Zimt − Für immer von Magie berührt - Dagmar Bach - E-Book

Zimt − Für immer von Magie berührt E-Book

Dagmar Bach

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Beschreibung

Nicht verpassen  – das große Finale der zweiten Staffel! Pause! Vicky und Konstantin sind immer noch erledigt von der Aufregung ihres letzten Abenteuers. Da kommt es ihnen gerade recht, dass die Zimtsprünge sie diesmal an einen völlig neuen Ort katapultieren – nämlich an die Küste. Eine Auszeit am Strand mit ihrem Freund, während Parallel-Vicky zu Hause die letzten Schulwochen vor den Ferien absitzen muss – wie genial ist das denn? Doch leider muss Pauline, Vickys beste Freundin, das Liebespaar von Wolke sieben zurückholen. Denn ein skurriler Fund, der in enger Verbindung mit Vickys Großeltern steht, stellt das ganze Paralleluniversum auf den Kopf. Und nicht lange, nachdem für Vicky und Konstantin ein atemberaubender Wettlauf mit der Zeit beginnt, wird den beiden klar: Diesmal geht es endgültig um Alles oder Nichts … Zimtschneckenduft, Parallelwelten und eine spannende Jagd – das neue Abenteuer für Vicky und Konstantin, das süßeste Pärchen der Jugendbuchgeschichte, geht in die Zielgerade! Du kennst die bisherigen Bücher nicht? Macht nichts, die Bände sind auch unabhängig voneinander lesbar! Alle Bände der Zimt-Serie: Staffel I Band 1: Zimt und weg Band 2: Zimt und zurück Band 3: Zimt und ewig Sequel: Zimt und verwünscht Staffel II Band 1: Zimt – Auf den ersten Sprung verliebt Band 2: Zimt – Zwischen den Welten geküsst  Band 3: Zimt – Für immer von Magie berührt

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Seitenzahl: 424

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Dagmar Bach

Zimt

Für immer von Magie berührt

Teil drei

 

 

Über dieses Buch

 

 

Zimtschneckenduft, Parallelwelten und eine spannende Jagd – das neue Abenteuer für Vicky und Konstantin, das süßeste Pärchen der Jugendbuchgeschichte, geht in die Zielgerade!

Pause! Vicky und Konstantin sind immer noch erledigt von der Aufregung ihres letzten Abenteuers. Da kommt es ihnen gerade recht, dass die Zimtsprünge sie diesmal an einen völlig neuen Ort katapultieren – nämlich an die Küste. Eine Auszeit am Strand mit ihrem Freund, während Parallel-Vicky zu Hause die letzten Schulwochen vor den Ferien absitzen muss – wie genial ist das denn? Doch leider muss Pauline, Vickys beste Freundin, das Liebespaar von Wolke sieben zurückholen. Denn ein skurriler Fund, der in enger Verbindung mit Vickys Großeltern steht, stellt das ganze Paralleluniversum auf den Kopf. Und nicht lange, nachdem für Vicky und Konstantin ein atemberaubender Wettlauf mit der Zeit beginnt, wird den beiden klar: Diesmal geht es endgültig um Alles oder Nichts …

 

Alle Bände der Zimt-Serie:

 

Staffel I

Band 1: Zimt und weg

Band 2: Zimt und zurück

Band 3: Zimt und ewig

Sequel: <em>Zimt und verwünscht

 

Staffel II

Band 1: Zimt – Auf den ersten Sprung verliebt

Band 2: Zimt – Zwischen den Welten geküsst 

Band 3: Zimt – Für immer von Magie berührt

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Dagmar Bach, geboren 1978, liebt Harmonie und heißen Tee und hat schon als Innenarchitektin dafür gesorgt, dass sich die Menschen um sie rundherum wohlfühlen. Zu ihren eigenen Lieblingsorten gehören ihre Geschichten, die sie seit einigen Jahren aufs Papier bringt. Ihr Debüt Zimt & weg erschien 2016 und wurde auf Anhieb ein »Dein SPIEGEL«-Bestsellererfolg. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in München. Mehr über die Autorin auf www.dagmarbach.de oder auf Instagram: @dagmarbach

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

Inhalt

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Epilog

Liebe Leserinnen und Leser,

Danksagung

Für E. und M.

Ich bin jeden einzelnen Tag dankbar, dass es euch gibt

Prolog

Parallelwelt

 

Das Buch hatte tatsächlich auch in seiner Welt in der Kiste gelegen. Fast hätte er nicht daran geglaubt. Aber als am Tag zuvor sein Spaten auf die schwere Holzkiste gestoßen war, hätte er beinahe vor Freude gejubelt.

