesse beim Rechtschreiben auch noch nach dem Anfangsunterricht ablaufen. Anschließend werden verschiedene Lernweisen vorgestellt und mit empirischen Daten kritisch gewürdigt. Des Weiteren werden Fehlerschwerpunkte in der Sekundarstufe I betrachtet und die Methode der Lernwortschätze erläutert, als Möglichkeit den weiteren Orthographieerwerb zu unterstützen. Diese wird ausführlich diskutiert, da die Methode in der Studie eingesetzt wurde. Der in der Wortschatzarbeit zugrunde gelegte Wortschatz ist silbisch gegliedert, so dass im Folgenden die Silbe als unterstützende Größe des Orthographieerwerbs dargestellt und besprochen wird.

Der dritte Teil der Abfassung erklärt die empirische Untersuchung. Einführend wird die Wortschatzarbeit in Theorie und Praxis vorgestellt, bevor die Anlage meiner empirischen Untersuchung im dritten Kapitel entfaltet wird. Hier wird die Fragestellung dargelegt und die Stichprobe beschrieben. Mit methodischen Fragen beschäftigt sich Kapitel 11. Zuerst wird der Aufbau des Kriteriensatzes, mit dem die Texte ausgewertet werden, theoretisch begründet und anschließend die Auswertungsschritte vorgestellt, bevor der Einsatz der Hamburger-Schreib-Probe substantiiert und ihre Auswertung präsentiert wird. Die Ergebnisse meiner Untersuchung werden in Kapitel 12 dargestellt.

Der vierte und abschließende Teil der Niederschrift diskutiert und interpretiert die Ergebnisse als Bestandsaufnahme dessen, was als Erkenntnis aus der Untersuchung gezogen werden kann, um in didaktischen Schlussfolgerungen zu münden.

Erster TeilTheoretische Grundlagen

Imfolgendenersten Teil der Arbeit wird der Hintergrund der Studie beleuchtet und damit einführend dargestellt, auf welchen Theorien die Forschungsarbeit basiert. Die theoretischen Grundlagen werden kurz einleitend erläutern, warum Schreiben kognitiv aufwendiger als Sprechen ist, und den Schreibprozess durch Erkenntnisse der Psychologie als einen komplexen Prozess vorstellen. Anhand zweier Modelle aus der Literatur, die direkt die Abläufe beim Textverfassen wiedergeben, wird anschließend ein Einblick in den Schreibprozess gegeben, an den anknüpfend festgemacht wird, dass es beim Schreiben zu parallel ablaufenden Handlungen kommt, die durch ihre (fast) simultane Ausführung gegenseitig in Konkurrenz zueinander treten. Diese Konkurrenzen entstehen im Arbeitsgedächtnis, dem Gedächtnisteil, der für die Aufrechterhaltung und Durchführung von zeitlich eng miteinander verknüpften Prozessen verantwortlich ist. Das Arbeitsgedächtnis im Modell wird im folgenden Text vorgestellt, bevor die bisher nur im Modell angegebenen Daten durch empirische Untersuchungen bestätigt werden. Den Abschluss der theoretischen Grundlagen bildet die Darstellung der Lösungsmöglichkeit, nämlich Prozeduralisierungen stattfinden zu lassen, um dadurch die Belastungen möglichst gering zu halten. Es wird erklärt, was im Rahmen der Studie unter Prozeduralisierungen verstanden wird, wie sie aufgebaut und ausgebildet werden. Der erste Teil schließt mit einer Übersicht über empirische Daten zu Prozeduralisierungen, bevor die dargestellten Einsichten in der Formulierung von Leitthesen zusammengefasst werden, die den Weg der empirischen Untersuchung vorgeben.

