Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) - Hope Cavendish - E-Book

Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) E-Book

Hope Cavendish

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Beschreibung

Gemma und ihre Freunde haben sich bei den Sybarites eingeschleust. Damit steht Gemma ihr bisher schwierigster Kampf bevor – die Macht einer einflussreichen Vampirsekte zu schwächen. Sie begegnet hierbei auch Giles wieder, der sich ihrem Vorhaben anschließt. Der Kampf gegen die Sybarites findet schließlich für alle Beteiligten ein unerwartetes Ende, das Gemma und ihre Freunde zwingt, sich auf unbestimmte Zeit zu trennen. Werden die Freunde sich eines Tages wiedersehen? Die Zeit beantwortet diese Frage, während eine Revolution, ein ungewöhnlicher neuer Freund sowie der erste Vampirroman der Literaturgeschichte Gemmas Schicksal vorantreiben. "Kampf gegen die Sybarites" ist der zweite Band der historischen Vampirroman-Serie "Zeitgenossen". Im Mittelpunkt der Serie steht die Vampirin Gemma, die im Laufe der Jahrhunderte erfährt, was es bedeutet, unsterblich zu sein. Sie wird zur Zeitzeugin vieler historischer Ereignisse, erlebt Kriege, Entdeckungen und Revolutionen, begegnet der Liebe, dem Kampf und dem Tod. Ihre Freunde stehen ihr dabei oft zur Seite, doch ihren Weg muss Gemma letztendlich selbst finden.

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Impressum

Zeitgenossen – Band II: Kampf gegen die Sybarites

Copyright © 2020 by Hope Cavendish

Hans-Sachs-Str. 77, 46236 Bottrop

[email protected]

 

Cover: Hope Cavendish.

Bildmaterial: Privat.

 

 

Alle Rechte vorbehalten.

Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Erlaubnis der Autorin möglich.

Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.

 

 

Die Zeitgenossen im Internet:

https://zeitgenossen-romane.de

 

Hope Cavendish im Internet:

https://hope-cavendish.de

https://www.facebook.com/Autorin.HopeCavendish

https://twitter.com/HopeCavendish

 

Inhaltsverzeichnis
Impressum
Inhaltsangabe: Kampf gegen die Sybarites
Prolog
Bündnis
Intrigen
Angriff
Unruhen
Differenzen
Mythen
Glossar
Weitere Informationen zu den Zeitgenossen
Danke schön!
Liebe Leserin und lieber Leser,
Wie geht es weiter?

Inhaltsangabe: Kampf gegen die Sybarites

 

Gemma und ihre Freunde haben sich bei den Sybarites eingeschleust. Damit steht Gemma ihr bisher schwierigster Kampf bevor – die Macht einer einflussreichen Vampirsekte zu schwächen. Sie begegnet hierbei auch Giles wieder, der sich ihrem Vorhaben anschließt. Der Kampf gegen die Sybarites findet schließlich für alle Beteiligten ein unerwartetes Ende, das Gemma und ihre Freunde zwingt, sich auf unbestimmte Zeit zu trennen.

Werden die Freunde sich eines Tages wiedersehen? Die Zeit beantwortet diese Frage, während eine Revolution, ein ungewöhnlicher neuer Freund sowie der erste Vampirroman der Literaturgeschichte Gemmas Schicksal vorantreiben.

 

Kampf gegen die Sybarites ist der zweite Band der historischen Vampirroman-Serie Zeitgenossen. Im Mittelpunkt der Serie steht die Vampirin Gemma, die im Laufe der Jahrhunderte erfährt, was es bedeutet, unsterblich zu sein. Sie wird zur Zeitzeugin vieler historischer Ereignisse, erlebt Kriege, Entdeckungen und Revolutionen, begegnet der Liebe, dem Kampf und dem Tod. Ihre Freunde stehen ihr dabei oft zur Seite, doch ihren Weg muss Gemma letztendlich selbst finden.

 

Hope Cavendish

 

 

Zeitgenossen

Band II: Kampf gegen die Sybarites

 

Prolog

 

Ich war eine Greisin. Zumindest dem Alter nach, denn seit meiner Geburt waren über 100 Jahre vergangen. Da ich jedoch mit 25 Jahren in eine Vampirin verwandelt wurde, sah man mir dies nicht an.

Der Vampir, der für meine Verwandlung verantwortlich war, hieß Giles. Ich hatte ihn zunächst für einen Feind gehalten und erst spät begriffen, dass er so gehandelt hatte, um mein Leben zu retten. Bald darauf hatten wir uns ineinander verliebt, was mich jedoch nicht davon abgehalten hatte, mich erneut mit ihm zu überwerfen. Mittlerweile wusste ich, dass ich Giles unrecht getan hatte, doch da hatte ich ihn bereits verloren.

Die Sybarites hingegen waren in der Tat meine Feinde. Für die Vampirsekte stand der Genuss menschlichen Blutes im Vordergrund und sie zelebrierten ihn auf die dekadenteste und abscheulichste Weise. Wer sich ihnen nicht anschließen wollte oder sich gar – wie meine Freunde und ich – nur von tierischem Blut ernährte, den verachteten und bekämpften sie.

Mein Plan, etwas gegen die grausamen Machenschaften der Sybarites zu unternehmen, hatte Giles und mich einst entzweit, doch ich war noch nicht so ganz bereit von dem Vorhaben abzulassen. Meine Freundin Maddy unterstützte mich dabei. In ihr hatte ich eine Gefährtin gefunden, auf die ich mich stets verlassen konnte, die mich aber dennoch auch sanft kritisierte, wenn es mal nötig war. Nachdem wir mit Francisco und Miguel zwei weitere Mitstreiter im Feldzug gegen die Sybarites aufgetan hatten, war es uns tatsächlich gelungen, uns als neue Mitglieder in die Sekte einzuschleusen. Zu diesem Zweck hatten Francisco und ich uns als Liebespaar ausgeben müssen und schon bald war aus dem Spiel Ernst geworden. Diese Affäre mit Francisco vereinfachte mein Gefühlsleben zwar nicht gerade, doch gab sie mir auch die Kraft, meine Maskerade vor den Sybarites aufrechtzuerhalten.

