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Lässt sich innere Zerrissenheit "zunähen"? In diesem Buch werden zwei voneinander völlig losgelöste Geschichten erzählt. Trotz ihres unterschiedlichen Verlaufes werden die beiden Hauptfiguren Jonas und Nathanael gleichermaßen intensiv herausgefordert. Gibt es einen Faden, der stark genug ist, das zu verbinden, was getrennt ist? Es ist ein Aufruf an den Leser, sich nicht davon abbringen zu lassen, eigene Träume zu verwirklichen. Sich der Liebe hinzugeben und offen zu sein für Momente, die uns mitreißen. Mutig zu sein und sich auf den eigenen Weg zu machen. Der Leser erfährt, was es heißen kann, nicht aufzugeben. Für möglich zu halten, dass das, was uns trennt, irgendwann wieder zueinander führt.
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Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Marco Maiworm
Eine Erzählung über Träume, Liebe und Mut
©hsm healthstyle.media GmbH
Hochheim 2019
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag und Satz: AKOM.media GmbH
Titelbild: ©Jana Maiworm
eISBN: 978-3-943261-52-3
Vorwort
Erster Teil: Die verwunschene Romanze und das unerfüllte Leben
Jonas (1)
Nathanael (1)
Jonas (2)
Nathanael (2)
Jonas (3)
Nathanael (3)
Jonas (4)
Nathanael (4)
Jonas (5)
Nathanael (5)
Jonas (6)
Nathanael (6)
Zweiter Teil: Die Suche nach dem Jungen und die Tragödie der Entdeckung seiner Träume
Jonas (7)
Nathanael (7)
Jonas (8)
Nathanael (8)
Jonas (9)
Nathanael (9)
Jonas (10)
Nathanael (10)
Jonas (11)
Nathanael (11)
Jonas (12)
Nathanael (12)
Jonas (13)
Nathanael (13)
Jonas (14)
Nathanael (14)
Jonas (15)
Dritter Teil: Der Traum desjenigen, der seine Träume verwirklicht oder die Realität des Erwachten
Sieben Jahre später
Nachwort
Worum geht es tatsächlich im Leben? Was erweist sich als wirklich wichtig oder ist es vielleicht nur eine Projektion? Ergreift die Chance und ich zeige Euch die wundervollen und unerwarteten Momente, die das Leben für jeden von uns bereithält. Traut Euch, seid mutig und hört auf Euer Herz. Nicht alles muss immer gleich einen Sinn haben, denn Ihr entscheidet, worin der Sinn bestehen sollte. Auch wenn wir die Entscheidungen treffen, so brauchen wir immer Freunde oder Familie, mit denen wir sie teilen können. Die Erzählung „Zerrissen in Balance“ zeigt Euch, wie tief die Wasser der Protagonisten Jonas und Nathanael sind. Was sie verbergen und was vor ihnen verborgen wird. Welche Verbindung haben sie zueinander; oder gibt es da gar keine Verbindung? Kann man innere Zerrissenheit zunähen?
Aber worum geht es wirklich? Darum, aufzuwachen, bewusst zu leben und seine Bestimmung nicht vergraben unter der Erde zu lassen. Irgendwann stehen wir da und bereuen etwas und anstatt sich weiter damit rumzuschlagen, muss man es versuchen zu klären, obwohl man auf Widerstand treffen wird. Es geht schlichtweg darum, zu lieben, keine Angst zu haben, mutig zu sein, wohlwissend, dass man schlimm verletzt werden könnte. Dinge zu akzeptieren, die unveränderbar sind und am wichtigsten:
Seine Träume nicht aus den Augen zu verlieren!
Dieses Buch widme ich den Müttern, die denken sie wären alleine, obwohl ihre wichtigsten Menschen hinter ihnen stehen.
Ich widme es den Vätern, die sich ständig selbst neu kennenlernen und jeden Tag vor der Aufgabe stehen, sich selbst zu definieren. Wer bin ich und was macht mich aus?