1Schreiben

1.1Merkmale von Schriftlichkeit

Das Erstellen von selbst verfassten Texten ist eine komplexe Tätigkeit auf verschiedenen Ebenen. Im Gegensatz zum Sprecher ist der Schreiber einsam. Beim Schreiben gibt es keinen Interaktionsraum, in dem eine direkte Rückmeldung stattfindet, so dass erkannt werden kann, ob eine Äußerung richtig verstanden wurde. Schreiben ist Sprache auf Distanz. Texte sind situations- und handlungsentbunden, sie sind öffentlich und fixieren ein Thema (vgl. Koch/Österreicher 1994:588). Das bedeutet, geschriebene Texte sind nicht die mediale Umsetzung eines gesprochenen Textes, sondern konzeptionell schriftliche Texte können durchaus auch mündlich vorgetragen werden. Vielmehr ist ein Zeichen der Konzeptionalität, dass Äußerungen aus der Einmaligkeit ihrer Sprechsituation entbunden und in eine Endgültigkeit überführt werden (vgl. Koch/Österreicher1994:589)."Generell zeichnet sich Schriftlichkeit durch einen nahezu ausschließlich mit sprachlichen Mitteln hergestellten Typ von Textkohärenz aus […], der eine durchstrukturierte semantische Progression und eine explizite Verkettung zwischen Sequenzen im Text erfordert"(Koch/Österreicher 1994:590).

Marshall Mc Luhan (1964/1994:19)sagt"The medium is the message"[2]und meint damit, dass jede Transformation eines Textes in ein anderes Medium auch seine Inhalte verändert. Geschriebene Sprache erfährt eine raumzeitliche Trennung zwischen Schreiber und Leser, sie entspringt einer zerdehnten Kommunikationssituation (Ehlich 1994). Durch die Schrift wird die Flüchtigkeit der Sprechhandlung überwunden. Das geschriebene Produkt wird zu einem Objekt, welches aufbewahrt werden kann, dadurch gewinnt es eine spezifische Formalität mit der ein Standardisierungs- und Normierungsprozess einhergeht. Die Sprechsituation zerfällt in zwei Teile, in denen jeweils ein anderer Aktant im Mittelpunkt steht, zuerst der Schreiber und schließlich der Leser (vgl. Ehlich 1994:19, vgl. auch Dehn 1999, Vygotskij 2002:224ff., Ong 1986: 84 ff.). Das Resultat der sprachlichen Handlung, der Text, wird durch die mediale Transposition gegen seine Produktion sowie gegen die Rezeption isoliert. Dadurchentsteheneine Reihe von Veränderungen des sprachlichen Handelns. Die Merkmale der geschriebenen Sprache präsentieren sich als komplexes Bedingungsgefüge, das im Schreiben realisiert werden muss (vgl. Ehlich 1994:21ff.). Auf Seite des Schreibers ist deswegen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit nötig. Er muss eine Reihe von Aufgaben bewältigen."Beim Schreiben werden reflexive und produktive Teilfähigkeiten auf dersprachlich– kognitiven Ebene aktiviert, die nicht immer unmittelbar zu beobachten sind. Diese werden wiederum von Fertigkeiten der Formulierung und der sprachlichen Gestaltung überlagert"(Harsch et al. 2007:48).

1.2Schreiben als Problemlöseprozess

Das hier nur kurz vorgestellte Wesen von Schriftlichkeit zeigt, dass das Verfassen von geschriebenen Texten schon aus konzeptionellen Gründen aufwendiger ist als Sprechen. Bei der oben gegebenen Darstellung wird nur ein Aspekt des Schreibens hervorgehoben, jedoch umfasst der Schreibprozess weit mehr als nur die konzeptionelle Anlage. Beim Textverfassen gibt es unterschiedliche Probleme zu lösen. Da verschiedene Teilprozesse koordiniert und zielgerichtete Handlungen zur Lösung eines Schreibproblems eingesetzt werden müssen[3], werden Schreibprozesse in der Literatur sogarals Problemlöseprozesse verstanden (vgl. Dörner 1976), vergleichbar mit psychologischen Prozessen, die ablaufen, wenn Menschen gezwungen sind, in kurzer Zeit eine umfassende Entscheidung zu treffen. Umfassende Entscheidungssituationen sind gekennzeichnet durch Komplexität, Intransparenz und Dynamik (vgl. Dörner 1989). Sie stellen hohe Anforderungen an das Planungs- und Entscheidungsvermögen von Personen. Finden sie in einem begrenzten Zeitrahmen statt, so belasten sie elementar die Gedächtniskapazität. Häufig ergibt sich durch die Belastungen des Gedächtnisses, die durch die spezifischen Anforderungen einer komplexen Situation zwangsläufig entstehen, ein Fehlverhalten.