Jene Kraft hatte ich nicht zuletzt bei dem Festbankett benötigt, welches die Sybarites zu Ehren unserer Aufnahme in ihren Reihen veranstaltet hatten. Zu unserem Aufnahmeritual hatte es gehört, vor den Augen aller Mitglieder eine Jungfrau – unser sogenanntes Gastgeschenk – komplett auszusaugen. Und wenngleich es uns auch gelungen war, für diese Aufgabe zwar noch unberührte, aber dennoch keineswegs unschuldige Opfer aufzutreiben, so wussten wir gleichwohl, dass dies erst der Auftakt einer Reihe von Grausamkeiten mit unserer Beteiligung sein würde.

 

Bündnis

 

Am Morgen nach unserer Aufnahme bei den Sybarites besuchten uns Francisco und Miguel, um mit uns die Geschehnisse des Festbanketts zu besprechen.

»Sonderlich viele neue Informationen hat uns ja der gestrige Abend nicht unbedingt gebracht«, eröffnete ich das Gespräch.

»Hast du das erwartet?«, fragte Francisco überrascht. »Es war doch klar, dass wir zunächst einmal diese Aufnahmefeierlichkeiten über uns ergehen lassen mussten.«

»Ich weiß«, entgegnete ich missmutig. »Aber die ganze Verstellung angesichts dieser Abscheulichkeiten wäre mir ein wenig leichter gefallen, wenn wir wenigstens schon etwas mehr über die Organisation der Sybarites hätten erfahren können.«

»Immerhin sind wir ja alle morgen im Jardin du Luxembourg mit dem Marquis de Momboisse verabredet. Und er hat versprochen, uns alle ausführlich über die ›Freuden und Genüsse‹ der Sybarite-Mitgliedschaft zu unterrichten«, erklärte Maddy beschwichtigend.

»Richtig. Und da der Duc de Longueville ihn angewiesen hat, uns mit jeglicher Information, ›nach der es uns gelüstet‹, zu versorgen, können wir ihn mit unseren Fragen regelrecht löchern«, pflichtete Miguel ihr bei.

»Meinst du nicht, dass ihn das misstrauisch machen wird?«, gab Francisco zu bedenken.

»Nun, in deinem Fall vielleicht schon«, schaltete ich mich ein, »da du dich früher ja so oft dagegen gewehrt hast, ein Sybarit zu werden. Aber wenn Maddy und ich ihm wieder mit naiver Einfalt begegnen, wird er unsere Fragen für begeisterte Neugierde halten.«

Francisco sah mich ernst an. »Du weißt aber, dass dies wiederum viel Theaterspiel von dir verlangt?«, fragte er.

Ich seufzte resigniert. »Ich weiß. Aber uns allen war klar, dass wir jetzt auf lange Zeit sehr viel Theater spielen müssen.«

»Dann lasst uns besprechen, welche Informationen wir Momboisse entlocken wollen«, verkündete Miguel entschlossen. »Ich denke, zuallererst ist es wichtig, mehr über die Rangfolge und hierarchischen Strukturen der Organisation herauszufinden, nicht wahr? Wir wissen bereits, dass der Duc de Longueville Oberhaupt aller Sybarites weltweit ist und wir kennen Viscount Whitfield, der den englischen Sybarites vorsteht. Stellt sich die Frage, ob es noch einen separaten Anführer der französischen Sybarites gibt und welche Rolle der Marquis de Verneuil und der Comte de Trébuchon spielen? Und ob es noch andere hochrangige Mitglieder mit bestimmten Aufgaben gibt?«

»Ja, und wir sollte auch versuchen, mehr über ihre Wächter, die Mort-Vivants, herauszufinden«, fügte Maddy hinzu. »Wie viele von ihnen gibt es und wie mächtig sind sie?«

»Richtig. Darüber hinaus sind die Sybarites ja offenbar auch so gut organisiert, dass es wohl bestimmt noch weitere Helfershelfer gibt«, überlegte Francisco.

»Ich fand den Vertrag, den wir alle mit unserem Blut unterschreiben mussten, auch recht undurchsichtig«, stellte ich grübelnd fest. »Wir sollen den ›Interessen der Sybarites fortan oberste Priorität geben‹. Aber welche Interessen sind dies genau? Eigentlich geht es den Sybarites doch nur um das Vergnügen, oder? Wie weit gehen die ›Angelegenheiten und Unternehmungen‹, über die wir ›völliges Stillschweigen bewahren‹ sollen, nun wirklich?«

»Vermutest du, dass sie auch politische Ambitionen haben?«, fragte Francisco. »Das glaube ich nicht. Sie hätten ihre Macht sonst schon längst dahingehend missbrauchen können, haben aber nie dergleichen getan.«

»Vielleicht nicht, um offen über die Menschen zu regieren, da sie sich ihnen sowieso überlegen fühlen«, überlegte ich. »Aber vielleicht in der Form, dass sie sich ein politisches Klima sichern, dass es ihnen erlaubt, ihre Machenschaften ungestört zu verfolgen?«

Die drei sahen mich nachdenklich an.

