Zauberfrauen -  - E-Book

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Beschreibung

Hexen, Nixen, Feen und wundertätige Frauen finden in dieser Märchensammlung zusammen. Sie stammen aus allen Zeiten und Kontinenten und aus den unterschiedlichsten Kulturen. Sie lieben, hassen, segnen und verfluchen, bringen Rettung, Untergang, Reichtum, Not oder Glück. In tausend Gestalten begegnen sie den Irdischen. Nur eines ist ihnen gemeinsam: Niemand, und erst recht nicht ein Mann, kann sich ihrem Zauber entziehen. Seit ihrer Kindheit ist die Herausgeberin Scharuk Husain diesem Zauber verfallen. Sie sammelte während zehn Jahren Mythen und Volksliteratur rund um die Welt und stellte dieses wahrhaft verwunschene Buch zusammen.

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Seitenzahl: 423

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Über dieses Buch

Hexen, Nixen, Feen und wundertätige Frauen finden in dieser Märchensammlung zusammen. Sie stammen aus allen Zeiten und Kontinenten und aus den unterschiedlichsten Kulturen. In tausend Gestalten begegnen sie den Irdischen. Nur eines ist ihnen gemeinsam: Niemand, und erst recht nicht ein Mann, kann sich ihrem Zauber entziehen.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Scharuk Husain (*1950 in Pakistan) ist Autorin und Psychotherapeutin. Sie studierte Orientalistik und Afrikanistik, hat Theaterstücke, Belletristik und Sachbücher verfasst und an Drehbüchern für Merchant Ivory und Disney mitgearbeitet. Sie beschäftigt sich intensiv mit Mythen und Folklore.

Zur Webseite von Scharuk Husain.

Gerda Bean (*1938) war u. a. für das deutsche Fernsehen in Washington, D.C., tätig. Seit 1978 arbeitet sie als Übersetzerin von Belletristik sowie von Kinder- und Jugendbüchern.

Zur Webseite von Gerda Bean.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Scharuk Husain (Hg.)

Zauberfrauen

Märchen aus allen Welten

Aus dem Englischen von Gerda Bean und Anne Ruth Frank-Strauss

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die englische Originalausgabe erschien 1993 unter dem Titel The Virago Book of Witches bei Virago Press, London.

Originaltitel: The Virago Book of Witches (1993)

© by Scharuk Husain 1993

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Marc-Charles-Gabriel Gleyre, Pentheus von den Mänaden verfolgt (Ausschnitt), 1864 (Inv. Nr. 249), Öl auf Leinwand, 121 x 201 cm. Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum; Foto: Öffentliche Kunstsammlung Basel, Martin Bühler

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30708-7

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 03.06.2022, 17:25h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

ZAUBERFRAUEN

Erster Teil — Verführerische Frauen und kranke HeldenIndravati und die sieben Schwestern — IndischFinns Wahnsinn — IrischDas Nixlein — UngarischLorelei — DeutschCoonlagh Ruadh und die Feenmaid — Irisch – so, wie es Pat Ryan erzählt hatDie Hochzeit von Sir Gawain — EnglischZweiter Teil — Weise alte FrauenIch liebe dich mehr als Salz — SchottischDie vier Gaben — BretonischHabetrot — AngloschottischGlücklos — SizilianischBiddy Earlys Flugzauber — IrischDas hilfreiche Moosweibchen — SchweizDritter Teil — Verliebte Hexen: besitzergreifende Frauen und treue GemahlinnenDie Morrigu — IrischDie bemalte Haut — ChinesischLilith und der Grashalm — JüdischTochter des Mondes, Sohn der Sonne — SibirischDie liebende Füchsin — JapanischDie Geschichte des Aristomenes — LateinischAla und die alte Hexe — Zentralafrikanisch, KongoDer Ring der Königin — PommernVierter Teil — VerwandlungenDas grinsende Gesicht einer alten Frau — JapanischDie Rote Frau — IrischDie Frau, die ihren Mann in eine Schlange verwandelte — Nordamerikanisch, CochitiKlong — ChinesischDer Junge und der Hase — IrischDer Liebste Roland — DeutschDie Schlangenfrau — JapanischDie Alte im Wald — DeutschDie Leopardenfrau — LiberiaDie drei Alten — VenedigFünfter Teil — Hüterinnen der Jahreszeiten und der ElementeDie ersten Menschen und der erste Mais — Nordamerika, indianischDie Gebieterin des Feuers — SibirischAnansi und der verborgene Garten — AfrokaribischJohnny, zieh das Messer raus — Irisch, mündliche ÜberlieferungDie Schneetochter und der Feuersohn — IsländischFrau Holle — DeutschSechster Teil — Hexengeräte: Kessel, Besenstiel und Stelldichein mit dem TeufelHuuch nach Skye! — SchottischDer Kessel-Geborene — WalisischDie Reise im Braukessel — NorwegischDer Birkenbesen — SchottischDer Besen ist fleißig — HaitiDie gehörnten Frauen — IrischDie Frau von Laggan — SchottischBaba Jaga — RussischSiebter Teil — Hungrige Hexen: Kannibalinnen und BlutsaugerinnenVikram und die Dakini — IndischDie alte Würgadlerfrau — Aborigines, AustralienDie beiden Kinder und die Hexe — PortugiesischMeine süße Hexe — Zentralafrikanisch, KongoDer Fluch — ArmenischZwei Kinder und eine Hexe — MelanesischEl-Muzayyara — ÄgyptischAchter Teil — Prüfungen und WettkämpfeDas verhexte Butterfass — IrischRabbi Josua und die Hexe — JüdischDer Rat des Hexenmeisters — Nordamerikanisch, OzarkDer Sohn der sieben Königinnen — IndischCaellie Bheur — SchottischHag-Rog — KanadischBiddy Early, der Priester und die Krähe — IrischDas Büblein im Sack — FriaulNachwortAnmerkungen

Mehr über dieses Buch

Über Scharuk Husain

Über Gerda Bean

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Zum Thema Geschichte

Erster Teil

Verführerische Frauen und kranke Helden

Indravati und die sieben Schwestern

Indisch

Es lebte einmal ein König, und er und seine Frau hatten eine Tochter, eine Prinzessin, die schöner war als die Sonne, der Mond und die Blumen. Da sie sogar noch schöner war als die tanzenden Apsaras an Indras göttlichem Hof, beschloss die Königin, sie Indravati zu nennen. Sie dachte, wenn sie das Mädchen Indravati, also Tochter des Indra nannte, wäre es geschützt, wenn es von diesem Gott einmal Hilfe brauchte. Die Königin war eine kluge Frau, und sie wusste, dass ein so schönes Mädchen ganz bestimmt irgendwann im Leben vor den Lastern und bösen Absichten der Männer geschützt werden müsste. Wenn die Zeit käme, könnte sie ihn anrufen und brauchte keine Angst zu haben, aus dem Himmel zu fallen und sich wie der Ganges vor so langer Zeit – erinnerst du dich? – in Shivas endlosen Locken zu verwirren. Weil nämlich Indra ein frecher und lüsterner Gott war – was im Grunde und alles zu seiner Zeit nichts Schlimmes ist. Aber die Königin wollte nicht, dass ihre Tochter, wenn sie ihn um Hilfe bitten müsste, zu seiner Beute werde. Deshalb wählte sie diesen Namen.

