You are mine – Tödliche Hingabe - Elena MacKenzie - E-Book
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You are mine – Tödliche Hingabe E-Book

Elena MacKenzie

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Beschreibung

Sie sollte sich von ihm fernhalten, doch sie kann sich ihrem Verlangen nicht entziehen.

Als Tochter eines russischen Mafiabosses lebt Nadja in einem goldenen Käfig. Doch eines Tages wird sie plötzlich aus dem Haus ihres Vaters entführt und findet sich, als sie aufwacht, in Boston wieder. Ihr Entführer ist so gefährlich wie attraktiv: Alexander Smirnov, hochrangiges Mitglied der Mafia, will seine Stellung innerhalb der Gemeinschaft festigen. Deshalb soll Nadja seine Frau werden. Aber wie soll sie sich dem Mann hingeben, der sich ihrer bemächtigt hat? Nadja spürt die Gefahr, die von Alexander ausgeht - genauso wie sie sich sofort zu ihm hingezogen fühlt. Und schon bald steckt sie in einem bedrohlichen Strudel aus Risiko und Begierde ...

Nach "You are mine - Gefährliche Liebe" ist dies der zweite gefährlich prickelnde Liebesroman von Elena MacKenzie bei "be".

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Seitenzahl: 314

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin:

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

1. Kapitel

Alexander

2. Kapitel

Nadja

Alexander

3. Kapitel

Nadja

Alexander

4. Kapitel

Nadja

Alexander

5. Kapitel

Nadja

Alexander

6. Kapitel

Nadja

Alexander

7. Kapitel

Nadja

Alexander

8. Kapitel

Nadja

Alexander

9. Kapitel

Nadja

Alexander

10. Kapitel

Nadja

Alexander

Nadja

11. Kapitel

Nadja

Alexander

12. Kapitel

Nadja

Alexander

Nadja

13. Kapitel

Alexander

Nadja

Alexander

14. Kapitel

Nadja

Alexander

15. Kapitel

Nadja

Alexander

16. Kapitel

Nadja

Alexander

17. Kapitel

Nadja

Alexander

Nadja

Epilog

Weitere Titel der Autorin:

You are mine – Gefährliche Liebe

Über dieses Buch

Als Tochter eines russischen Mafiabosses lebt Nadja in einem goldenen Käfig. Doch eines Tages wird sie plötzlich aus dem Haus ihres Vaters entführt und findet sich, als sie aufwacht, in Boston wieder. Ihr Entführer ist so gefährlich wie attraktiv: Alexander Smirnov, hochrangiges Mitglied der Mafia, will seine Stellung innerhalb der Gemeinschaft festigen. Deshalb soll Nadja seine Frau werden. Aber wie soll sie sich dem Mann hingeben, der sich ihrer bemächtigt hat? Nadja spürt die Gefahr, die von Alexander ausgeht – genauso wie sie sich sofort zu ihm hingezogen fühlt. Und schon bald steckt sie in einem bedrohlichen Strudel aus Risiko und Begierde ...

Über die Autorin

Elena MacKenzie hat als erfolgreiche Selfpublisherin bereits einige Bücher veröffentlicht. Ihr Debütroman Highland Secrets eroberte auf Anhieb die Top 10 der Amazon-Charts. Als Kulissen für ihre Geschichten sucht sich die Autorin spannende Orte aus, die zum Eintauchen in fremde Welten verführen. Denn Elena MacKenzies Motto lautet: Sich in Büchern zu verlieren, heißt grenzenlos zu träumen.

Elena MacKenzie

You are mine

Tödliche Hingabe

beHEARTBEAT

Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Natalie Röllig

Covergestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg unter Verwendung von Motiven © FXQuadro/shutterstock; STILLFX/shutterstock; weareadventures/Istockphoto

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7650-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Kapitel

Alexander

An meinen Händen klebt Blut. Es ist nicht mein Blut. Keiner, der mich in diesem Augenblick sieht, würde mir das glauben, aber ich war nie besonders gewalttätig ‒ ich wurde dazu gemacht. Von meinem Vater dazu erzogen und von meinem Leben in diese Richtung gezwungen. In meinem Elternhaus war der Erwartungsdruck schon auf ein Kleinkind so hoch, dass es unter der Belastung kaum zu atmen wagte. Kein Wunder, dass ich irgendwann nur noch atmen wollte, wenn mich mein Vater bemerkte. Und er bemerkte mich nur, wenn er einen Hund brauchte, auf den er einprügeln konnte. Egal wie viel Mühe ich mir gab, seinen Anforderungen gerecht zu werden … es war nie genug. Er war nie zufrieden oder stolz auf seinen Sohn. Nicht einmal, als ich die Möglichkeit ergriff, mich zu entfalten und ihn von mir zu befreien.

Frustriert ziehe ich mir die verkrusteten Siegelringe von den Fingern und werfe sie auf den Rand des Waschbeckens, dann reibe ich mir über das Gesicht und starre in den Spiegel. Mein Spiegelbild sieht genau so aus, wie ich es erwartet habe: müde, zornig und blutig. Ich habe es satt, die Drecksarbeit für meinen Vater zu erledigen und im Anschluss jeden Abend angewidert von mir selbst in den Spiegel zu starren, aus dem ich mich vorwurfsvoll ansehe, während ich mich frage, wann das alles ein Ende hat. Ich balle meine Faust, an der noch immer das Blut irgendeines kleinen Dealers klebt, der meinen Vater, den Pakhan der Familie Smirnov, betrogen hat. Mit viel Kraft schlage ich sie gegen den Spiegel, Risse zerteilen das Glas und zerreißen auch mein Gesicht darin. Frisches Blut quillt aus den Schnitten an meinen Fingerknöcheln, und sekundenlang beobachte ich, wie es aus den Wunden hervorbricht und in das Waschbecken tropft.

