Zeitgenossen - Pakt mit den Rittern des Dan (Bd. 3): Illustrierte Jubiläumsausgabe - Hope Cavendish - E-Book

Zeitgenossen - Pakt mit den Rittern des Dan (Bd. 3): Illustrierte Jubiläumsausgabe E-Book

Hope Cavendish

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Beschreibung

Gemma trifft ihre Freunde Maddy, Miguel und Francisco wieder. Die Begegnung mit Francisco verläuft ganz anders, als sie erwartet hätte. Ausgerechnet er hilft ihr dabei, sich über viele Dinge in ihrem Leben klarzuwerden. Bei dem Versuch, mehr über die Ritter des Dan herauszufinden, lernen Gemma und Fergus dann einen irischen Schriftsteller kennen, dessen Werk eines Tages bahnbrechende Berühmtheit erlangen wird. Sehr viel später erst tritt Giles wieder in ihr Leben und zwischen ihm und Gemma scheint sich alles verändert zu haben. Welche Rolle spielen die Ritter des Dan dabei? Wird Gemma nun einen neuen Kampf aufnehmen?

"Pakt mit den Rittern" des Dan ist der dritte Band der historischen Vampirroman-Serie "Zeitgenossen". Im Mittelpunkt der Serie steht die Vampirin Gemma, die im Laufe der Jahrhunderte erfährt, was es bedeutet, unsterblich zu sein. Sie wird zur Zeitzeugin vieler historischer Ereignisse, erlebt Kriege, Entdeckungen und Revolutionen, begegnet der Liebe, dem Kampf und dem Tod. Ihre Freunde stehen ihr dabei oft zur Seite, doch ihren Weg muss Gemma letztendlich selbst finden.

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Hope Cavendish

 

 

Zeitgenossen

Band III: Pakt mit den Rittern des Dan

 

Jubiläumsausgabe mit farbigen Illustrationen

 

Impressum

Zeitgenossen – Band III: Pakt mit den Rittern des Dan

Illustrierte Jubiläumsausgabe

Copyright © 2024 by Hope Cavendish

Rogue Books I.Service, Carolin Veiland, Franz-Mehring-Str. 70, 08058 Zwickau

[email protected]

Cover und Illustrationen: Hope Cavendish unter Verwendung von mit Midjourney erstelltem Bildmaterial

Alle Rechte vorbehalten.

Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Erlaubnis der Autorin möglich.

Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.

Die Zeitgenossen im Internet:

https://zeitgenossen-romane.de

 

Hope Cavendish im Internet:

https://hope-cavendish.de

https://facebook.com/Autorin.HopeCavendish

https://www.instagram.com/hope.cavendish

 

Inhaltsverzeichnis
Zeitgenossen
Impressum
Inhaltsangabe: Pakt mit den Rittern des Dan
Inhaltshinweise
Prolog
Nachdenklich
Literarisch
Gelassen
Verletzt
Kompromissbereit
Strategisch
Ausgetrickst
Kampfbereit
Forschend
Glossar
Weitere Informationen zu den Zeitgenossen
Danke schön!
Liebe Leserin und lieber Leser,
Wie geht es weiter?

Inhaltsangabe:Pakt mit den Rittern des Dan

 

Gemma trifft ihre Freunde Maddy, Miguel und Francisco wieder. Die Begegnung mit Francisco verläuft ganz anders, als sie erwartet hätte. Ausgerechnet er hilft ihr dabei, sich über viele Dinge in ihrem Leben klarzuwerden. Bei dem Versuch, mehr über die Ritter des Dan herauszufinden, lernen Gemma und Fergus dann einen irischen Schriftsteller kennen, dessen Werk eines Tages bahnbrechende Berühmtheit erlangen wird. Sehr viel später erst tritt Giles wieder in ihr Leben und zwischen ihm und Gemma scheint sich alles verändert zu haben. Welche Rolle spielen die Ritter des Dan dabei? Wird Gemma nun einen neuen Kampf aufnehmen?

 

Pakt mit den Rittern des Dan ist der dritte Band der historischen Vampirroman-Serie Zeitgenossen. Im Mittelpunkt der Serie steht die Vampirin Gemma, die im Laufe der Jahrhunderte erfährt, was es bedeutet, unsterblich zu sein. Sie wird zur Zeitzeugin vieler historischer Ereignisse, erlebt Kriege, Entdeckungen und Revolutionen, begegnet der Liebe, dem Kampf und dem Tod. Ihre Freunde stehen ihr dabei oft zur Seite, doch ihren Weg muss Gemma letztendlich selbst finden.

Inhaltshinweise

 

Die Zeitgenossen sind eine historische Vampirromanserie. Fans des Vampirgenres werden darum gewisse Inhaltselemente vermutlich nicht überraschend finden, sondern sie gegebenenfalls sogar erwarten. Da es dennoch möglich sein kann, dass einige Leserinnen oder Leser bestimmte Passagen beunruhigend finden könnten, möchte ich hiermit darauf hinweisen, dass dieses Buch Szenen enthält, die folgende Themen beinhalten:

Erwähnung von Blut und Verletzungen

erotische Szenen und nicht explizite Beschreibung von einvernehmlichem Sex

Erwähnung von Gefangenschaft und Folter ohne explizite Darstellung oder Beschreibung

Beschreibung von Leichen

beschreibende, aber nicht explizite Darstellung von körperlicher Gewalt gegen Erwachsene und von Tötungen

Das Thema Menschlichkeit und die Frage, inwieweit man diese als Vampir beibehält, steht bei den Zeitgenossen im Vordergrund. Darum habe ich versucht, sensibel mit den obengenannten Themen umzugehen und die Gewaltelemente kritisch zu thematisieren.

