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»Der äußere Ring macht dich kalt, wenn er kann.« Sie war ein süßer, kleiner Engel. Dann hat man sie fallen lassen. Zu oft. Zu tief. Sie fiel durch Schatten und Metall und als sie wieder aufgestanden ist, waren ihre Schwingen aus Dunkelheit und ihr Heiligenschein aus Stahl. Das Licht in ihr strahlte für die, die sonst niemand sah und sie folgte den Schreien, die man gern überhörte. Rache. Gerechtigkeit. Dies ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das zu einer Jägerin heranwächst, die trotz ihrer Narben ihr Herz nicht verlieren will. Einer Frau, die lernen muss, sich selbst zu lieben und an Hoffnung zu glauben. Dies ist die Geschichte von Zera. Eine feministische Origin-Story über die Überwindung sozialer Klüfte, Kindesmissbrauch und gesellschaftliche Verantwortung. Female Empowerment in einem punkigen Science-Fiction-Setting und mit einer unzerrüttbaren Freundschaft.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
TEIL I 6
1 – Nicht dazu geboren 7
2 – Warum? 9
3 – Kawumm! 10
4 – Die Jägerin und der Offizier 16
5 – Soldatinnenehrenwort 19
6 – Ärger in der Strubbelbande 22
7 – Der Soldatenjunge 24
8 – Mach es selbst! 26
9 – Grün ist eklig 28
10 – Salzteig 30
11 – Sich um sie kümmern und für sie sorgen 32
12 – Schatten und Metall 35
13 – Eklige Erwachsene 37
TEIL II 39
14 – Geht es dir gut? 40
15 – Kindersorgen 43
16 – Immer erst, wenn du älter bist 45
17 – Allein in den Straßen von Terra Town 47
18 – Jenna 49
19 – Der Babysitter 51
20 – Du darfst es niemandem sagen 53
21 – Kämpferherz 54
22 – Knispys über Terra Town 55
23 – Seit immer und für immer 56
24 – Müsli im Bett 57
25 – Der Zorn des Soldatenjungen 59
26 – Ein Fall für den Jugendschutz 61
27 – Schweigen schützt die Falschen 62
28 – Sichere Obhut 65
29 – Reue und Vernunft 69
TEIL III 71
30 – Ein Zuhause im mittleren Ring 72
31 – Weihnachten verbringt man mit der Familie 73
32 – Blut 76
33 – Erwachsenen- und Teenie-Drama 79
34 – Keine Mutter, aber ein Idol 83
35 – Die Guten und die nicht ganz so Guten 86
36 – Auf der Matte 90
37 – Puls 93
38 – Liebeskummer 95
39 – Ausbrechen für einen Tag 97
40 – Die Zukunft drängt sich auf 99
TEIL IV 101
41 – Ich muss dir was sagen 102
42 – Er gehört mir 104
43 – Ich schulde dir alles 106
44 – Die Akademie der Jagd 108
45 – Coach Brannock 109
46 – Candy 112
47 – Loran Walker 115
48 – Willkommen in der Branche 119
49 – Der äußere Ring macht dich kalt, wenn er kann 122
TEIL V 125
50 – Knoten 126
51 – Belastungsprobe 128
52 – Spezialisierung 130
53 – Kaffee wird am besten kalt serviert 132
54 – Kein Date im Abgefahren 134
55 – Nur fast perfekt 138
56 – Die Prinzessin und der Söldner 142
57 – Gründe 147
58 – Leadership 151
59 – Ganz objektiv 155
60 – Der beste Freund 159
61 – Highwaywaffeln und Bernstein 162
62 – Die Sache mit der Angst 164
63 – Zwiebeln und Erdbeeren 167
64 – Engel 169
65 – Das Anwesen der Leocadius 173
66 – Ich gehöre nicht hierher 177
67 – Wie ein Schlag ins Gesicht 180
68 – King 182
69 – Zwei sind Partner, drei sind ein Team 185
TEIL VI 186
70 – Organisieren, Motivieren, Drangsalieren 187
71 – Ein Rudel Wölfe 190
72 – Durch Armut, Dreck und Elend 192
73 – Profile 194
74 – Teambuilding 197
75 – Gut überlegt 198
76 – Racheengel 203
Leseprobe 206
Content Notes 211
Danksagung und ein paar Worte danach … 212
Für Mama und Papa.
Ihr wart mein Constantin und der Grund, warum ich keinen Constantin brauchte.
Danke.
♥
UND
Für all die kleinen und großen Mädchen, die nicht so viel Glück hatten.
Wehrt euch!
Gebt niemals auf.
♥
UND ZULETZT
Für die Männer, die mehr tun, als »Not all men« in Kommentarspalten zu hämmern und sich dann beleidigt wieder in ihre Privilegien zu kuscheln.
Für die, die Feminismus nicht als nervige Bedrohung empfinden. Für die, die bereit sind, etwas zu tun.
♥
TEIL I
Eine Kindheit voller Schatten und Metall
1 – Nicht dazu geboren
Terra VII, Terra Town – 481 Jahre n.d.L.[Fußnote 1]
Der Donner knallte direkt über ihnen, während der nächtliche Regen wie schwarze Bindfäden vom Himmel fiel. Der Frühjahrssturm jagte durch die Straßen von Terra Town und verursachte vor allem in den Armutsvierteln Schäden.
Die alte Miss Cavendale saß in ihrem Wohnzimmer und hatte trotz des unwirtlichen Wetters die Balkontüren eine Handbreit geöffnet. Ihre Stricknadeln klapperten einen regelmäßigen Rhythmus, während der bekümmerte Blick der älteren Frau auf die gegenüberliegende Wohnung gerichtet war. Dort hatte eine Sturmböe die Balkontüren weit aufgestoßen. Das Zimmer dahinter war dunkel, doch zwischen dem Grollen des Donners hörte Miss Cavendale sie schreien.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und erleuchtete den trostlosen Raum mit der Wiege. Zeraphina brüllte. Vielleicht zahnte sie. Ihr kleines Köpfchen musste hochrot sein.
Plötzlich schlug die Tür zum Kinderzimmer auf und zwei schwarzgekleidete Gestalten kamen herein. Mister und Miss Lopez. Und sie stritten wieder einmal.
Maggy Cavendale hielt in ihrem Tun inne und verfolgte ihren Streit.
»DU WOLLTEST SIE DOCH BEHALTEN!«, schrie Josy und deutete auf die Wiege. »Und jetzt willst du ohne mich auf die Jagd gehen?! Du verlogenes Arschloch!«
»Einer muss doch Geld verdienen!«, verteidigte sich Zac.
»Dann bleib du doch hier und kümmer dich um das kleine Monster!« Josy hob ihre tobende Tochter aus der Wiege und drückte Zac das Baby unsanft in die Hände. »Zeraphina am Arsch! Da ist nichts Engelsgleiches dran.« Sie stürmte aus dem Raum und Zacharias Lopez starrte überfordert auf seine brüllende Tochter. Dann legte er sie kurzerhand auf den Wickeltisch und rannte Josy nach. »Aber … ich kann das nicht!«
Miss Cavendales faltige Mundwinkel verzogen sich voller Geringschätzung, während die beiden Kopfgeldjäger ihren Streit in den Tiefen ihrer schäbigen Wohnung fortsetzten. Schließlich knallte die Tür zweimal dicht hintereinander und sie hörte das Paar unten in der Gasse.