Ich ertrage mich selbst nicht mehr, denn an alldem hier kann ich nur mir die Schuld geben. Niemals hätte ich mich auf Sergej einlassen dürfen, dann hätte mein Vater, Maxim Smirnov, mich nicht zum Laufburschen degradiert, mich noch weiter die Leiter nach unten gestoßen, als ich ohnehin schon war. Als ältester Sohn hätte mir das Vorrecht zugestanden, die Familie irgendwann zu übernehmen. Dieses Recht ist nun an Roman gegangen, meinen jüngeren Bruder. Nur mit der Zustimmung des Konsortiums hatte Maxim Smirnov mir das nehmen können. Mein Bruder wird bekommen, was ich immer wollte, die Führung dieser Familie, während ich für den Rest meines Lebens seine Befehle annehmen muss. All das nur, weil ich nicht länger darauf warten wollte, Verantwortung zu tragen, meine eigenen Pläne für diese Familie und diese Stadt umzusetzen und aus dem Schatten meines Vaters hervorzutreten. Und die Seile um meine Brust zu zerreißen, die er um mich gewunden hat.

Stöhnend drehe ich das Wasser auf, halte meine Faust unter den Strahl und beobachte, wie sich das Blut des Dealers mit meinem eigenen vermischt und den Abfluss hinuntergespült wird. Ich öffne den kleinen Schrank an der Wand und hole eine Flasche Jod heraus, kippe mir genug über die Hände, um die Wunden zu desinfizieren. Danach gehe ich zurück in mein Schlafzimmer, nehme mir eine Flasche Wodka aus dem Barschrank und lasse mich damit auf mein Bett fallen. Wie jeden Abend starre ich an die Decke und denke erschöpft darüber nach, wie ich Maxim Smirnov dazu bringen kann, mir zu verzeihen, bis mich der Alkohol in den Schlaf schickt. Und am Morgen wache ich auf und habe noch immer keine Lösung, dafür noch schlimmere Kopfschmerzen als an jedem Morgen davor. Dabei wollte ich doch meinem Vater beweisen, dass ich mehr kann, als er mir zutraut. Ich wollte endlich die Grenzen verlassen, die er mir auferlegt hatte, seit ich ein Kind war. Endlich dieses Gefängnis verlassen, in das er mich einzwängt, weil er glaubt, nur er allein könnte diese Familie führen oder die wichtigen Aufgaben bewältigen. In seiner Welt ist nur er von Bedeutung, und jeder andere ist Dreck an seinen Schuhsohlen.

Ich rutsche in meinem Bett so weit hoch, dass ich mich gegen das Kopfteil lehnen kann, dann setze ich seufzend die Flasche an und versuche, den Schmerz in meiner Brust mit ein paar kräftigen Schlucken zu betäuben. Manchmal hilft der Alkohol, zu vergessen, dass ich nach meinem Verrat niemals mehr in der Lage sein werde, zu führen und dieser Stadt meinen Stempel aufzudrücken. Manchmal hilft er, zu vergessen, dass ich für die Hoffnung auf einen Augenblick Stolz im Gesicht meines Vaters alles aufgegeben habe, was mir wichtig war. Einen Funken Stolz, weil ich bewiesen habe, dass mehr in mir steckt als jemand, der Befehle entgegennimmt. Und dann war da noch Katja. Sergejs Tochter und die Frau, die seit Kindheitstagen eine Besessenheit in mir ausgelöst hat. Eine Frau, die mit einem anderen Mann verheiratet ist und von der ich mittlerweile glaube, ich habe sie nie geliebt, sondern nur den Gedanken daran, um sie zu kämpfen. So wie alles in meinem Leben, das ich liebe, ein Kampf ist. Aber die meiste Zeit macht mich der Alkohol nur noch depressiver. Als ich die Flasche gerade ein zweites Mal an meine Lippen setzen will, klopft es. Ich ignoriere es auch beim nächsten Mal, also wird die Tür einfach aufgerissen, und mein zwei Jahre jüngerer Bruder starrt mich vorwurfsvoll an. Vaters derzeitiger Liebling Roman, der perfekte Sohn, der niemals hinterfragt, niemals Ehrgeiz zeigt und keine eigenen Pläne hat.

»Was willst du?«, knurre ich ihn unwillig an und trinke in eiligen Zügen.

Roman verzieht angewidert das Gesicht. »Du sollst in den Konferenzraum kommen. Das Konsortium will mit dir reden«, sagt er knapp und verschwindet, ohne meine Antwort abzuwarten.

Aber was will ich ihm auch antworten? Dass die Oberbosse der russischen Mafia mich mal können? Nach meinem Verrat wäre das mein endgültiges Todesurteil. Und meinem Vater wäre es wohl ein Vergnügen, mir die Kugel in den Schädel zu schießen, auf die das Konsortium meinen Namen geschrieben hat. »Jetzt bekomme ich also die Strafe für meine Zusammenarbeit mit Kusnezow«, murmle ich, trinke noch einmal und stelle den Wodka auf meinem Nachttisch ab.

Ich mache mir nicht erst die Mühe, die offen stehenden Knöpfe an meinem blutverschmierten Hemd zu schließen, laufe einfach so nach unten, wie ich bin. Wozu gut aussehen, wenn man sehr wahrscheinlich seinem Todesurteil entgegengeht? Zumindest hat sich das Konsortium Zeit mit seiner endgültigen Entscheidung gelassen, was mich hoffen lässt, dass sie nicht vorschnell über mich geurteilt haben. Ich laufe nach unten, und als ich die Stufen hinabsteige, kann ich das dunkle Lachen meines Vaters hören, noch bevor ich im Erdgeschoss ankomme. Sein Lachen dringt aus dem Konferenzraum, was erklärt, warum es kein echtes, sondern ein aufgesetztes Lachen ist, denn Maxim Smirnov hasst das Konsortium. Es schränkt ihn in seinem Handeln ein, bestimmt, wohin der Weg aller Familien der Bratwa weltweit führt, was erlaubt ist und was nicht. Sie sind diejenigen, die das eigentliche Sagen haben. Und das Gefühl, dass da über ihm noch jemand ist, der bestimmt, was er darf, macht meinem Vater genauso zu schaffen wie mir. In diesem Punkt sind wir uns ähnlich. Vielleicht ist es die Unfähigkeit, uns anderen unterzuordnen, die uns zu erbitterten Gegnern werden ließ. Er hasst mich, weil ich ihn irgendwann hätte ablösen sollen. Und ich hasse ihn, weil ich seit jeher wusste, dass es dazu nicht kommen würde, solange er noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte.