 

Prolog

 

Manchmal warf ich mir selbst eine gewisse Sorglosigkeit vor. Eine Sorglosigkeit gegenüber dem Faktor Zeit, der für einen Sterblichen doch so wichtig war. Nun gut, als Vampirin war ich natürlich unsterblich. Zumindest beinahe, denn ein paar Dinge gab es doch, die uns Vampire verletzen oder gar töten konnten. Zwar stagnierte unser biologisches Alter ab dem Moment unserer Verwandlung, wir waren gegen Krankheiten immun und unsere Selbstheilungskräfte ließen nahezu jede Verwundung in kürzester Zeit heilen.

Jedoch konnte uns ein starker Gegner, beispielsweise ein anderer Vampir, im Kampf durch eine Enthauptung töten und auch gegen Feuer waren wir keineswegs gefeit. Verwundungen, die uns durch Waffen oder Munition aus Silber zugefügt wurden, blockierten unsere Selbstheilungskräfte – dadurch wurde Silber zu einem mächtigen Instrument für unsere Feinde.

Die grausamste Art, einen Vampir umzubringen, war allerdings der Biss eines Mort-Vivants, da jener Biss einen Vampir in Sekundenschnelle altern und zu Staub zerfallen ließ. Mort-Vivants waren Kreaturen, die erst nach ihrem Tod in Vampire verwandelt wurden. Wie genau diese Verwandlung funktionierte, haben meine Freunde und ich jedoch leider noch nicht herausfinden können. Unglückseligerweise besaßen die Sybarites, eine mächtige und grausame Vampirsekte, die wir uns zum Feind gemacht hatten, Kenntnis über das Geheimnis jener Verwandlung. Zumindest wussten ein paar hochrangige Mitglieder der Sybarites, wie man einen Mort-Vivant erschafft.

Dafür wussten leider wiederum die Ritter des Dan, wie gefährlich Silber für uns Vampire werden konnte. Die Ritter des Dan waren ein Geheimbund von Vampirjägern, dessen Ziel es zu sein schien, alle Vampire komplett zu vernichten. Sie waren menschlich und besaßen erstaunlich gute Kenntnisse über uns, deren Ursprung wir uns bislang noch nicht erklären konnten.

 

Angesichts solch mächtiger Feinde war es gut, dass ich gleichfalls einige langjährige und enge Freunde hatte. Einige von ihnen kannte ich inzwischen schon ein paar Jahrhunderte lang, gemeinsam mit mir hatten sie Freud und Leid, ebenso wie manches Abenteuer erlebt – das hatte die Bande zwischen uns natürlich gefestigt.

Einer der wichtigsten Freunde war beispielsweise Giles. Er hatte mich damals in eine Vampirin verwandelt, um mein Leben zu retten, als ein paar Sybarites mich überfallen und fast getötet hatten. Meine Beziehung zu Giles war nicht unproblematisch, denn ich liebte ihn und war ihm möglicherweise auch nicht ganz gleichgültig – dennoch gab es immer wieder große Differenzen zwischen uns, die uns dazu brachten, eine Zeitlang getrennte Wege zu gehen.

In solchen Phasen suchte ich gerne das Gespräch mit meiner Freundin Maddy. Sie hatte mir als Vampirin schon ein paar Jahrhunderte voraus und unterstützte mich nicht selten durch weise Ratschläge. Francisco und Miguel waren weitere wichtige Gefährten, die uns seinerzeit im Kampf gegen die Sybarites zur Seite standen. Francisco und ich hatten damals eine kurze Affäre, da ich Giles in jener Zeit verloren wähnte. Miguel wiederum hatte sich zu dieser Zeit in Maddy verliebt und sie sich ebenso in ihn. Die beiden führten inzwischen schon seit über einem Jahrhundert eine harmonische und beneidenswerte Beziehung.

 

 

Meine vergleichsweise jüngste Freundschaft bestand mit Fergus, denn wir kannten uns erst ein paar Jahrzehnte. Fergus hatte ich über Giles kennengelernt, und seitdem ich erkannt hatte, dass er trotz seiner übermütigen Scherze ein aufrichtiger und zuverlässiger Freund war, verstanden wir uns blendend. Fergus war zudem der erste Gestaltwandler, den ich kennenlernen durfte, und die Tatsache, dass er sich bei Bedarf in einen Gerfalken verwandeln konnte, machte seine Gesellschaft immer wieder zu einem Erlebnis.

 

Alle jene Freunde waren ebenso wie ich Vampire. Ich hatte auch menschliche Freunde gehabt und bei vielen von ihnen ihren Tod miterleben müssen, was jedes Mal eine schmerzvolle Erfahrung für mich gewesen war. Im Beisein meiner Vampir-Freunde hingegen vergaß ich meine eigene Unsterblichkeit und Alterslosigkeit schon hin und wieder, da sie ja ebenso wenig alterten wie ich.

Und genau darin bestand meine eingangs erwähnte gelegentliche Sorglosigkeit. Erst kürzlich war mir wieder bewusst geworden, dass ich mich bereits sehr lange an ein und demselben Ort aufhielt und meinem Umfeld – insbesondere meinen menschlichen Freunden – langsam auffallen musste, dass ich gar nicht alterte. Der Ort war in diesem Fall meine geliebte Heimatstadt London und ich war daher mal wieder genötigt, ihn für eine Weile zu verlassen. Da Giles auf unbestimmte Zeit nach Indonesien aufgebrochen war, fiel mir dies gleichwohl nur bedingt schwer.

Wir schrieben das Jahr 1840 und ich hatte mich entschlossen, Maddy und Miguel zu besuchen, die derzeit auf Mallorca weilten. Kurz vor meiner Abreise hatte ich erfahren, dass Francisco inzwischen ebenfalls dort lebte, und war ein wenig besorgt, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Wir hatten uns nach unserer Affäre nie ausgesprochen und damals war mir auch noch nicht klar gewesen, dass meine Gefühle für ihn nie mit denen für Giles konkurrieren konnten. Trotzdem freute ich mich darauf, Francisco wiederzutreffen und hoffte, dass wir einander immer noch als Freunde in die Augen blicken würden.