Oh, sie waren so dumm, diese Jugendlichen, und so gutgläubig! Sie hatten keine Ahnung, wie die Weltengefüge zusammenhingen. Dass man tatsächlich so viele Parallelen von einer zur anderen Welt ziehen konnte.

Aber damit wollte er sich jetzt nicht weiter beschäftigen. Das hier war wichtiger, viel wichtiger.

Denn an diesem Tag würde er die ganze Macht haben. Er würde endlich dieses entsetzliche Mädchen verschwinden lassen. Aus ihrer Welt und auch aus seiner.

Er konnte es kaum erwarten.

Und das war erst der Anfang. Wenn er erst mal die Fähigkeit hatte, das alles zu tun, stand ihm die ganze Welt offen.

Und nicht nur seine eigene.

Finns Vater holte tief Luft, ehe er die Formeln aus dem Buch so verwendete, wie sie darin standen.

Die Matrix.

Er hatte so lange gewartet.

Und jetzt war er endlich am Ziel …

1.

Vier Wochen später

 

»Sollen wir dich jetzt eigentlich einfach nur Finn nennen oder dir eine Art Codenamen geben?« Meine beste Freundin Pauline drehte sich dem Jungen zu, der zwischen uns auf der Holzbank neben dem Eingang zum Schulgarten saß.

Der sah sie allerdings nur ratlos an, während er die leere Papiertüte vom Bäcker in der Hand zerknüllte. »Wie willst du mich denn bitte schön nennen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht … hm … könnten wir dir irgendeinen Spitznamen geben?«

Ich schob mir den Rest meines Pausenbrötchens in den Mund, um nicht laut loszuprusten. Pauline war manchmal knallhart, und unser Klassenkamerad Finn machte den Anschein, als ob ihn das immer noch überraschte. Okay, er kannte Pauline auch noch nicht so lange wie ich, das musste ich zugeben.

»Ich glaube, ich will keinen Spitznamen«, traute er sich dennoch zu sagen, und Pauline hob eine Augenbraue.

»Ich glaube aber schon, dass wir einen brauchen, schließlich bist du –«

»Hey, ihr, rutscht mal!« Claire Cloppenburg, die wie aus dem Nichts vor uns aufgetaucht war, hatte ihre Aufforderung noch nicht ganz ausgesprochen, als sie auch schon ihren Po mit Schwung neben uns auf die Bank schob, so dass sie augenblicklich eine Kettenreaktion auslöste. Claire prallte gegen Pauline, Pauline prallte gegen Finn, Finn prallte gegen mich – und ich musste mich geistesgegenwärtig an der Kante der Sitzfläche festklammern, damit ich nicht wie eine Billardkugel von der Bank gestoßen wurde.

»Ihr müsst mir sofort sagen, was ich tun soll«, verkündete sie.

»Okay, Claire, fangen wir mal vorne an: Wenn du zu uns kommst und etwas willst, formulierst du deinen Satz am besten ein bisschen anders«, erklärte Pauline.

Claire schnaubte. »Ihr müsst mir sofort sagen, was ich bitte tun soll.«

Obwohl ich nur Paulines Hinterkopf sah, wusste ich, dass sie gerade mit den Augen rollte, während Finn neben mir begann, unruhig auf der Bank hin und her zu rutschen.

»Claire, wir sind hier gerade in einem Gespräch, und wir können jetzt wirklich nicht –«

»Es ist wirklich dringend und wichtig bei mir!«

Bei uns auch, wollte ich rufen, aber das verkniff ich mir. Claire konnte ja nicht ahnen, worüber wir mit Finn sprachen. Niemand konnte das wissen, und das war auch sehr gut so.

»Wo liegt denn das Problem?«, fragte Pauline ungewohnt sanft.

Ich erkannte meine beste Freundin nicht wieder. Seit wann ging sie auf Claire Cloppenburg ein, wenn sie uns einfach nur … störte? Nicht falsch verstehen, ich mag Claire wirklich, wir sind nach einer schwierigen Phase in unserer Kindheit Freundinnen geworden, aber der Zeitpunkt war alles andere als gut.

Claire drehte sich zu uns. »Also, passt auf: Ich hab da diese … diesen Freund. Nicht Leonard. Jemand anderes. Und dieser Freund ist manchmal ein bisschen … nun ja, schwierig, was seinen Geschmack betrifft. Wie sagt man eigentlich, wenn man das Gegenteil von extravagant meint? Egal, jedenfalls, dieser Freund soll etwas bekommen, aber ich weiß noch überhaupt nicht, was.«

»Welchen Freund hast du denn, den wir nicht kennen?«, fragte Pauline, und Claire schnaubte.