»Gut möglich, dass du mit dieser Vermutung recht hast«, stimmte mir Miguel schließlich nach einer Weile zu. »Der Umstand, dass sie für ihre Veranstaltungen, Räumlichkeiten wie die Saint-Étienne-du-Mont nutzen können, deutet zumindest darauf hin, dass sie auch unter den Menschen hochrangige Handlanger haben. Keine Ahnung, ob sie sie durch Einschüchterung oder Bestechung dazu bringen, ihnen zu helfen.«

»Wir werden es herausfinden«, erklärte Francisco entschlossen.

 

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit dem Marquis de Momboisse im Jardin du Luxembourg. Der Jardin war ein großer, herrschaftlicher Schlosspark, den Maria von Medici vor vielen Jahren für ihr Landschloss hatte anlegen lassen. Er hatte große Baumbestände, zahlreiche Blumenrabatten und Wasserbecken und besaß dank der von der damaligen Schlossherrin angepflanzten Palmen auch ein gewisses italienisches Flair.

Wie immer nahezu euphorisch gestimmt kam Momboisse uns mit einem breiten Lächeln entgegen. »Ah, meine lieben Freunde! Nun, wie hat Ihnen unser bescheidenes Fest zu Ihren Ehren gefallen?«

Innerlich auf meine Rolle eingestimmt stieß ich ein albernes Kichern aus und stupste Momboisse neckisch in die Seite. »Bescheiden? Von wegen, Monsieur! Ich habe selten solch einer rauschenden Festivität beigewohnt.« Dann hakte ich mich bei ihm unter.

Momboisse lächelte geschmeichelt. »Sie alle haben sich aber auch auf das vortrefflichste in unsere Gemeinschaft eingefügt. Und Ihre Gastgeschenke waren geradezu exquisit! Wo haben Sie sie nur aufgetrieben?«

Derweil hakte sich Maddy auf seiner anderen Seite unter und lächelte ihn kokett an. »Das, mein teurer Monsieur de Momboisse, muss leider ein Geheimnis bleiben. Wir haben halt so unsere Quellen.«

Maddy und ich spannten unsere Sonnenschirmchen auf, dann spazierten wir mit Momboisse in unserer Mitte den Park entlang, rechts und links begleitet von Francisco und Miguel.

Momboisse gab sich bekümmert. »Schade, dass die Damen darüber schweigen wollen. Aber vielleicht können die Herren mir ein wenig mehr verraten?«, er neigte den Kopf zu Francisco. »Die Desmoiselles de Quignard waren ja ganz bezaubernde Geschöpfe«, fuhr er fort, ohne zu wissen, dass er für Mademoiselle Nymphéa genau dieselbe Bezeichnung wählte, wie sie selbst einst für die von ihr gequälten Kinder. »Erstaunlich, dass ich ihnen noch nie zuvor begegnet bin.«

»Dann seid Ihr offenbar noch nicht soviel herum gekommen wie wir«, antwortete Francisco ihm mit einem gespielt herzlichen Lächeln und log sodann: »Die Desmoiselles sind allerdings auch überaus behütet und zurückgezogen aufgewachsen.«

»Ich nehme an, dass Material dieser Güte einen ganz außergewöhnlichen Geschmack hatte?«, fragte Momboisse leicht neidisch.

»Ihr ahnt nicht annähernd, was dieser Genuss mir bedeutet hat«, antwortete Francisco mit blitzenden Zähnen.

»Monsieur de Momboisse, der Empfang war ein ganz außergewöhnliches Erlebnis für uns«, schaltete ich mich wieder in das Gespräch ein. »All diese kultivierten und hochrangigen Mitglieder! Und der Duc de Longueville ist ja eine beeindruckende Erscheinung! War er schon immer das Oberhaupt der Sybarites?«

»Soweit ich weiß, führt er unsere Organisation bereits seit dem 14. Jahrhundert«, überlegte Momboisse. »Die Oberhäupter davor hatten wohl kürzere Amtszeiten.«

»Was beendet denn die Amtszeit eines Oberhauptes?«, fragte Miguel.

»Eigentlich nur sein Tod. Dann tritt sein Nachfolger das Amt an«, erklärte Momboisse. »In dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ein Oberhaupt selbst einmal gegen die Regeln der Sybarites verstößt oder sich als illoyal erweist, kann es auch abgewählt werden. Aber das ist in unserer Historie erst zweimal passiert.«

»Wie lange gibt es denn die Sybarites überhaupt?«, wollte daraufhin Maddy wissen.

Momboisse lächelte stolz. »Oh, bereits seit dem Jahr 38 vor Christi. Damals kamen griechische Vampire aus Sybaris nach Lutetia, dem antiken Paris, und gründeten dort die Organisation, um dem Vampirismus einen angemessenen Rahmen zu geben.«

»Oh, wie wundervoll, dass wir nun alle einer so altehrwürdigen Gemeinschaft angehören«, heuchelte ich Begeisterung. »Und wer wählt das Oberhaupt und seine Nachfolger aus?«

»Dies tun bei unseren Untergruppen in Frankreich, England, Spanien, der Republik Venedig, Polen-Litauen, dem Zarentum Russland, Brandenburg-Preußen und dem Erzherzogtum Österreich jeweils die Sybarites mit der längsten Mitgliedschaft. Aus ihnen setzt sich dann auch ein Gremium zusammen, das das weltweite Oberhaupt bestimmt.«

»Und in anderen Ländern gibt es keine Sybarites?« hakte Francisco nach.

»Wozu?«, antwortete Momboisse verächtlich mit einer Gegenfrage. »Was sollen die Sybarites bei den Barbaren?«

»Also sind der Marquis de Verneuil und der Comte de Trébuchon die Nachfolger des Ducs?«, fragte ich.