Nachdenklich

Ich ging um die Hecke herum und sah, wie Francisco stolz grinsend auf einem merkwürdigen, länglichen Drahtgestell saß, an dem jeweils vorne und hinten ein großes Rad befestigt war und das von ihm offenbar über Pedale vorwärtsbewegt wurde.

 

 

Die Sonne stand weit oben am Himmel, als mein Segelschiff in den Hafen von Palma de Mallorca einlief. Die mächtige Kathedrale La Seu dominierte den Anblick der Stadt, da sie alle umliegenden Gebäude, selbst den benachbarten Almudaina-Palast, hoch überragte.

Maddy und Miguel warteten am Hafen auf mich. Miguel lächelte freundlich und Maddy grinste so freudestrahlend und fröhlich von einem Ohr zum anderen, dass ich ebenfalls mit einem Schlag gute Laune bekam.

Kaum hatte das Schiff angelegt, liefen wir aufeinander zu und umarmten uns. »Könnt ihr hellsehen?«, fragte ich die beiden lachend. »Wie konntet ihr wissen, dass das Schiff genau jetzt eintrifft? Oder habt ihr etwa die ganze Zeit am Hafen gewartet?«

»Das war gar nicht nötig!«, erklärte Maddy verschmitzt und wies auf ein paar Türme und Dächer, die rechts hinter der Kathedrale auszumachen waren. »Du kannst unseren Stadtpalast von hier aus sehen. Naja, zumindest den kleinen Aussichtsturm davon. Javier, einer unserer Diener, hatte die Order, von dort aus regelmäßig nach deinem Schiff Ausschau zu halten. Daher war es für uns ein Leichtes, rechtzeitig hier zu sein!«

 

 

So beharrlich und heiß die Sonne auch vom Himmel schien, das Gewirr der engen Gassen, das wir hinter der Kathedrale auf dem Weg zu Maddys und Miguels Haus durchschritten, durchdrang sie nicht. Die vielen großen und imposanten Stadtpaläste standen so dicht beieinander, dass sie sich gegenseitig Schatten spendeten. Als ich nach oben blickte, erschienen mir manche der Häuser so eng gebaut, dass die Bewohner zweier gegenüberliegender Paläste sich von ihren kleinen Balkonen aus die Hände hätten reichen können.

»Diese Bauweise sorgt sicherlich für wohltuende Kühle«, fragte ich Maddy interessiert, »aber ist es dadurch auf Dauer nicht ein wenig finster? Das Tageslicht wird ja fast schon komplett ausgeschlossen.«

»Das Licht hält sich an einem anderen Ort versteckt«, antwortete Maddy mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Du wirst es gleich sehen.« Mit diesen Worten deutete sie auf die schwere Holztür eines weiteren wunderschönen Palastes, die Miguel nun aufschloss. Wir durchschritten einen breiten Gang und standen im nächsten Moment in einem riesigen, lichtdurchfluteten Innenhof, der von ionischen Marmorsäulen und barocken Rundbögen eingefasst war. In der Mitte des Innenhofes stand ein wundervoller alter Steinbrunnen, drum herum waren diverse massive Tontöpfe mit Palmen und Agaven aufgestellt und von der Galerie in der ersten Etage wucherten ringsum üppige gelbe und magentafarbene Bougainvilleas in den Hof herunter. Zwei große gegenüberliegende Freitreppen führten die Galerie hinauf und an einer Seite entdeckte ich ein breites schmiedeeisernes Gitter, das auf eine Seitengasse hinausführte und offenbar für die Einfahrt von Kutschen gedacht war.

»Fast alle großen Häuser hier haben diese Innenhöfe«, erklärte Maddy, als sie meinen begeisterten Blick bemerkte, »sie ermöglichen es den Einwohnern, im Freien zu sein und dennoch etwas Privatsphäre zu wahren.«

Doch war der Innenhof nicht das einzig Eindrucksvolle an dem Anwesen von Maddy und Miguel. Es hatte zudem sehr viele bezaubernde und von den beiden sehr behaglich eingerichtete Zimmer und bot Maddy darüber hinaus ausreichend Platz für ein riesiges und umfassend ausgestattetes Laboratorium. »Auf Mallorca wächst eine faszinierende Vielfalt besonderer Kräuter und Pflanzen«, schwärmte sie begeistert. »Ich habe bei weitem noch nicht alle erkunden und untersuchen können. Allerdings ist jetzt in der heißen Jahreszeit natürlich bereits vieles davon verblüht. Aber da du ja hoffentlich erstmal ein Weilchen bei uns bleiben wirst, wirst du noch in den Genuss kommen, die üppige Blütenpracht hier im Frühjahr zu bewundern. Die Mandelblüte zum Beispiel beginnt oft schon im Februar und ihr Anblick erwärmt einem einfach das Herz.«

Maddys Worte hatten mir einen Aspekt meines Aufenthaltes hier ins Gedächtnis gerufen, der mich noch ein wenig verunsicherte. »Ich bin noch nicht ganz sicher, wie lange ich hier bleiben werde«, entgegnete ich zögernd. »Denkst du, dass meine Anwesenheit hier jedermann recht ist?«

Maddy sah mich zunächst verblüfft an. Dann begriff sie, worauf ich anspielte. »Du meinst Francisco? Naja, du weißt, dass er sein Herz nicht gerade auf der Zunge trägt, aber als er von Miguel erfuhr, dass du uns hier besuchen wirst, schien er ernsthaft erfreut zu sein.«

Skeptisch sah ich sie an. »Er weiß sicherlich inzwischen, dass ich all die Jahre mit Giles zusammengelebt habe?«, fragte ich.