Indravati wuchs heran, und man arrangierte mit dem sehr gut aussehenden Sohn eines anderen Königs eine Ehe für sie. Er war schön genug für sie und deshalb natürlich auch schön genug für die Feen. Ein Gesicht wie der Mond, Augen wie Sterne, weiche, geschmeidige Haut nicht nur im Gesicht, sondern am ganzen Körper, ein ganz klein wenig flaumig wie bei einem Pfirsich. (Er war sehr jung, und das Haar seiner Männlichkeit fing gerade erst zu sprießen an, musst du wissen. Oh! Es war jedes Mal eine Überraschung für ihn, wenn er diese Stellen betrachtete.) Ganz gewiss würde die Prinzessin im Hochzeitszimmer vor Lust erschauern, ihren jungfräulichen Appetit zu deutlich zeigen und ihre mädchenhafte Zurückhaltung und Schüchternheit nicht lange genug vortäuschen können. Aber er war ein Prinz, dessen Glieder so reizvoll waren, dass jede Frau schamlos ihre Scheu verlor.

Es geschah jedoch, dass sieben Schwestern, die in einem heiligen Bobaum lebten, den Prinzen auf seinem Weg zur Hochzeitsfeier gesehen hatten. Bei diesen Frauen waren die Füße umgedreht, sodass die Fersen nach vorne schauten, einem Klumpfuß oder dem Spazierstock eines reichen Mannes ähnlich, und zwar von der Art, die unten eine kleine Messingkugel hat – verstehst du? Und ihre Zehen, die sich wie die Klauen eines Adlers spreizten, ragten nach hinten. Aber die Schwestern bedeckten ihre Füße mit ihren langen, fließenden Röcken. Und wer würde schon auf ihre Füße schauen, wenn ihr Antlitz so verführerisch war? Sie machten den Männern schöne Augen und nahmen dann die Zipfel ihrer Schleiertücher zwischen die Zähne, zwinkerten mit riesigen Augen und schlugen sie nieder, um ihre fächerartigen Wimpern vorzuführen. Sie taten es so, dass jeder Mann, der ihren gesenkten Blicken folgte – Gott vergib uns –, auf ihre schwellenden Brüste starrte. Sie verliebten sich in den Prinzen und wollten ihn für sich haben, diese … Hexen – Gott schütze uns, wir sollten dieses Wort nicht aussprechen. Sie könnten uns hören und kommen. – Jedenfalls folgten sie dem Prinzen zum Palast seiner Braut. Zuerst waren sie böse, als sie sahen, dass er im Begriff war zu heiraten, aber dann beruhigten sie sich wieder. Warum sollte eine Hexe sich von so etwas entmutigen lassen? Sie haben Zauberkräfte und kennen keine Moral. Sie folgten ihm und warteten, warteten auf den richtigen Augenblick.

Der Prinz und die Prinzessin heirateten mit viel Pomp und großer Feierlichkeit, und die Musiker spielten einen ganzen Monat lang, bis ihre Finger zerschunden und ihre Knochen steif waren. Die Köche kochten, bis die Hitze der Küchen das ganze Königreich erwärmte und die Mägen aller Leute und sogar der Aasgeier auf den Abfallhaufen zum Platzen voll waren. Es kamen auch viele Bettler aus anderen Königreichen zu den Bergen von Essensresten und beluden ihre Karren, um sie für ihre Familien nach Hause zu nehmen, weil sogar der Abfall ein Festmahl genannt werden konnte. Die Schwestern beobachteten den Prinzen und warteten ab. Schließlich waren Festmahl und Feier vorüber, und Indravati und der Prinz bestiegen ihren Wagen und machten sich auf den Weg zu seinem Königreich, wo sie sich endlich ungestört an ihren Körpern erfreuen wollten.

Sie waren fast den ganzen Morgen unterwegs, aber am Nachmittag wurde es heiß, und sie beschlossen, anzuhalten und sich auszuruhen. Das war unter dem Baum, von dem aus die sieben Schwestern den Prinzen zum ersten Mal gesehen hatten. Vielleicht hatten sie ihm die Idee in den Kopf gesetzt. Wir können es nicht wissen. Aber weil das Brautpaar es nicht erwarten konnte, einander zu entdecken, schickte es sein Gefolge weg.

»Einsamkeit!«, befahl der Prinz, und die Höflinge und Diener verstanden und gingen und machten Witze darüber, was der Prinz und die Prinzessin mit ihrer Einsamkeit anfangen würden.

Aber als der Prinz und die Prinzessin sich einander zuwandten, überwältigte sie der Schlaf. Die Schwestern, die in den Zweigen des heiligen Bobaums hockten, wussten, dass die Warterei nun bald ein Ende hätte. Ihre Zeit war gekommen. Sie beschlossen zu handeln, bevor der Prinz von seiner Braut kostete und sein fruchtbarer Regen ihren geschwollenen durstigen Lotus tränkte. Denn sie hatten seine Glieder und seine Jugend mit ihren Augen und Köpfen verschlungen und waren so lange geduldig gewesen, dass sie ihn jetzt unschuldig wollten.

Sie überlegten sich, wie sie ihn bekommen könnten, solange er noch unberührt war. Als das Brautpaar schlief, ließen sich die Hexen aus dem Baum fallen und trugen den Prinz und die Prinzessin in einen Turm hinauf, den sie für den Prinzen errichtet hatten. Die Prinzessin warfen sie aus dem Fenster, um sie zu töten, aber sie erwachte noch rechtzeitig vom Gegacker und Zischeln der Hexen und konnte sich an die Zweige eines Zitronenbaums klammern und ihren Sturz abfangen. Dann ließ sich die Prinzessin zum Fuß des Baumes hinabgleiten, kroch zum Turm und versteckte sich hinter einem Haufen Steine.

Die Hexen legten den Prinzen ganz oben im Turm auf ein Bett, das weich wie eine Wolke war. Und er glaubte zu schweben. Mit ihren klingelnden Glöckchen tanzten sie für ihn und sahen schön aus – wunderschön, erschreckend schön. Und sie verzauberten ihn, sodass er sich immer ein wenig berauscht fühlte und nicht bemerkte, dass ihre Füße umgedreht waren, woran man Hexen erkennt. Oder dass ihre Augen wollüstiger blickten als die einer normalen Frau – sogar wollüstiger als die Augen jener wunderbar liederlichen Frauen, die den Männern während der ihnen auferlegten nächtlichen und täglichen Geschäfte Freude bereiten. Denn der Glanz der Wollust in deren Augen hat mit ihrem Können zu tun, während es bei den sieben Schwestern Geilheit war.