Momboisse nickte. »Richtig. Außerdem sind sie auch seine Stellvertreter. Der Marquis steht an zweiter Stelle und der Comte an dritter. Sobald ein Nachfolger nachrückt, bestimmt das Gremium den nächsten, damit immer zwei Nachfolger zur Verfügung stehen.«

»Und die anderen Mitglieder müssen gar nichts tun?«, schaltete Maddy sich mit naivem Lächeln ein. »Ruht die ganze Verantwortung nur auf den armen Oberhäuptern?«

Momboisse grinste sie amüsiert an. »Nun, als ›arm‹ würde ich sie deswegen nicht unbedingt bezeichnen. Aber dennoch erhalten sie natürlich etwas Unterstützung von Mitgliedern, die bestimmte Ämter bekleiden. Ich zum Beispiel …«, er verneigte sich bescheiden, »… bin ein Maître de Embauchage, das heißt, ich kümmere mich darum, neue würdige Mitglieder zu finden, wie beispielsweise die Mesdames und Messieurs. Für die Damen das sicherlich interessanteste Amt ist vermutlich das des Maître de Divertissement, bekleidet von dem Comte de Baissac. Er plant unsere geselligen Zusammenkünfte, denkt sich unterhaltsame Vergnügungen aus, treibt für diesen Zweck entsprechende Örtlichkeiten auf und organisiert alles nötige Material. Unser Maître de Sécurité überwacht die Sicherheit unserer Organisation, sorgt dafür, dass niemand seine Verpflichtung zur Diskretion missachtet und rekrutiert unsere zuverlässigen Wächter, die Mort-Vivants.«

»Sind das diese riesenhaften Gestalten, die uns zu unserem Empfang begleitet haben?«, fragte Maddys neugierig. »Warum heißen Sie Mort-Vivants?«

Momboisse beugte sich verschwörerisch zu ihr herüber. »Weil sie erst nach ihrem Tod in Vampire verwandelt wurden. Ihr müsstet sie einmal sehen, wenn sie ihre Kapuzen lüften: ein unappetitlicher Anblick, besonders, wenn der Verwesungsprozess zum Zeitpunkt ihrer Verwandlung schon ein wenig fortgeschritten war.«

Maddy heuchelte Verblüffung. »Erst nach ihrem Tod? Wie ist denn so etwas möglich? Und wie kommt es, dass sie den Sybarites so ergeben sind?«

Momboisse sah sie nachdenklich an. »Ihr scheint Euch ja sehr für unsere Wächter zu interessieren.«

Maddy kicherte verlegen. »Ich gebe zu, dass ich eine Schwäche für morbide Themen habe.«

Momboisse grinste. »Dann unterhaltet Ihr Euch am besten einmal mit dem Comte de Radisset. Er ist als Maître de Sécurité für die Mort-Vivants zuständig.«

»Der Comte de Baissac hat ja mit der Wahl des Ortes für unser Empfangsbankett einen unvergleichlichen Geschmack bewiesen«, brachte ich nun ein weiteres Thema zur Sprache. »Die Saint-Étienne-du-Mont lieferte einen ebenso raffinierten wie stilvollen Rahmen für diesen Abend. Der Comte muss ganz hervorragende Verbindungen haben.«

Erneut versuchte Momboisse vergeblich, seinen Stolz über das Lob zu verbergen. »Oh, die hat er auch«, antwortete er kichernd. »Aber natürlich ist es für die Sybarites ein Leichtes, nützliche Verbindungen zu hochrangigen Mitgliedern aus Politik und Klerus herzustellen. Welcher Mensch von Verstand wäre nicht entzückt, unserer erhabenen Rasse zu Diensten zu sein?«

»Selbstverständlich«, pflichtete ich ihm bei. »Aber läuft man bei den schwachen Menschen – erst recht, wenn man ihnen gestattet, Mensch zu bleiben – nicht Gefahr, dass sie irgendwann ihrem Hang zur Indiskretion anheimfallen?«

Momboisse tätschelte fürsorglich meine Hand. »Diese Gefahr braucht Ihr nicht zu befürchten. Unser Maître de Recrutement – in diesem Fall ist es eine Maîtresse, weil die Comtesse de Garandout dieses Amt ehrenvoll erfüllt – sorgt dafür, dass die Menschen, die uns zu Diensten sind, ihre Verpflichtungen sehr ernst nehmen. Besteht dennoch einmal der Verdacht auf eine Indiskretion, so wird diese Gefahr von ihr im Keim erstickt.«

Francisco zwang sich zu einem anerkennenden Lächeln. »Es klingt ganz so, als seien die Sybarites de Sang perfekt organisiert.«

»Jahrhundertelange Übung macht nun mal den Meister«, antwortete Momboisse grinsend.

Nun gab ich vor, ein wenig zappelig zu werden und schalt meine Mitstreiter. »Jetzt haben wir den armen Marquis wirklich genug mit Fragen gelöchert.« Dann wandte ich mich noch einmal aufgeregt an Momboisse. »Monsieur verratet mir doch, wann wir an der nächsten Veranstaltung teilnehmen dürfen? Wird es wieder ein Festbankett sein? Oder welche raffinierten Lustbarkeiten hat der Maître de Divertissement noch im Angebot?«

Momboisse lächelte mich strahlend an. »Ich dachte schon, Ihr würdet mich dies nie fragen Mademoiselle. Die Sybarites veranstalten 14-täglich Festbankette und 14-täglich Hetzjagden im Bois de Vincennes, also im wöchentlichen Wechsel jeweils ein Bankett und eine Hetzjagd.«

»Hetzjagden?«, fragte ich erstaunt.

Er zwinkerte mir vergnügt zu. »Natürlich, meine Liebe. Wir wollen unseren Mitgliedern doch das Vergnügen nicht nehmen, ihre Beute auch regelmäßig selbst erlegen zu können.«

»Aber ist das nicht viel zu auffällig?«, gab Miguel zu bedenken.