Mitleidig blickte Miss Cavendale auf das hilflose Geschöpf, dass allein und zappelnd dort lag, wo sein Vater es so gedankenlos zurückgelassen hatte. Sie legte ihre Strickarbeit zur Seite und verließ die Wohnung.
Kurz darauf drehte sie ein paar Drähte in dem erschütternd einfachen Schloss, hielt eine Magnetkarte daran und die Tür sprang auf. Im Kinderzimmer schloss sie als Erstes die Balkontüren und drehte das Thermostat hoch. Dann stellte sie die Tasche ab, die sie inzwischen für Abende wie diesen immer griffbereit hatte, rührte die Synthmilch an und erhitzte sie. Sie nahm das Baby auf den Arm und murmelte beschwichtigend auf es ein. Doch beruhigende Worte halfen nicht gegen eine volle Windel. Also wickelte sie die winzige Zeraphina, zog ihr etwas Sauberes an und setzte sich mit ihr in die wesentlich wärmere Küche.
»Armes Phinchen«, murmelte Miss Cavendale und strich über den weißblonden, glatten Haarschopf. »In was für ein Leben wurdest du hineingeboren?«
Die Kleine gurgelte, während sie hungrig an der Flasche sog.
»Du hast recht.« Maggy Cavendale lächelte und strich über die weichen Wängchen. »Du wirst es allen zeigen, nicht wahr?«
Die grauen Augen wurden immer kleiner und fielen schließlich ganz zu. Miss Cavendale stellte die Milchflasche zur Seite und wiegte das Baby summend in ihren Armen.
Als Josy Lopez später mit einer Fahne, aber ohne ihren Mann nach Hause kam, nahm sie ihr Zeraphina wortlos ab. Sie lehnte sich gegen die Anrichte und starrte mit desillusioniertem Blick ins Leere.
»Das Kinderzimmer war kalt. Ihr müsst die Balkontüren reparieren und die Heizung höher stellen«, sagte Miss Cavendale streng.
Josy nickte mechanisch. »Ich kümmere mich darum.«
»Wo ist Zac?«
»Zum Raumhafen.« Trotz und Wut flackerten in Josys eisblauen Augen auf. »Er geht auf die Jagd. Ist das nicht unfair? Ich wollte abtreiben, aber er … er meinte, wir schaffen das. Und jetzt geht er und hat seinen Spaß, während ich … Das ist so ungerecht.«
»Hör auf zu jammern!«, fauchte Miss Cavendale wütend. »Du hattest die Wahl und hast sie getroffen. Jetzt hast du eine Verpflichtung gegenüber diesem Kind, Josephina!«
Die Jägerin blickte verzweifelt auf ihre Tochter und in ihren Augen stand klar und deutlich: Ich kann das nicht. Schließlich zog sie eine Schublade auf, griff hinein und reichte Miss Cavendale eine Schlüsselkarte. »Für die Wohnung. Dann musst du nicht immer einbrechen.«
Maggy Cavendale zögerte kurz, doch dann nahm sie den zerkratzten, schwarzen Gegenstand und schob ihn in ihre Tasche. Es war nicht das erste Mal, dass so etwas passierte. Und es würde nicht das letzte Mal sein. Dieses kleine Geschöpf würde sie brauchen. Wenn sie ihr nicht half, würde es vielleicht niemand tun – oder die Falschen. Manchmal reichte es nicht, sich nur um seine eigene Scheiße zu kümmern.
2 – Warum?
»Aber ich will nicht in den Kindergarten!«
»Zera, das hatten wir schon.«
»Mama!«
Josy seufzte, drehte sich zu ihrer Tochter um und ging vor ihr in die Hocke. »Wir hatten das jetzt oft genug. Du gehst in den Kindergarten. Das ist gut für dich.«
»Steht das in deinen doofen Büchern?«
»Ja, und ich brauche die Zeit, um zur Arbeit zu gehen, verstehst du?«
»Warum?«
»Weil wir nun einmal Geld verdienen müssen, um zu leben.«
»Warum? Sterben wir, wenn du es nicht tust?«
»Nein, aber die Wohnung, Essen, unsere Klamotten, das muss alles bezahlt werden.«
»Papa geht doch Geld verdienen.«
Josy blinzelte, wünschte, ihre Tochter wäre älter und wüsste, was sie da gerade gesagt hatte, hoffte, dass aus ihrer Tochter mal eine Frau werden würde, die sich nicht in die Abhängigkeit anderer begeben würde. »Wir können Papa die Verantwortung aber nicht allein überlassen, Süße.« Sie zerrte die Schnüre von Zeraphinas Anorak nach vorn. »Komm jetzt, bitte. Wir verspäten uns.«
Zera zog eine Schnute. »Kann ich nicht mit in die Kaserne kommen? Das ist sicher viel lustiger.«
»Nein«, Josy drückte mit der Finger- auf Zeras Nasenspitze, »denn du bist noch zu jung, um Soldaten zu ärgern.«
Das Mädchen hob skeptisch die schmalen Brauen. »Aber irgendwann darf ich?«
»Irgendwann zeig ich dir, wie’s geht.«
Die Kleine kicherte, warf ihre Zöpfe nach hinten und schob ihre Hand in die von Josy. »Ich übe solang an den Jungs im Kindergarten.«
3 – Kawumm!
»Hey, Lopez!«
Josy schloss ihren Spind, sah sich um und unterdrückte ein genervtes Stöhnen, als Lieutenant Todd, der leitende Offizier, dem sie unterstellt war, auf sie zukam. Der Kerl war einfach unerträglich korrekt. »Ja?«
»Sie kommen heute mit.«
Sie hob eine Braue. »Ach … echt?«
»Echt«, echote er trocken.
Sie verzog die Lippen zu einem humorlosen Lächeln. »Wie komm ich zu der Ehre?«
»Nach allem, was wir wissen, handelt Psychedelic nicht nur mit Drogen, sondern auch mit Sprengstoff.«
»Und?«
»Und soweit ich informiert bin, sind Sie Sprengstoffexpertin.«
»Was denn? Hat das Militär keine eigenen Spezialisten?«
»Was mich angeht, sind Sie eine Spezialistin des Militärs, Miss Lopez. Zumindest habe ich das bisher sinngemäß so in ihre Soldbescheinigungen geschrieben. Oder lag ich damit falsch? In dem Fall wäre eine Teilerstattung fällig.«
»Nein, schon gut, Todd.« Sie legte den sarkastischsten Salut hin, zu dem sie in der Lage war. »Zu Befehl und so. Ich hab in letzter Zeit mindestens eine Gang zu wenig in die Luft gejagt, also kommt mir das ganz gelegen.«
Der Offizier hob eine Braue.
»Lieutenant Todd«, ergänzte sie genervt. Dieses dämliche Rängegetue! Sie wusste schon, warum sie sich unter Söldnern wohler fühlte.
»Ja …«, sagte er langsam, »und noch viel wichtiger: Wir werden Psychedelic nicht in die Luft jagen.«
»Warum nicht?«
»Weil wir sie festnehmen und der Polizei übergeben wollen, die sie wiederum vor ein Gericht führt, das dann wohl eine Haftstrafe über sie verhängt.«
Josy schob sich einen Streifen Pepperminth’s Death in den Mund. »Eine Bombe wäre so viel unbürokratischer – und, seien wir ehrlich, billiger.«
Todd verengte die Augen. Seine Miene war komplett humorlos.
Zac hätte gelacht, dachte Josy unweigerlich, und mir zugestimmt.