Außerdem widme ich es all den Jugendlichen, die nicht wissen, wo ihre Reise hingeht. Auch wenn die Verwirklichung dieser Reise bedeuten würde, Opfer zu bringen und Hindernisse zu überwinden.
Marco Maiworm
Ich laufe die Straßen entlang und spüre den Wind, der meine nackten Beine streift. Fühle mich lebendig und zugleich verbraucht. Es war unvorteilhaft, an einem solchen Abend eine kurze Hose anzuziehen. Ich starre nur geradeaus und sehe meine Umwelt nur im Tunnelblick. Denke nicht, sondern fühle nur. Alles ist so unheimlich still um mich herum. Das Einzige, was die Stille kurzzeitig beendet, sind kurze unregelmäßige Lichtblitze und der Wind, der durch meine Ohren saust. Ich gehe die Straße weiter entlang und taumle einen kleinen Berg hinunter. Es scheint, als wären die Bäume, die mich umgeben, lebende Kreaturen. Plötzlich windet sich eines der Wesen von der Rinde eines vor mir stehenden Baumes. Die Kreatur war zunächst eins mit der Pflanze, doch nun löst sie sich und es beginnen sich Konturen in meine Richtung zu drehen. Dünne, lange Ärmchen aus Holz, ein unebener Oberkörper und massive dicke Holzfüße stehen auf dem gepflasterten Weg. Dann scheint es, als ob mich ein Auto ansehen würde. Es lebt, denke ich. Oder doch nur eine Illusion? Und dann blicke ich wieder in die leuchtenden Augen dieses Baumwesens.
Schon komisch, die Wirkung von Alkohol ist kaum einzuschätzen, denke ich. Oben am Himmel sehe ich die große runde Kugel, namens Mond, welche von mehreren Wolken verdeckt auf mich hinunterschaut. Und dann wieder diese temporären aufblitzenden Lichter.
Ich hatte einen tollen Abend erlebt.
Hatte schon wieder das Gefühl, frei zu sein. Über den Dingen zu schweben. Ein seltenes Gefühl – denn mich umgibt ansonsten ein tristes Leben.
Als ich bei Patrick zu Hause ankomme, wird mir von seiner Mutter aufgemacht. Diese, total genervt von mir, schickt direkt ihren Sohn nach unten, um sich schnellstmöglich wieder in ihren Keller zu verkriechen. Patrick hat eine weite, für ihn viel zu große Jeans an, welche er nach oben gekrempelt hat. Sein Pullover stammt aus den 80ern und kombiniert mit seiner runden Brille und seiner Kappe, sieht er aus wie eine Art „Hipster“. Er hat nun mal seinen eigenen speziellen Style. Patrick ist ein Freund aus früheren Zeiten, mit dem ich damals in der fünften Klasse gemeinsam die Schulbank gedrückt hatte. Ich bin da, um mit ihm Musik zu machen. Wir gehen nach oben und setzen uns direkt an die Instrumente. Ich ans Klavier und er auf einen Hocker aus Holz mit seiner Gitarre. Getrieben von der Lust, harmonische Klänge vereinbaren zu wollen, versuchen wir, ein eigenes Lied zu kreieren. Es ist wunderbar, wie wir es schaffen, uns ohne Worte aufeinander abzustimmen. Wir hinterlegen die klassische Musik mit modernen Beats. Währenddessen greifen wir nach allen alkoholischen Getränken, die in seinem Zimmer stehen. Erfüllt von der Stimmung, erzählen wir uns tiefsinnige Geschichten. Philosophieren über das Leben und reden über die „perfekte“ Frau. Er behauptet, von Frauen genug zu haben, dennoch schwärmt er von jemandem in seinem Umfeld. Nach einer Weile setzen wir uns ans offene Fenster und beobachten das Gewitter, das gerade an uns vorbeizieht. Wir schauen wie gebannt nach oben. Man sieht nur die einzelnen Blitze, doch der Donner bleibt aus. Vor uns die schwarze Landschaft, über die sich ein leichter schalldichter Schleier gelegt hat.