»Selbstverständlich nicht, teurer Freund! Es wird von uns immer alles tadellos vorbereitet und das Gelände entsprechend abgesichert.«

Momboisse wandte sich wieder mir zu. »Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch diverse andere Veranstaltungen wie zum Beispiel Orgien oder kleine Schaukämpfe. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei und wir achten darauf, dass keines der Gelüste unserer Mitglieder unbefriedigt bleibt. In den nächsten Tagen wird Ihnen unser monatliches Programm ins Haus flattern.«

Maddy gab Momboisse in gespielter Herzlichkeit die Hand. »Monsieur, ich spreche mit Sicherheit für uns alle, wenn ich Euch sage, dass wir diesen Veranstaltungen mit großem Vergnügen entgegenblicken.«

Daraufhin verabschiedete sich Momboisse mit einem vergnügten Augenzwinkern von uns allen und versprach, uns für weitere Fragen jederzeit mit Rat und Tat beiseite zu stehen.

Francisco sah ihm nachdenklich hinterher. »Wenn er nicht so widerwärtig wäre, könnte man ihn glatt für sympathisch halten.«

 

Wie von Momboisse vorhergesagt, brachte uns am übernächsten Tag ein Bote das umfangreiche monatliche Veranstaltungsprogramm der Sybarites. Es enthielt die Termine und Örtlichkeiten für die von Momboisse erwähnten Festbankette und Hetzjagden sowie weitere Hinweise auf diverse Veranstaltungen, darunter verschiedene Orgien, Vorführungen und Ausflüge. In einem Begleitschreiben erläuterte Momboisse uns, dass die Teilnahme bei den meisten Veranstaltungsarten freiwillig war, abgesehen von den Levers und den Chambres Ardente.

Bei den Levers handelte es sich um Morgenempfänge des Duc de Longueville, die dieser einmal im Monat in seinen Privatgemächern abhielt. Hierbei hört er sich die Belange seiner Mitglieder an und traf wichtige Entscheidungen, während er seiner Morgentoilette nachging.

Die Chambres Ardente waren Gerichtsverhandlungen unter dem Vorsitz des Ducs, die abgehalten wurden, wenn ein Mitglied maßgeblich gegen die Regeln der Sybarites verstoßen hatte. Den Erläuterungen Momboisses zufolge fanden Verhandlung, Urteilsverkündung und Vollstreckung des Urteils im Rahmen einer einzigen Veranstaltung statt, für die für jedes Mitglied Anwesenheitspflicht bestand. So eine Verhandlung sollte laut Programm in zweieinhalb Wochen stattfinden.

Obwohl es uns nicht leicht fiel, vereinbarten wir mit Francisco und Miguel, zunächst keine der Veranstaltungen auszulassen, damit wir möglichst viel über die inneren Strukturen der Sybarites herausfinden konnten. Darüber hinaus sollte Francisco versuchen, sich mit der Comtesse de Garandout anzufreunden, um in Erfahrung zu bringen, welche Menschen alle in den Diensten der Sybarites standen, und Maddy beabsichtigte, über den Comte de Radisset mehr über die Mort-Vivants herauszufinden.

Es war wichtig für uns, zu erforschen, wie weit die Macht der Sybarites reichte und ob es mögliche Schwachstellen gab, die wir uns zunutze machen konnten.

 

Als Nächstes stand eine Hetzjagd im Bois de Vincennes auf dem Programm. Allem Anschein nach arbeitete der Marquis de Sourches, der als Schlossvogt den Gardes de la Prévôté vorstand und somit die Oberaufsicht über die königlichen Residenzen und Gärten hatte, auch für die Sybarites. Folglich bereitete es dem Maître de Divertissement keinerlei Schwierigkeiten, das Waldgebiet des Bois für die vierzehntäglichen Hetzjagden abriegeln zu lassen.

Wir trafen uns um Mitternacht mit den anderen Mitgliedern auf einer kleinen Lichtung, auf der der Comte de Baissac ein paar Fackeln hatte installieren und für die etwas müßigeren Teilnehmer ein paar Sessel, Chaiselongues und andere Sitzgelegenheiten hatte aufstellen lassen. Gemächlich schlenderten wir von Gruppe zu Gruppe, um andere Mitglieder zu begrüßen, deren Bekanntschaft wir schon geschlossen hatten.

Fast hätte man meinen können, dass es sich um eine zwanglose Soiree in stimmungsvollem Ambiente und nicht um ein blutrünstiges Jagdvergnügen gehandelt hätte.

Unterdessen wurde ein großer Käfig herangekarrt, in dem etwa drei Dutzend junge Männer und Frauen eingepfercht waren und sich mit schreckverzerrten Gesichtern umschauten.

Ich ließ meinen Blick über die anwesenden Mitglieder streifen, die die Ankunft des Käfigs mit beifälligem Gemurmel begrüßten. Als ich ein Stück weiter eine kleine Gruppe erblickte, in der ein Mann von vier Frauen umringt in amüsantes Geplauder vertieft war, erstarrte ich.

Der Mann war äußerst aufgetakelt, trug eine affektierte, stark gepuderte Perücke, sowie ein Lorgnon und hatte – wenn mich nicht alles täuschte – sogar ein wenig Rouge benutzt.

Dennoch bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass es sich um Giles handelte.

Maddy bemerkte, dass ich mich abrupt versteifte, und beugte sich besorgt zu mir herüber. »Was ist los?«, flüsterte sie.

»Dort ist Giles!«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Ich fühlte mich wie gelähmt.

Francisco merkte ebenfalls, dass etwas mit mir nicht stimmte, und legte schützend einen Arm um mich. Dann sah er sich stirnrunzelnd um. Ich hatte ihm nie von Giles erzählt.