Jedenfalls tanzten sie für den Prinzen und enthüllten beinahe die geheimsten Stellen ihrer Körper. Sie wanden sich und ließen ihre Röcke hoch genug wirbeln, um die schwankenden Baumstämme, aber nicht die Blüten zu zeigen, die sich oben in die Zweige schmiegten. Sie ließen die Träger ihrer Mieder fallen, aber nicht genug, um die vollen, wogenden Brüste zu entblößen, die jetzt von der Begierde, die in ihrem Innern toste, noch geschwollener waren und sich wie rasende, donnernde Wogen über und unter dem Nabel in schäumender Lust brachen. Sie versuchten in dieser Nacht – oh, wie sie sich bemühten –, seine jungfräulichen Glieder (so geschmeidig!) und seine goldene Pfirsichhaut (so verführerisch!) mit den eigenen Körpern zu vereinen, sich wie wilde, üppig wuchernde Schlingpflanzen umeinander zu winden, wie Ranken und Kletterpflanzen unentwirrbar verflochten, wie Knospen, die platzen, um Weidenkätzchen hervorzubringen, die in Öffnungen und Höhlen dringen und sie durchtränken mit Flüssigkeiten, die sich mischen mit Blüte und Frucht; an ihm zehren, bis er ausgetrocknet wäre, leer und vorübergehend erschöpft, sie dagegen zum Platzen voll.

So planten sie, ihn zu benutzen, sich von dieser Frucht zu ernähren, den Saft mit Körper und Zunge aufzusaugen, bis die Frucht welkte und schließlich für immer verdorrte. Jeden Tag brachten sie ihm Speisen, denen sie starke Aphrodisiaka wie zerriebenen Tigerzahn, Heilkräuter und Menstruationsblut beigegeben hatten. Sie ließen das Essen die ganze Nacht stehen, aber der Prinz rührte es nicht an, und jeden Morgen, bevor sie sich entfernten, warfen sie es weg. Denn wenn die Speisen wirkten, während sie fort waren, würden die Säfte, die seine Lenden füllten, sich ja vielleicht anderweitig ergießen. Deshalb warfen sie das Essen aus dem Fenster.

Die Sachen fielen tief hinunter – dorthin, wo die Prinzessin saß –, und die Prinzessin zwang sich, ein paar Bröckchen zu essen, gerade so viel, um zu überleben, nicht mehr. Und jeden Morgen, wenn die sieben Schwestern zu ihrem Baum flogen, kletterte sie auf den Zitronenbaum und stieg in den Turm des Prinzen und umsorgte ihn und sprach zu ihm, strich ihm über die Stirn und flehte ihn an, aufzuwachen. Aber das konnte er natürlich nicht. Und die Prinzessin wurde immer wütender und wütender, bis sie meinte, nicht länger einfach nur dasitzen und abwarten zu können. Ich muss etwas unternehmen, dachte sie.

Und sie unternahm etwas.

Sie wartete, bis die Hexen am nächsten Tag die Kammer ihres Ehemanns verlassen hatten. Und als die Hexen zu ihrem Baum kamen, stand sie darunter und umklammerte seine Wurzeln, und sie hielt sich daran fest, während die Hexen ihre Zauberformeln sprachen. Sie nahmen ein paar Haarsträhnen, machten Knoten hinein und bliesen darauf, murmelten und brummten, und ihre Lippen bewegten sich unaufhörlich, während sie schneller und schneller murmelten, lauter und lauter, bis der Baum mit der Prinzessin daran sich plötzlich losriss. Sie flog, sah den Dschungel und die Wüsten, die Flüsse und Gebirge, die so hoch und so verlassen waren, dass keine Spur mehr von Adam und seinen Nachkommen zu sehen war. Sie sah vieles unter sich vorüberziehen, bis sie zu einem halbkreisförmigen Gebirge kam, über dem der Hexenbaum vor der Landung noch ein wenig verharrte. Die Prinzessin merkte, dass sie zum Land gekommen war, das Koh Qaf, das Land der Feen, hieß, über das Indra, der König der Feen, herrschte. Ihre Mutter und ihre Dienerinnen hatten ihr von diesem Ort und seinen Bewohnern erzählt.

Die Prinzessin sprang vom Baum und mischte sich unter die Feenleute. Sie waren sehr schön, aber das war kein Problem für sie, denn sie war noch schöner, auch wenn die anderen aus Feuer und Luft gemacht waren und sie nur aus Lehm und Wasser. Aber es spielte keine Rolle. Sie war so schön, dass sie keinen Unterschied merkten. Die Prinzessin fragte Vorübergehende nach dem Hof des Königs und machte sich auf den Weg dorthin. Als sie ankam, sah sie, dass die sieben Schwestern für den König tanzten. Sie tanzten mit solcher Anmut und Schönheit, dass selbst die Prinzessin entzückt war und spürte, wie sich ihr Körper erregte, und sie gestattete sich einen kurzen Augenblick des Zweifelns an der Keuschheit ihres Gemahls – ob er seine Jungfräulichkeit behalten hatte? Dann richtete sie sich zu ihrer vollen, majestätischen Größe auf.

»Raja Indra!«, sagte sie in gebieterischem Ton.

Der König blickte auf. Er wunderte sich, dass ihn jemand bei seinem Vergnügen unterbrach. Und noch dazu in diesem forschen Ton!

»Wer bist du?«, fragte er und blickte in die Richtung, aus der die Laute gekommen waren. Dann sah er sie und spürte, wie sich die Säfte, die durch den sinnlichen Tanz der Schwestern schon so nah an der Oberfläche waren und sich nur wegen der Ausmaße seines angeschwollenen Glieds hatten zurückhalten lassen, in sein prächtiges Brokatgewand ergossen. Insgeheim machte er sich Vorwürfe, dass er seine Kleidung und nicht eine von den Hunderten von göttlichen, blühenden Blumen, die auf ihn warteten, getränkt hatte.

Die Frau, die gesprochen hatte, war in der Tat hinreißend, und als sie sah, wie sich sein Blick mit Lust und Begierde füllte, sagte sie laut: »Ich bin Indravati.«

Der König sank matt und schwach wieder auf seinen Thron zurück. Ihr Name bedeutete Tochter des Indra. Er konnte also nicht um sie werben oder ihr den Hof machen und sich erst recht nicht mit ihr – seiner Tochter – vermählen.

»Was willst du?«, fragte er, und seine Stimme hatte ihre donnernde Kraft verloren.

»Die Frauen, die für dich tanzen, Herr«, sagte Indravati, »haben meinen Bräutigam verzaubert und in einen Turm gesperrt. Ich will ihn zurückhaben.«

Der König zögerte. »Es sind herrliche Frauen«, sagte er. Er wollte den schönen Tänzerinnen ungern die Liebesbeute rauben. »Wenn sie so geschickt sind, ihn zu verzaubern, dann …«

»Es sind Chureyls, Herr!«, verkündete Indravati.

Die Schwestern hörten jetzt auf zu tanzen und hockten sich auf eine merkwürdige Weise in einem Grüppchen zusammen. Dabei rollten sie mit den Augen und blickten unruhig von einer Seite zur anderen. Ihre Zungen flatterten, und ihr Atem zischte seltsam.

»Hebt eure Röcke!«, befahl der König.

»Nein! Das nicht, Herr!«, kreischten die Schwestern. »Das nicht!«

Aber der König bestand darauf, und als die Schwestern die Rocksäume bis zu den Knöcheln hoben, zeigten sie ihre unheimlichen Füße, die wie der Spazierstock eines Reichen aussahen und klauenartige Zehen hatten, die sich nach hinten spreizten.

