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Dass junge Leute andere Werte als seine eigenen bewegen, stellt Richard, Mitte 50, anlässlich einer Umfrage fest, als ihm die Perspektiven und Ansichten seiner Kinder und seiner Neffen und Nichten gegenwärtig werden. Ob das immer noch seine Welt sei, oder mittlerweile etwas Eigenes der jungen Leute, was er da erfährt? Wie es ihm mit seinen Eltern ging, als er mit ihren Wertvorstellungen nichts anzufangen wusste, so schließt er, geht es jetzt ihm mit seinen Werten einer sehr individuellen Lebensgestaltung und den Werten der jungen Generation, für die Klima und Umwelt, Digitalisierung und KI, Wohlstand und Zusammenhalt der Gesellschaft im Zentrum stehen. ZEITFENSTER ist ein Roman, der erzählt, dass die Generation der Älteren und die der Jungen zu keinem Einvernehmen über ihre Wertewelten kommen. Vielmehr machen die Unterschiede ihrer Werte Generationen aus und begründen dabei Wandel und Umbruch - ein hoch aktuelles Thema für Gesellschaft und Politik.
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein See
Nicole
Erwartungen
Familientradition
Orientierung
His family
Zurück am See
End of his family
Selma
Allein oder zusammen
Neuanfang?
Familiensitz
Social Networks
Lüge oder Wahrheit
Junge Werte
Karrieresprung
Marie-Luise
Katharina
Schwestern
Neffen und Nichten
Umfrage
Noch seine Welt?
Und jetzt …
Wohlstand
Der See war vielen ein Lebensmittelpunkt, die die Stadt bewohnten – mittelgroß mit fast 100.000 Einwohnern. Wie auch immer schienen sie mit dem See zu tun zu haben: Hier hatte Wichtiges begonnen oder war zum Ende gekommen. Doch am See fanden nicht nur Anfang oder Ende statt. Vielmehr geschah dort auch meistens das, was dazwischen lag oder noch nicht offenbarte, ob es ein Anfang oder ein Ende war oder werden würde. Dies war jedoch den Menschen, die der See in seiner Art beschenkte, meistens nicht bewusst. Bei gutem und bei schlechtem Wetter, mit Sonne, Regen, Schnee und Wind, mit Frühlingsblumen, Sommergras und Schilf, Herbstlaub und dunklen Nadelbäumen, mitten im Vogelgezwitscher, Grillenzirpen, Krähenschreien und bei vielen anderen Geräuschen, die das Leben an und um den See herum ausmachten: Für jede und jeden war etwas dabei. So war der Hintergrund für alles, was am See geschah, der sich als ein Ressort der Vergangenheit erwies. Das war er jedenfalls für diejenigen, die behaupteten, etwas am See erlebt zu haben, was ihnen wichtig war.
Der See war nicht sehr groß. Nicht rund, sondern länglich schlängelte er sich fast fünf Kilometer durch dichten Laub- und Nadelwald. Ein breit angelegter Fußweg führte rund um ihn herum und ließ gut spazieren gehen. Oft wirkte der See wie ein Brennglas für die Erinnerungen an das Leben derer, die zu seinen Freunden zählten. So ging es auch Richard der nach 25 Jahren Mitte der 2010er Jahre wieder an seinen See gekommen war. Richard war 55 Jahre alt, groß von Gestalt mit breiten Schultern, jugendlich wirkten seine dunklen Locken, große blaue Augen hatte er, zierlich geschnitten waren Mund und Nase. Rechtswissenschaft hatte er studiert und war mit der notwendigen Begabung und einigem Fleiß Richter geworden – nach seinem Jurastudium kam nichts anderes für ihn in Betracht. Die ersten drei Semester hatte er noch in seiner Heimatstadt studiert, in der es eine kleine Hochschule gab, bis er Nicole auf einer Party kennenlernte, die ebenfalls Jura studierte, aber weit weg in einer großen Stadt beheimatet war. Sie genoss die schmucke, kleine Stadt und ebenso wie Richard den See, wollte aber wieder in ihre große Stadt zurück; dort erhoffte sie sich bessere Karrierechancen. Nicoles Absicht, in der großen Stadt ihr Studium fortzusetzen, beeindruckte Richard; er zog in Betracht, seine Heimatstadt zu verlassen und sein Studium dort mit Nicole und allerlei Karriereabsichten fortzusetzen.