»Sie kommen wegen Ihrer Expertise mit, Lopez. Zum Beraten und gegebenenfalls Entschärfen. Nicht zum Sprengen. Ist das klar?«
Sie seufzte. »Klar wie Nitroglycerin.«
»Gut, dann machen Sie sich bereit und kommen in …«
Josy drehte sich um, öffnete das Schließfach wieder und zog ihren Jägergürtel heraus. Sie schnallte ihn um, schlüpfte in ihre schwarze Lederjacke und knallte die Spindtür wieder zu. »Bereit.«
Todd blinzelte. »Ist das Ihr Ernst?«
Grinsend schob sie sich an ihm vorbei. »Tja, eine Söldnerin kann immer.«
Als sie in Todds Büro trat, wartete der Rest des Teams schon. Blicke voller Abneigung prasselten auf Josy nieder, als sie sich zu ihnen gesellte, um Todds Briefing abzuwarten.
»Guten Morgen zusammen«, begann der Lieutenant, »wie Sie sehen, wird Miss Lopez uns in Ihrer Funktion als Beraterin begleiten.«
»Jetzt müssen wir uns schon mit Zivilisten abgeben«, knurrte der Typ, vor den sie sich gestellt hatte. Sein Atem kroch widerlich klebrig in den Kragen ihrer Lederjacke.
Todds Blick heftete sich auf den Mann. »Lopez ist keine Zivilistin, Huxley. Sie ist Jägerin. Damit ist sie von ihrer Qualifikation her sechs Monate und eine Abschlussprüfung vom Rang eines Sergeants entfernt, insofern sie die Uniform anlegen will.«
Josy lachte trocken auf. »Das hätten Sie wohl gern.« Sie spürte Huxleys stechenden Blick, der sich wie eine fette Schraube in ihren Hinterkopf bohrte, drehte sich um und sah ihm direkt in die Augen. »Sprich es aus, Herzchen. Was geht dir durch den Schädel?«
»Ich denke, einer Söldnerin kann man nicht trauen.«
»Du kannst darauf vertrauen, dass ich für den arbeite, der mir das beste Angebot macht. Und zu eurem Glück ist dies das Militär. Ohne mich, wer weiß, was da heute passieren würde? Ich meine, du weißt schon«, sie wedelte dramatisch mit den Fingern durch die Luft und formte eine zerberstende Kugel, »ein falscher Griff und Kawumm!«
»Wir haben bessere als dich«, ätzte er weiter.
Sie machte eine Kaugummiblase und wünschte, sie dürfte ihm hier und jetzt einfach mal in die Eier treten. Und zwar mit Anlauf. Kawumm.
»Huxley«, ging Todd dazwischen. »Sie sind heute raus.«
Der Soldat starrte den Offizier an. »Ich bin … was?«
»Von einem Mitglied des terranischen Militärs erwarte ich mehr Professionalität. Gehen Sie.«
Huxley salutierte wie der brave, kleine Soldat, der er war, und verließ Todds Büro, während dieser den Job in zermürbender Genauigkeit und einem gigantischen Erwartungshorizont vor ihnen ausbreitete.
Unweigerlich erwischte Josy sich dabei, wie sie Thomas vermisste. Er hatte ihnen ein gewisses Maß an künstlerischer Freiheit gelassen. Früher zumindest. Bevor … Sie schob die Erinnerung an ihn weg und folgte den anderen aus der Kaserne, wo sie – Im Ernst? – zu den Transportern joggten? Schnell rannte sie hinterher und fragte eine junge Soldatin: »Was soll das Gerenne? Haben wir ein schrumpfendes Zeitfenster, das mir entgangen ist?« Sie erntete ein humorloses Stirnrunzeln.
»Das machen wir immer so.«
»A-ha.« Angenervt kletterte sie hinter den anderen in den Truppentransporter. Sie hatte sich kaum angeschnallt, da glitten die Türen zu und die unangenehmste Fahrt aller Zeiten begann.
Nach einigen paar Minuten hielt Josy das spröde Schweigen nicht mehr aus und fragte gerade heraus: »Mal ehrlich, ist die Stimmung hier vor einem Einsatz immer so im Keller oder liegt’s an mir?«
»Es liegt an dir«, antwortete der Soldat ihr gegenüber brüsk und sie musterte ihn interessiert. Raspelkurze Frisur, reizloses Gesicht, Fähnrichabzeichen.
»Ehrlichkeit. Wie erfrischend, Diaz.«
»Huxley war auch ehrlich. Das fandest du nicht so erfrischend.«
»Huxley hatte es nicht drauf, auf dem schmalen Grat zwischen Ehrlichkeit und Beleidigung zu balancieren. Und, nur zur Erinnerung, nicht ich habe ihn rausgeworfen.«
»Hey!« Eine Soldatin weiter vorn beugte sich vor. »Versuchst du jetzt, uns gegen den Lieutenant aufzubringen?«
Josy verzog verständnislos das Gesicht. »Nein!«
»Gut. Denn das klappt nicht.«
Oh Mann, sind die anstrengend.
Zu ihrer Erleichterung kam der Transporter in diesem Moment zum Halten.
Ein paar Sekunden später öffnete Todd die Türen. Seine Augen glitten durch den Innenraum und er musterte seine Mannschaft. »Na, noch alle am Leben oder braucht jemand ein Pflaster?«
»Zu komisch.« Josy sprang hinaus und sah sich um. Außenring. Industrieviertel. Keine Überraschung.
Sie sammelten sich in der Gasse neben einer dicken, wenn auch abgeranzten Lagerhalle, die alle paar Meter mit Piktogrammen für leicht entzündliche und schwer giftige Stoffe zugepflastert war.
»Gemütlich«, flüsterte Josy sarkastisch und wurde von mehreren Seiten ange-schhh-t. »Schon gut.«
Sie warteten, bis Todd mit den drei anderen Teams kommuniziert hatte und das Startzeichen gab. Dann begannen zwei ihrer Kollegen, das Schloss aufzubohren.
Josy beobachtete interessiert den wilden Zeichenwust auf der Brille ihrer Hackerin. »Bist du schon drin?«
Die Spitzen ihres schwarzen Bobs schwangen herum, als sie ihr einen bissigen Blick zuwarf. »Natürlich! Schon längst.« Sie deutete auf die Kameras. »Sonst hätten die uns doch bereits gesehen.«
Josy ließ eine Kaugummiblase platzen. »Ich meinte die interessanten Dinge. Server, Konten, Tresore und so.«
Die Hackerin stierte sie misstrauisch an. »Dafür braucht man eine Verfügung.«
Beinahe hätte Josy ihren Kaugummi verschluckt. Sollte das ein Scherz sein? Zac hätte den Laden längst in ordentliche kleine Würfel gehackt und durchkategorisiert. »Weißt du …«, Josy nahm den Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn unter den angewiderten Augen der Soldatin zu etlichen anderen an die Hallenwand, »euer Verein verwaltet sich noch in Grund und Boden.«
»Zugriff!«, zischte Todd.
»Na endlich!«
Die beiden Türflügel knallten gegen die Wände und das geordnete Chaos des Militärs von Terra Town strömte gleichzeitig von vier Seiten in die Halle.
»Los, Lopez!«, rief Diaz.
Sie rannten los, vorbei an Todd, der die Festnahmen überwachte. Er hatte nur einen kurzen Blick und ein grimmiges Nicken für sie, als sie an dem Wirbel vorbeistürmten, um das innere Lager zu sichern.
Josy riss ein kleines Päckchen von ihrem Gürtel, entsiegelte es und knallte die Sprengknete auf das Schloss. »Achtung!« Sie stieß Diaz zurück und drückte sich seitlich gegen die Wand.