Indra verbannte die Schwestern aus seinem Königreich auf ihren Baum, und der Zauber war gebrochen. Indravati sah ihren Ehemann mit seinem Gefolge unter dem Baum vor sich stehen, und sie machten sich auf den Weg zurück in sein Königreich, wo sich alle bereits große Sorgen gemacht hatten. Sie hatten so lange gewartet. Bestimmt einen Monat oder zwei.

Endlich konnte das Brautpaar in den Genüssen der Brautkammer schwelgen, und die Prinzessin konnte sich gehen lassen und die sinnlichen Freuden genießen, die der Prinz ihr bescherte, weil sie es gewesen war, die ihm das Leben und seine Keuschheit gerettet hatte, und weder Sittsamkeit noch Unschuld zeigen musste, um ihre Liebe und Treue zu beweisen.

Die Schwestern sind immer noch im heiligen Bobaum. Meist sehen sie wie Krähen aus. Und manchmal fliegen sie zu anderen Bobäumen. Aber sie können erst sterben, wenn sie einen Eingeweihten gefunden haben, dem sie die geheime gotteslästerliche Formel vermachen können, mit der die Chureyl ihre Kräfte weitergibt.

Finns Wahnsinn

Irisch

Eines Tages kamen Finn und die Fianna von Irland zu einer Furt an der Slaine, und dort rasteten sie eine Weile. Und als sie da saßen, sahen sie auf dem runden Felsen über der Furt eine junge Frau, die trug ein Kleid aus Seide und einen grünen Mantel und am Mantel eine goldene Spange und auf dem Kopf die goldene Krone, das Zeichen einer Königin.

»Fianna von Irland«, sagte sie, »lasst einen von euch herkommen und mit mir sprechen.«

Da ging Sciathbreac vom Gefleckten Schild auf sie zu. »Wen willst du denn sprechen?«, fragte er.

»Finn, den Sohn des Cumhal«, antwortete sie.

Da ging Finn zu ihr, um mit ihr zu sprechen. »Wer bist du? Und was willst du?« – »Ich bin Daireann, die Tochter von Bodb Dearg, des Sohnes der Dagda, und ich bin gekommen, um deine Frau zu werden, wenn du mir das Brautgeschenk gibst, das ich verlange.« – »Was ist das für ein Brautgeschenk?«, fragte Finn. »Es ist dein Versprechen«, sagte sie, »dass ich für ein ganzes Jahr deine einzige Frau sein werde und dass mir danach die Hälfte deiner Zeit gehört.« – »Dieses Versprechen gebe ich keiner Frau der Welt«, entgegnete Finn, »und ich werde es auch dir nicht geben.«

Daraufhin zog die junge Frau einen silbernen Becher aus einem Futteral und füllte ihn mit einem starken Getränk, und sie reichte ihn Finn.

»Was ist das?«, fragte Finn.

»Es ist sehr starker Met«, antwortete sie.

Nun war aber Finn verpflichtet, nichts zu verweigern, was zu einer Mahlzeit gehörte, also nahm er den Becher und trank, was darin war, und augenblicklich war er wie einer, der wahnsinnig geworden ist. Und er richtete seinen Blick auf die Fianna, und jedes Unrecht und jeden Fehler und jedes Missgeschick in der Schlacht, das er jedem Einzelnen vorwerfen konnte, das schleuderte er ihnen entgegen aus der Wahntrunkenheit heraus, in die die junge Frau ihn versetzt hatte.

Da standen die Führer der Fianna von Irland auf und ließen ihn an dem Ort allein, jeder machte sich auf den Weg nach seinem eigenen Land, bis niemand mehr auf dem Hügel zurückblieb außer Finn und Caoilte. Und Caoilte stand auf und folgte den anderen, und er rief: »Fianna von Irland, lasst euren Herrn und euren Führer nicht im Stich wegen der Listen und Schliche einer Frau der Sidhe.« Dreizehnmal ging er ihnen nach, und auf diese Weise brachte er alle zurück auf den Hügel. Und mit dem Ende des Tages und dem Anbruch der Nacht verschwand die Bitterkeit von Finns Zunge; und als Caoilte endlich die ganze Fianna zurückgebracht hatte, hatte Finn seinen Verstand und sein Gedächtnis wiedergefunden, und er hätte sich lieber in sein Schwert gestürzt und sich den Tod gegeben, als am Leben zu bleiben. Und das war das schwerste Tagewerk, das Caoilte je vollbracht hatte.

Das Nixlein

Ungarisch

Es war einmal ein Müller, dem es sehr gut ging und der so viel Geld und so viele Dinge besaß, dass er nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Aber Sorgen kommen über Nacht, und auf einmal wurde der Müller so arm, dass er die Mühle, in der er saß, kaum noch sein Eigen nennen konnte. Verzweifelt und elend ging er den ganzen Tag umher, und wenn er sich am Abend schlafen legte, konnte er keine Ruhe finden, sondern lag die ganze Nacht wach und machte sich Sorgen.

Eines Morgens stand er noch vor der Dämmerung auf und ging hinaus, denn er dachte, dass sein Herz im Freien leichter würde. Als er dann am Ufer des Mühlteichs auf und ab ging, hörte er etwas im Wasser plätschern, und als er hinschaute, sah er, wie eine weiße Frau aus den Wellen stieg. Er ahnte sofort, dass dies nur das Nixlein vom Mühlteich sein konnte, und vor lauter Schreck wusste er nicht, ob er fliehen oder bleiben sollte, wo er war. Während er noch zögerte, rief ihn das Nixlein bei seinem Namen und fragte ihn, warum er so traurig sei.

Als der Müller hörte, wie freundlich die Stimme klang, fasste er sich ein Herz und erzählte dem Nixlein, wie wohlhabend und erfolgreich er sein ganzes Leben lang bis vor Kurzem gewesen sei, und dass er nicht mehr wisse, was er vor lauter Not und Elend tun solle.

Dann sprach das Nixlein ein paar tröstende Worte und versprach, ihn erfolgreicher und wohlhabender als je zuvor zu machen, wenn er ihr dafür das Jüngste, was er im Hause hätte, geben würde.

Der Müller dachte, es sei eines der Hündchen oder Kätzchen gemeint, versprach deshalb sofort, dem Nixlein zu geben, worum es gebeten hatte, und kehrte hoffnungsvoll zur Mühle zurück. Auf der Schwelle wurde er von einer Magd mit der Neuigkeit begrüßt, seine Frau habe gerade einem Knaben das Leben geschenkt.

Der arme Müller war entsetzt, als er dies hörte, und ging schweren Herzens zu seiner Frau, um ihr von dem verhängnisvollen Abkommen, das er getroffen hatte, zu berichten. »Ich würde das ganze Vermögen, das mir das Nixlein versprochen hat, dafür hergeben, wenn ich nur mein Kind retten könnte.« Aber niemand wusste einen Rat außer den, darauf zu achten, dass das Kind niemals in die Nähe des Mühlteichs ging.