Maddy nickte. »Natürlich hat er Miguel gefragt, wie es dir in der Zwischenzeit so ergangen ist. Und Miguel hat es ihm erzählt. Daher weiß er auch, dass Giles und du im Moment gerade wieder getrennte Wege gehen. Ich hoffe, dass macht dir nichts aus?« Sie sah mich unsicher an.

»Nein, selbstverständlich nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Sonst hätte Miguel ihn ja anlügen müssen. Glaubst du, dass er sich möglicherweise noch Hoffnungen auf mich macht?«

Maddy zuckte mit den Schultern. »Eigentlich wirkte er ziemlich entspannt. Er schien weder einen Groll gegen dich zu hegen, noch schien ihn deine bevorstehende Ankunft sonderlich aufzuwühlen. Aber das würde er sich vermutlich andererseits kaum anmerken lassen.«

Ich nickte zögernd. »Ich werde es wohl einfach drauf ankommen lassen müssen, wenn wir uns wiederbegegnen. Lebt er denn hier in der Nähe?«

»Er hat ein Stadthaus hier in Palma, etwas kleiner als unseres«, antwortete Maddy, »aber die meiste Zeit verbringt er in Sóller, wo er eine wunderschöne Finca und eine riesige Orangenplantage besitzt.«

Ich sah Maddy erstaunt an. »Francisco baut Orangen an?«

Maddy schmunzelte über meine Überraschung. »Ja. Allem Anschein nach hat er wohl ziemlich turbulente Zeiten erlebt, darum war es ihm ganz recht, mal ein paar ruhigere Jahre zu verbringen. Aber das soll er dir lieber alles selbst erzählen. Wenn du einverstanden bist, machen wir morgen einen Ausflug nach Sóller und besuchen ihn dort?«

Entschlossen reckte ich mein Kinn in die Höhe. »Gerne! Man soll sich seinen Herausforderungen stellen!«

Maddy kicherte. »Gemma, du hast schon in so vielen Situationen unerschrockenen Mut bewiesen. Nur, wenn es um Gefühle geht, bist du ein Hasenfuß.«

Gespielt beleidigt streckte ich ihr die Zunge heraus. Dann brachen wir beide in Lachen aus.

 

 

Etwas mühsam rumpelten unsere Kutschen die steinigen Wege in das Tramuntana-Gebirge hinauf. Wir hatten bereits eine gewisse Wegstrecke durch das Binnenland Mallorcas hinter uns gebracht, waren durch verschlafene kleine Dörfchen und an herrschaftlichen Villen und Fincas vorbei gekommen. Zu Fuß wären Maddy, Miguel und ich sicherlich schneller vorangekommen, doch so einsam war diese Gegend nun auch wieder nicht, als dass wir diese auffällige Fortbewegungsweise gewagt hätten. Dafür ermöglichte das langsame Tempo unserer Kutschen es uns wiederum, den famosen Blick auf die Berge der Serra de Tramuntana zu genießen.

Als wir schließlich den letzten Pass überwunden hatten, bot sich uns eine grandiose Aussicht auf das Tal von Sóller sowie das Städtchen selbst mit seinen großen Villen und pittoresken Häuschen und auf die vielen Orangenplantagen ringsum. Deren leuchtende Früchte wurden deutlich erkennbar, sobald wir näher kamen, und erschienen selbst mir appetitanregend, obwohl Früchte schon seit langer Zeit nicht mehr zu meinem Speiseplan gehörten.

Franciscos Finca lag etwas außerhalb und er wartete zusammen mit seiner Dienerschaft bereits vor dem Haupthaus auf uns, als unsere Kutschen langsam auf das Gebäude zurollten. Er überragte seine Dienstboten um deutlich mehr als eine Haupteslänge und mir ging durch den Kopf, dass die Funktion eines Großgrundbesitzers ihm doch viel besser zu Gesicht stand, als ich ursprünglich angenommen hatte.

Als wir ausstiegen, begrüßte er uns alle mit einer freundschaftlichen Umarmung und wies die Dienerschaft an, unser Gepäck hineinzubringen.

»Seid ihr durstig?«, fragte er dann. »Ich habe in meinem Speisesaal ein wenig frisch gejagtes Wild angerichtet.«

Er führte uns durch einen großen Innenhof, in dem, ähnlich wie bei Maddys und Miguels Stadtpalast, ein Brunnen und etliche Pflanzenkübel standen, und öffnete die Tür zu seinem Speisesaal. Der Raum war riesig und trotz der Mittagshitze überraschend kühl. Im Zentrum stand eine lange massive Holztafel, auf der diverse frisch erlegte Hirsche lagen.

Nachdem wir alle uns daran ausreichend gestärkt hatten, schlug Maddy vor: »Warum zeigst du Gemma nicht deine Plantage, Francisco? Miguel und ich kennen sie ja bereits.«

Francisco sah mich freundlich an. »Gerne! Wenn es dich interessiert?«, fragte er.

Ich konnte in seinem Blick nicht anderes als aufrichtige Freundschaft entdecken. »Doch sehr!«, antwortete ich leise.

 

 

Schon nach einem kurzen Spaziergang stellte sich heraus, dass Franciscos Plantage noch größer war, als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. So weit das Auge reichte, waren wir von Orangenbäumen umgeben. Zwar waren die Baumkronen fast alle ungefähr in Augenhöhe, da die Bäume so kurz gehalten wurden, damit die Ernte der Früchte einfacher war. Dennoch war der üppige Anblick beeindruckend.

»Ich habe mir dich zunächst eigentlich gar nicht so recht als Plantagenbetreiber vorstellen können«, offenbarte ich Francisco, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander spaziert waren.