Ich wünsche mir, mit ihm eine Zigarette zu rauchen. So kommt es, dass wir gemeinsam nach draußen gehen, um selbstgedrehte, schlechte Stummel zu inhalieren. Alles ist dunkel. Ich ziehe an meiner ungefähr dritten Zigarette meines Lebens und beobachte, wie ihre Glut während des Ziehens heller brennt. Wie der Rauch aus meinen Lungen weicht und in meinem Körper ein bebendes Gefühl hinterlässt. Wie mein Kopf leichter wird und meine Sinne langsam nachlassen. Ich bin absolut kein Raucher, weswegen die Wirkung des Nikotins relativ schnell eintritt. Ich kann davon nicht genug bekommen. Nach drei Kippen fange ich an zu hinterfragen, weswegen ich das mache. Ich habe mein Abitur bestanden, denke ich. Ist dieser Rausch also nun eine Belohnung für mich. Oder bin ich tatsächlich unzufrieden mit meinem derzeitigen Leben, weswegen ich die Trauer in Alkohol und Asche tunken muss? Geht es hierbei um Genugtuung oder Bestrafung? Gleichgültig, denke ich mir. Bestrafen und belohnen wir uns nicht ständig – jeder einzelne von uns? Leichte helle Funken streifen mein Bein. Mist, ich hatte versucht, mehr aus der Zigarette herauszuholen, als möglich war. Der Tabak schmeckt nicht. Die Wirkung lässt langsam nach und ich wache allmählich auf. Wir reden über Perspektivenwechsel und über die Frage, ob Mikrokosmos gleich Makrokosmus ist. Eine Frage, auf die wir letzten Endes keine Antwort finden.
Schließlich fragt mich Patrick nach meiner Familie. Es ist eigentlich ein wohlbekanntes Tabuthema, über das ich mit niemandem spreche. Doch jetzt ist es, glaube ich, endlich an der Zeit, darüber zu reden. Ich vertraue Patrick – denke ich. Also fasse ich mir an meine linke Hosentasche, um zu spüren, wo sich mein Portemonnaie befindet. Innerhalb der neumodischen Brieftasche befindet sich ein zusammengeklapptes, verfranztes Polaroidfoto. Ich nehme es heraus und klappe es auseinander. Zuerst betrachte ich das Foto für mich allein, dann traue ich mich endlich, es auch Patrick zu zeigen. Es besitzt einige abgeriebene Stellen an der rechten unteren Ecke. Wir schauen nun beide auf das Polaroidbild. Ein glücklich aussehendes Pärchen umschlingt ein kleines Baby. Sie hat blonde kurze Haare und grüne stechende Augen. Ihr rechtes Auge wird überdeckt von den langen lockigen Haaren des Mannes neben ihr. Seine verträumten braunen Augen funkeln. Seine Zähne reflektieren das Licht der unverdeckten Sonne. Vor den beiden steht eine kleine, hölzerne Kindergrippe, die nur in Umrissen zu erkennen ist. Hinter dem Pärchen, in der oberen Hälfte des Bildes, sind breite Fensterscheiben zu sehen. Der ganze Hintergrund ist von gelb-rötlichem Licht erfüllt. Wenn man aus den Fenstern schaut, erkennt man das Meer und feinen Sandstrand. Ich erkläre Patrick, dass die Frau meine leibliche Mutter Madeline ist, welche vor knapp siebzehn Jahren ums Leben kam. Die Figur neben ihr stellt meinen Vater dar, der vor vielen Jahren laut meiner Großmutter ausgewandert ist. Wir reden noch eine ganze Weile darüber. Ich habe zuvor mit niemandem über diese Geschichte gesprochen.
Sie zu erzählen, strengt mich an und verursacht ein müdes Gefühl in mir. Wenn ich ehrlich bin, will ich gar nicht über meine tote Mutter und meinen Vater, der mich im Stich gelassen hat, reden. Also versuche ich das Gesprächsthema schleunigst zu wechseln.