Staub wirbelte auf und die Tür brach in zwei Hälften.
»Äh …«
»Komm schon, Diaz!«
»Das war so nicht geplant!«
»Aber lustig.« Sie löste sich von der Wand.
»Hast du dafür eine Erlaubnis?«
»Aber klar doch.« Sie trat die Türhälften weg und beide rissen sie ihre Waffen hoch.
Diaz stürmte vor. »Im Namen des Militärs von Terra Town, Hände hoch und ergeben Sie sich!«
Und der Preis für den langatmigsten Spruch geht an … Josy folgte dem Fähnrich in den kleinen Lagerraum und sah sich aufmerksam um. Ein anerkennendes Pfeifen entwich ihr. »Uuhhh! Hier hat Psychedelic den netten Kram.«
»Unter nett stelle ich mir etwas anderes vor.« Diaz drückte den bereits überwältigten Wachmann mit der Brust gegen die Wand und zog ihm die Hände auf den Rücken, um ihn festzunehmen. Dann: »Lopez!«
»Was ist?«
»Bombe!« Er riss den Jackenstoff zur Seite und Josy zog die Brauen hoch.
»Ups. Tick tack.«
01:47
01:46
01:45
01:44
Josy nahm einen grünen Streifen Pepperminth’ Death aus der Tasche und schob ihn sich zwischen die Lippen, während sie den Kabelsalat betrachtete. Scharf und minzig entfaltete der Geschmack seine Wirkung.
01:02
01:01
01:00
00:59
»Lopez?«, ächzte Diaz atemlos.
»Keine Sorge.« Josy zog einen zierlichen Schraubendreher und eine kleine Schere von ihrem Gürtel, während ihre Augen die Logik hinter dem scheinbaren Wirrwarr aus Kabeln entschlüsselten. »Ich hab eine kleine Tochter.«
00:44
00:43
00:42
00:41
»Und?« Diaz presste den Mann fester gegen die Wand, als der zu zappeln begann. »Was soll das bedeuten?«
»Das bedeutet …«
00:29
00:28
00:27
00:26
Josy folgte mit der gespreizten Schere dem entscheidenden Kabel, »… dass ich um vier am Kindergarten sein muss, sonst kann ich mir was anhören. Ah, guck mal.« Leise summend folgte sie dem kotzgrünen Kabel. »Hm-hm-hm, schnippi-schnippi-schnipp.« Sie kappte das Ding und verkniff es sich, Boom zu brüllen. »Fertig.«
***
Todd schloss die Tür hinter der letzten Ladung Psy und wandte sich mit der Art zufriedenem Gesichtsausdruck, die nur ein Tag erfolgreicher Arbeit hervorrufen konnte, zu der Jägerin um. »Geschafft! Leider sind uns die Bosse entkommen.«
»Das wundert Sie nicht wirklich, oder? Um Gangbosse wie die von Psychedelic auszuschalten, müssen Sie sich die Hände dreckig machen.«
»Wir wollen sie nicht ausschalten, sondern sie vors Gericht bringen.«
»Und genau deshalb werden Sie sie nicht kriegen. Nicht, solange sie nach den Regeln spielen.«
»Ich verstehe, warum Sie das so sehen. Aber wir werden sie kriegen. Das Hauptquartier ist schon dran.« Er lächelte Josy auf diese nervtötend aufrichtige Art an. »Das war sehr gute Arbeit, Lopez. Kommen Sie. Fahren wir zur Kaserne und machen Feierabend.«
Eigentlich musste Josy nicht zur Kaserne. Ihr Spind war leer. Alles, was sie heute Morgen mitgenommen hatte, trug sie bei sich oder war in Zeras rosa Rucksack. Tatsächlich lag ihre Wohnung nur zwei Blocks von hier entfernt. Allerdings war der Kindergarten näher an der Kaserne, also würde sie wohl eine Fahrt mit Todd in Kauf nehmen.
Formvollendet hielt er ihr die Tür auf – natürlich tat er das – und Josy hatte Mühe, sich einen spitzen Kommentar über menschgewordene Klischees zu verkneifen. Er schob sich neben sie auf den Fahrersitz, schnallte sich an und wollte gerade den Wagen starten, als sein Kommunikator piepte und einen Anruf ankündigte. Er tippte darauf und nahm an. »Todd?« … »Was?« … »Was soll das heißen: geschlagen?« … »Ist gut.« … »In einer halben Stunde kann ich da sein.«
Josys Kommunikator piepte und zeigte eine Nachricht vom Kindergarten an.
Guten Tag Miss Lopez,
bitte kommen Sie möglichst zeitnah in den Kindergarten und für ein Gespräch in mein Büro. Ihre Tochter hat sich mit einem anderen Kind geschlagen.
Freundliche GrüßeMiss Rhosynnau, KiTa-Leiterin
»Nicht zu fassen!« Todd atmete konzentriert durch. Seine Finger umklammerten die Steuerung des Gleiters.
»Was ist los?«, fragte Josy mit einem flauen Gefühl im Magen.
»Mein Sohn hat sich geprügelt.«
Shit! Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass … »Ihr Sohn geht nicht zufällig in die Kita Strubbelbande?« Bitte, bitte, bitte, lass ihn nein sagen.
»Woher wissen Sie das?«
FUCK! Josy deutete auf ihren Kommunikator. »Meine Tochter hat sich auch geprügelt. Ich soll ins Büro der Leiterin kommen.«
Der Offizier starrte sie verdattert an, ehe er sich wieder zusammenriss. »Gut. Dann … bringen wir das Psy zur Kaserne und holen uns anschließend gemeinsam unsere Standpauke für elterliches Versagen ab.« Er startete kopfschüttelnd den Wagen. »Geprügelt. Ich glaub’s nicht.«
4 – Die Jägerin und der Offizier
Constantin Todd und Josy Lopez saßen im Büro des Kindergartens Strubbelbande und begegneten dem Blick von Miss Rhosynnau, der Leiterin der Tagesstätte.