Ohne es eilig zu haben, gehe ich auf die offen stehende schwere Holztür mit den aufwendigen Schnitzereien einer Jagdszene zu. Im Türstock bleibe ich einen Moment stehen, bis sich die Aufmerksamkeit meines Vaters und der drei Männer auf dem großen Bildschirm auf mich richtet. Ich stelle mich vor den Flatscreen und begrüße das Konsortium mit einer leichten Verbeugung, dann setze ich mich an den Konferenztisch und warte auf mein Urteil. Ein Teil von mir hat natürlich Angst davor, dass das Urteil Gulag oder Tod lauten könnte, aber dem viel größeren Teil wäre mittlerweile alles recht, was mich aus diesem Haus herausbringen würde. Weg von meinem Vater, der mich seit Wochen wie einen Laufburschen behandelt … noch schlimmer als früher. Weg von meinem Bruder, der den Wettkampf, den Maxim Smirnov zwischen uns immer gefördert hat, nun endlich gewonnen hat und mich seither betrachtet, als wäre ich weniger wert als eine Kakerlake.

Vaters Lachen verstummt, als er mich jetzt mit fest aufeinandergepressten Lippen ansieht. »Alexander«, begrüßt er mich knapp, dann blickt er wieder zu den Männern auf, die aus Russland über einen Videochat mit uns verbunden sind. »Ich denke, wir sind jetzt so weit«, sagt er auf Russisch.

Die Blicke der russischen Oberbosse richten sich grimmig auf mich, aber ich verspanne mich nicht einmal. Ich bin bereit für alles, was kommen mag, wenn es nur bedeutet, dass mir meine Zukunft mehr bringt, als täglich auf unwichtige Menschen im Getriebe dieser Organisation einprügeln zu müssen.

»Bist du bereit für dein Urteil?«, will Kalinin von mir wissen. Er schaut mich ernst an, und ich bekomme das Gefühl, dass mir nicht gefallen wird, was sie mir zu sagen haben.

Ich nicke stumm und falte locker meine Hände auf der Tischplatte, um die bittere Wut zu überspielen, die sich gerade ihren Weg meine Speiseröhre nach oben sucht. Vielleicht gefällt mir der Gedanke an Gulag oder Tod doch nicht so gut.

»Wir sind nicht hier, um deine Zusammenarbeit mit Sergej noch einmal aufzuarbeiten. Du weißt so gut wie wir, dass das keine kluge Entscheidung war«, erklärt Kalinin. In seiner Glatze spiegelt sich ein Licht, das wohl vor dem Tisch des Konsortiums stehen muss, um ihre Gesichter besser auszuleuchten. Es ist merkwürdig, aber diese Spiegelung lenkt mich so sehr ab, dass ich kaum den Blick von ihr losreißen kann, also blinzle ich ein paarmal und konzentriere mich auf das massive Bücherregal hinter den drei Männern.

»Das weiß ich«, bestätige ich und nicke ein weiteres Mal fast schon ergeben. Zugleich möchte ich würgen, so sehr verabscheue ich mich in diesem Moment selbst. Ich fühle mich wie der schlimmste Speichellecker und wünsche mir mein Desinteresse an der drohenden Bestrafung zurück, das ich noch vor Minuten hatte. Aber wenn ich an Oleg denke, einen der Männer meines Vaters, den ich für einen Freund halte, möchte ich dem Gulag doch gern entgehen.

»Wir haben dich in den letzten Jahren beobachtet. Du hattest nie die Möglichkeit, dich frei zu entfalten«, meint Petrov mit Blick auf meinen Vater. Selbst in Russland haben sie von seiner Kontrollsucht erfahren, denke ich bitter. Maxim Smirnov wäre kein schlechter Mensch, wenn er seine Söhne, insbesondere mich, nicht von Anfang an als Konkurrenten betrachtet hätte. Andere Väter erziehen ihre Söhne mit Stolz, in der Hoffnung, sie treten irgendwann in ihre Fußstapfen. Nur er hat das nie geschafft. »Und trotzdem gab es Augenblicke, in denen du überzeugen konntest.«

»Der Deal mit dem Kartell«, meint Lasarew und nickt beeindruckt.

Vor einiger Zeit habe ich es geschafft, zu verhindern, dass sich das Kartell in Boston niederlassen konnte, indem sie sich mit einer der Straßengangs zusammengetan hätten. Stattdessen habe ich ihnen regelmäßige Waffenlieferungen von uns zugesagt im Tausch gegen ihre Drogen. Die bringen wir nun zu unseren Bedingungen und Preisen auf die Straßen, ohne dass das Kartell die Stadt übernimmt.

»Wir sind uns einig, dass deine Zusammenarbeit mit Kusnezow ein Verrat an uns allen war«, setzt Lasarew fort und beugt sich näher zur Kamera hin, als könnte er mich dadurch besser sehen. Vielleicht will er auch nur, dass ich den Zorn in seinen Augen bemerke. Ich verziehe keine Miene, obwohl Nervosität in mir aufsteigt. »Du hast aber auch entscheidend dazu beigetragen, diesen Bastard zu erledigen.« Lasarew lehnt sich wieder zurück, faltet die Hände auf seinem mächtigen Bauch, dann wirft er einen flüchtigen Blick nach links und rechts, wo die anderen beiden Mitglieder des Konsortiums sitzen.