Mittlerweile schien Giles meinen Blick gespürt zu haben und blickte in meine Richtung. Für einen Augenblick schien er kurz innezuhalten, dann beugte er sich schmunzelnd zu der Dame zu seiner Linken herüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Ich erkannte die Dame als Marquise d'Elineau, die uns bei unserer Aufnahmefeier vorgestellt worden war. Sie sah jetzt ebenfalls zu uns herüber, lächelte freundlich und führte Giles in unsere Richtung.

»Sie kommen hier her!«, flüsterte ich entsetzt.

»Du schaffst das«, beruhigte Maddy mich. »Wir sind alle hier.«

Nun trat die Marquise d'Elineau mit freundlichem Lächeln auf uns zu. »Mesdames und Messieurs, wenn ich Ihnen den Viscount Arlington vorstellen darf? Er ist ein alter Freund von mir aus England und hat den Wunsch geäußert, Ihre Bekanntschaft zu machen. Viscount«, sie wandte sich an Giles, »dies sind der Marqués de Alvarellos, die Marquise de Larchant, die Marquise de Fontainebleau sowie der Conde de Horcajo.«

Giles hob sein Lorgnon und beäugte mich dadurch spöttisch. »Die Marquise de Larchant? Helft doch bitte dem Gedächtnis eines alten Vampirs auf die Sprünge: Sind wir uns irgendwo schon einmal begegnet oder müsste ich Euren teuren Herrn Gemahl, den Marquis, vielleicht kennen?«

»Letzteres wird schwerlich möglich sein, da ich nie einen Gemahl hatte, Viscount«, entgegnete ich gezwungen ruhig und bemerkte ein kurzes Aufblitzen in Giles Augen. »Sollte ich Euch jedoch schon einmal begegnet sein, so muss ich mit Bedauern gestehen, dass dies wohl keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen haben muss, denn ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern«, fügte ich kalt hinzu, was von Giles mit einem blasierten Augenaufschlag quittiert wurde.

Die Marquise d'Elineau lachte amüsiert auf. »Ihr seid zwar unhöflich, meine Liebe, aber erfrischend direkt. Dabei tut Ihr dem guten Viscount unrecht: Er kann ein ganz exzellenter Gesellschafter sein.« Sie zwinkerte Giles kokett zu und ich kämpfte meine aufkommende Übelkeit nieder.

Giles hingegen musterte nachdenklich den Arm, den Francisco nach wie vor schützend um meine Schultern gelegt hatte. »Ihr seid also der Marqués de Alvarellos?«, wandte er sich ihm daraufhin mit gleichgültiger Stimme zu. »Euer Ruf als Kämpfer eilt Euch ja weit voraus. Umso erstaunenswerter finde ich es, Euch hier in unserer Mitte bei den Sybarites begrüßen zu dürfen.«

Francisco schenkte mir kurz ein zärtliches Lächeln, dann sah er Giles ruhig an. »Es war die Zuneigung zu Mademoiselle de Larchant, die mich letztendlich bekehrt hat. Und ich habe es bis heute nicht bereut.«

»Faszinierend!« Giles musterte mich erneut spöttisch durch sein Lorgnon. »Und Ihr, Mademoiselle, seid also eine begeisterte Anhängerin der Sybarites?«, fragte er mit glitzerndem Blick.

So langsam fiel die eisige Starre von mir ab. Ich wusste nicht, welches Spiel Giles hier spielte, aber ich konnte ihm beweisen, dass ich darin mindestens ebenso gut war wie er. Und so ließ ich ihn mein naives Kichern hören, während ich ihm meine verzückte Antwort gab: »Oh, Monsieur! Dieser exquisiten Gemeinschaft anzugehören, übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Alles ist so neu und abenteuerlich!«

»So? Ist es das?«, fragte Giles anzüglich.

»Nun, für Euch etwa nicht, Viscount?«, mischte sich jetzt Maddy mit ruhigem Lächeln in das Gespräch.

Giles sah sie einen kurzen Moment nachdenklich an. Dann gab er ihr freundliches Lächeln zurück. »Aber selbstverständlich, meine Teuerste.«

Bevor wir das Gespräch fortsetzen konnten, betrat der Comte de Baissac ein kleines Podest und erklärte die Jagd für offiziell eröffnet.

Er ließ den Käfig öffnen und den jungen Männern und Frauen wurde weisgemacht, dass sie eine reelle Chance hätten, ihr Leben zu behalten, wenn sie so schnell wie möglich flüchteten. Daraufhin rannten sie in heller Panik davon und die begeisterte Meute stürzte ihnen hinterher.

Maddy, Francisco, Miguel und ich verabschiedeten uns knapp von Giles und der Marquise d'Elineau, um uns eilig der Jagdgesellschaft anzuschließen. Bei unserem Aufnahmebankett hatten wir für keines der uns präsentierten Opfer mehr etwas tun können, aber wir hatten uns geschworen, wenigstens ein paar der armen Kreaturen in Sicherheit zu bringen, die uns als Beute für diese Hetzjagd dargeboten wurden.

Schon bald hatten wir einen Mann und eine Frau eingekreist, die sich in blinder Angst in die Büsche geschlagen hatten. »Bleibt ruhig!«, beschwor ich die beiden, als sie mich voller Panik anblickten.

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Francisco und Miguel. Beide nickten mir knapp zu und gaben mir damit zu verstehen, dass kein Sybarit in Sichtweite war. Daraufhin schnappte ich mir den Mann und Maddy sich die Frau und wir sprangen mit einem Satz auf den nächsten Baum. Oben im Wipfel setzten wir die beiden ab, sicherten sie mit ein paar mitgebrachten Schals und schärften ihnen ein, sich in den nächsten drei Stunden still zu verhalten. Länger würde die Hetzjagd wohl nicht dauern und bis dahin wäre es ein sinnloses Unterfangen, die Männer und Frauen von hier fortschaffen zu wollen, da das ganze Gelände hermetisch abgeriegelt war. Aber wenn sie es schafften, bis zum Ende der Jagd unentdeckt zu bleiben, hatten sie eine reelle Chance, von uns gerettet zu werden.