Ihre ruhigen, grünen Augen wanderten von Josy in ihrem Bikeroutfit zu Todd in seiner Uniform. »Ihr Sohn ist ein lieber Junge, Lieutenant Todd. Gefestigt. Höflich. Aber etwas ernst und ruhig – bisweilen ängstlich.« Die Erzieherin sah zu Josy, die sich auf ein vernichtendes Urteil gefasst machte. »Ihre Tochter hingegen ist laut, unverschämt und unsicher.«
Ungläubig hob sie die Brauen. »Zera ist doch nicht unsicher!«
»Sogar sehr unsicher. Elias hat ihr etwas von seinem Pausenessen angeboten und damit konnte sie überhaupt nicht umgehen. Sie hat ihn, regelrecht kratzbürstig, zurückgewiesen, es kam zu Streit, Rangeleien und schließlich hatte Elias Nasenbluten.« Sie faltete die Hände und schien sich ihre nächsten Worte sorgfältig zurechtzulegen. »Ihre Tochter ist erst vier, Miss Lopez, und sie erwartet von allen immer nur Schlechtes. Daran müssen Sie dringend arbeiten.«
»Ich werde ihr nicht beibringen, naiv durch die Welt zu gehen und immer zuerst«, sie hakte unsichtbare Anführungszeichen in die Luft, »das Gute im Menschen« zu sehen. Ein Mädchen wie sie hat in dieser Gesellschaft zu viele Feinde und ich werde nicht dafür sorgen, dass sie ihnen blind in die Arme läuft.«
»Dem würde ich mich auch entschieden entgegenstellen«, sagte Miss Rhosynnau ruhig. »Aber Zeraphina ist heute auf einen Jungen losgegangen, weil er ihr ein Stück Apfel angeboten hat, und ich sage es in aller Klarheit: Wenn ihre Tochter überall Feinde sieht, wird sie im Leben gar keine Freunde haben.«
Josy fuhr sich durch die nach hinten gebundenen, blau-blonden Strähnen und starrte die Erzieherin eisig an. Wut durchzuckte sie. Was wusste sie schon? Sie hatte ihr Leben im Griff. Wenn sie da raus ging, sah sie nicht in jedem Schatten jemanden, der noch eine Rechnung offen hatte und diese mit dem Blut ihrer Tochter zu bezahlen gedachte. Josy spürte Todds Blick auf sich. Warum war er eigentlich noch hier? Das hier ging ihn gar nichts an. Sollte er sich seinen Vorzeigejungen schnappen und zu seiner Vorzeigefrau in seinem Vorzeigehaus fahren. Josy sah wieder Miss Rhosynnau an. »Ich werd sehen, was sich machen lässt. War’s das jetzt?«
»Nein.« Die Leiterin der Strubbelbande spreizte ihre Finger und faltete sie wieder ineinander. Sie sah zu Todd und wieder zu Josy. »Ihre Tochter kanalisiert ihre Unsicherheit in Wut. Das ist nicht unüblich bei Kindern, die in einem konfrontationsgeladenen Umfeld aufwachsen.« Die Frau schaute zurück zu Todd. »Genauso, wie es häufig vorkommt, dass Kinder aus sehr behüteten Haushalten sich nicht durchsetzen können.«
Josy verkniff sich ein hämisches Grinsen. War ja klar, dass sein Sohn ein verhätscheltes Weichei ist.
Todd hingegen lehnte sich zurück und schien die Worte der Erzieherin mit nachdenklicher Faszination hin- und herzuwälzen, ehe er sich zu Josy drehte. »Klingt so, als könnten die beiden eine Menge voneinander lernen.«
Die Jägerin schnaubte, wohingegen die Erzieherin wohlwollend nickte.
»Genau darauf wollte ich hinaus.«
Todd blickte sie weiter unbeirrt an. »Wie wär’s, wenn Zeraphina morgen mit zu uns zum Spielen kommt? Oder Elias geht mit zu Ihrer Tochter, wenn Ihnen das lieber ist.«
Josy seufzte genervt. »Sie wollen, dass sie ihn frisst, oder?«
»Miss Lopez, Sie sollten mit einem guten Beispiel vorangehen, sonst kopiert Zeraphina Ihre Ablehnung«, warf Miss Rhosynnau mahnend ein.
Josy sah sie an und schob ihr todesgrünes Kaugummi von einer Wange in die andere. »Ich arbeite mit diesem Klischee eines Uniformträgers – jeden Tag.«
»Für«, warf Constantin ein, »um nicht zu sagen: Unter.«
Josy knirschte mit den Zähnen. »Er ist die selbstgerechteste Nervensäge, die ich je das Pech zu treffen hatte, und wie Sie sehen, hat er weder ein Veilchen noch eine blutige Nase. Ich finde das äußerst beispielhaft.«
Die Erzieherin lächelte müde. »Nehmen Sie den Vorschlag an, Miss Lopez. Wer weiß, was daraus erwachsen kann?« Damit entließ sie die beiden ungleichen Elternteile, indem sie sich mit ihrem unbeirrbaren Lächeln von ihrem Stuhl erhob.
Die Jägerin und der Offizier traten aus dem Büro und blickten einen Moment auf eine Wand voller krumm-schiefer Kinderbilder.
»Sie glauben wirklich, dass das funktioniert, was?« Aus dem Augenwinkel sah Josy, wie er sich ihr zuwandte.
»Sie etwa nicht?«
Josy begegnete seinem Blick, so sanft und geduldig und frei von den Schrecken, die ihre Augen gesehen hatten. »Ihre Welt und meine vertragen sich nicht, Todd. Sie gehören nicht zusammen. Meine Tochter kann noch so oft mit Ihrem Vorzeigesöhnchen spielen, die Leute werden nie vergessen, wo sie herkommt.«
»Ist es nicht anstrengend, so negativ zu denken?«
Sie schnaubte. »Ist es nicht zermürbend, andauernd mit dem Kopf gegen die Realität anzurennen?«
»Ich bin ein Dickschädel. Und mein Kleiner übrigens auch.«
»Ach … ich dachte, er ist ein Angsthase.«
»Das eine schließt das andere doch nicht aus.«
Mit einem Augenrollen wandte Josy sich ab und sah zu den Garderoben, wo Zera Todds Jungen mit Blicken erdolchte, denen er geflissentlich auswich. »Sie sind mein Boss und Rhosynnau da drin meint, es ist eine gute Idee. Auch, wenn Sie es vermutlich abstreiten, ich habe nicht wirklich eine Wahl. Versuchen wir es also, auch wenn ich glaube, dass wir den beiden damit keinen Gefallen tun. Sie sind zu unterschiedlich. Ihr Sohn hat alle Möglichkeiten und meine Tochter gar keine.«
»Man stelle sich vor, Hope Reaper hätte nach dieser Devise gehandelt. Wir würden heute in einer anderen Welt leben.«
»Hope Reaper hatte es mit einem eingeschüchterten, technologisch unterlegenen Naturvolk zu tun und nicht mit meiner Tochter.«
Er lachte. »Ich wette, Elias und Zeraphina werden ein tolles Team. Und …«, er trat neben sie, neigte den Kopf und sah sie fragend an, »… da unsere Kinder ja so gut wie Freunde sind … darf ich Ihnen das Du anbieten?
»Du darfst mich am Arsch lecken, Todd.«
»Heißt das ja?«
»Von mir aus.« Josy ging zu ihrer Tochter, kniete sich vor sie und strich ihr durch die zerzausten, weißblonden Strähnen. »Hallo, Kämpferherz.«
Statt einer Antwort bekam sie eine Umarmung.
Todds Junge, Elias, – Natürlich, wie sonst sollte so ein Reihenhaussöhnchen heißen? – rannte zu seinem Vater und hielt sich an seiner Hand fest. »Kriegen wir Ärger?«
»Nein«, der Offizier schaute die beiden Kinder an, als hätte er großartige Neuigkeiten für sie, »ihr trefft euch morgen zum Spielen.«
Sein Sohn starrte ihn an. In dem Kleinen schien mehr Sinn für die Realität zu stecken als in Todds ganzer Uniform.
»Was?« Zera funkelte den Mann böse an. »Nein!«
Sein Lächeln verrutschte nicht einen Millimeter. »Sag das nicht zu früh. Ich mache tollen Kakao. Mit Marshmallows und Sahne.«
Das Mädchen sah Josy an. »Du hast gesagt, ich soll nicht mit Fremden mitgehen.«
»Das sollst du auch nicht.«
»Auch und erst recht nicht, wenn sie mich mit Süßigkeiten locken.«
»Stimmt. Aber das ist kein Fremder. Das ist mein Boss.«
Die Kleine blinzelte Todd an. »Der faltenfreie Großkotz?«
Josy schürzte die Lippen und guckte zu ihrem Vorgesetzten. Tja, jetzt war’s auch zu spät. »Genau der.«
Der Lieutenant hob eine Braue. »Faltenfreier Großkotz?«
Sein Sohn zupfte an seinem Hosenbein. »Hör nicht auf sie. Du bist doch schon alt und hast ganz viele Falten.«
Josys Augen richteten sich auf den Kleinen, der sie unter dunklen Haaren mit den Augen seines Vaters ansah und die kleinen Finger scheu in seinem roten Halstuch verbarg. Sie lachte. »Weißt du, Todd, allmählich kann ich der Idee etwas abgewinnen.«
5 – Soldatinnenehrenwort
Constantin betrachtete das kleine Mädchen. Winzig und empört stand es auf dem Flur neben der Garderobe und klammerte sich an seiner Jacke fest. Unsicher. Wütend. Wie Miss Rhosynnau gesagt hatte.