Richards Vater war Direktor des humanistischen Gymnasiums und in der Stadt durchaus bekannt. Richards Mutter hatte nicht studiert und nie in ihrem Beruf als Kindergärtnerin gearbeitet, sondern bestritt über häusliche Pflichten hinaus wesentlich das gesellschaftliche Leben, das nach ihrem Empfinden unbedingt zu einem Leitenden Gymnasialdirektor gehörte. Zwei deutlich – 9 und 7 Jahre - ältere Schwestern, Marie-Luise und Katharina, hatte Richard, die sehr gut in der Schule waren, doch nach dem Abitur jeweils eine Ausbildung machten, um bald für eine Eheschließung bereit zu sein und selbstverständlich zügig Mutter zu werden. Marie-Luise, die ältere, wurde Krankengymnastin im städtischen Krankenhaus, Katharina wurde bei einer Werbeagentur tätig, die sich neu in der Stadt niedergelassen hatte. Beide Schwestern galten als ausgesprochen gesellig und waren ungewöhnlich hübsch. Richard war als Nachzügler sehr viel jünger als sie und ging mit seinem Studium ganz andere Wege, obwohl sein Abitur nicht so gut wie das seiner beiden Schwestern war. Außerdem wollte er sich offenhalten, seine Heimatstadt aus Gründen des Studiums und wegen neuer Herausforderungen zu verlassen und in eine größere Stadt zu ziehen; das wäre für Marie-Luise und Katharina überhaupt nicht in Frage gekommen. Richards Freundin Nicole, zu Studienzeiten in seiner Heimatstadt und später seine Frau, ebnete ihm diesen Weg; sie kam ja aus einer großen Stadt und wollte dorthin wieder zurück.
Der Vater Richards hieß Hermann und stammte aus der Stadt, in der er sich als Direktor des humanistischen Gymnasiums einen Namen machte; er war ein großer, starker Mann mit breiten Schultern, die einen großen, schmalen Kopf trugen mit kurzem, grauem Haar und dunkelblauen Augen. Eine tiefe unüberhörbare Stimme hatte Hermann, die seinen Anspruch unterstrich, eine Autoritätsperson zu sein. Dazu gehörten auch seine Hände, die Pranken glichen, aber Vertrauen weckten, wenn er jemanden mit Handschlag begrüßte. Über das Gymnasium hinaus genoss Hermann in der Stadt und in der Region hohen Respekt.
Als älterer zweier Geschwister wurde er Anfang der zwanziger Jahre geboren; er hatte eine jüngere Schwester und einen sehr viel älteren Halbbruder aus der ersten Ehe seines Vaters. In den äußerst bewegten Zeiten nach Ende des ersten Weltkriegs und zu Beginn der Weimarer Republik arbeitete Hermanns Vater in der Verwaltung der Stadt, die die Heimat Richards und seiner Schwestern war. Dass Hermann ein Studium absolvierte, Lehrer wurde und schließlich leitender Direktor eines Gymnasiums war, hatte vor seinem familiären Hintergrund niemand für möglich gehalten. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre war es mit den vibrierenden Gefühlen der „Roaring Twenties“ lange vorbei, die Nationalsozialisten hatten die Macht übernommen und duldeten weder Widerspruch noch abweichendes Denken und Handeln. Hermann schloss mit der Schule ab, musste ein Jahr lang zum Arbeitsdienst auf ein pommersches Landgut, um bei der Ernte von Kartoffeln und Zuckerrüben zu helfen, und im Anschluss daran trat er seinen Wehrdienst an. Er meldete sich bei der Marine, bei der er sich im Fall eines Krieges weniger gefährdet sah und sicherer fühlte. Doch das war ein Irrtum. Nach Ausbruch des Krieges war auch die Marine bald im Einsatz. Hermann wurde einer U-Boot-Besatzung zugeordnet, die viel Disziplin verlangte.