Petrov räuspert sich. Also wird er das Wort ergreifen, schließe ich daraus und sehe auf die rechte Seite des überdimensional großen Flachbildschirms. Meinen Vater ignoriere ich, der mit verbissener Miene unter dem Tisch mit den Füßen scharrt. Was auch immer gleich passieren wird, er kennt die Pläne des Konsortiums schon, und die auf seinem Schoß geballte, zitternde Faust sagt mir, dass er nicht glücklich damit ist. Alles, was ihn unglücklich macht, kann nur gut für mich sein, oder?

»Da Kusnezow keinen Sohn mehr hat und es in seiner Familie keinen würdigen Nachfolger gibt, haben wir beschlossen, dir eine Chance zu geben, dich zu beweisen. Damit handeln wir gegen unsere eigenen Regeln. Du bist ein Smirnov, und es dürfte keine zwei Pakhans der gleichen Familie innerhalb einer Stadt geben.«

Ich schlucke und kämpfe um Fassung. Auf keinen Fall möchte ich, dass irgendjemand mitbekommt, wie heftig diese überraschende Wendung meinen Puls beschleunigt und wie sehr sie jede Zelle in meinem Körper aufwühlt. Aber ich kenne das Konsortium, sie haben nichts zu verschenken. Was auch immer ihr Plan dahinter ist, er kann nichts Gutes bedeuten. »Warum?«, frage ich trocken und möglichst ungerührt, denn ich verstehe diese Entscheidung zu meinen Gunsten nicht.

»Du wirst uns zustimmen, wenn wir sagen, dass wir jemanden brauchen, der die Lücke füllt, die Sergej hinterlassen hat, bevor jemand von außen kommt und sie schließt«, erklärt Lasarew. »Wir wissen auch, Smirnov wird den Teufel tun und seinen Platz räumen, aber wir sehen ein gewisses Potenzial in deinem Tatendrang, und genau so jemanden brauchen wir. Jemanden mit deinen Verbindungen zum Kartell.«

Diesen Platz wird mein Vater ohnehin erst räumen, wenn er tot ist, und dann soll ihn ja nach dem Willen aller mein Bruder Roman einnehmen, weil ich dreist genug war, eigene Pläne zu verfolgen. Ich kann das Zucken um meine Mundwinkel nicht komplett unterdrücken, also verberge ich es hinter einem Räuspern. Meinem Vater werfe ich einen flüchtigen Blick zu, den er mit so viel Geringschätzigkeit beantwortet, dass sich mein Herz tatsächlich für eine Sekunde zusammenzieht. Obwohl ich sein Sohn bin und jeder Vater in einem solchen Moment stolz sein würde, kann er sich nicht dazu überwinden. Nein, vielmehr wird er überzeugt sein, dass mir ein unverdientes Geschenk gemacht wird. Für ihn zählt, was man sich mit Blut und Schweiß hart erarbeitet hat. Dinge, die er als würdig betrachtet, belohnt zu werden. Genau solche Aufgaben würde er mir aber nie zuteilen, weil ihm das Vertrauen in sein eigen Fleisch und Blut fehlt. Das war auch der Grund, warum ich andere Wege ging.

Es wird mir ein Vergnügen sein, diese Herausforderung anzunehmen und zu beweisen, dass ich des mir entgegengebrachten Vertrauens würdig bin. Und es wird mir eine wahre Freude sein, Maxim Smirnov zu zeigen, wie sehr er mich unterschätzt hat.

»Was ist mit dem Gleichgewicht?«, hake ich misstrauisch nach.

Lasarew nickt mit einem Lächeln und einem beängstigend zufriedenen Blitzen in den Augen. »Es gibt eine Bedingung: Du wirst meine Tochter heiraten.«

Diesmal gelingt es mir nicht, meine Emotionen zu verstecken. Ich schnappe hörbar nach Luft und sehe meinen Vater zornig an, der mit der flachen Hand auf den Tisch haut und laut auflacht. Offensichtlich wusste er nichts von der Bedingung.

»Ich kenne Ihre Tochter nicht«, bringe ich protestierend hervor und spüre, wie Schweiß auf meine Stirn tritt. Mein Puls rast so heftig, dass ich mich verzweifelt nach einem weiteren Schluck aus meiner Flasche sehne. Ich fühle mich hintergangen und frage mich, ob der Gulag nicht die bessere Lösung gewesen wäre, als eine Frau zu heiraten, damit ihr Vater mich unter Kontrolle halten kann. »Vom Regen in die Traufe« nennt man so etwas doch.

»Das musst du auch nicht, du sollst sie nur heiraten. Eine politische Hochzeit, wenn du so willst. So sichern wir uns ab, dass du in Zukunft nicht wieder aus der Reihe tanzt.« Lasarew runzelt die Stirn und beugt sich näher zur Kamera.

Ich möchte protestieren, doch dem Konsortium widerspricht man nicht. Trotzdem presse ich meine Lippen fest aufeinander. Es sollte deutlich sein, was ich von dieser Entwicklung halte.

»Da gibt es noch eine Kleinigkeit.«

Ich versteife mich innerlich. Was auch immer jetzt kommt, es wird mir nicht gefallen. Noch weniger als eine Ehe mit einer Frau, die ich nicht einmal kenne. Das spüre ich bis hinein in den letzten Winkel meines Körpers. Jede Zelle schreit mich warnend an. Ich schlucke abermals heftig, bevor ich »Was?« frage.