»Zieh doch die Jacke aus«, sagte Elias.
Sofort funkelte sie ihn an. »Lass mich in Ruhe, Elyarsch!«
»Hey!«, ging Constantin dazwischen. »Keine Schimpfworte und erst recht keine Beleidigungen.«
Die beiden Kinder starrten einander kratzbürstig an.
Constantin ging neben ihnen in die Hocke. »Mit solchen Worten kannst du anderen sehr wehtun, Zeraphina.«
Trotzig sah sie ihn an und murmelte: »Ist mir egal«, doch an dem Wanken in ihrer Stimme hörte er, dass es das nicht war.
Er richtete sich wieder auf. »Lass die Jacke an, wenn du dich damit wohler fühlst. Jetzt geht hoch in dein Zimmer, Elias. Spielt etwas.«
»Aber …«
Constantin richtete den Blick auf die bockigen, dunklen Augen seines Sohnes. »Ich bin sicher, es ist genug Spielzeug für euch beide da, meinst du nicht auch?«
Der Kleine verzog die Lippen. »Doch …«
»Na siehst du. Also los! Geht spielen. Ich bringe euch gleich Kakao.«
»Ist das ein Befehl?« Zeraphina funkelte ihn herausfordernd an, die kleinen Fäuste in die Falten ihres pinken Anoraks gestemmt.
»Bist du denn Soldatin?«
»Hä? Nein!«
»Dann ist das auch kein Befehl.«
»Gut.« Die Kleine ging zur Treppe und setzte sich auf die vorletzte Stufe. Sie stütze die Ellbogen auf ihre Knie und sah demonstrativ nach vorn. »Dann warte ich hier, bis mein Papa kommt. Mama hat gesagt, er kommt heute nach Hause.«
»Gut. Wenn es dir nicht zu langweilig ist, allein zu warten …«
Elias blinzelte Zeraphina unschlüssig an und schob sich langsam an ihr vorbei. »Mein Zimmer ist das erste, wenn du hochgehst. Aber wenn du reinwillst, darfst du mich nie mehr Elyarsch nennen!« Er warf seinem Vater einen Blick zu.
Constantin nickte ihm bestätigend zu und der Junge flitzte die Treppe hoch und verschwand in seinem Kinderzimmer.
Constantin sah zu Zeraphina. »Wenn du nicht spielen willst, kannst du dich auch zu mir in die Küche gesellen.« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zum Nebenraum, der als erster vom Flur abging. »Elias müsste da noch ein paar Buntstifte haben.«
Sie schielte zu ihm hinüber, erinnerte sich wieder daran, dass sie ihn hatte ignorieren wollen, und drehte sich weg.
»Wie du willst.« Mit einem Schmunzeln verschwand er in der Küche und platzierte summend einen Topf auf der Herdplatte, um Kakao zu kochen.
***
Zera saß allein auf den Stufen im Treppenhaus von Elias’ Vater. Nebenan klimperte und schepperte es und der Duft von warmer Milch und schmelzender Schokolade waberte den Flur entlang. Ihr Magen grummelte und Spucke sammelte sich in ihrem Mund.
Am oberen Ende der Treppe wehte leise Elias’ Stimme aus seinem Zimmer.
Wär ich nur mit hochgegangen. Jetzt war es doof. Jetzt musste sie hier warten. Sie rutschte hin und her. Die Stufen waren echt hart. Nein. Ich muss warten, bis …
Das Schloss klackte und die Haustür wurde von außen aufgeschoben.
Zera starrte hoffnungsvoll darauf. Papa?
Eine elegant gekleidete, fremde Frau kam herein. Sie trug einen hellen Mantel und hochhackige Schuhe. Ihr seidiges Haar war auf einer Seite kurz rasiert und fiel auf der anderen in langen, goldenen Wellen über ihre Schulter.
Wow!, dachte das Mädchen. Sie war wunderschön. Eine richtige Dame. Bestimmt duftete sie auch ganz toll nach Parfüm.
Die Augen der Frau landeten auf Zera und das Mädchen schrumpfte in sich zusammen. Ziemlich sicher hatte es noch nie einen so einen kalten Blick abgekriegt.
»Constantin?«, rief die Frau laut, ohne den Blick von Zera zu lösen.
»Hallo, Schatz«, sagte der Lieutenant, der Zera auf einmal wie der netteste Fremde auf der ganzen Welt erschien und gab der Frau einen Kuss auf die Wange.
»Ist das«, sie betonte das Wort, als hätte sie einen Schädling vor sich, »das Mädchen, das unseren Sohn zusammengeschlagen hat?«
»Das habe ich nie so formuliert«, antwortete er mit einer gewissen Strenge und guckte dann Zera an. »Zeraphina, das ist Elias’ Mutter.«
Zera schluckte und blinzelte zu Iriz hinauf. Sie sollte hallo sagen, aber unter dem frostigen Blick fühlte sie sich wie ein Schneeengel. Kalt und stumm und leer.
»Und wie lange bleibst du … Zeraphina?«
»Ich …«
Von oben erklang wieder leise Elias’ Stimme.
»Ich … Elias hat gesagt, dass ich in sein Zimmer darf.« Zera sprang auf und lief die Treppe hoch, nur weg von dieser Frau und ihren Eisaugen. Als sie oben angekommen und zwei Schritte auf die Zimmertür zugegangen war, hörte sie unten das Geräusch von Erwachsenen, die glaubten, dass man nicht mitbekam, wie sie stritten. Zera senkte den Blick. Meine Schuld. Dann schob sie die Tür ein bisschen weiter auf.
Elias guckte sie misstrauisch an. »Du nennst mich nicht Elyarsch.«
Zera nickte hastig.
Die Stimmen unten wurden lauter.
»Nie mehr«, beharrte er.
Wieder ein Nicken.
»Soldatenehrenwort?«
Zera blinzelte. »Aber ich bin doch keine Soldatin.«
»Ich auch nicht. Aber wir könnten Soldaten spielen.« Er hielt ihr einen blinkenden Roboter hin. »Oder willst du eine von den Bösen sein?«
»Nein!« Langsam ging sie zu ihm und setzte sich zwischen ein paar Plüschtiere. »Ich will zu den Guten gehören.« Sie legte sich die Hand an die Stirn. »Soldatinnenehrenwort.«
6 – Ärger in der Strubbelbande
Am nächsten Tag kam Zera gerade vom Mädchenklo zurück, als sie ein Schluchzen hörte. Sie strich ihren linken Zopf nach hinten und guckte den Gang entlang. »Hallo?«
Jemand schniefte, antwortete aber nicht.
Zera runzelte die Stirn und tapste den Flur entlang. Sie guckte unter die Bänke und blieb schließlich an der Garderobe stehen. »Was machst du da?«
Elias kauerte zwischen den herabhängenden Jacken unter der Garderobe. Dicke Tränen rollten über seine Wangen.