Die Schrecken des Krieges wie die der Terrorherrschaft des Dritten Reiches warfen Hermanns Leben durcheinander und raubten ihm den persönlichen Kompass zu seiner geistigen Orientierung. Ein heftiger Fliegerangriff hatte den Hafen, in dem er stationiert war, ein halbes Jahr vor Kriegsende getroffen. Dem sicheren Tod war er entgangen, da er den Bunker zum Schutz vor den Bomben rechtzeitig erreichte. Doch zahlreiche Kameraden lagen tot und zerfetzt von Granaten auf dem Hafengelände. Als Hermann aus dem Schutzbunker wieder auftauchte, konnte er den Anblick, der sich ihm mit den vielen gefallenen Freunden der vergangenen Kriegsjahre bot, kaum ertragen und brach in Tränen aus. Bald erreichte ihn noch die Nachricht, dass Verwandte von ihm wegen Hochverrat im Zuchthaus saßen, und auch sein Vater unter Beobachtung der Geheimpolizei stand. Das löste bei Hermann furchtbare Ängste aus, die ihm erst das Ende des Krieges und der Gewaltherrschaft nahm, die sein Vater und seine Verwandten überlebten.
Nach verlorenem Krieg und zwei Jahren in britischer Gefangenschaft versuchte er schwer traumatisiert, in ein ungewisses Leben in Freiheit und Frieden zurückzukehren. Sein Ehrgefühl hatte er verloren. Am Boden war er zerstört. Wie konnte er sich wieder aufrichten? Er heiratete Theresa, die Tochter eines vermögenden Bauern, dessen Familie Krieg und Terror einigermaßen gut überstanden hatte und in der harten Nachkriegszeit nicht an Hunger leiden musste. Das rettete Hermann vor großer Not. Denn seine Familie konnte ohne Geld und mit knappen Essensrationen kaum überleben; auch sie wurde so weit wie möglich von Theresas Familie versorgt. Nach einem Jahr nahm er die Gelegenheit einer Lehrerausbildung wahr, die ihm sein gut bestandenes Abitur ermöglichte. Er wollte die alten Sprachen lehren sowie Geschichte und Philosophie. Dieses Fächerspektrum konnte und sollte ihm helfen, sein „Mindsetting“ wieder zu regenerieren. Auf diese Weise fand das „Abendland“ Eingang in sein Leben, das er auch mental in Schritten wiedergewann. Zugleich schien ihm dieses Gedankengut weit genug entfernt von den verheerenden Theorien des Dritten Reichs zu sein. Die abendländischen Werte, die ihre Prägung auch von christlichen Tugenden hatten, boten aus Hermanns Sicht die Chance, nicht nur ihn, sondern das ganze Land und die Gesellschaft wieder auferstehen zu lassen.
In seiner Jugend war Richard an den Partyaktivitäten der anderen Jugendlichen nur eingeschränkt interessiert, schon weil ihm das Tanzen zuwider war, das er weder konnte noch wollte. Die Jungen und Mädels, die an den Partys teilnahmen, waren ihm nicht unbekannt; fast alle nahmen daran teil. Die meisten kannte er gut von der Schule, vom Studium oder von woanders aus der Stadt und mochte viele sogar. Seinen Schwestern, da älter als er, ging es, wie er glaubte, um viel mehr als ums Schwofen; sie dachten seines Erachtens bereits an ihre Zukunft und alles, was damit anlässlich einer rauschenden Party möglich erschien. Das war Richard noch fremd, dafür war er zu jung. Was in dieser Hinsicht Nicole betraf, war auch sie wahrscheinlich noch zu jung, um sich über Partyerfahrungen für die Zukunft - nach ihrem Studium - schon Gedanken zu machen. Nicole studierte Jura und wollte, wie ihr Vater, Anwalt werden. Sie war mit ihren warmen, honigfarbenen Augen und ihrem leicht gebräunten Teint eine liebenswürdige Erscheinung. Dunkelblonde Locken fielen ihr auf die Schultern. Kleiner als Richard war sie und hatte eine attraktive, zierliche Figur. Sie genoss die Zusammenkünfte mit Marie-Luise wie mit Katharina.