»Meine Nadja ist mein Augapfel, mein kleiner Liebling, aber ich bin bereit, sie dir anzuvertrauen.« Er seufzt gespielt, dann verengt sich sein Blick, als er mich wieder ansieht. »Aber sie darf nicht wissen, dass ich für diese Heirat verantwortlich bin. Ich kann es nicht ertragen, wenn sie mich hasst«, gesteht er in breitem Russisch. »Du musst sie entführen und so tun, als wäre das alles deine Idee.«

Ich reiße überrascht die Augen auf. Für mehrere Atemzüge weiß ich nicht, was ich sagen soll. Mit geschlossenen Augen denke ich darüber nach, was das alles zu bedeuten hat. Was es für mich heißt, eine Frau zu heiraten, die ich nicht kenne. Wahrscheinlich wird sie mich hassen und mir eine Menge Ärger bereiten. Vielleicht ist sie so hässlich, dass Lasarew keinen anderen Ausweg sieht, als sie auf diesem Weg an den Mann zu bringen. Aber es ist auch nicht so, als gäbe es eine andere Frau, die einer Hochzeit im Weg stünde. Und ich muss diese Nadja nicht lieben. Wahrscheinlich muss ich sie nicht einmal wirklich beachten. Ich könnte sie heiraten und sie danach tun lassen, was auch immer sie will. Nun ja, als Frau eines Pakhans wird sie Schutz brauchen, also muss sie mit mir auf dem Anwesen wohnen. Aber Sergejs Haus ist riesig. Fast schon ein Schloss. Viele Zimmer, viele Möglichkeiten, sich nie begegnen zu müssen. Viel wichtiger ist jedoch der andere Teil dieses Deals. Mein eigenes Gebiet in Boston. Eine eigene Familie. Und endlich die Möglichkeit, mich zu beweisen. Eine echte und verantwortungsvolle Aufgabe. Keine Laufburschenarbeit mehr.

»Einverstanden«, sage ich grinsend.

Auch Lasarew lächelt, aber nicht so, wie ich erhofft habe. »Da wäre noch etwas. Ich wäre gerne recht bald ein Dedushka.«

Verdammt, stöhne ich innerlich. Also ist sie wohl doch hässlich. »Ein oder zwei Enkel«, bestätige ich mit einem Kloß im Hals. Der Gedanke an Kinder macht mich überhaupt nicht glücklich. Nicht dass ich mich vor Kindern fürchte. Aber ich fürchte mich vor dem Gedanken, ich könnte ein Vater wie mein eigener werden.

»Sehr gut, denn ich will nicht, dass mir zu Ohren kommt, dass die Ehe meiner Tochter gar keine Ehe ist. Sie verdient einen guten Mann«, sagt er. »Und bevor ich es vergesse …« Sein Blick verfinstert sich noch mehr. »Ich habe von deinen zahlreichen … nennen wir es Affären … gehört. Betrügst du meine Tochter, bist du ein toter Mann.« Er knurrt düster, bevor er sich wieder zurücklehnt. »Wir sind uns einig?«

Gequält nicke ich. Zahlreiche Affären. Ich habe keine Affären, ich vögle, und dann ziehe ich weiter. Zumindest habe ich das bisher getan. Der Gedanke, mein liebstes Hobby aufzugeben, lässt meinen Magen übel krampfen, und ich bin mir sicher, mein Schwanz protestiert gerade in meiner Hose. Nicht einmal für Katja hätte ich gelegentlichen Spaß mit anderen Frauen aufgegeben. »Also gut.«

»Dann lass uns über die Entführung meiner Tochter reden«, sagt er und grinst breit.

2. Kapitel

Nadja

Frustriert sehe ich meinen Vater an und verziehe das Gesicht, als er mir vorschlägt, noch einmal einen Blick auf die Fotos der fünf Männer zu werfen, die er für gute Kandidaten für eine Ehe mit mir hält. Ich blinzle nicht einmal in Richtung der Fotos, die fein säuberlich vor ihm auf dem Schreibtisch aufgereiht sind. »Willst du wirklich die kurze Zeit, die wir miteinander haben, mit diesem Thema vergeuden?«, frage ich ihn genervt. »Lass uns lieber über Irenas Geburtstag reden. Du weißt, ich bin bei ihr genauso sicher und gut weggesperrt wie in diesem Haus.« Irena ist meine beste Freundin und, da sie auch die Tochter eines Mitglieds des Konsortiums ist, manchmal meine einzige Chance auf ein bisschen Abwechslung. Wenn wir zu zweit sind, können wir wenigstens so tun, als würden wir die gleichen Dinge machen wie andere Frauen in unserem Alter: über Männer reden, Rockstars, Mode und Make-up. Auch wenn das nur eine kleine Auswahl dessen ist, was andere Frauen tun.

»Irena ist verheiratet und bekommt ein Baby. Sie nimmt die Pflichten ihrer Familie gegenüber sehr ernst«, sagt mein Vater und tupft sich mit seinem bestickten Stofftaschentuch über die feuchte Stirn. Mit mir zu streiten regt ihn immer sehr auf.

»Ja, weil sie einen Mann geheiratet hat, den sie liebt. Und sie liebt ihn, weil sie ihn wie eine ganz normale Frau kennenlernen durfte. Sie sind ausgegangen, bevor sie sich das Ja-Wort gaben.«

»Trotzdem bleibt es eine arrangierte Ehe. So ist das Tradition bei uns. Auch die Frauen haben ihre Verpflichtungen der Bratwa gegenüber.«

Ich schnaube abfällig. »Eine Zuchtstute sein.«

»Entscheide dich für einen, und geh mit ihm aus. Wie wäre es mit dem?« Er tippt zum wiederholten Mal auf einen dunkelhaarigen, attraktiven Mann. Ich habe das Gefühl, als wollte er meine Aufmerksamkeit besonders auf diesen Kandidaten lenken, denn er sieht mich abschätzend an, während ich so tue, als würde ich das Gesicht auf dem Foto ernsthaft studieren. Dabei habe ich absolut kein Interesse an einem Mann, der mir aufgezwungen werden soll. Und das weiß mein Vater auch. Dass ich mir diese Bilder überhaupt angucke, liegt daran, dass er mir ein wenig seiner Zeit widmet, solange ich das tue.