Der Schreibprozess beinhaltet die drei genannten Merkmale, es liegt also eine umfassende Entscheidungssituation vor. Er ist komplex, da es ein Prozess ist, bei dem vieleVariablenexistieren, die sich gegenseitig beeinflussen. Indem man das eine tut, erzeugt man andere Ergebnisse mit, so dass"die Beeinflussung einer Variable nicht isoliert bleibt, sondern Neben- und Fernwirkungen hat"(Dörner 1989:61). Auf Grund der Vielzahl an Variablen übersieht man manchmal eine Nebenwirkung und schon verändert sich der ganze Prozess.

Der Schreibprozess ist intransparent, da der Schreiber in der Regel nicht alles sieht, was er sehen sollte. Der Schreiber muss Entscheidungen fällen, zum Beispiel über die Struktur des Textes oder über Formulierungen, von denen er nur weiß, wie sie sich augenblicklich in sein"System"einpassen. Damit beeinflusst er aber auch kommende Formulierungen, die für ihn bislang nur schemenhaft vorliegen und noch verwaschen sind. Die Intransparenz führt zu einer Unbestimmtheit des Systems und sie erschwert das Planen.

Letztendlich zeichnet sich der Schreibprozess auch noch durch seine Dynamik aus. Der entstandene Text ist nicht passiv, sondern in gewissem Maße aktiv, da er Auswirkungen auf den entstehenden Text hat. Es scheint zwar auf den ersten Blick seltsam, dass ein Text, den der Schreiber entwickelt, sich aktiv verhält, es ist aber ein Phänomen, von dem bekannte Autoren häufig berichten, wenn sie Einblicke in ihren Schreibprozess geben. So erzählt L. Tolstoi von Puschkin, dass dieser eines Tages einem Freund über eine Romanfigur berichtete:"Stell dir vor, welchen Streich mir Tatjana spielte. Sie hat sich doch wahrhaftig verheiratet. Das hätte ich nicht von ihr erwartet."Tolstoi merkt in diesem Zusammenhang an,"daß auch seine Heldinnen und Helden ihm zuweilen solche Streiche spielen, wie er sie durchaus nicht wünsche"(Rubinstein 1973: 215 f).

Da die aus der Psychologie gewonnen Merkmale auf das Textverfassen zutreffen, liegt eine komplexe Entscheidungssituation vor, bei der es durch ihre spezifischen Anforderungen und Belastungen des Arbeitsgedächtnisses zu einem Fehlverhalten kommen kann.

Damit dies nicht eintritt, wird in der Literatur vorgeschlagen, die komplexe Situation zu lösen, indem"Superzeichen"(Dörner 1989:63) gebildet werden. Diese Superzeichenbestehen aus vielen kleinen Teilhandlungen mit eigenem kognitivem Anspruch, die miteinander verschmolzen werden, so dass sich die Anforderungen extrem reduzieren, wenn sie nicht sogar ganz verschwinden. Dörner verweist darauf, dass nicht für jeden alles gleich schwer ist."Komplex ist ein System mithin immer im Hinblick auf einen Akteur mit seinem Superzeichenvorrat"(Dörner 1989:62).

Die Entstehung von Superzeichen erfolgt durch das Generieren von Automatisierungsprozessen. Wenn wir einmal gelernt haben, verschiedene Handlungen auszuführen, und in einer raschen Folge zu kombinieren, so haben wir ein Superzeichen.

1.3Modelle zum Schreibprozess

Im weiteren Text wollen wir in den Blick nehmen, ob der Vorschlag"Superzeichen"zu bilden auch als Lösung für die Komplexität von Schreibprozessen eingesetzt werden kann. Dazu wird zuerst der Prozess des Schreibens anhand zweier Modelle vorgestellt, um daran die Vielzahl der Handlungen darzustellen, die alle beim Schreiben aktiv sind und den Prozess beeinflussen und belasten.

1.3.1Das Schreibprozessmodell von Flower und Hayes

Das sogenannte"Urmodell"des Schreibens (vgl. Ossner 2006) stammt aus den USA von Linda Flower und John Hayes. Es ist ein analytisches Modell, das durch Untersuchungen an Studenten des Faches Composing entstanden ist, die einen expositorischen Text schrieben. Die Methode, mit der die Wissenschaftler arbeiten, sind thinking-aloud-Protokolle, Protokolle des lauten Denkens. Die Schreiber verbalisieren alle Gedanken, die sie während des Schreibens haben. Damit wählen Flower/Hayes als erste Forscher einen kognitionspsychologischen Zugang zur Erforschung des Schreibprozesses. Aus ihren Daten erstellen sie ein Modell.