Der Junge wuchs und gedieh, und der Müller hatte großen Erfolg, und nach ein paar Jahren war er reicher als je zuvor. Doch er hatte keine Freude an seinem Glück, denn er konnte seine Abmachung mit der Nixe nicht vergessen und wusste, dass sie früher oder später ihr Recht fordern würde. Aber Jahr um Jahr verging, und der Junge wuchs heran und wurde ein großartiger Jäger, und der Landvogt nahm ihn in Dienst, denn er war ein so kluger und tapferer Jäger, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Bald darauf nahm er sich eine hübsche junge Frau und lebte mit ihr sehr glücklich und zufrieden.

Eines Tages, als er auf der Jagd war, sprang ihm ein Hase vor die Füße und lief eine lange Strecke vor ihm aufs offene Feld hinaus. Der Jäger blieb ihm eine ganze Weile dicht auf den Fersen und schoss ihn schließlich tot. Dann zog er ihm gleich das Fell ab und bemerkte gar nicht, dass er sich in der Nähe des Mühlteichs befand, den er, wie man ihm beigebracht hatte, seit seiner Kindheit mied. Bald war er mit dem Häuten fertig und ging ans Wasser, um sich das Blut von den Händen zu waschen. Kaum hatte er sie in den Teich getaucht, als das Nixlein auftauchte, ihn mit nassen Armen umfing und mit sich in die Tiefe zog.

Als der Jäger am Abend nicht nach Hause zurückkehrte, bekam seine Frau große Angst, und als seine Jagdtasche am Mühlteich gefunden wurde, konnte sie sich vorstellen, was mit ihm geschehen war. Sie war außer sich vor Kummer, lief immer und immer wieder um den Teich und rief nach ihrem Mann. Voller Sorge und Erschöpfung schlief sie schließlich ein und träumte, sie ginge eine Blumenwiese entlang und käme zu einer Hütte, wo sie eine alte Hexe antraf, die versprach, ihr den Gemahl zurückzubringen.

Als sie am nächsten Morgen erwachte, war sie fest entschlossen, die Hexe zu finden. Also wanderte sie viele Tage und kam endlich zur Blumenwiese und fand die Hütte, in der die alte Hexe lebte. Die arme Frau erzählte der Hexe, was geschehen war und wie sie im Traum von den Zauberkräften erfahren habe.

Die Hexe riet ihr, beim nächsten Vollmond zum Teich zu gehen, ihr schwarzes Haar mit einem goldenen Kamm zu kämmen und den Kamm dann ans Ufer zu legen. Die Frau des Jägers gab der Hexe ein großzügiges Geschenk, dankte ihr herzlich und ging nach Hause.

Bis wieder Vollmond war, schleppte sich die Zeit dahin, aber endlich war es so weit, und sobald der Mond aufging, machte sich die junge Frau auf den Weg zum Teich, kämmte ihr schwarzes Haar mit einem goldenen Kamm und legte danach den Kamm ans Ufer. Dann blickte sie ungeduldig aufs Wasser. Bald hörte sie ein Rauschen, und plötzlich kam eine große Welle und spülte den Kamm vom Ufer, und eine Minute später tauchte der Kopf ihres Ehemanns aus dem Teich und sah sie traurig an. Aber gleich darauf kam wieder eine Welle, und der Kopf versank im Wasser, ohne dass ein Wort gesprochen war. Der Teich lag still und reglos und glitzerte im Mondlicht, und der Frau des Jägers ging es kein bisschen besser als zuvor.

Verzweifelt wanderte sie tage- und nächtelang umher, bis sie schließlich ganz erschöpft einschlief und den gleichen Traum von der alten Hexe hatte. Also ging sie am folgenden Tag wieder zur Blumenwiese, suchte die Hexe in ihrer Hütte auf und erzählte ihr von ihrem Kummer. Die Frau riet ihr, in der nächsten Vollmondnacht zum Mühlteich zu gehen, auf einer goldenen Flöte zu spielen und die Flöte dann ans Ufer zu legen.

Sobald der Mond wieder voll war, ging die Frau des Jägers zum Mühlteich und spielte auf der goldenen Flöte, und als sie geendet hatte, legte sie die Flöte ans Ufer. Dann war ein Rauschen zu hören, und eine Welle spülte die Flöte fort, und bald darauf tauchte der Kopf des Jägers auf und stieg höher und höher, bis der Jäger halb aus dem Wasser ragte. Traurig blickte er seine Frau an und streckte ihr die Arme entgegen. Aber wieder kam eine rauschende Welle und zog ihn nach unten. Die Frau des Jägers, die voller Freude und Hoffnung am Ufer gestanden hatte, war völlig verzweifelt, als sie sah, wie ihr Mann vor ihren Augen wieder in die Tiefe gerissen wurde.

Es tröstete sie aber, den gleichen Traum ein drittes Mal zu träumen, und sie ging wieder zur Hütte der alten Hexe in der Blumenwiese. Diesmal sagte ihr die Alte, sie solle in der nächsten Vollmondnacht zum Mühlteich gehen und mit einem goldenen Spinnrad spinnen und es dann am Ufer lassen.

Die Frau des Jägers tat, wie ihr geraten worden war, und sobald der Mond wieder voll war, setzte sie sich hin und spann mit einem goldenen Spinnrad, das sie danach am Ufer liegen ließ. Nach wenigen Minuten war im Wasser ein Rauschen zu hören, und eine Welle spülte das Spinnrad vom Ufer. Sofort tauchte der Kopf des Jägers aus dem Teich auf, und der Jäger ragte mit jedem Augenblick höher und höher, bis er schließlich ans Ufer trat und seiner Frau um den Hals fiel.

Aber plötzlich stieg das Wasser und überflutete das Ufer, auf dem die beiden standen, und riss sie mit sich. Verzweifelt rief die junge Frau die alte Hexe zu Hilfe, und sogleich wurde der Jäger in einen Frosch verwandelt und seine Frau in eine Kröte. Aber sie konnten nicht zusammenbleiben, denn das Wasser riss sie auseinander, und als die Flut vorüber war, hatten sie ihre frühere Gestalt, aber der Jäger und seine Frau fanden sich in fremden Ländern wieder, und keiner von beiden wusste, was aus dem anderen geworden war.

Der Jäger beschloss, Schäfer zu werden, und seine Frau wurde eine Schäferin. So hüteten sie ihre Schafe viele Jahre lang in Einsamkeit und Trauer.

Es geschah nun, dass der Schäfer in das Land kam, in dem die Schäferin lebte. Die Gegend gefiel ihm, und er sah, dass die Weide saftig und für seine Herde gut war. Deshalb brachte er seine Schafe dorthin und hütete sie wie zuvor. Der Schäfer und die Schäferin wurden gute Freunde, aber sie erkannten sich nicht.

Doch eines Abends, als der Mond voll war, saßen sie beisammen und blickten auf ihre Herden, und der Schäfer spielte auf seiner Flöte. Da musste die Schäferin an jenen Abend denken, als sie bei Vollmond am Mühlteich gesessen und auf der goldenen Flöte gespielt hatte. Die Erinnerung war zu viel für sie, und sie brach in Tränen aus. Der Schäfer fragte, warum sie weine, und ließ sie nicht in Frieden, bis sie ihm die Geschichte erzählte. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er erkannte seine Frau, und sie erkannte ihn. Froh kehrten sie nach Hause zurück und lebten wieder glücklich und zufrieden miteinander.