»Unter Aufsicht?«, hake ich hoffnungslos nach.

»Natürlich«, antwortet er entrüstet, weil ich zu hoffen gewagt habe, er könnte ein einziges Mal darauf verzichten, mehrere Männer mitzuschicken, wenn ich das Haus verlasse. Seit meine Mutter uns verlassen hat, ist seine Kontrollsucht noch viel schlimmer geworden. Früher durfte ich wenigstens die Schule besuchen. Später gab es nur noch Heimunterricht.

Die meisten Frauen in meinem Alter würden behaupten, dass ich ein perfektes Leben führe. Ich sehe das anders. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt und noch niemals irgendwo allein gewesen. Außer nachts in meinem Bett. Was nicht heißt, dass ich noch Jungfrau bin. Denn vor etwa drei Jahren hatte ich es satt, nicht zu wissen, wie es ist, wenn sich ein Körper heiß an dich schmiegt, wenn Lippen deine Haut erkunden oder sich ein Mann tief in dir bewegt. Also habe ich eine Affäre mit meinem Bodyguard begonnen.

Als Tochter eines sehr reichen und sehr mächtigen Mannes habe ich also erfolgreich fast jedes Klischee erfüllt: übervolle Kleiderschränke, unzählige Handtaschen, Schuhe, teurer Schmuck und Sex mit dem Bodyguard. Was ich aber nicht erlebt habe, ist das Gefühl, frei zu sein und vielleicht sogar einmal dieses Land zu verlassen. Nicht unbedingt in die USA, denn ich hasse die prüden, arroganten und eingebildeten Möchtegern-Weltverbesserer-Polizisten. Das hat viel weniger damit zu tun, dass ich der Propaganda in meinem eigenen Land auch nur ein Wort glauben würde. Nein, ich hasse dieses Land, weil es die Heimat meiner Mutter ist, die mich als kleines Mädchen verließ, um lieber Amerikanerin zu sein. Deswegen verweigere ich mich auch strikt ihrer Sprache, obwohl ich sie fließend spreche, immerhin bin ich zweisprachig aufgewachsen. Aber wahrscheinlich sind mir die USA in Wirklichkeit egal, und ich hasse sie nur, weil es meine Pflicht ist, den Verrat an meinem Vater irgendwie zu bestrafen. Ich denke, es ist vielmehr meine Mutter, die ich nicht leiden kann.

Zu einem perfekten Leben gehört deutlich mehr als all das. Vor allem, selbst entscheiden zu dürfen, wann und wen eine Frau heiratet. Genau aus diesem Grund streite ich mich seit Wochen mit meinem Vater, der der Meinung ist, es wäre langsam an der Zeit, meiner Pflicht als Frau in einer der angesehensten und wichtigsten Familien der Bratwa nachzukommen. Ich sehe ihn trotzig an, als er mir ein sanftes Lächeln über seinen Schreibtisch hinweg zuwirft, und verschränke die Arme vor der Brust. Natürlich werde ich meiner Aufgabe irgendwann nachkommen, immerhin wurde ich von klein auf darauf vorbereitet, aber ich will es jetzt noch nicht tun. Ich habe noch nicht einmal gelebt, da soll ich schon Kinder bekommen?

»Du kennst meine Meinung«, sage ich harsch. »Ich bin noch viel zu jung für eine Ehe und Kinder. Und ich habe keine Lust darauf, irgendwelche altmodischen Pflichten zu erfüllen. Es ist an der Zeit, dass die Bratwa einige Traditionen überdenkt.« Ich möchte auf gar keinen Fall den gleichen Fehler wie meine Mutter begehen, irgendwann aufwachen und bemerken, dass ich eine elfjährige Tochter habe, einen Mann, der mich einengt, während ich noch nichts wirklich erlebt habe.

Mein Vater fährt sich über seine im künstlichen Licht glänzende Halbglatze und versucht sich ein weiteres Mal an einem entschuldigenden Lächeln. Er hasst es, wenn ich wütend auf ihn bin, und tut alles, um Situationen aus dem Weg zu gehen, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Meistens lässt er seinen Willen mir gegenüber von einem seiner Männer durchsetzen. Und wenn ich ihn zur Rede stellen will, hört er mir gar nicht erst zu und schickt mich sofort wieder weg. Wenig später liegt dann ein kleines Geschenk in meinem Zimmer, das meine Wut ersticken soll. Aber ich bin kein Kind mehr, deswegen fruchten seine Bestechungen nicht.

»Unsere Traditionen bestehen schon seit sehr langer Zeit. Es gibt keinen Grund, sie zu ändern. Deine Pflicht ist es, eine Verbindung einzugehen, die unsere Familie stärkt«, murmelt er.

Ich rutsche auf dem rustikalen Ledersessel herum, und wickle eine meiner lockigen Haarsträhnen um meinen Zeigefinger. »Wozu brauchen wir noch mehr Macht? Wir gehören schon zu den mächtigsten russischen Familien. Nicht einmal unser Präsident ist so einflussreich wie wir«, werfe ich genervt ein.

»Das ist Politik, über die ich nicht mit dir rede«, sagt er ruhig, nimmt sich einen Stift und lässt ihn zwischen seinen Fingern hin und her wandern. Mein Vater ist nicht besonders groß, aber muskulöser als die meisten jungen Männer. Er hat breite Schultern, einen recht dicken Bauch und einen finsteren Blick. Viele Menschen fürchten ihn zurecht. Mir jedoch würde er niemals wehtun. Selbst wenn er dieses Gespräch über Heirat immer wieder aufbringt, würde er mich nie zwingen. Er liebt mich zu sehr. Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch auf diesem Planeten, den er wirklich liebt.

»Ich weiß«, winke ich ab. »Wieso sprechen wir nicht über etwas anderes?«, schlage ich vor, dann schenke ich ihm mein süßestes und unschuldigstes Lächeln, weil das immer funktioniert.