»Ich habe jede Menge Freunde, die nicht auf diese Schule gehen. Alte Freunde. Kindergartenfreunde.«

»Wir waren mit dir im Kindergarten.«

»Und noch sehr, sehr viele andere.« Claire warf sich eine ihrer Haarsträhnen über die Schulter, ehe sie sich an Pauline wandte. »Also, was würdest du machen?«

»Mir neue Freunde suchen, wenn du deine eigenen scheinbar noch nicht mal so gut kennst, dass du weißt, was du mit ihnen tun sollst.«

»Das habe ich nicht gehört«, sagte Claire. »Aber wen fragt ihr denn, wenn ihr so ein Problem habt?«

»Meine Mum?«, fragte ich vorsichtig, und Claires Augen begannen zu leuchten. Dann beugte sie sich schwungvoll nach vorne, damit sie mich am anderen Ende der Bank ansehen konnte.

»Das ist überhaupt die allerbeste Idee. Warum ist mir das nicht selbst eingefallen? Ist deine Mum heute zu Hause? Beziehungsweise im B&B?«

»Ich denke schon, ja.«

Claire nickte zufrieden. »Gut, dann komme ich zu euch. Meg wird wissen, was zu tun ist.«

Sie stand ruckartig auf, strich ihr flattriges Sommerkleid glatt und sah uns der Reihe nach an. »Danke.«

Noch einmal Haarewerfen, ein kurzes Winken, und schon stolzierte sie Richtung Pausenverkauf davon.

Finn blinzelte, während er ihr nachsah, bis sie in der Schülermenge verschwunden war.

»War das wirklich Claire?«, fragte ich, und Pauline sah mich an.

»Warum sollte das nicht Claire gewesen sein?«

»Weil sie danke gesagt hat.«

»Ach so. Ich dachte, sie springt neuerdings auch.«

»Das fehlte noch.« Plötzlich sah meine beste Freundin ein bisschen erschöpft aus. »Mir reichen die drei Weltenspringer, die ich um mich habe, vielen Dank. Ich kann keinen zusätzlichen gebrauchen.«

Damit hatte sie vermutlich recht. Pauline hatte es echt nicht leicht. Am Anfang war nur ich es gewesen, die die Welten gewechselt hatte – manchmal nur für Sekunden, manchmal für eine Minute. Ach, das waren noch Zeiten gewesen! Ich war mir damals nicht ganz sicher, ob ich das nicht alles träumte, bis es mich dann plötzlich länger und immer länger in Parallelwelten verschlagen hatte, in denen ich von jetzt auf gleich das Leben meines anderen Ichs führen musste. Ich hatte erfahren, dass dafür die Zimtdrops meiner Tante Polly verantwortlich waren, die ich als Kind heimlich genascht hatte. Die Sache war noch etwas komplexer geworden, als mein Freund Konstantin wegen eines dummen Zwischenfalls in das ganze Weltenschlammassel mit eingestiegen war. Seitdem sprang er immer mit mir gemeinsam. Und der Dritte im Bunde – tja, nun war noch mein Klassenkamerad Finn mit von der Partie. Auch wenn seine Sprünge durch etwas anderes als Zimtdrops ausgelöst wurden.

Die Einzige, die einigermaßen den Überblick behielt, war Pauline.

»Wo wir gerade beim Thema Springen sind« – Finn blickte auf seine Armbanduhr –, »ich bin nur noch etwa acht Minuten hier, höchste Zeit, uns nicht weiter über meinen Codenamen zu unterhalten, sondern uns abzustimmen.«

»Richtig. Okay, was haben wir?«

»Ruhige Zeiten, das haben wir«, nuschelte ich und biss in mein Brötchen. Das sagte ich seit etwa vier Wochen täglich, allein weil ich mich so darüber freute.

»Das möchte ich von Finn hier hören.« Pauline sah sich sicherheitshalber um, ob mittlerweile nicht doch jemand in Hörweite war.

Denn tatsächlich war der Junge vor uns nicht der Finn, mit dem wir normalerweise in eine Klasse gingen – sondern sein anderes Ich, aus einer anderen Welt.

»Ich glaube, wir haben tatsächlich ruhige Zeiten«, bestätigte der, auch wenn er nicht ganz glücklich aussah. »Die Falle für meinen Vater hat funktioniert. Er kann euch nicht mehr gefährlich werden, das ist ganz offensichtlich. Ich bin extrem sicher, dass er nicht mehr springen kann. Aber was noch wichtiger ist: Er hat kein einziges Mal mehr versucht, mich zu schicken. Oder auch nur mit mir darüber zu sprechen. Er tut so, als hätte all das nie stattgefunden. Wenn ihr mich fragt, er erträgt es nicht, dass ihr ihn reingelegt habt. Abgesehen davon konnte er noch nie zugeben, wenn er einen Fehler gemacht hat. Es ist eindeutig: Es ist wirklich vorbei.«

»Was tut denn jetzt dein Vater den ganzen Tag?«, wollte Pauline wissen.