Der Schreibprozess besteht nach Flower/Hayes (1980) aus einer Planungsphase, einer Übersetzungsphase und einer Überarbeitungsphase, die zusammen den Schreibprozess ausmachen. Die Planungsphase untergliedert sich dabei in Ideen Generieren, Organisieren und Ziele setzen, die Überarbeitungsphase in Lesen und Herausgeben. Auf den Teilbereich der Ideen-Generierung in der Planungsphase wirkt unmittelbar das Aufgabenumfeld mit dem Schreibauftrag, Thema (topic), Leser (Audience) und dem Schreibanlass ein. Die Ideensammlung bedient sich der Informationen, die im Langzeitgedächtnis gesammelt sind. Von dort werden Weltwissen, Wissen zum Thema, Kenntnis über die Leser /Hörer, Schreibpläne oder Textsortenkenntnisse abgerufen.

Sobald Ziele aufgestellt werden, beginnt der rekursive Schreibprozess – angedeutet durch den Kasten text produced so far (bisher produzierter Text), der im Überarbeiten endet. Der Ablauf des Prozesses wird vom Monitor überwacht, einer kognitiven Instanz,die alle Prozesse aufruft, sie steuert und einen ständigen Ist-Soll-Abgleich stattfinden lässt, in dem überprüft wird, ob der geschriebene Text noch den Zielen entspricht.

In der Folge des Schreibprozessmodells von Flower/Hayes (1980) entstanden viele weitere Modelle, die mit dem Modell in dem Punkt übereinstimmen, dass Schreiben eine Form des Problemlösens ist (vgl. Eigler 1985 & 1990, Ludwig 1983, Molitor 1984 und Molitor -Lübbert 2003). Das Modell wird auch in viele neuere didaktische Arbeiten übernommen (z. B. Fix 2006,Merz-Grötsch 2000, Ossner 2008, Weinhold 2000). Ebenso bauen neuere Kompetenzmodelle zum Schreiben, wie beispielsweise das von DESI, auf den Überlegungen eines Schreibprozesses, wie von Flower & Hayes vorgestellt, auf, obgleich in der DESI-Studie ausschließlich Textprodukte ausgewertet werden (vgl. Harsch et al. 2007).

Bei der Rezeption des Modelles ist zu beachten, dass das Modell auf Grundlage des Schreibprozesses erwachsener Schreiber entstanden ist. Somit handelt es sich nicht um ein Modell des Schreibprozesses von Novizen. Zudem ist das Modell stark an Problemlöseprozessen und damit an einer Zielführung orientiert. Die Produktion von Sachtexten kann durchaus stark an einem operationalisierbarem Ziel orientiert sein. Bei literarischen Texten stellt sich jedoch die Frage, wie deutlich die Schreibziele zu Beginn des Schreibprozesses dem Schreiber bekannt sind. Zu bedenken ist auch, dass Ziele hier erst mit und durch die Entfaltung des Textes entstehen (vgl. den Heurismus zur dialektischen Problemlösung Dörner 1976:92). Kritik trägt insbesondere Ortner vor, wenn er der Schreibprozessforschung vorwirft, sie stünde ganz im"Zweck-Mittel-Schema"(Ortner 2000:97).

Die Forscher heben mit ihrem Modell zwar die kognitiven Anforderungen hervor, denen ein Schreiber während des Textverfassens ausgesetzt ist, an manchen Stellen sind diese Anforderungen aber noch nicht umfassend dargestellt. Der Akt des Niederschreibens wird bei den Forschern unter Translating behandelt. Hier werden Gedanken in geschriebene Worte übersetzt. Diese Teilhandlung allein ist schon äußerst komplex, denn Gedanken müssen zuerst vorliegen, sie müssen zum Thema passen und geordnet sein, bevor man sie aufschreiben kann. Darüber hinaus muss ein Thema beibehalten werden und der Text muss sprachlich dem vorangegangenen Teil entsprechen.Kohärenz und Kohäsion müssen ebenso wie Lexik und Syntax stimmen, aber eben nicht nur das: Parallel dazu überlegen insbesondere novizenhafte Schreiber die orthographisch richtige Schreibweise eines Wortes und schreiben Text nieder, es findet also auch eine motorische Ausführung statt. Die Steuerung und Ausführung all dieser Teilprozesse braucht ein großes Maß an Aufmerksamkeit und bindet damit eine Menge an Gedächtniskapazitäten.