Patrick erzählt mir auch seine Lebensgeschichte. Es ist nun schon zwei Uhr nachts und ich habe das Gefühl, gehen zu müssen. Ich trinke mein Bier aus und verabschiede mich von dem Freund, den ich nun eine Zeit lang nicht mehr sehen werde.
Kurz bevor ich zu Hause ankomme, finde ich einen Augenblick Ruhe. Ich bleibe also stehen und schaue nach oben zu den Sternen. Merke, dass man keine Sterne sieht und gehe trotz innerer Unruhe schließlich doch ins Bett. Ich bin noch immer geschockt, was Patrick mir vorhin erzählt hat.
Er ist achtzehn Jahre alt und hat die Hälfte seines Lebens bereits bestritten. Eine Art Herzfehler, der seine Lebenserwartung auf maximal dreißig Jahre minimiert. Er lebt jeden seiner Tage, als wäre es sein letzter. Er ist so bewusst, dass es einem schon fast Angst macht. Patrick schildert mir, dass sein Leben zu kurz ist für Dinge, die ihm nicht guttun. Dennoch will er ein normales Leben führen, Schule, Liebeskummer haben, an die Uni gehen und Erfahrungen sammeln. Ich finde es bemerkenswert, wie er mit dieser unfassbaren Lebensaufgabe so hoffnungsvoll klarkommt.
Ich habe alles, brauche nichts – bin, wer ich bin und versuche nicht, jemand zu sein, der ich nicht sein möchte. Das ist die eine Seite. In meiner traurigen Welt gibt es aber nur mich und alles, was sich darin abspielt, stellt keinen Wert für mich dar. Tatsache ist, dass ich alleine bin und rastlos durch Stadtsavannen streifen muss. Ich kann mich einfach nicht daran erinnern, wer ich sein wollte. Als ich klein war, hatte ich Angst, Angst vor dem Leben. Vor dem Preis, den man für jede Entscheidung zahlt. Vor einigen Jahren ergriff mich erneut dieses Gefühl der Angst mit aller Wucht – ich verlor, was mir am wichtigsten war.
Während ich das denke, erinnere ich mich an ein bestimmtes Erlebnis. Ich muss gar nicht meine Augen schließen, da überschwemmen die Bilder schon mein Erinnerungsvermögen. Ich kann sie hören, die wüsten Wellen aus meinem Tagtraum. Kann sie fühlen, die feinen Steinchen, die mich umgeben. Kann es sehen, das weite, unendlich wirkende Meer. Meine langen braunen Haare wehen mir durchs Gesicht – ich kann es deutlich sehen. Als würde ich einen Film von mir selber anschauen.
Plötzlich erreicht mich die kalte Realität. Ich sitze auf meinem Bürostuhl und starre in den toten Bildschirm.
»Junge, komm endlich oder willst du zu spät zu unserem Meeting kommen?« Während er das sagt, nimmt er einen Schluck aus seinem ledernden Flachmann.
»Ach stimmt, das hatte ich total vergessen.«
Ich ziehe mein Jackett an und folge meinem Freund, dessen letzter Drink immer noch zu riechen ist. Wir gehen in den Besprechungsraum, in dem vier Schlipsträger auf uns warten. Wir begrüßen unsere Kunden und fangen an, unsere Präsentation zu halten. Mein Kollege James beginnt. Er ist etwas überambitioniert, wie ich finde, aber er hatte sich offensichtlich vorgenommen, seine Zuhörer zu beeindrucken. Ich kann ihm dennoch nicht folgen. Schweife ab und verliere mich in meinen Gedanken.
Meine Augen sehen die Herren, die mit James über die Präsentationinhalte diskutieren. Es sieht so aus, als würden sie sich freuen. Offene Münder und große Gesten mit ihren Armen, doch der Ton fehlt. Ich bin nur stiller Beobachter dieser Szene, die ohne Akustik vonstattengeht. Es scheint, als ob jemand mit einer Fernbedienung den „Ton-Aus-Knopf“ gedrückt hätte, der Film aber weiterläuft. Alles geht so langsam. Als würden sich ihre schleimigen, geldgierigen Fratzen in Zeitlupe öffnen und wieder schließen. Und dann diese vorgegaukelten glücklichen Visagen. Ich bin gelangweilt. Plötzlich höre ich wieder das stille Rauschen von vorhin aus meinem Tagtraum. Während sich mein Kollege und unsere „wichtigen“ Kunden lautstark amüsieren, höre ich deutlicher das immer lauter werdende Meeresrauschen. Und dann eine Stimme, die meinen Namen ruft.