Als dann eine Party am See gefeiert wurde, ließ sich Richard wider aller Erwarten doch dazu überreden, mitzukommen und, als habe er es gewusst, verliebte er sich Hals über Kopf in Nicole, die er dort zum ersten Mal sah, ohne genau zu verstehen, was ihm dabei geschah. Er war einfach glücklich und sehr bewegt, denn seine Gefühle wurden erwidert. Wie im Fluge verstrich die Zeit. Zu allen Jahreszeiten führte der Weg die beiden glücklich Verliebten an diesen See, der ihnen eine Atmosphäre und den Raum bot, um sich auszutauschen und sich näher kennenzulernen.
Als sie im 3. Semester waren, stand Richard stand vor der Entscheidung, Nicole in die große Stadt zu folgen. Für ihr weiteres Studium wollte sie in ihre Heimatstadt zurückkehren. Die Gelegenheit kam ihm entgegen. Die Zusage fiel ihm schließlich nicht schwer. Bald hatten sie und er ein Zimmer in derselben Wohngemeinschaft und setzten dort ihr Jurastudium fort. Richard gewöhnte sich rasch an die neue Umgebung, die ihm gut gefiel. Einen Mittelpunkt wie den See in seiner Heimatstadt gab es dort nicht. Stattdessen lernte er die vielen Attraktionen zu schätzen, die die große Stadt bot. Nach Hause zurückkehren wollte er auf keinen Fall und tatsächlich hatte er seither nicht mehr wieder in seiner Heimatstadt gelebt.
Nicoles Familie war für Richard eine weitere neue Erfahrung; sie war das einzige Kind ihrer Eltern geblieben, obwohl es ein paar Versuche gab, die Familie zu vergrößern. Doch daraus wurde nichts, was die Mutter sehr schmerzte, die zu früheren Zeiten die Chefsekretärin in der Kanzlei von Nicoles Vater war. Als er um ihre Hand anhielt, fühlte sie sich geehrt und hoffte, Mutter einer kinderreichen Familie zu werden – der Beweis, nicht nur Termine vereinbaren und Vorgänge auf der Schreibmaschine tippen zu können, sondern auch die Erwartungen an eine Ehefrau und Mutter erfüllen zu können. Organisieren konnte sie ja. Doch ihr Erfolg auf dem Gebiet der Familienmutter beschränkte sich auf Nicole, die deshalb besondere Zuwendung von ihr erfuhr; auch für Nicoles Studium setzte sich ihre Mutter ausdrücklich ein. Nicoles Vater war als Jurist mit Insolvenzverfahren reich geworden. Dass ein Beruf mit intellektuellem Anspruch zu Reichtum führen konnte und sollte, war für Richard neu. Bei seinem Vater wie auch bei vielen seiner Freunde, die er in der Schule und im Studium hatte, war es so nicht. Berufstätigkeit war Aufgabe oder Mission; dafür gab es ein angemessenes Gehalt als Lohn, aber Reichtum? Nicole knüpfte mit ihrem Jurastudium an die Tradition der Familie an. Denn in der Familie ihres Vaters gab es fast ausschließlich Juristen auf nahezu allen Gebieten. Doch reich war nur ihr Vater geworden. War das ihre Erwartung auch an sich selbst und an Richard, wenn sie sich auf Dauer mit ihm verbinden sollte? War in ihrer Familie viel von Geld die Rede, hatte sie das in Richards Familie ganz anders erlebt; dort ging es um Gemeinschaft in vielerlei Hinsicht. Geld war nur in Ausnahmefällen ein Thema. Das hatte Nicole beeindruckt. Insofern war es für Richard neu, dass er im Zusammenhang mit seiner Berufswahl gefragt wurde, was er denn in diesem Beruf verdiene. Den Richterberuf wollte er ergreifen, doch mit Reichtum verband sich diese Tätigkeit für ihn nicht – das war auch nicht sein ausschließliches Ziel.