»Offen gestanden entstamme ich sogar einer langen Ahnenreihe von Großgrundbesitzern oder von ›Grandes‹, wie sie bei uns in Spanien heißen«, entgegnete Francisco lächelnd. »Die Grandes waren im Besitz königlicher Lehen, die sie vom König für Dienste an der Krone erhalten hatten. Mich hatte es jedoch von jeher gelangweilt, mich um die Verwaltung unserer Ländereien zu kümmern, einen ordentlichen Kampf hätte ich dem jederzeit vorgezogen. Und so verkaufte ich nach dem Tode meiner Eltern alles und zog in die Welt hinaus.«

»Und wie kommt es dann, dass du jetzt doch sesshaft geworden bist?«, fragte ich neugierig.

»Nun, ich lebte ja mittlerweile schon einige Jahrhunderte so«, erwiderte Francisco schmunzelnd, »und irgendwie war ich schließlich doch eines Tages des Kampfes ein wenig überdrüssig. Unser Kampf gegen die Sybarites war ja wenigstens noch eine gute Sache gewesen, wenngleich er eher im Verborgenen stattfand. Aber danach verlief mein Leben dann indes etwas zielloser.«

»Magst du mir davon berichten?«, fragte ich vorsichtig.

Francisco zuckte mit den Schultern. »Sicher, warum nicht. Ich blieb seinerzeit noch bis 1720 bei der piemontesischen Armee. Dann hatte ich genug von diesen ganzen Erbfolgekriegen. Ich hatte nur noch in Schlachten gekämpft, mit denen ich überhaupt nichts mehr zu tun hatte. Ich ging wieder in die Neue Welt, in die Spanische Kolonie Florida, doch da wurde es mir bald zu langweilig. Und so zog ich weiter südwärts bis ins Vizekönigreich Neugranada, wo ich meine Landsleute im Kampf gegen die Wayuu unterstützte, das war so um 1740. Die Wayuu sind die dortigen Ureinwohner und sie lehnten sich immer wieder gegen uns Spanier auf. Ich erkannte schließlich, dass sie dies durchaus zu Recht taten, denn meine Landsleute hatten ihnen ihr Land weggenommen und wollten ihnen obendrein unsere Religion und unsere Lebensweise aufzwingen. Ich hätte mich ebenso gegen diese Form der Unterdrückung aufgelehnt.«

Francisco zuckte erneut mit den Schultern und fuhr fort: »Also war auch dies ein Kampf, der weder meinen Interessen noch meiner Überzeugung entsprach und so brachte ich den Wayuu noch ein paar nützliche Strategien und Kampftechniken bei und zog dann wieder weiter. Ich hatte schon vor einiger Zeit Kunde von Eldorado, dem sagenhaften Goldland, erhalten und es reizte mich, mich selbst einmal auf die Suche danach zu machen, nachdem so viele bereits daran gescheitert waren.«

»Da warst du ja fast in derselben Region wie Maddy und Miguel einige Jahre später bei ihrer Forschungsreise mit Humboldt«, überlegte ich, »aber als Goldsucher kann ich mir dich nun wirklich nicht vorstellen.«

»Es war ja auch weniger das Gold, das mich gereizt hat, als das Abenteuer«, erklärte Francisco mit einem Augenzwinkern, »doch weder an noch in dem Bergsee Guatavita, in dem der Legende zufolge alle neuen Herrscher des Inka-Volkes Smaragde und Gold als Opfergaben versenkt hatten, war etwas davon zu entdecken. Es gab noch etliche weitere Legenden, die Eldorado mal als eine versunkene Stadt im Urwald, mal als einen alten Tempel interpretierten. Für keine davon habe ich irgendwelche Beweise gefunden. Da waren Maddy und Miguel mit ihrer Forschungsreise letztendlich fast erfolgreicher, da sie ja zumindest ein paar neue wissenschaftliche Erkenntnisse gemacht haben.« Er lächelte nachdenklich und machte eine kleine Pause.

»Ich war viel alleine unterwegs in jener Zeit und das machte mir auch nichts aus, denn es gab genug wilde Tiere dort, um meinen Durst zu löschen«, fuhr Francisco dann fort, »aber irgendwann bekam ich wieder das Bedürfnis nach Gesellschaft und so landete ich eines Tages schließlich in Buenos Aires, das inzwischen Hauptstadt des Vizekönigreiches des Río de la Plata geworden war.

Als die Koalitionskriege in Europa ausbrachen, besetzten britische Truppen die Stadt und so kämpfte ich plötzlich gegen deine Landsleute. Anschließend begann der Unabhängigkeitskampf in Buenos Aires und ich konnte es noch verstehen, dass die Bevölkerung endlich selbständig sein und nicht länger vom spanischen Vizekönig regiert werden wollte. Doch als dann Juan Manuel de Rosas an die Macht kam und die noch junge Republik wie ein Diktator führte, mochte ich nicht länger dort bleiben. Ich bekam Heimweh nach der Alten Welt, und da ich des ständigen Umherreisens ebenso überdrüssig war wie des Kämpfens, ließ ich mich hier auf Mallorca nieder, um Orangen anzubauen.

Es hat etwas sehr Befriedigendes, den ewigen Kreislauf der Natur zu beobachten und zu überwachen. Man hegt und pflegt die Pflanzen, später erntet man die Früchte und aus deren Samen zieht man dann wiederum neue Pflanzen. Meine Vorfahren haben schon damals die Ruhe und Kraft erkannt, die diesem Prozess innewohnt. Ich hingegen habe ein paar Jahrhunderte dafür gebraucht.«

Francisco bemerkte meinen leicht skeptischen Blick. »Ich will ja nicht ausschließen, dass mich eines Tages wieder die Abenteuerlust packt«, fügte er sodann hinzu, »aber momentan bin ich mit der Situation ganz zufrieden.«

»Bist du eigentlich in all den Jahren keinen Artgenossen begegnet?«, fragte ich neugierig.