Lorelei

Deutsch

Die Rhein-Nixe Lore hatte am Lei, einem oberhalb St. Goarshausen gelegenen Felsen, ihren Aufenthalt. Den Schiffern erschien sie auf der Spitze dieses Felsens stehend, in der anmutigsten reizendsten Gestalt. Gewand und Schleier, von der Farbe der grünen Wogen, umflossen ihre zartgeformten Glieder; langes blondes Haar wallte von den Schultern herab, und wer ihr Antlitz schaute, konnte den Blick der seelenvollen Augen nie mehr vergessen.

Als wohltätige Fee schenkte sie Gunst und Glück allen guten Bewohnern der Gegend; den Bösen aber und Frevlern erwies sie sich feindlich, und mancher, der keck an den Felsen hinfuhr und ihrer Macht zu spotten wagte, ward von den brandenden Wogen ergriffen und zum Abgrund gezogen. Wer zu ihrem Lieblingsplatze gar emporzuklimmen sich erdreistete, stürzte in Untiefen oder ward von ihr verlockt und verirrte sich in Dorn und Gebüsch, wo ihm alle Pfade verschwanden, sodass er erst nach tagelangem Suchen den Rückweg finden konnte.

In jenen Zeiten wohnten auf der Rheinpfalz, dem nahen prächtigen Inselschloss, Pfalzgraf Bruno und dessen einziger Sohn Hermann, ein schöner, zwanzigjähriger Jüngling, der die Blume der Ritterschaft und die Freude seines Vaters war. Oft und viel hatte der junge Ritter von der zauberischen Lore am Lei gehört, und jedes Mal, wenn er den ragenden Fels erblickte, wünschte er, die Wassernixe zu sehen, zu welcher er sich mit unwiderstehlicher Sehnsucht hingezogen fühlte. Es verging fast kein Tag, an dem ihn ein unerklärliches Gefühl nicht wenigstens in die Nähe der geheimnisvollen Lei brachte, mochte er jagend die Gegend durchstreifen oder mit der Zither in der Hand sich ein verborgenes Plätzchen suchen, wo er die Empfindungen seines Herzens in rührenden Weisen kundgeben konnte.

Als er sich einmal, es war schon früh am Abend, näher denn je an den Fuß des Felsens gewagt, hier in einer Grotte seine Sehnsucht in leisen Gesängen aushauchte und den Blick zur Höhe emporrichtete, schwebte plötzlich um die Felsenspitzen ein Glanz nie gesehener Helle und Farbe, der, in immer engeren Kreisen sich verdichtend, zum Zauberbild der schönen Lore ward. Freudigen Staunens entfuhr dem Jüngling ein unwillkürlicher Schrei; er ließ die Zither sinken, und mit ausgebreiteten Armen rief er den Namen des rätselhaften Wesens, und es schien liebreich zu ihm herniederzublicken und ihm freundlich zu winken; ja, täuschte ihn sein Ohr nicht, so rief sie leise seinen Namen mit dem unnennbar süßen Geflüster, das nur der Liebe eigen ist. Vor Entzücken vergingen dem Jüngling die Sinne; er fiel bewusstlos zu Boden. Erst mit dem Frührot des Tages fand er sich wieder, und in fieberhafter Aufregung eilte er zum väterlichen Schloss zurück.

Von dieser Zeit an war Hermann wie umgewandelt. Träumend ging er umher, an nichts denkend als an die schöne Fee. Er lenkte, sooft er seine Wohnung verließ, die Schritte nur zur Lei, und wenn die Jagdlust ihn bisweilen auch in die Ferne der östlichen Wälder lockte, so führte doch der Heimweg ihn sicher zur Gegend, die ihn so magisch anzog, und er betrat sie nie, ohne die Stelle zu begrüßen, wo sie ihm erschienen war, welche seine ganze Seele erfüllte.

Der alte Pfalzgraf sah mit Betrübnis die traurige Umwandlung seines Sohnes. Zwar war ihm die eigentliche Ursache dieser Veränderung unbekannt, allein er schloss auf irgendeine unglückliche Leidenschaft, und er nahm sich daher vor, den unerfahrenen Jüngling durch ernstere Beschäftigung zu zerstreuen und ihm eine tatenreiche Zukunft zu eröffnen. Zu dem Zwecke wollte er ihn in das kaiserliche Kriegslager senden, wo der Jüngling sich die Rittersporen verdienen sollte. Hermann musste sich dem väterlichen Befehl fügen; denn es würde ihm zur Schande gereichen, sich dem Kampfe zu entziehen, den jeder echte Ritter eifrig wünschen und mannhaft bestehen musste.

Es war am Abend vor seiner Abreise, als er noch einmal die stille Grotte besuchen und der Nymphe des Rheins seine Seufzer, die Töne seiner Zither und seines Gesanges darbringen wollte. Er fuhr, diesmal von einem treuen Knappen begleitet, den er in das Geheimnis einweihte, den Fluss hinab. Der Mond goss sein Silberlicht über die Gegend aus; die steilen Ufergebirge erschienen in den wunderlichsten Gestalten, und die hohen Eichen zu beiden Seiten neigten ihre Häupter, als Hermann vorüberfuhr. Sobald er sich der Lei näherte und die Brandung der Wellen vernahm, bemächtigte sich seines Begleiters eine unnennbare Angst, und er bat den jungen Ritter, schleunigst landen zu dürfen; dieser aber griff in die Saiten, richtete seinen Blick auf die Felsenkrone und sang:

Einst sah ich dich in dunkler Nacht,

In überirdscher Schönheit Pracht;

Aus Lichtglanz wob sich die Gestalt,

Von blondem Lockenhaar umwallt.

Dein wellenfarbiges Gewand,

Der Liebeswink von deiner Hand,

Der Augen süßes Zauberlicht,

Das mir gestrahlt, vergess ich nicht.

O wärst du doch mein Liebchen fein

Und könnt ich deine Liebe sein!

Willkommen wäre mir zur Stund

Dein Felsenhaus aus tiefem Grund.

Kaum waren diese Töne verhallt, da begann es sich überall zu regen und laut zu werden wie von Stimmen auf und unter dem Wasser. Auf der Lei zuckten Flammen empor, die Fee stand oben, wie damals, und winkte mit der Rechten dem betörten Ritter deutlich und dringend, während sie mit der Linken die Wellen zu ihren Diensten aufrief. Hoch begannen diese sich zu bäumen; der Nachen ward umhergeschleudert, jeder Anstrengung spottend; zum Felsenrand hin ging sein Lauf, und an dem harten Gestein zerschellend, flog das Fahrzeug in Trümmer umher. Der Jüngling versank in die Tiefe, der Knappe aber ward von einer mächtigen Welle ans Ufer geschleudert.

Als dieser bleich vor Angst und Schrecken dem unglücklichen Vater die seltsame Mär hinterbrachte, bemächtigte sich des alten Pfalzgrafen Schmerz und Wut. Er schwor, sich an der Fee zu rächen, sie womöglich mit eigner Hand zu fangen und dem Feuertod zu überliefern. Zu diesem Ende eilte er in der folgenden Nacht mit einigen kecken Gesellen zum Lei und umzingelte und erstieg den Fels, um ihn zu durchsuchen. Da erblickte er mit Grauen die Nixe auf der Spitze, senkrecht über dem Wasser. Ihr langes Haar flechtend, betrachtete die Fee den Ankömmling mit finsterm Blick.