»Was hast du?«
»Geh weg!«
»Warum weinst du?«
»Hau ab!«
Zera blinzelte.
Elias starrte böse zurück.
Sie tippte mit dem Finger eine Träne von seiner Wange. »Aber warum weinst du?«
»Weil …«, brauste er auf, ließ dann aber den Kopf hängen. Seine Wangen färbten sich rosa. »Die nennen mich Elyarsch.«
»Wer?«
»Na alle!«
»Und? Ist doch egal.«
»Ich hasse diesen Namen!«
»Dann sag ihnen das doch.«
»Hab ich, du …«
Zera schaute ihn unberührt an, aber er beendete den Satz nicht. Bestimmt kennt er keine Schimpfwörter. Sie kicherte und zupfte an seinem Ärmel. »Komm, wir sagen es ihnen zusammen.« Sie zog ihn am Oberarm seines Pullovers zwischen den Jacken hervor und zurück in den Raum zu den anderen Kindern.
»Hey, Elyarsch!«, rief Jonas, der Anführer der Jungs-Gruppe und Zera spürte förmlich, wie Elias hinter ihr zusammenschrumpfte.
»Mach!«, sagte sie. »Sag es ihm.«
»Nein, ist schon gut.« Er drehte sich um, die Hände in seinen Ärmeln versteckt und kaute auf dem Ende seiner Kapuzenkordel herum.
»Sei nicht so ein Angsthase!« Sie zerrte ihn zu sich herum. »Ich komm auch mit.«
»Aber …«
Zera schob ihn vor sich her, bis er direkt vor den anderen Jungs stand.
Jonas stemmte die Hände in die Seiten. »Was ist denn, Elyarsch? Warte, haha, du hast ja geheult.«
Die Gruppe brach in Gekicher aus.
Elias machte Anstalten, wegzurennen, aber Zera hielt ihn fest, schob sich an ihm vorbei und baute sich vor Jonas auf.
»Hast du nicht gehört? Nenn ihn nicht so!«
»Hä? Du hast doch angefangen!«
»Genau! Ich hab das Wort erfunden. Jetzt gehört es mir.«
»Quatsch!«
»Doch.«
»E-ly-arsch!«
Zera trat ihm auf den Fuß.
»Aua!«
Der wachsame Blick von Miss Rhosynnau richtete sich auf die Gruppe. »Alles in Ordnung da drüben?« Sie machte Anstalten, sich von ihrem Stuhl zu erheben. »Elias und Zeraphina, ihr kämpft doch nicht schon wieder?«
»Nein, Miss Rosy!«, rief Elias, die Augen groß und entsetzt.
Zera wartete, bis die Erzieherin abgelenkt war, weil Amira ihr ein Bild zeigte und drehte sich dann zu Jonas um. »Wenn ihn nochmal jemand Elyarsch nennt, sorg ich dafür, dass alle dich nur noch Jonarsch nennen. Klar?«
Die Augen des Jungen wurden groß.
»Ob das klar ist«, zischte das Mädchen, wie es es bei ihrer Mutter gesehen hatte, und sah die anderen an.
»Klar«, murmelten sie.
»Gut.« Zera ergriff Elias’ Hand, der sie nur mit offenem Mund anstarrte und zog ihn zum Klettergerüst. »Komm. Wir gehen schaukeln.«
»Wie hast du das gemacht?«
Sie zuckte die Schultern. »Mein Papa sagt, wenn man es mit einer Gruppe zu tun hat, muss man den Anführer besiegen.« Sie kletterte in die Korbschaukel, wobei sie sie ziemlich ins Wanken brachte, und klopfte auf den Platz neben sich.
Der Junge blinzelte. »Ich hätte mich das nicht getraut.«
Wieder zuckte sie mit den Schultern. »Mama sagt, wenn man Angst zeigt, hat man verloren.«
»Oh …«, er schubste die Schaukel ein kleines bisschen an, zog sich schnell hinein und plumpste neben Zera. Er setzte sich auf und senkte das Kinn. »… ich verliere dauernd.«
»Schon gut. Jetzt hast du ja mich.« Sie tippte ihn an und lehnte sich in den Schwung der Schaukel. »Wir sind jetzt Freunde, ja?«
Elias plinkerte sie an, wischte sie mit dem Handrücken übers Gesicht und lächelte. »Ja.«
7 – Der Soldatenjunge
»Papa!« Zeraphina stürmte durch den Gang auf ihn zu.
Zac grinste breit, ging in die Hocke und streckte die Arme aus.
In vollem Lauf warf sie sich hinein und schmiegte sich an ihn. »Papa.«
»Hallo, Phina«, er streichelte über ihr seidiges, weißblondes Haar und blieb an einer bunten Blitzspange hängen. »Hast du mich vermisst?«
»Ja!« Sie nahm die Arme von seinem Hals und guckte ihn böse an. »Du wolltest schon ganz lange hier sein.«
»Vor drei Tagen.«
»Sag ich doch.«
»Ich hab mich verspätet. Es war wichtig.«
»Sind ich und Mama nicht wichtig?«
»Doch, natürlich, aber …« Er seufzte. Er konnte seiner vierjährigen Tochter wohl kaum erklären, dass die Person, die er hatte töten sollen, ihm entkommen war und sich die Jagd deshalb um drei Tage verlängert und die Prämie verringert hatte.
»Papa?«
Er guckte zu ihr hinab und wie jedes Mal hatte er das unheimliche Gefühl, sich selbst in die Augen zu blicken. Grau, stechend und auf der Suche nach der Wahrheit.
»Wo warst du?«
»Arbeiten.«
»Wo arbeiten? Was hast du gemacht?«
»Das erzähle ich dir, wenn du größer bist.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und entlockte ihm damit ein mildes Lächeln.
»Sehr viel größer, Phina. Und älter.«
»Bis morgen, Zera!« Ein blasser Junge ging an ihnen vorbei. Seine kleine Hand lag in der eines Soldaten.
»Bis morgen, Elias!« Phina winkte dem Jungen nach.
Zac verengte die Augen. Nicht nur ein Soldat. Ein Offizier. Sein Blick glitt zum Kragen des Mannes. Ein verdammter Lieutenant! Misstrauisch spähte er den beiden nach und sagte schließlich: »Komm. Gehen wir nach Hause.«
Seine Tochter stemmte ihre Hände in die Hüfte und blinzelte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Aber Papa! Doch nicht so!«
»Was?« Er musterte sie. »Verstehe. Wo sind deine Sachen?« Als er es endlich geschafft hatte, Phina den Anorak und ihre gefütterten Stiefel anzuziehen – und zwar richtig herum – waren sie die Letzten auf dem Gang. »Sag mal, Phina«, begann er, während er sie an der Hand nahm und den Kindergarten verließ, »der Soldatenjunge … Wer war das?«
»Soldatenjunge? Meinst du Elias?«
»Ist er dein Freund?«
»Wir sind beste Freunde! Erst hab ich ihn gehauen, er hatte Nasenbluten und dann haben wir gespielt und er hat geweint und«, sie unterbrach ihr Geplapper, um nach Luft zu schnappen, »… ich hab Jonas weggejagt und jetzt sind wir Freunde für immer.«
Zac runzelte die Stirn. »A-ha …« Hä?