»Doch«, antwortete Francisco, »einer von ihnen war ebenfalls Soldat in der piemontesischen Armee und er spielte ständig mit dem Risiko, zu offenbaren, was er war, da er seinen Blutdurst gerne bei Schlachten auslebte. Aber es blieb immer unentdeckt. Und im Vizekönigreich Peru bin ich bei meiner Suche nach Eldorado einer Azeman begegnet. Das ist eine Vampirart, die tagsüber die Gestalt einer menschlichen Frau hat und nachts die einer Fledermaus.«

»Eine Fledermaus?«, hakte ich ungläubig nach. »Ich habe das immer für ein hysterisches Gerücht gehalten. Obwohl ich ja mittlerweile selbst einen Gestaltwandler kenne …«

»Du kennst einen Gestaltwandler?«, fragte Francisco interessiert. »Woher denn? Und hast du ihn mal bei der Verwandlung beobachtet?«

Ich erzählte ihm von Fergus. »Und ich durfte tatsächlich schon einmal dabei zusehen, wie er sich verwandelt. Es ist ein faszinierender Anblick.«

»Ein Gerfalke«, sinnierte Francisco nachdenklich. »Es muss toll sein, fliegen zu können. Ich bin ein wenig neidisch auf ihn!«

»Ich auch«, gab ich zu. »Und hast du denn der Azeman bei ihrer Verwandlung zugesehen?«

»Ja, und ich war ebenso fasziniert wie du. Allerdings empfinden die Azemanes ihr Dasein als Fluch und würden es am liebsten beenden. Doch sobald eine Azeman einen derartigen Versuch unternimmt – und in Fledermausgestalt haben sie dazu die Möglichkeit, weil sie nur in Menschengestalt unverwundbar sind – werden sofort drei neue Azemanes geboren.«

»Sie werden geboren?«, fragte ich verwundert.

»Ja, sie kommen nachts als Fledermäuse zur Welt.«

»Erstaunlich! Aber anderen Artgenossen bist du nicht begegnet? Auch keinem Sybariten?«

Francisco schüttelte den Kopf. »Die Sybarites würden sich auf diesem Kontinent sicherlich nicht so wohlfühlen. Es gibt sehr viel Wildnis dort und im Verhältnis dazu noch reichlich wenig Luxus.« Er grinste mich an. »Aber nun erzähl mal, was dir in all den Jahren so widerfahren ist. Maddy hat mir ja schon von euren Erlebnissen während der Französischen Revolution erzählt. Irgendwie kurios, dass Saint-Just also ein Artgenosse von uns war und dennoch so von seiner Sache überzeugt, dass er freiwillig dafür in den Tod ging.«

»Der Mann war ein Fanatiker«, gab ich achselzuckend zurück.

»Und dann bist du mit Giles nach England zurückgegangen?«, fragte er.

Ich sah ihn unsicher an. »Ich … äh … ja, wir haben eine Zeitlang zusammengelebt.«

Francisco bemerkte meine Verlegenheit und lächelte mich etwas wehmütig an. »Gemma, ich habe schon vor langer Zeit begriffen, dass Giles deine große Liebe ist. Womöglich war es mir noch vor dir selbst klar.«

»Und du bist nicht wütend auf mich?«, fragte ich vorsichtig.

Er lächelte erneut. »Nein, wieso sollte ich? Du hast mir nie etwas vorgespielt. Und ich kann dir wohl kaum vorwerfen, dass du in jenen turbulenten Zeiten deine Gefühle selber nicht so genau kanntest. Letztendlich hätten wir zudem vermutlich gar nicht zueinander gepasst. Allerdings ist mir deine Freundschaft sehr viel wert.«

Mit diesen Worten reichte er mir seine Hand und ich ergriff sie dankbar. »Mir deine auch! Aber ich war nicht sicher, ob ich sie eventuell inzwischen verloren hätte.«

Wieder zwinkerte mir Francisco zu. »Gemma, ich glaube kaum, dass du imstande wärest, etwas zu tun, was dich meine Freundschaft kosten könnte.«

Erleichtert hakte ich mich bei ihm unter und wir spazierten eine Weile schweigend weiter.

»Ich bin allerdings nicht sicher, ob du mit deiner Einschätzung von Giles und mir richtig liegst«, nahm ich schließlich das Gespräch wieder auf. »Allem Anschein nach passen wir genauso wenig zueinander.«

»Willst du mir erzählen, was vorgefallen ist?«, fragte Francisco.

Ich berichtete Francisco von unseren Erlebnissen in London, von unserer Begegnung mit den Rittern des Dan, von meinem Engagement für die Frauenrechte und wie wenig Giles letztendlich damit zurechtgekommen war. »Offenbar sind wir einfach zu verschieden«, schloss ich.

Francisco lächelte.

»Was ist so witzig?«, fragte ich ihn stirnrunzelnd.

»Gemma, ich glaube, das Problem besteht eher darin, dass ihr beide euch zu ähnlich seid«, antwortete er nachsichtig. »Ihr seid beide recht starke und unabhängige Persönlichkeiten. Keiner von euch beiden eignet sich dazu, das Schoßhündchen des anderen zu spielen.«

»Du denkst, ich habe Giles zu einem Schoßhündchen degradiert?«, fragte ich betroffen.