„Aber aus deinem Studium kannst du mehr machen“, wandte Nicoles Vater ein, wenn es um dieses Thema ging, „Grund für Bescheidenheit hast du nicht.“
„Bescheiden bin ich nicht“, erwiderte Richard, „ich wäre gern Richter. Das interessiert mich und macht mich bestimmt nicht arm.“
„Jedenfalls möchtest du das im Augenblick“, merkte Nicoles Vater an, „mal sehen, wie sich deine Berufswünsche darstellen, wenn du im Studium weiter bist.“
Nicole war diese Diskussion nicht neu, aber unangenehm; doch sie mischte sich nicht ein. Ihr Vater hatte auch sie schon auf das Thema angesprochen. Sie war nicht darauf eingegangen. Von daher verstand sie gut, wie Richard auf die Fragen ihres Vaters antwortete. Sie wollte sich auf Familien- und Jugendrecht konzentrieren; das interessierte sie und hielt sie für wichtig.
Vermisste Richard, vermissten beide den See, den sie in Richards Heimatstadt zusammen erlebt hatten? Im Stadtpark befand sich ein größerer Teich; um ihn zu umrunden, brauchte man eine halbe Stunde. Dorthin ging er, gingen sie beide, wenn ihnen der See, der sie zusammengebracht hatte, fehlte. Das war eine Erinnerung an den See, kein Ersatz; denn die beiden Gewässer waren nicht zu vergleichen. So versanken sie nicht in Erinnerungen, aber hielten Erinnerungen wach, die sie mit dem See verbanden – das war gut so. Nach etwa 25 Jahren befand sich Richard nun zum ersten Mal wieder dort, an „seinem“ See.
Richard hatte ein Juraexamen gemacht, das ihm die Laufbahn als Richter ermöglichte. Darüber war er froh und auch stolz. Er nahm diese Chance wahr und übte seinen Beruf mit Leidenschaft aus. Als Richter wurde er deshalb sehr geschätzt. Nicole, die im selben Semester wie Richard war, hatte ein Jahr vor ihrem Examen einen schlimmen Unfall im gemeinsamen Skiurlaub mit ihrem Vater, den er nicht überlebte und sie mit zahlreichen Knochenbrüchen ins Krankenhaus brachte. Mit ihrem Vater war sie auf ein Schneebrett geraten, das sich lawinengleich löste und die beiden einen langen, steilen Abhang herunterriss. Nicoles Vater konnte nur noch tot geborgen werden, sie überlebte schwerverletzt. Ein Vierteljahr lang war sie außer Gefecht gesetzt und verbrachte im Anschluss daran acht Wochen in einer Reha. Der Tod des Vaters machte ihr schwer zu schaffen. Das war ein großer Verlust für sie, der sie schmerzte und zusammen mit ihrer Mutter vor die große Herausforderung stellte, seinen Nachlass an Immobilien und Papieren mit Gewinn zu ordnen. Dies machte Nicole mit ihrer Herkunft vertraut und stärkte die Bindung zu ihrer Mutter. So verschmerzte sie den Verzug ihres Studiums, der sich mit dem Unfall eingestellt hatte. Als sie ihr Juraexamen erfolgreich bestanden hatte, heirateten Richard und Nicole und entschlossen sich zur Gründung einer Familie. Diesem „Projekt“ widmeten sich die beiden. Nicole sah zunächst davon ab, einen Beruf zu ergreifen. Bald waren sie mit Tochter Nike und Sohn Victor eine Familie, die gemeinsam mit der Mutter Nicoles in der Villa ihrer Eltern wohnte. Zu einem eigenen Haus, das wesentlich mit Nicoles Erbe ihres Vaters finanziert wurde, kamen sie, als die Kinder mit der Grundschule begannen.
Warum war Richard nach 25 Jahren an den See zurückgekehrt? Seine Heimatstadt hatte er zwar immer mal wieder besucht, wenn er dort an Weihnachten, Ostern und zu den Geburtstagen seiner Eltern zugegen war. Doch das waren Pflichtveranstaltungen, bei denen es um die Familie ging, aber nicht um ihn und um den See, der ihm in jungen Jahren so viel bedeutet hatte. Warum war das damals so? Warum brachte ihn diese Frage nach so langer Zeit wieder dorthin zurück? Offenbar fehlte