»Warum?«
»Und was weißt du noch über ihn?«
»Warum?«
»Hast du keine anderen Freunde?«
Sie ließ seine Hand los, blieb stehen und blinzelte ihn finster an. »Ich brauch keine anderen Freunde.«
»Schon gut.« Er griff sie unter den Armen und setzte sie sich auf die Schultern. »Verzeihst du mir?«
Sie lachte quietschend und grub ihre kleinen, aber verflixt skrupellosen Finger in seine hellen Haare. »Nur, wenn du rennst.«
»Halt dich gut fest.«
»JA.«
Er packte ihre Beine und rannte unter dem begeisterten Kreischen seiner Tochter die Straße runter, wo er sein Bike immer parkte, seit er sich von Miss Rhosynnau eine Predigt hatte anhören müssen, dass es fahrlässig wäre, ein so kleines Kind auf einem Suprabike mitzunehmen. Schlitternd kam er zum Stehen und Zeraphinas heiseres Lachen hallte den Gehweg entlang.
Ein Mann in billigem Anzug, Marke Büroversager, kam an ihnen vorbei und maß sie mit abschätzigen Blicken.
Phina pikte Zac in die Schulter, als er sie absetzte. »Ich glaub, der Mann mag uns nicht«, sagte sie, laut genug, dass er sie hören musste, und tatsächlich schaute der Typ schnell weg.
Zac grinste. »Das ist oft so bei Anzugfuzzis und Typen vom Militär.«
»Constantin ist immer nett zu uns.«
»Constantin?«
»Elias’ Vater.«
»Ah.« Er musste dringend mit Josy reden. Zac setzte seine Tochter vor sich aufs Bike und startete die Maschine. »Festhalten, mein Schatz.«
8 – Mach es selbst!
»Josy?«
»Hmm?«
»Wieso erlaubst du, dass unsere Tochter mit diesem Soldatenjungen befreundet ist?«
Josy schwieg einen Moment. Dann sagte sie: »Du bist zu selten hier, wenn du denkst, ich könnte bestimmen, mit wem sie befreundet ist. Sie ist erst vier, aber die Entscheidungen, die sie trifft, verteidigt sie mit eisernem Trotz. Sie hat einen verdammt sturen Willen.«
»Trotzdem ist sie nur ein Kind. Jose … Söldner und Soldaten. Ich muss dir nicht sagen, dass das eine ungesunde Mischung sein kann.«
»Du hast leicht Reden. Du gehst auf die Jagd und kriegst nicht mit, wie kompliziert es hier ist.« Sie drehte sich zu Zac um und deutete mit dem Küchenmesser auf ihn. »Der Soldatenjunge heißt Elias. Du solltest dir diesen Namen besser merken, denn Zera hat nicht vor, ihn wieder loszulassen. Und außerdem: Sein Vater …«
»… ist nett zu euch?«, fragte Zac kühl. »Das hat mir Phina schon erzählt.«
Sie starrte ihn an. »Sag mal, bist du eifersüchtig? Glaubst du, ich hab was mit ihm, oder was?«
»Ich …«
»Er ist mein Boss. Mein direkter Vorgesetzter.«
»Was?«
»Ja. Und als Zera seinem Sohn eine blutige Nase geschlagen hat, fanden er und Miss Rhosynnau, es sei eine fantastische Idee, die beiden miteinander spielen zu lassen, damit sie voneinander lernen können. Was hätte ich sagen sollen, Zac? Nein, danke? Ich tu hier mein verficktes Bestes! Wenn dir das nicht genügt, mach es doch selbst!«
Er presste die Lippen zusammen und sah sie von unten herauf an. »Du fehlst mir auch, Jose.«
»Ich …« Sie blinzelte hektisch und sah zur Seite. »Ja, tust du wohl.«
Der Jäger stand auf und trat zu ihr, was in der schmalen Küche nur einen einzigen großen Schritt erforderte. Er nahm ihr das Messer aus der Hand und legte es hinter ihr zwischen die verstreuten, roten Zwiebelscheiben. Er umschloss ihre Finger mit seinen, strich ihre Arme hoch und blickte ihr dann in die müden, blauen Augen. »Es ist nicht das gleiche ohne dich da draußen. Ohne dich … ist es einfach nur Arbeit.« Er wickelte ein paar blaue und rotblonde Strähnen um seine Fingerspitzen und seufzte sehnsuchtsvoll. »Ich vermisse es, ein Team zu haben und, bei den Sternen, ich vermisse dich und deinen Wahnsinn.«
»Ich vermisse es auch«, murmelte sie. »Noch mehr als die Jagd vermisse ich Anerkennung. Respekt. Für das, was ich bin und was ich kann. Für das Studium, das ich dafür auf mich genommen habe. Hier kämpfe ich jeden Tag nur dafür, nicht als komplette Versagerin dazustehen und in der Kaserne verachten sie mich so oder so.« Sie lächelte schräg. »Aber das beruht auf Gegenseitigkeit.« Josy hob das Kinn und guckte Zac direkt in die Augen. »Und dich … Du fehlst mir. Nicht nur die gemeinsamen Jobs, sondern einfach du. Deine Nähe. Mich abends neben dich zu legen, wie du den Arm um mich schlingst und – Himmel – wie ich unseren Sex vermisse!«
Er hob eine Braue. »Das trifft sich hervorragend, weil …«
»Mama?«
Josy schnaubte und blinzelte mit sarkastischer Miene. »Sagtest du hervorragend?«
»Irgendwann muss selbst sie schlafen«, er beugte sich zu Josy und funkelte sie mit seinen grauen Augen an, »und dann gehören Sie mir, Miss Lopez.«
Sie grinste wie das durchgeknallte Miststück, in das er sich damals auf der Akademie verliebt hatte. »Ich glaube, es ist eher umgekehrt, Mister Lopez.«
9 – Grün ist eklig
»Mama, hast du Knispys bekommen?«
»Nein, Süße. Es gab keine.«
»Auch nicht Rainbow?«
»Erst recht nicht Rainbow. Die sind immer als erstes weg.«
Phina zog eine Schnute.
»Ich weiß, dass das doof ist. Ich hab auch kein Peppermint’s Death mehr.«
Zacs sah sie erstaunt an. Josy Lopez ohne ihr geliebtes, todesgrünes Kaugummi?
Sie zuckte mit den Schultern, schob die Zwiebelscheiben in die Pfanne und zog zwei Paprika heran. »Ein Jahrhundertsturm ist über Sey Heywen hereingebrochen und hat ziemlich üble Schäden angerichtet. Jetzt gibt es Lieferengpässe.«
Er nickte verstehend, zückte eine Zigarette und wollte den Synthabac gerade anzünden, als sein Blick auf seine Tochter fiel. Er öffnete die Balkontür und trat auf die kleine Fläche, auf der ein Erwachsener bequem – oder zwei engumschlungen – Platz hatten. Fröstelnd schlug er den Kragen seines Pullovers hoch. »Gab’s da nicht auch ein Kaiwara-Dorf?«
»Ja. Und?«
Er hob eine Braue und sah sie vielsagend an? »Jetzt auch noch?«
»Soweit ich gehört habe, ja.« Josy bot ihrer Tochter ein Stück grüngelbgestreifte Paprika an. »Und sie lehnen Hilfsleistungen aus Sey Heywen ab, also kann es ihnen nicht so schlecht gehen.«
Phina rümpfte ihre kleine Stupsnase und schüttelte den Kopf, wodurch ihre Zöpfe hin- und hersprangen.
»Jetzt komm schon! Es gab nur die! Kannst du dir das Grüne nicht wegdenken?«
Phina sah sie an, als hätte Josy verlangt, sie solle aus dem Seifenspender trinken. »Grün ist eklig.«