Francisco schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich denke, dass er sich einfach gelangweilt hat. Du bist nicht die Einzige, die sich erst dann richtig lebendig fühlt, wenn sie für oder gegen eine Sache kämpfen kann. Und bei deinem derzeitigen Kampf fühlte Giles sich schlichtweg überflüssig.«

Nachdenklich sah ich ihn an. »Aber dann bedeutet das, dass wir nie zusammen sein können, weil wir beide Einzelkämpfer sind?«

»Nicht unbedingt«, widersprach Francisco, »aber es bedeutet, dass ihr euch beide eure Freiräume zugestehen müsst, wenn ihr euch liebt.«

Zögernd nickte ich, während wir weitergingen. Ich sah ein, dass Francisco recht hatte. Mir selbst würde es ebenso wenig genügen, mein ganzes Dasein lang einzig und nur Giles’ Geliebte zu sein. Ohne eigenes Engagement, eigene Abenteuer, eigene Erlebnisse oder Erfahrungen. Also konnte ich das schwerlich von Giles verlangen.

»Eines finde ich allerdings ziemlich interessant«, durchbrach Francisco nach einiger Zeit unser Schweigen.

»Und das wäre?«, fragte ich neugierig.

»Eure Begegnung mit den Rittern des Dan«, antwortete Francisco. »Ich bin in Florida nämlich auch auf einen von ihnen gestoßen. Fanatischer Bursche mit silberbestäubtem Schwert. Nachdem ich ihn erledigt hatte, fand ich in seinen Sachen genau so eine Münze, wie du sie beschrieben hast.«

Interessiert sah ich ihn an. »Demzufolge hat jener Anführer in London anscheinend doch die Wahrheit gesagt, als er behauptete, dass es noch mehrere von ihnen gäbe. Offenbar ist es ein Geheimbund von Vampirjägern, aber wir konnten leider nicht herausfinden, woher sie kommen oder woher sie ihr Wissen haben. War der Mann, den du getötet hast, der Einzige in der Gegend?«

Francisco nickte. »Ja. Wie ich jetzt nach deinen Informationen hinzufügen muss: leider. Ich würde gerne mehr darüber herausfinden.«

Grinsend knuffte ich ihn in die Seite. »Nun, wenn dich der Orangenanbau eines Tages doch zu langweilen beginnt, kannst du dich ja auf die Suche machen.«

Francisco erwiderte mein Grinsen. »Als ob du nicht genauso neugierig wärst. Schließlich begegnet man nicht alle Tage Menschen, die überhaupt von unserer Existenz Kenntnis haben.«

»Einige haben aber anscheinend zumindest eine leise Ahnung«, erwiderte ich nachdenklich und berichtete ihm von meiner Freundschaft zu Mary Shelley und dem Besuch von Fergus und mir in Byrons Sommer-Villa am Genfer See. Damals hatten sich die Gäste abends am Kamin die Zeit mit etlichen Schauergeschichten vertrieben und ich hatte Fergus mehr als einmal bremsen müssen, uns in seinem Übermut nicht als Vampire zu entlarven. Als alle aufgefordert wurden, eigene Geschichten zu schreiben, hatte Byrons Leibarzt Polidori eine Vampir-Erzählung zu Papier gebracht, Mary wiederum hatte eine Geschichte entwickelt, in der ein junger Schweizer namens Viktor Frankenstein einen künstlichen Menschen erschuf. Ein paar Jahre darauf wurden beide Erzählungen veröffentlicht.

Francisco hörte mir interessiert zu und grinste dann anerkennend. »Also wart ihr beide, du und dieser Fergus, womöglich die Inspiration für den ersten Vampir-Roman. Und obendrein noch Zeitzeugen bei der Entstehung von Frankenstein.«

»Mach dich nur lustig«, antwortete ich gespielt schnippisch. »Ich hatte damals große Mühe, Fergus davon abzuhalten, noch mehr ›Vampir-Kunststückchen‹ zu veranstalten!«

»Ich würde den Mann zu gerne mal kennenlernen«, erklärte er daraufhin erheitert.

 

 

Der Aufenthalt auf Franciscos Finca umgeben von duftenden Orangenbäumen tat mir gut. Ich war sehr erleichtert darüber, dass das Verhältnis zwischen ihm und mir nicht nur ungetrübt war, sondern inzwischen sogar einer entspannten Freundschaft Platz gemacht hatte. Das Örtchen Sóller war bezaubernd, der dazugehörige Hafen Port de Sóller nur einen gut einstündigen Spaziergang entfernt, ich war in der Gesellschaft meiner besten Freunde und in den umgebenden Bergen gab es noch ausreichend Wild, um unseren Durst zu löschen.

Dennoch spürte ich nach einigen Tagen immer noch eine gewisse bedrückende Rastlosigkeit, die nicht von mir weichen wollte.

Francisco schien dies ebenfalls zu bemerken. »Wie viel Zeit hast du eigentlich in den letzten Jahren alleine verbracht?«, fragte er mich eines Abends, als wir gemeinsam jagen gingen.

Überrascht sah ich ihn an. »Ich … ich weiß nicht«, überlegte ich, »im Grunde war ich fast immer in Gesellschaft von Freunden. Warum fragst du?«

»Du hast diesen Gesichtsausdruck, den ich auch an mir selbst feststellte, als ich damals in die Neuen Welt reiste: unruhig und auf der Suche nach etwas, ohne genau zu wissen, wonach.«

Ein wenig betreten stellte ich fest, dass er recht hatte. Er hatte relativ exakt meinen derzeitigen Gemütszustand beschrieben.

»Du hast dich in den vergangenen Jahrzehnten viel mit anderen beschäftigt«, fuhr Francisco fort, »hast dich um sie gekümmert, dich für sie engagiert. Dabei hast du dich selbst möglicherweise ein wenig aus den Augen verloren.«

»Und was schlägst du vor, soll ich dagegen tun?«, fragte ich ihn.

»Mal eine gewisse Zeit alleine verbringen«, antwortete er schlicht, »deine Gedanken sortieren, dich mit dir selbst beschäftigen, deine Wünsche, Ziele und Sehnsüchte erforschen.«

»Möchtest du mich wieder loswerden?«, fragte ich lächelnd.