Auf diese Weise konnten wir zumindest noch sechs weitere Menschen vor den Sybarites verstecken. Da keines der Opfer von sich aus versuchte, einen Baum zu erklettern, fand die ganze Jagd auch nur am Boden statt und keiner der Sybarites entdeckte die von uns auf den Wipfeln deponierten Menschen.

Nach knapp drei Stunden hatten tatsächlich alle Sybarites Beute gemacht und kehrten satt und zufrieden nach Hause. Giles war ich nicht wieder begegnet.

Maddy, Francisco, Miguel und ich hingegen gingen heimlich kurz darauf in den Wald zurück und holten die Menschen von den Bäumen und verfrachteten sie in eine Kutsche, die sie an einen Ort ihrer Wahl bringen würde.

»Nur acht Menschen von über drei Dutzend«, sagte ich verbittert, als ich der Kutsche hinterher sah.

Francisco nahm mich tröstend in den Arm. »Wir haben getan, was wir konnten. Uns war immer klar, dass wir nicht jeden würden retten können.«

»Und jeder einzelne Gerettete trägt wenigstens ein bisschen dazu bei, dass ich mir nicht selbst schon wie eine widerliche Sybaritin vorkommen muss«, pflichtete ich ihm seufzend bei.

Francisco sah mich eindringlich an. »Offiziell sind wir alle jetzt Sybariten. Es ist besser, sich das tagtäglich vor Augen zu führen.«

Ich erwiderte seinen Blick gereizt. »Ich weiß! Aber ich muss es nicht auch noch genießen, oder?«

Er schaute mich ruhig an. »Dieser Viscount …«, meinte er dann, »Du kennst ihn.« Es war eine Feststellung.

»Ja«, gab ich ohne Umschweife zu.

Francisco strich mir über die Arme. »Aber du möchtest nicht darüber sprechen.« Es war ebenfalls keine Frage.

»Nein.« Ich sah ihn um Verständnis bittend an. »Es tut mir leid.«

»In Ordnung.« Er nahm mich in die Arme und wir verabschiedeten uns voneinander.

 

Am nächsten Morgen meldete Jean-Marc, mein Protegé und Diener, einen unerwarteten Besucher: den Viscount Arlington.

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Maddy und atmete einmal tief durch.

»Schick ihn bitte herauf«, bat ich Jean-Marc.

Wenig später erschien Giles bei uns im Salon. Überraschenderweise hatte er auf seine extravaganten Accessoires vom Vorabend verzichtet. Er trug weder Lorgnon, noch Perücke oder gar Rouge, nur seine Kleidung war wie gewohnt tadellos. Als die große Gestalt mit spöttischem Lächeln das Zimmer betrat, kamen schlagartig alle Erinnerungen in mir hoch. Ich betrachtete seine markanten Gesichtszüge, die unverschämt langen Wimpern, das dunkle Haar, das sich nur schwerlich in einen Zopf bändigen ließ. Es war, als hätte die Vergangenheit mich eingeholt.

Ich räusperte mich. »Nun, Giles, was verschafft uns die Ehre deines Besuches?«

Er betrachtete mich mit blitzenden Augen. »Warum so förmlich, meine Teuerste? Schließlich sind wir doch alte Bekannte, nicht war? Ja, sogar sehr gute alte Bekannte«, fügte er anzüglich hinzu.

»Der Wert von Bekanntschaften wird oft überschätzt«, gab ich kühl zurück.

Sein Blick verfinsterte sich. »Möglicherweise haben sich deine Wertvorstellungen mittlerweile verändert? Immerhin hast du es jetzt ja zur Marquise gebracht. Wobei mir allerdings schleierhaft ist, wie du das bewerkstelligt hast, wenn du doch angeblich nie geheiratet hast.«

»Es geht dich zwar nichts an, aber ich wurde adoptiert«, zischte ich, »und es war mehr ein Freundschaftsdienst meinerseits, der für mich nun mal diesen Titel zur Folge hatte.«

»Apropos: Freundschaftsdienst«, Giles Blick schwenkte nachdenklich zu Maddy und er reichte ihr die Hand, »Ihr wurdet mir als Marquise de Fontainebleau vorgestellt, doch wenn mich nicht alles täuscht, müsstet Ihr außerdem auch Gemmas gute Freundin Maddy sein, nicht wahr? Ich habe schon viel von Euch gehört.«

»Das stimmt, Viscount«, gab Maddy lächelnd zurück. »Und Ihr seid mir ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt.«

»Tatsächlich?« Giles sah mich wieder nachdenklich an.

Ich verlor die Geduld. »Was willst du?«, fuhr ich Giles an.

»Mit dir reden«, antwortete er knapp.

Maddy legte mir ihre Hand auf den Arm. »Gemma, es ist vielleicht besser, wenn ich euch eine Weile alleine lasse.«

»Gut«, knurrte ich, ohne dabei Giles aus den Augen zu lassen, der gelangweilt ein paar wertvolle Porzellanstatuetten begutachtete.

»Nun?«, fragte ich betont ruhig, nachdem Maddy die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Giles wandte sich mir mit heiterem Lächeln zu. »Offengestanden hat es mich doch einigermaßen überrascht, dich hier gestern als ein Mitglied der Sybarites angetroffen zu haben.«

»Ach, und meinst du, mich etwa nicht?«, gab ich höhnisch zurück. »Was ist passiert? Bist du doch wieder auf den Genuss menschlichen Blutes gekommen? Oder hast du deine Meinung geändert und willst auf einmal doch etwas gegen die Sybarites unternehmen?«

»Und wenn es so wäre?«, fragte er ruhig.