Er wirft einen Blick auf seine teure Rolex und legt seinen vergoldeten Kuli wieder vor sich auf den Tisch. »Ich habe gleich einen Termin«, sagt er bedauernd.

Enttäuscht seufze ich, denn ich verbringe gern Zeit mit meinem Vater, weil sie selten ist. Und weil ich sonst nicht viel zu tun habe. »Wo gehst du denn hin?«

»Ein Essen mit einem Geschäftspartner«, antwortet er knapp. Mehr werde ich nicht erfahren, denn die Frauen der Bratwa sind die meiste Zeit nur hübsches Beiwerk. Wir sollen die Familien repräsentieren und hier und da für das gute Image nach außen sorgen, indem wir die lächelnden Gesichter hinter Wohltätigkeitsorganisationen sind, die den Familien eine scheinbar weiße Weste verleihen.

»Ich würde auch gern mal wieder ausgehen. Ein paar Stunden Spaß haben«, werfe ich ein und starre möglichst teilnahmslos auf die Fotos auf dem Schreibtisch. Der Mann, den mein Vater wohl favorisiert, hat sehr auffällige, strahlend blaue Augen, die den Betrachter wie magisch anziehen. Aber mit einem Räuspern reiße ich mich von diesen Augen los und sehe auf.

»Bestimmt gibt es bald wieder eine Gala«, meint er und steht hinter seinem Schreibtisch auf. Er richtet sein Jackett, kommt auf mich zu und beugt sich über mich, um mir einen Kuss auf die Stirn zu drücken.

Ich stöhne und verdrehe die Augen, als er sich wieder aufrichtet. »Ausgehen ohne geschäftliche Hintergründe. Mal ins Kino oder einen Club, der nicht dir gehört und in dem ich nicht einsam in einem abgesperrten Bereich sitzen muss und nur zusehen darf, wie andere Spaß haben.«

»Reden wir ein anderes Mal darüber«, sagt er ausweichend, geht auf die Tür zu und meint eigentlich nein.

Ich atme frustriert aus und werfe den Kopf in den Nacken, als er sein Büro verlassen hat. »Das sagst du immer«, flüstere ich ergeben, dann stehe ich auf, gehe auf seine Hausbar zu und schenke mir ein Glas von dem Martini ein, der dort nur steht, weil mein Vater weiß, dass ich ihn hin und wieder trinke. Ich werfe einen Blick in den Spiegel hinter der Bar, und was ich sehe, ist eine junge Frau mit blondem Haar, das in Wellen bis auf ihre Brüste fällt. Eine Frau, die alles besitzt, was sie sich erträumt, nur Freiheit nicht.

Alexander

»Wir sollten es abreißen und ein neues bauen«, schlägt Oleg vor, als wir vor Sergejs ehemaligem Haus aus der Limousine steigen.

Ich schirme meine Augen vor der grellen Sommersonne ab und lasse den Blick über das große Holzhaus mit den aufwendigen Schnitzereien gleiten, das jedes russische Klischee bedient, das es in Bezug auf Häuser gibt. Es besteht aus dunkelbraunen Holzbohlen, die Schnitzereien unter dem Dachgiebel strahlen in der Sonne in leuchtendem Gelb, Orange und Grün, und die Fensterläden sind hellblau gestrichen und mit weißen Blumen verziert. Es hat sogar einen Zwiebelturm. Eben ein echtes russisches Kunstwerk, das sich u-förmig über zwei Etagen erstreckt. Manche würden es auch einen Albtraum nennen.

»Von innen ist es moderner«, verspreche ich meinem Bodyguard, der jetzt seit ein paar Wochen für mich arbeitet. Oleg wurde in einem russischen Gulag geschliffen. Offiziell hatte man die letzten staatlichen Gulags 1987 geschlossen. Aber Gesetze gelten nicht für die Bratwa, die Verstöße gegen ihre eigenen Gesetze bestrafen sie noch immer in Gulags. Wäre das Konsortium weniger nachsichtig mit mir gewesen, hätte mich genau dieses Schicksal ereilt. Ich weiß nicht, wofür Oleg seine Strafe erhielt, er hat es mir nie gesagt, aber das harte, oftmals tödliche Leben in den Arbeitslagern der Bratwa hat seine Spuren hinterlassen. Er wirkt wie eine Kampfmaschine, wenn er sich durch einen Raum auf jemanden zubewegt. Die Menschen treten freiwillig auseinander, um ihn durchzulassen, und sehen betreten auf den Boden, damit sie nicht auf die zahlreichen Narben in seinem Gesicht und an seinen Armen starren. Narben, die er sich geholt hat, wenn er im Gulag um sein Leben kämpfte.

Oleg brummt nur ungehalten, dann sieht er sich nach den anderen Männern um, die aus den Limousinen steigen. Vier haben sich mir angeschlossen und ihre relativ sichere Stellung bei meinem Vater aufgegeben, um sich mit mir auf dieses unvorhersehbare Abenteuer einzulassen. Ich nenne es ein Abenteuer, weil wir noch nicht wissen, was Sergejs Familie davon hält, dass ein Smirnov jetzt ihr Oberhaupt wird. Hoffentlich hat das Konsortium sein Versprechen wahr gemacht und alle in diesem Haus auf die Übernahme vorbereitet. Dass noch niemand auf uns schießt, werte ich als ein gutes Zeichen.

»Also dann«, sage ich und ignoriere das nervöse Flattern in meiner Magengrube. Ich setze eine ungerührte und harte Miene auf, ehe ich Oleg folge, der mit gezogener Waffe vor mir her auf den breiten Hauseingang zugeht. »Wird Zeit, dass wir die Bewährungsprobe hinter uns bringen, damit wir richtig loslegen können.« Leider setzt mich das Konsortium vorerst nur zur Probe als Pakhan ein. Ich soll einen Mord aufklären, um mich endgültig zu beweisen. Mich gleichzeitig um die Entführung meiner zukünftigen Braut und eine prunkvolle und standesgemäße Hochzeit kümmern. Danach erst werde ich offiziell zum Pakhan erklärt.