Er lächelte zurück. »Du weißt, dass das nicht der Fall ist. Aber ich denke dennoch, dass es dir gut tun würde. Mir hatte es dereinst zumindest gut getan, als ich eine Zeitlang alleine die spanischen Vizekönigreiche in der Neuen Welt durchstreift hatte. Ich hatte viel Zeit und Gelegenheit gehabt, nachzudenken und mir über einiges klar zu werden.«

»Also soll ich die Kolonien bereisen?«

»So weit brauchst du gar nicht zu gehen. Auch Mallorca bietet eine Vielzahl an traumhaften und unberührten Flecken«, er wies auf die umliegenden Berge. »Allein die Serra de Tramuntana ist schon eine sehr abwechslungsreiche Naturschönheit. Wenn du sie einmal der Länge nach durchwanderst – am besten in menschlicher Geschwindigkeit, damit du die Muße hast, alle Ausblicke zu genießen – hast du Gelegenheit, mal wieder eins mit der Natur und dir selbst zu werden. Und dennoch würde es dich nicht allzu viel Zeit kosten, so dass wir deine Gesellschaft nicht zu lange entbehren müssten.«

»Also hast du mit diesem Vorschlag an mich und an euch gedacht?«, fragte ich lächelnd.

»Selbstverständlich«, gab Francisco schmunzelnd zu.

 

 

Ich ließ mir Franciscos Vorschlag durch den Kopf gehen. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto besser sagte er mir zu. Obgleich ich nicht sonderlich davon überzeugt war, dass es meine Rastlosigkeit beseitigen würde, so gefiel mir doch der Gedanke, die mallorquinische Landschaft einmal näher zu erkunden. Allerdings wollte ich damit noch bis zum folgenden Frühjahr warten, da es dann zum Wandern angenehm kühl sein würde und die Vegetation entsprechend grüner war und daher viel mehr Abwechslung für das Auge bot.

Und so ließ ich es im März des folgenden Jahres schließlich zu, dass meine Freunde in Port de Sóller ein Schiff anheuerten, das mich nach Port d’Andratx brachte, einem kleinen Fischerhafen am südwestlichen Ende der Serra de Tramuntana. Von dort aus wollte ich den Gebirgszug einmal der Länge nach durchwandern, einige Zwischenstationen an nahegelegenen Örtchen machen und ansonsten die frische Luft, die Landschaft und die Natur genießen.

Ich hatte mich seit langer Zeit mal wieder mit Männerkleidung ausstaffiert, zum einen, weil es für die Wanderung schlichtweg praktischer war, und zum anderen, weil ich als Mann weniger Aufmerksamkeit erregen würde, falls ich auf der einsamen Route doch mal einem Schäfer oder Jäger begegnete.

 

 

Port d’Andratx war ein winziges kleines Nest, und obwohl unser Schiff zwischen all den Fischerbooten sicherlich ein bisschen hervorstach, nahm doch niemand groß Notiz von uns, als wir im Hafen ankamen. Ich verabschiedete mich herzlich, aber kurz von meinen Freunden, denn wir alle wussten, dass wir uns ja relativ bald wiedersehen würden, und waren schon wesentlich längere Trennungsphasen gewohnt.

Maddy umarmte mich und erklärte mit einem schelmischen Zwinkern: »Mal sehen, ob du deine Sinnkrise bewältigst.«

Ich knuffte sie freundschaftlich in die Seite. »Ich habe keine Sinnkrise!«, erwiderte ich lachend. Dann machte ich mich auf den Weg. Francisco hatte mir vorab grob die Route auf einer Karte gezeigt, aber da mein Orientierungssinn recht gut war und die Serra de Tramuntana parallel zur Küste verlief, machte ich mir keine großen Sorgen. Selbst wenn ich einen oder zwei Tage länger für meine Wanderung benötigen sollte, wäre dies nicht weiter schlimm, denn ich wollte mir ja ohnehin Zeit lassen.

 

 

Von Port d’Andratx aus wanderte ich eine Weile lang durch einen Kiefernwald und fand mich schon bald auf einem Trampelpfad wieder, der wiederholt den Blick auf die wundervolle Küste freigab. Obwohl ich mir jedes Mal Zeit ließ, die Aussicht zu genießen, hatte ich eigentlich viel zu früh die nächste Etappe erreicht. Nach einer Wegbiegung lag plötzlich das Dörfchen Sant Elm unter mir. Es schmiegte sich direkt an eine kleine Bucht mit türkisblauem, kristallklarem Wasser, in der kleine weiße Fischerboote um ein vorgelagertes Inselchen herum dümpelten. Weiter hinten im Meer ragte die Insel Sa Dragonera hervor, die so hieß, weil sie sich wie ein Drache aus dem Meer erhob, und rechts hinter dem Dorf erstreckten sich die Berge der Serra de Tramuntana bis zum Horizont.

Ich umrundete Sant Elm und schließlich gelangte ich in ein abgelegenes kleines Tal, das – wie ich von Francisco wusste – Val de Sant Joseph hieß. Dort stand ein verlassenes Trappistenkloster. Francisco hatte mir erzählt, dass dort noch vor wenigen Jahren Trappistenmönche gelebt hatten, die einst vor der Französischen Revolution geflohen waren. Daher waren die Gebäude des Klosters noch entsprechend gut erhalten.

Nachdem ich ein paar weitere kleine Täler durchquert hatte, in denen trotz der abgelegenen Lage immer wieder auch vereinzelte Hütten und Terrassenfelder zu entdecken waren, bestieg ich schließlich den Mola de s’Esclop, den höchsten Berg dieses Teils der Tramuntana. Für einen Menschen wäre er etwas zu unwirtlich, um ein geeignetes Nachtlager darzustellen, aber ich beschloss, hier für eine Weile Rast zu machen, da man von hier aus einen großartigen Blick über das Gebirge hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---