1.3.2Das Schreibprozessmodell von de Beaugrande

Auf die parallel ablaufenden Tätigkeiten während des Schreibprozesses und damit einhergehenden Engpässen in der Aufmerksamkeitsverteilung hat besonders de Beaugrande (1984) in seinem Modell des Schreibprozesses hingewiesen. Er hat sich beider Erstellung seines Modells stark an der Linguistik orientiert, weshalb das Modell nur wenig Beachtung in der Fachdidaktik erfahren hat.

Um die Interaktivität des Schreibens und damit einhergehend auch die kognitive Belastung hervorzuheben, ist das Modell um parallele Stadien aufgebaut, auf denen die unterschiedlichen Phasen (Zielplanung, Ideenfindung, konzeptuale Entwicklung, Versprachlichung, Satzbildung, Buchstabenbildung) analog ablaufen können. Dabei kann in jeder Phase auf eine höhere oder tiefere Ebene gewechselt werden.

In der Phase Zielplanung werden die Ziele fixiert, bei der Ideenfindung werden Ideen und Gedanken für das gesteckte Ziel gesucht, in der konzeptualen Entwicklung wird der Text detailliert entwickelt und weiterbearbeitet. Die Weiterbearbeitung vollzieht sich in der Phase Versprachlichung und die Konfiguration des endgültigen Textes durch die Satz- und Buchstabenbildung.

Die Darstellung der parallelen Stadien ermöglicht es, die verschiedenen Engpässe (in seiner Terminologie bottle necks) in der Aufmerksamkeitsverteilung während der Textproduktion zu erfassen.

Sein Modell weist damit auf die zentrale Funktion des Gedächtnisses bei der Textproduktion hin. Die Gedächtniskapazität ist elementar für das Textverfassen, da das Gedächtnis einerseits Wissen zur Verfügung stellt, andererseits aber auch, weil es der Ort ist, an dem während des Schreibprozesses der größte Teil des bereits produzierten Textes gespeichert ist. Vom geschriebenen Text wird immer nur ein kleiner Ausschnitt wahrgenommen, der Teil, an dem gerade geschrieben wird. Deswegen sind sensorisches Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis beim Schreiben belastet. Der größere Teil des Textes besteht für den Schreiber aus Erinnerungen und aus Vorstellungen dessen, was das Ziel sein soll. Die Höhe der kognitiven Anforderungen hängt demnach davon ab, wie gut (oder schlecht) der Schreiber mit rückwärts und vorwärts blickenden Textrepräsentationen umgehen kann. Für einen gelingenden Schreibprozess muss er seine Aufmerksamkeit ständig abwechselnd auf die eine oder andere Prozessebene richten, was dadurch erschwert wird, dass die Prozesse parallel ablaufen, so zum Beispiel zwischen Planung der Inhalte für den nächsten Abschnitt und Formulierung eines Teilsatzes. Eine Trennung in klar abgrenzbare Teilaufgaben ist analytisch möglich, im Schreibprozess aber nicht gegeben.

2Arbeitsgedächtnis

2.1Modell zum Arbeitsgedächtnis

Die zuvor dargestellten Modelle gewähren uns einen Einblick in die Komplexität des Schreibprozesses und die unterschiedlichen Teilhandlungen, die alle neben- unddurcheinander ausgeführt werden. Durch die Parallelität der ablaufenden Handlungen geraten diese in Konkurrenz zueinander, die im Arbeitsgedächtnis entsteht. Durch begrenzte Arbeitsgedächtniskapazitäten können nicht alle Prozesse mit gleicher Sorgfalt überwacht und durchgeführt werden. Vielmehr kommt es zwischen den Teilprozessen zu Konkurrenzsituationen um die Gedächtniskapazitäten, was dazu führt, dass manche Prozesse keine ausreichenden Ressourcen erhalten und somit zum Stillstand kommen. Das Arbeitsgedächtnis wird im Modell nun vorgestellt.