Ich schnappte nach Luft. Dann spürte ich, wie mich eisiger Zorn überkam. Damals war er zu feige gewesen, die Sybarites zu bekämpfen und jetzt wollte er mir plötzlich weismachen, dass genau dies sein Plan war?

»Und was hat diesen Sinneswandel bei dir ausgelöst?«, fragte ich hämisch.

»Nun, vielleicht haben sich die Umstände geändert«, antwortete er leichthin. »Damals habe ich keine Möglichkeiten gesehen, etwas gegen die Sybarites auszurichten. Inzwischen ist das ein wenig anders.«

»Und die Marquise d'Elineau hat nicht zufällig etwas mit diesen veränderten Umständen zu tun?«, fragte ich leise.

»Möglicherweise schon«, gab er zu, »aber wahrscheinlich auf andere Art und Weise, als du mir jetzt unterstellst. Sie ist tatsächlich eine sehr alte Freundin von mir. Und sie hat äußerst nützliche Kontakte.«

»Wie vorteilhaft für dich!«, höhnte ich. »So kannst Du das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«

Giles lächelte mich spöttisch an. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass du es dir weniger angenehm gemacht hättest, meine Teuerste. Allem Anschein nach ist dieser Alvarellos wohl ein sehr zuvorkommender Begleiter.«

»Was kümmert es dich, wie zuvorkommend er ist?«, fuhr ich ihn an.

Schlagartig wurde Giles ernst und packte mich an den Schultern. »Hör zu, Gemma! Ich kenne diesen Alvarellos zwar nicht näher, aber wenn er allen Ernstes zulässt, dass du dieses unkalkulierbare Risiko eingehst, dich bei den Sybarites einzuschleichen, dann kannst du ihm ja wohl nicht sehr viel bedeuten.«

Verächtlich schüttelte ich seinen Griff ab. »Unkalkulierbares Risiko! Unser Vorhaben ist sehr wohlüberlegt. Außerdem ist es jetzt ohnehin zu spät. Wie du seit gestern weißt, sind wir inzwischen alle hochgeschätzte Mitglieder der Sybarites.«

Verblüfft registrierte ich, wie Giles’ Blick einen kurzen Moment lang fast schmerzvoll erschien.

»Bist du sicher, dass du einschätzen kannst, worauf du dich hier eingelassen hast?«, fragte er leise.

»Wenn man den Teufel bekämpfen will, muss man sich wohl oder übel mit ihm verbünden«, antwortete ich kühl.

Giles sah nachdenklich aus dem Fenster. »Aber man muss achtgeben, dass man dabei seine Seele nicht verliert«, entgegnete er.

Ich sah ihn schweigend an. Nach einer Weile seufzte er und wandte sich mir wieder zu. »Hör zu, Gemma. Wir sind offenbar beide gerade ein wenig aufgebracht. Aber letztendlich verfolgen wir in dieser Angelegenheit doch dieselben Ziele. Also wäre es dumm von uns, wenn wir uns nicht zusammentun würden. Bei einem Gegner wie den Sybarites ist jeder Verbündete immens wichtig.«

»Du meinst, du willst Dich uns anschließen?«, fragte ich ungläubig.

»Ich meine, wir sollten eine Allianz bilden«, korrigierte Giles mich. »Die Marquise d'Elineau, ich, Alvarellos, Horcajo, du und Maddy. Wir sollten die Informationen austauschen, die jeder von uns bislang in Erfahrung bringen konnte, und gemeinsam besprechen, welchen Nutzen wir daraus ziehen können.«

Zögernd nickte ich. »Wahrscheinlich hast du recht. Francisco und Miguel wollen morgen Nachmittag sowieso zu einer Lagebesprechung zu uns kommen. Du könntest dich mit der Marquise d'Elineau dazugesellen.«

»Einverstanden.« Einen kurzen Moment sah Giles mich noch unschlüssig an, dann verbeugte er sich knapp und verabschiedete sich.

Kurz darauf kam Maddy ins Zimmer und sah mich fragend an. »Und?«, fragte sie besorgt.

Plötzlich brach ich in Tränen aus und Maddy nahm mich in den Arm. Ich ließ es schluchzend und verwirrt geschehen. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war.

 

Wir hatten Francisco und Miguel am nächsten Nachmittag eine Stunde früher zu uns bestellt, damit wir sie noch vor der Ankunft von Giles und Madame d'Elineau davon unterrichten konnten, dass unsere Gruppe nunmehr Verstärkung bekommen hatte. Ich ging mit Francisco ins Lesezimmer, um ihm die veränderte Situation unter vier Augen zu erklären.

Er sah mich erwartungsvoll an, als ich die Tür hinter uns schloss.

»Du hast ja vorgestern bereits bemerkt, dass ich Viscount Arlington von früher her kenne«, begann ich zögernd.

Francisco hob fragend die Augenbrauen. »Und? Hat er dich aufgesucht? Möchte er seine Bekanntschaft zu dir erneuern?«

»Nein, so verhält es sich nicht«, ich atmete tief durch. »Er hat mich zwar aufgesucht, aber ich denke nicht, dass er die Bekanntschaft zu mir – wie du es nennst – ›erneuern‹ möchte. Aber er hat die Mitgliedschaft bei den Sybarites ebenso wie wir nur zum Schein angenommen. Auch er will die Organisation bekämpfen. Und er hat vorgeschlagen, dass wir uns verbünden.«

Francisco runzelte die Stirn. »Und das hat er dir gegenüber einfach so zugegeben? Bist du dir sicher, dass du ihm vertrauen kannst?

---ENDE DER LESEPROBE---