»Wo ist mein Sohn?«, rief der Pfalzgraf außer sich. Lore zeigte hinunter in die Tiefe, indem sie mit leisen, kaum wahrnehmbaren Tönen, dem Klange einer fernen Äolsharfe gleich, die Worte sang:

Da unten steht im Wellen-Schoß

Kristallenhell mein schönes Schloss,

Ich führte hin mein Liebchen schön,

Das ich erwählt und ausersehn.

Als sie geendet, warf sie einen glänzenden Stein in die Wogen; sogleich erhob sich eine Welle und ließ die Fee auf des Wassers Rücken hinunter zum Strom gleiten, wo sie den Augen der Verfolger entschwand.

Die Nixe ward seitdem nie mehr gesehen; ihre zauberischen Töne aber hat man noch oft vernommen. In den schönen, stillen Nächten des Lenzes, wenn der Mond sein Silberlicht über die Gegend hingießt, vernimmt aus dem Geräusche der Wellen der lauschende Schiffer die Klänge einer wundersamen lieblichen Stimme, die ein Lied vom kristallenen Schloss singt, und mit Wehmut und Grauen gedenkt er dann des jungen, von der Nymphe entführten Pfalzgrafen Hermann.

Der Felsen der Nixe aber, erst Lorelei, nunmehr Lurlei genannt, gibt seit jener Begebenheit ein schönes vielfaches Echo, das als Geschenk der Fee gepriesen und stets bewundert wird.

Coonlagh Ruadh und die Feenmaid

Irisch – so, wie es Pat Ryan erzählt hat

Vor langer Zeit, als Cahoun der Hundert Kämpfe König von ganz Irland war, kam die Zeit für das Beltaine-Fest, und am Abend vor dem ersten Mai gingen Cahoun und sein Sohn Coonlagh Ruadh zum Berg Usnach, um die Feuer zu entzünden und die Feier zu Ehren des Sommeranfangs zu eröffnen.

Und als Cahoun mit seinem Sohn Coonlagh den Berg entlangging, ruhten alle Blicke auf ihnen, denn keine Krieger waren großartiger als sie. Und Coonlagh Ruadh – Coonlagh mit dem Roten Haar – gewann die Herzen aller Frauen am Ort. Denn sein Haar war so rot wie die Sonne, wenn sie am Abend untergeht. Und seine Haut war weiß wie Milch. Seine Augen waren blau wie der Himmel und seine Wangen so rot wie ein frisch geschlachtetes Kalb. Und so gingen sie umher, der König und sein Erbe, geliebter Sohn und das Liebste, was Cahoun der Hundert Kämpfe besaß. Und sie sprachen von allem Möglichen: von Liedern, Vögeln, der Schönheit der Frauen. Und während sie so umherwanderten, kam ein Wind auf, eine Brise aus den Ländern des Nebels und Regens, fern im Westen. Und mit dem Wind kam eine Stimme, süßer als die Lerche, wenn sie sich am Morgen in die Lüfte schwingt. Und die Stimme rief: »Coonlagh, Coonlagh Ruadh, komm und sei lieb zu mir. Denn ich bin für dich und du bist nur für mich bestimmt. Komm und sei mein Liebster.«

Alle standen da und wunderten sich und lauschten der Stimme im Wind. Dann blickte sich Coonlagh Ruadh selbst um, und seine Wangen wurden bleich, als er in den Himmel schaute.

»Was ist, mein Sohn?«, fragte Cahoun der Hundert Kämpfe. »Was siehst du?«

Und Coonlagh Ruadh erwiderte: »Ich sehe eine Feenmaid, die schöner ist als alle Frauen, die ich je gesehen habe. Ihr Haar ist so hell wie die Sonne, wenn sie aufgeht, und ihre Augen sind grün wie die Hügel. Ihre Haut ist so weich und weiß wie die Gischt des Meeres. Und ihre Wangen sind wie Rosen, ihre Lippen wie Korallen. Und sie sagt, dass sie nur mich liebt.«

Und wieder hörten sie die Stimme der Feenmaid im Wind rufen: »Coonlagh Ruadh, komm zu mir und sei mein Liebster. Lass uns unsere Glieder umeinanderschlingen wie die Äste der Bäume und lass unsere Körper miteinander verschmelzen, denn ich bin nur für dich und du bist nur für mich bestimmt. Ich will dich nach Tir Na n’Og, dem Land der Ewigen Jugend, bringen, weiter als der Nebel und weiter als der Regen, und dort sollst du mein Gemahl werden.«

Cahoun der Hundert Kämpfe, der großartige Krieger, zitterte an diesem Tag. Er hatte Angst, sein Sohn werde dieser Maid folgen, und er rief alle Krieger und Zauberer und weisen Männer und weisen Frauen zusammen und befahl ihnen, Feuer zu errichten, ihre Lieder zu singen und ihre Reime und Zaubersprüche aufzusagen, um seinen Sohn und Erben vor diesem Feenzauber zu retten. Und so machten diese Zauberer, die Druiden von Irland, Feuer und schichteten sie höher als den höchsten Baum, und mit ihrem Zauber veränderten sie den Wind, und die Feenmaid wurde wie eine Wolke weggetragen. Aber bevor sie ging, zog sie aus ihrem Busen einen goldschimmernden Apfel hervor, und diesen goldenen Apfel warf sie Coonlagh Ruadh vor die Füße. Coonlagh hob den Apfel auf und nahm ihn an seine Brust.

Ein Jahr und einen Tag sprach er kein Wort, hob den Kopf nicht, lächelte und lachte nicht. Er nahm auch keine Speise zu sich und stillte seinen Durst nicht. Ein Jahr und einen Tag behielt er den Apfel an seinem Herzen, und wenn er Nahrung brauchte, nahm er nur den Apfel an seine Lippen, biss ein Stückchen ab und war gestärkt. Und kaum hatte er den Apfel wieder an sein Herz gelegt, war dieser wieder ganz.

Dies alles hielt ein Jahr und einen Tag lang an, bis wieder erster Mai war. Das Beltaine-Fest kam ins Land, und die Feuer wurden zu Ehren der Sommerzeit errichtet. Wieder ging Cahoun der Hundert Kämpfe, König von ganz Irland, mit seinem Sohn und Erben, seinem geliebten und liebsten Coonlagh Ruadh, auf den Berg Usnach. Aber Coonlagh hob den Kopf nicht, und sie sprachen an diesem Tag nicht die Sprache der Könige, nicht von Frauen und Liedern und Geschichten und Weisheit. Und als sie den Gipfel des Berges erreichten, änderte sich der Wind, und von fern, weiter als Nebel und Regen, kam eine Brise und mit ihr eine Stimme so süß wie die Singvögel in der Luft, und die Stimme rief: »Coonlagh! Coonlagh Ruadh! Komm und sei lieb zu mir!«

Und Cahoun der Hundert Kämpfe wusste, dass es dieselbe Stimme war, die er einen Tag und ein Jahr zuvor gehört hatte. Er rief seine Zauberer herbei und befahl ihnen, ihre Zaubersprüche aufzusagen. Aber ihre Worte waren vergebens, und die Feenmaid war nicht zum Schweigen zu bringen.