Es gab einen Punkt in meinem Leben, an dem ich alles anders machen wollte. Doch ich habe die Gelegenheit verpasst. Nun lebe ich ein scheinbar glückliches und reiches Leben – und habe nichts. Bin gefangen in einer Traumwelt. Ehe man sich versieht ist man Mitte vierzig und alles aus der Zeit zwischen einundzwanzig und dem heutigen Tag scheint verschwendet. War unwichtig, ist bloß eine Scheinwelt gewesen.
Manchmal habe ich das Gefühl, das Leben hat mir eine Aufgabe auferlegt. Dennoch finde ich den Antrieb nicht, ihr nachzugehen. Also bleibe ich in meinem Bett liegen und schlafe ein. Leben ist daher zu einem Traum geworden.
Auf einmal höre ich wieder meinen Namen.
»Nathanael?! DU wolltest doch auch noch etwas zu dem Projekt sagen?« Ich vergesse das Meer und wende mich dem Projekt zu, das James und ich als Geschäftsführer auf die Beine gestellt haben.
Der eine Tag hört auf und der andere beginnt und dazwischen werden die Taghülsen von schlaflosen Nächten ergänzt. Was ist wichtig und was nicht? Es scheint irgendwie alles gerade unwichtig zu sein.
Am selben Tag wurde noch prächtig gefeiert, da wir unser Projekt verkaufen konnten. Die Summe an Geld, die wir wegen des Verkaufs verdienten, interessierte mich keineswegs. James hingegen schon. In L. A ist es einfach, die Leute für allen möglichen Schwachsinn zu begeistern. Die Nacht war auf jeden Fall ziemlich lang.
Ich wache in einem mit weißer Bettwäsche bezogenen Bett auf. Eine wunderschöne braunhaarige nackte Frau schaut mich an und flüstert mir Guten Morgen ins Ohr. Ich arbeite kaum noch, weswegen wir beide die Möglichkeit haben, unheimlich viel Zeit miteinander zu verbringen. Wir liegen jeden Tag zusammen im Bett. Wir verbringen die meiste Zeit in meinem Haus und haben entweder Sex oder sitzen zusammen in der Badewanne. Wir lachen gemeinsam, schauen uns stundenlang in die Augen und haben Spaß.
Sie lässt sich nicht von mir umarmen, sie rennt fast nackt durch das Zimmer.
Ich folge ihr– habe nur eine Jeans an. Sie kreischt unaufhörlich und verschwindet durch den Eingang nach draußen. Kurz bevor sie den Garten erreicht hat, bekomme ich sie zu fassen. Halte sie fest. Wir lachen beide, schauen uns an und meine Barthaare streifen leicht ihre Wangen. Wir küssen uns. Wir spielen miteinander, genießen die Stille, führen keine Gespräche. Schweigen uns an und sind trotzdem verliebt.
So ist das mit den Beziehungen. Ich verliere mich in ihnen. Setze alle Zeit der Welt dafür ein, um nur mit ihr zu sein. Jede Frau hat etwas Magisches an sich – etwas Liebenswürdiges.
Ich wache auf und habe nicht genug von dem rauchigen Geschmack in meinem Mund. Ich stehe auf und falle direkt wieder ins Bett. Das war zu schnell, denke ich. Das Karussell in meinem Kopf dreht sich weiter. Den restlichen Tag verbringe ich damit, meinen katerähnlichen Zustand zu überwinden. Erst als es Abend wird, geht es mir langsam wieder besser. Ich vergesse total, dass heute Abend mein Flieger abhebt. Mist, denke ich mir. Ich beeile mich, schleunigst meinen Koffer zu packen und schaffe es noch rechtzeitig, draußen vor der Tür bereitzustehen. Mein bester Freund Lars und seine Mutter stehen schon vor der Einfahrt unseres Hauses. Ich steige in den viel zu kleinen und zudem hässlich gelben Polo und wir flitzen in Richtung Flughafen. Der Hinflug wird uns hoffentlich keine Probleme bereiten.