Die hellblaue Tür mit den weißen Blumen öffnet sich, noch bevor wir sie erreichen, und ein hagerer Mann in den Sechzigern begrüßt uns stumm. Ich kenne Igor von meinen früheren Besuchen hier, er war Sergejs persönlicher Sekretär und Butler. Sicher waren sie auch Freunde, entsprechend kühl fällt seine Begrüßung aus. Er tritt beiseite, um uns in die große opulent verzierte Halle zu lassen, in der uns die wichtigsten Männer der Familie Kusnezow mit grimmigen und herabwürdigenden Blicken erwarten. Trotz der Feindseligkeit zückt keiner von ihnen eine Waffe. Bis hierher läuft es doch ganz gut.

Meine Männer postieren sich direkt hinter mir, sodass wir uns nun in zwei Reihen gegenüberstehen und uns stumm anstarren. Obwohl wir Sommer haben, könnte man die Temperatur im Raum als eisig bezeichnen. Ich mustere mit möglichst gelassenem Gesichtsausdruck die sieben Männer, die mit zum Teil abweisend vor der Brust verschränkten Armen vor uns stehen. Mit den meisten von ihnen hatte ich schon zu tun, was die Sache nicht einfacher macht, denn sie wissen, dass ich ihren ehemaligen Pakhan verraten habe. Und jetzt steht dieser Verräter vor ihnen als ihr neuer Pakhan, statt seinem gerechten Tod ins Auge zu blicken.

»Ihr habt uns noch nicht umgebracht, also nehme ich an, ihr seid über die Entscheidung des Konsortiums in Kenntnis gesetzt worden«, beginne ich. Ich war noch nie ein Freund von Reden. Was ich mir von dieser Aufgabe erhoffe, ist Anerkennung. Zuallererst von meinem Vater, aber auch von jedem anderen in dieser Stadt. Ich will, dass man mich für das, was ich leiste, respektiert, und mir das Vertrauen entgegenbringt, diese Dinge auch leisten zu können. Es geht mir nicht um Macht, es geht mir um das Gefühl, etwas zu erreichen. Reden haben mit Politik zu tun. Diese Familie zu übernehmen und sie zu führen, dahintersteckt auch viel Politik. Die interessiert mich aber nicht. Deswegen werde ich mich kurzfassen. »Ich bin euer neuer Pakhan, wer damit nicht leben kann, der darf jetzt gehen. Alle anderen bleiben Teil dieser Familie.«

»Ich bin damit nicht einverstanden«, sagt ein schmaler junger Mann und tritt aus der Reihe. Er verzieht hasserfüllt das Gesicht und bleibt so nah vor mir stehen, dass sich Oleg vor mich schiebt und ihn mit einem bedrohlichen Knurren auf Abstand hält. Der Mann wirft Oleg ein abfälliges Grinsen zu, dann sieht er mich an.

Ich lege Oleg eine Hand auf die Schulter. »Das schaffe ich allein.«

Oleg weicht zur Seite aus, und ich trete einen Schritt auf den Mann zu. »Dein Name?«, will ich trocken wissen.

»Der geht dich einen Dreck an, weil du nicht lange genug hierbleiben wirst, um ihn zu benutzen«, knurrt er. Er ist höchstens zwanzig, also schätze ich, er ist mit Sergej verwandt. Wäre das nicht der Fall, stünde er jetzt nicht in diesem Haus. Jeder, der sich im Moment hier befindet, gehört zum inneren Kreis. Das sind Männer mit einer hohen Stellung innerhalb der Familie. Sie haben sich diese Position entweder über sehr viele Jahre durch ihre Taten erarbeitet oder sie sind tatsächlich mit Sergej verwandt.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe dem Jungen direkt in die schlammbraunen Augen. »Du bist sicher Sergejs Neffe«, sage ich mit einem gefährlichen Lächeln.

»Bin ich«, antwortet er, und sein Gesicht verdunkelt sich. Er lässt sich von mir nicht einschüchtern, auch nicht von meinen Männern oder der Tatsache, dass sich seine eigenen Leute nicht rühren, um ihn zu schützen, wahrscheinlich, weil sie aus Erfahrung wissen, dass sie kein Recht haben, die Entscheidungen des Konsortiums zu hinterfragen. »Und das Haus, in dem du stehst, gehört mir. Als letzter lebender Verwandter gehört alles, was Sergej hinterlassen hat, mir.«

In einer blitzschnellen Bewegung lasse ich meine Hand nach vorn schnellen und umklammere mit den Fingern seine Kehle. Die Augen verenge ich zu Schlitzen und atme unbeeindruckt aus. Ich lache, während meine Finger seine Kehle immer fester umschließen. An meinen Fingerkuppen spüre ich, dass sein Kehlkopf versucht, sich zu bewegen, wahrscheinlich will er den Kloß in seinem Hals hinunterschlucken, der sich vor Angst gebildet hat. Ich halte nicht viel von Gewalt, aber ich muss klarstellen, dass ich niemandem eine solche Respektlosigkeit mir gegenüber durchgehen lasse. Wenn ich jetzt nicht deutlich mache, dass ich die mir anvertraute Aufgabe mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit, und wenn nötig auch mit Gewalt, durchsetze, habe ich verloren.

Ich beuge mich noch näher zu seinem Gesicht. »Würden uns die Gesetze dieses Landes interessieren, dann würde das alles Ekaterina Belov gehören, seiner Tochter.« Ich schüttle den Kopf. »Aber sie interessieren uns nicht, weil wir nach unseren eigenen Regeln leben.« Mit jedem Wort, das ich sage, dränge ich ihn rückwärts, bis er gegen den Handlauf der Treppe stößt, die in die nächste Etage führt.