Das Arbeitsgedächtnis ist ein Gedächtnisteil, der die zur Durchführung und Bewältigung einer Absicht erforderlichen Teile des Langzeitgedächtnisses aktiv hält. Der Begriff des Arbeitsgedächtnis (working memory) entstand aus einer Computermetapher, die besagt, dass die gerade gebrauchten Informationen des Langzeitgedächtnisses in einen besonderen Speicher überführt werden. Wegen seiner Kurzzeitspeicherfunktion ist das Arbeitsgedächtnis besonders dafür geeignet, zeitlich aufeinander folgende Ereignisse miteinander in Verbindung zu setzen. Insofern ist das Wahrnehmen und Einhalten einer zeitlichen Ordnung eine zentrale Funktion des Arbeitsgedächtnisses. Seine Speicherkapazität wird mit 7 +/- 2 Informationseinheiten angegeben (vgl. Miller 1956), wobei die Größe einer Informationseinheit nicht festliegt, da sie sich verändern kann (vgl. Dörner 1989, Bildung von Superzeichen).

Die theoretische Modellierung eines Arbeitsgedächtnisses ist aus Untersuchung von Baddeley und Hitch (1976) entstanden, die entdeckt haben, dass es kognitive Handlungen gibt, die parallel ausgeführt werden können, andere jedoch nicht. Die beiden Forscher arbeiten mit einer Dual-task-Methode, bei der jeweils zwei Vorgänge parallel ausgeführt werden, und erkennen, welche Vorgänge sich gegenseitig beeinflussen. Ihre Untersuchungen ergeben ein Modell des Arbeitsgedächtnisses, das aus verschiedenen Subsystemen besteht. Den Mittelpunkt des Modells bildet die Central Executive (zentrale Ausführungseinheit), ein Ausführungsprogramm, das verantwortlich für die Koordination und Regulation der Handlungen des limitiert kapazitären Arbeitsgedächtnisses ist und seine Einheiten an ein Response System (Rückantwort System) abgibt. Die zentrale Exekutive liefert zwei Untersystemen, dem Visuo-spatial sketchpad (räumlich – visuellem Notizblock) und der Phonological loop (phonologischen Schleife), Input, und erhält ihrerseits Informationen aus dem Langzeitgedächtnis (long term memory LTM) und von den Sinneseindrücken (senses).

Die phonologische Schleife kann sowohl als Speicher wie auch als Prozessausführer dienen. Die Speicherkomponente hält phonologische Informationen im phonological short-term store wach, die in einer artikulatorischen Schleife (subvocal rehearsel) immer wieder durchlaufen werden können. Diese phonologischen Informationen können sowohl sprachlich (speech inputs) als auch visuell dargeboten werden (non-speech inputs). Der räumlich – visuelle Notizblock (Visuo-spatial sketchpad), das zweite Subsystem, ist auf Prozesse der Speicherung und Freigabe von visuellen dargebotenen Informationen spezialisiert.

2.2Modell zum Arbeitsgedächtnis für das Schreiben

In Zusammenhang mit den Arbeiten zum Arbeitsgedächtnis entwickelt Kellogg (1996) ein Modell des Schreibarbeitsgedächtnisses. Die hier vorgestellte Version seines Modells stammt von Levy und Marek (1999) und stellt eine Summe verschiedener Fassungen des ursprünglichen Modells dar. Kellogg nimmt drei grundlegende Bereiche an, die während des Schreibprozesses Zugang zum Arbeitsgedächtnis[4]haben, weil sie kognitive Anforderungen stellen: die Erarbeitung und Formulierung (Formulation), die Anwendung und Ausführung (Execution) sowie die Kontroll- und Überwachungseinheit (Monitoring). Aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere und zum Teil auch Modalitäten stellen die Bereiche verschiedene Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis.

Der Bereich der Erarbeitung und Formulierung beinhaltet neben dem Planen auch das Organisieren des Schreibprozesses und das Umsetzen von Gedanken in geschriebene Sprache. Außerdem beinhaltet er die Umsetzung der Pläne. Dazu wird sowohl auf den räumlich-visuellen Notizblock (visuo-spatial Sketchpad) als auch auf die phonologische Schleife (phonological loop) zurückgegriffen. Der räumlich-visuelle Notizblock übe

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