Als wir im Flugzeug sitzen, schaue ich ungeduldig aus dem Fenster. Erst jetzt, wie aus schlaftrunkenen Träumen erwacht, blicke ich das erste Mal so richtig zu meinen Kollegen. Ich beobachte Martin, Max und Chris auf der anderen Seite des Ganges, wie sie halbschlafend mit Kopfhörern in den Ohren dasitzen und kaum miteinander kommunizieren. Na gut, es ist zwar erst sechs Uhr morgens, aber dennoch hatte ich mir gewünscht, mit ihnen die Reise zu besprechen. Ich hingegen bin hellwach und kann es gar nicht erwarten, mit ihnen feiern zu gehen.
Wenige Minuten bevor wir landen, packt mich plötzlich eine Erinnerung. Ich sehe mich selbst in einer Wiege liegend, während mich ein glücklich aussehendes Paar anschaut. Sie kommen immer näher zu mir, ein Mann streckt seine Hand zu mir hin, um mich wahrscheinlich auf seinen Arm zu nehmen. Doch das Einzige, das ich spüre, ist das unruhige Aufsetzen der Maschine auf den Asphalt des spanischen Flughafens. Erschrocken sitze ich fest in meinem Sitz und realisiere, dass wir nun angekommen sind.
Auf dem Flughafen müssen wir durch einige Kontrollen und zur Gepäckausgabe, bevor uns schließlich heiße spanische Luft umgibt.
Als wir nach einer langen Reise endlich in Barcelona ankommen, fahren wir zu unserem Appartement, um unsere Sachen abzulegen und um uns fertig für den Strand zu machen. Ich liebe das Meer und den Klang der Wellen. Die anderen scheint das offensichtlich weniger zu interessieren. Sie haben nur eines im Kopf, nämlich das unbändige Gefühl, schlafen zu müssen. Ich schaffe es nicht, sie von meinem Plan zu überzeugen. Als es dann langsam Frühabends wird, rappeln sich die meisten zusammen, um dem eigentlichen Grund, weshalb wir hier sind, entgegenzutreten. Nachdem wir alle mehr oder weniger gut unser Abitur bestanden haben, war es unser Plan, eine Art „Sauftour“ zu unternehmen.
»Wollen wir jetzt mal los? Es ist schon halb 7.«
Daraufhin antwortet das letzte Mitglied unserer Reise: »DU willst doch nicht etwa um halb 7 in den Club gehen? Hier wird absolut nichts los sein!?«
»Dann lasst uns zumindest anfangen zu trinken. Oder was denken die anderen?«
Bis auf Max, der nur den Stand der Wolken beobachtet, bekomme ich von keinem eine vernünftige Antwort. Wie langweilig – denke ich mir. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich mit anderen Freunden weggefahren.
»Jonas hat recht. Wir sollten langsam anfangen, uns zu amüsieren.«
»Danke!«, sage ich zu Martin und schlage vor, erst einmal zum Supermarkt zu gehen.
Den ganzen Tag schaffen wir es nicht, in eine Bar oder in einen Club zu gehen. Stattdessen bleiben wir in unserem Appartement, essen Fertigpizza und trinken unser Supermarktbier. Erst am nächsten Tag wird richtig gefeiert.
Abends gehen wir in eine Bar, welche große Drinks für wenig Geld verkauft. Danach besuchen wir einen Club, in dem sich Hunderte von Menschen zusammendrängen. Wir mittendrin, ein Teil der Masse – und doch jeder für sich. Mir fällt auf, dass wir wenig miteinander reden. Ich ergreife die Initiative und versuche mit Chris und Max, die mir noch fremd sind, ins Gespräch zu kommen.