»Coonlagh Ruadh, komm mit und sei mein Liebster. O großartigster aller Krieger! Schönster aller Männer! Du sollst in meinem Kristallboot mit mir kommen, weiter als der Nebel, weiter als der Regen, nach Tir Na n’Og, ins Land der Ewigen Jugend, und dort werde ich dir die größten Freuden bereiten. Jedes Vergnügen soll dein sein. Wir werden uns wie die Kletterpflanzen und Bäume im Wald umschlingen, und ich werde dich zur Insel der schönen Maiden und Frauen bringen, und alle Freuden werden dir dort gezeigt und geschenkt, und du wirst mein Gemahl sein.«

So groß war die Liebe von Coonlagh Ruadh für die Feenmaid, dass er seinen Vater, den König, vergaß, sein Volk vergaß, die Priester und Zauberer auf dem Berg Usnach und die Feier für den Sommer beim Beltaine-Fest vergaß. Mit einem Satz sprang er vom Gipfel des Berges zur Erde. Mit sieben Sätzen durchquerte er das Land vom Nabel Irlands bis zur Westküste. Von der Küste sprang er ins Meer, und mit sieben Schlägen erreichte er die siebte Woge der See und kletterte in ein Kanu aus Kristall – das Boot der Feenmaid –, und dort saß sie und erwartete ihn. Sie schlangen die Arme umeinander, und sie küssten sich süß vor Freude. Cahoun der Hundert Kämpfe und alle seine Krieger und Zauberer und sein ganzes Volk liefen hin, um den Sohn und Erben weiter als Nebel und Regen davonziehen zu sehen.

Niemals wieder wurde Coonlagh Ruadh im Land gesehen. Cahoun der Hundert Kämpfe musste einen neuen Sohn zeugen, der nach ihm König werden sollte. Und viele Jahre vergingen, und viele Geschichten wurden von der Feenmaid erzählt. Aber eines Tages erschien im westlichen Teil Irlands eine Gruppe von Kindern – und ihr Haar war so rot wie die Sonne, wenn sie am Abend versinkt, und so hell wie die Sonne, wenn sie am Morgen aufgeht –, und sie sagten, sie seien die Kinder von Coonlagh Ruadh und der Feenmaid und aus dem Land Tir Na n’Og, hinter Nebel und Regen verborgen, und sie wären zu den Kindern der mittleren Erde gekommen, um ihnen die süßen Geschichten zu erzählen, die sie in jenem Land gehört hätten, und Lieder zu singen, die süßer als das Lied der Lerche seien, wenn sie sich am Morgen in die Lüfte schwingt. Und so geschah es, dass die Geschichten von Tir Na n’Og zu uns gelangt sind.

Die Hochzeit von Sir Gawain

Englisch

Wahrscheinlich glaubst du, mein Junge, dass du dein Leben selbst gestalten kannst, es in die Form hämmern kannst, die du dir wünschst, so, wie ein Schmied Metall zurechthämmert. Aber das Leben formt uns, nicht umgekehrt. Das sehe ich jetzt ganz deutlich, während ich dir, wie mir selber, die Geschichten erzähle, die mich in dieses Zelt gebracht haben. Sogar der König muss nach den Bedingungen leben, die ihm das Leben auferlegt; er hat sie sich nicht selbst zurechtgemacht.

Ich erzähle dir eine Geschichte, um dir zu zeigen, wie das Leben uns nimmt, schüttelt und uns tun lässt, was es will.

Der König reiste einmal im Norden seines Reiches umher, als sich ihm ein riesiger haariger Mann mit einem Holzknüppel in der Hand in den Weg stellte. »Geh mir aus dem Weg, und lass mich vorbei«, sagte der König.

»Geh vorbei, wenn du kannst«, sagte der haarige Riese.

»Diesem Lümmel werde ich eine Lektion erteilen«, dachte der König. Hoch ging sein Schwert; runter kam der Knüppel. Und dann lag der König von England im Dreck und lernte selbst eine Lektion. Der haarige Riese schlug König Arthur blau und grün. Dann band er die Hände und Füße des Königs unter dem Bauch des Pferdes fest und führte ihn weg.

Am nächsten Morgen erwachte König Arthur da, wo er hingeworfen worden war, in einer Ecke der großen Halle im Haus seines Gegners. Der haarige Riese stieß ihn mit einem Stock an. »Noch lebendig?«, fragte er. Er zog ein garstiges, fettiges Messer aus dem Gürtel und schnitt die Fesseln des Königs durch. Arthur versuchte sich zu strecken. Er war steif wie ein alter Gaul.

»Du bist jetzt mein Stiefelknecht«, sagte der haarige Riese, »und tust, was ich sage.«

Wochenlang schuftete der König nun wie ein Packesel und holte und schleppte Sachen für diesen mürrischen, groben Herrn. Schließlich konnte er sein Leben nicht länger ertragen. Es gab aber keinen Ausweg. Deshalb erniedrigte er sich und kniete auf den Boden, obwohl sich ein König normalerweise vor keinem Menschen niederkniet, und bat darum, aus diesem harten Dienst entlassen zu werden: »Wenn du kein Lösegeld willst, sag mir, was du von mir erwartest. Wenn es in meiner Macht steht, sollst du es haben. Aber lass mich frei!«

Der haarige Riese lachte sein gemächlich polterndes Lachen, ein Lachen, das eher wie ein Knurren klang. »Ich lass dich gehen, König, unter einer Bedingung. Nach einem Jahr und einem Tag musst du mir die Lösung eines Rätsels bringen, das ich dir aufgeben werde. Bringst du mir keine Antwort, musst du mit deinem Leben bezahlen.«

König Arthur wusste nicht, welches Rätsel ihm der haarige Riese aufgeben würde, aber er war gut im Rätselraten. Solche Spiele waren am Hof sehr beliebt. Deshalb erklärte er sich schnell damit einverstanden. »Nun sag mir, welches Rätsel soll ich lösen?«

»Einfach dies«, erwiderte der haarige Riese, »du musst mir sagen, was die Frauen am meisten begehren.«

»In einem Jahr und einem Tag«, sagte der König.

Als König Arthur zum Hof zurückritt, fragte er jeden, dem er begegnete, was die Frauen am meisten begehrten. Manche sagten: »Einen guten Ehemann«, und andere sagten: »einen reichen.« Manche sagten: »Gut aussehende Söhne«, andere sagten: »wunderschöne Töchter.« Andere wiederum sagten: »hübsche Kleider« oder »Juwelen«. Und ein paar sagten: »Schmeicheleien« oder »Aufmerksamkeit«. Viele Ehemänner sagten: »Ein Leben voller Müßiggang.« Aber niemals bekam der König eine Antwort, die den haarigen Riesen, seiner Meinung nach, zufriedenstellen würde.

Auch am Hof konnte ihm niemand die Lösung sagen. Er bat mich um Hilfe, und so ritt er nach Osten, und ich ritt nach Westen, und wir fragten und fragten. Schließlich hatten wir ein ganzes Buch voller Antworten zusammen, aber keine einzige, mit der alle einverstanden waren.