»Er vergräbt sich in seine Arbeit. Ich sehe ihn viel am Computer, und er telefoniert auch häufig. Ansonsten bastelt er in seinem Hobbykeller. Vermutlich versucht er sich abzulenken, indem er wieder irgendeine strange Geschäftsidee verfolgt. Er hat in der Vergangenheit ja schon ein paar Firmen in den Sand gesetzt. Aber soll er doch. Hauptsache, es hat nichts mehr mit Weltenspringen und Allmachtsphantasien zu tun.«

Ich konnte mir ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen.

Vier Wochen war es jetzt her, dass Parallel-Finns Vater in unsere Welt gekommen war, weil er dachte, dass er hier den Schlüssel finden würde, wie man gezielt zwischen den Welten hin und her springen und andere Weltenspringer manipulieren könnte, sprich: sie in einer beliebigen Welt für immer festsetzen. Und weil das ja de facto Konstantin und mich betraf, wäre das ziemlich schlecht gewesen.

Damals hatte ich kurzzeitig gedacht, dass mein Leben, so wie ich es bisher kannte, nicht mehr sicher war.

Zum Glück hatten wir meine geniale Freundin Pauline, die den bösen Parallel-Vater gemeinsam mit Parallel-Finn und meiner Parallel-Tante Polly zur Strecke gebracht hatte. Sie hatten ihn mit einem Trick dazu gebracht, eine bestimmte Formel anzuwenden, die ihm das Springen unmöglich machte. So zumindest hatte es Parallel-Polly erklärt.

Kaum zu glauben, aber es hatte geklappt.

Pauline schien es allerdings wie mir zu gehen, sie musste immer und immer wieder aus Parallel-Finns Mund hören, dass wir es wirklich geschafft hatten.

Dass die Gefahr gebannt war – für mich.

Nun nickte meine beste Freundin zufrieden. »Trotzdem müssen wir wachsam bleiben und immer engen Kontakt halten. Halte Augen und Ohren offen, klar? Tag und Nacht. Dass Vickys Tante aus deiner Welt dich mittlerweile jederzeit zu uns schicken kann, ist wirklich ein Segen. Und etwas, das wir unbedingt nutzen sollten, auch wenn es so aussieht, als ob alles so läuft, wie wir das wollen.« Sie tippte sich an die Unterlippe, als ob sie kurz überlegte. »Sag ihr bitte, sie soll dich diese Woche Freitagnachmittag wieder hierherschicken, um drei Uhr.«

Finn sah unbehaglich zwischen uns hin und her. »Und wenn sie da gerade beschäftigt ist?«

»Dann erinnerst du sie noch einmal daran, dass wir alle wegen ihrer Fehde mit deinem Vater in der Klemme stecken.«

»Ganz richtig«, murmelte ich düster, und auch Finn nickte. Parallel-Finn. Der Finn, für den Pauline einen Spitznamen suchen wollte, damit wir ihn nicht mehr Parallel-Finn nennen mussten.

Und der schon wieder auf seine Uhr schaute.

»Noch zwei Minuten.«

»Wir nennen dich ab nun Jake«, platzte ich heraus.

Finn starrte mich an. »Äh, aber warum denn?«

»Meine Lieblingszeichentrickserie als Kind hieß so. Finn & Jake. Sie sind Brüder.«

Finn sah mich empört an. »Die gibt es in meiner Welt auch. Aber nur als Adventure Game. Und darin ist Jake ein Hund!«

Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Immerhin ist er mit magischen Kräften ausgestattet.«

Finn seufzte. »Na, meinetwegen machen wir das so, Prinzessin Bubblegum!«

Ich spürte förmlich, wie meine Wangen rot wurden. Ich wusste, worauf er anspielte. Der Finn in der Serie war in Prinzessin Bubblegum verliebt. Und leider hatte Finn aus meiner Welt einen leichten Crush auf mich, während sein anderes Ich in seiner Welt glücklich single war. Glaubte ich zumindest.

»Ist ja auch egal«, versuchte ich mich aus der Situation zu retten. »Sag mir lieber, was es in deiner Welt Neues von den Porters gibt. Sind die schon auf ihrer Welttournee?«

»Kann sein, zumindest haben sie endlich ihr neues Album rausgebracht, und ich hab gehört, dass die eine Sängerin …«

»Schluss jetzt mit dem Gossip«, mischte sich Pauline ein, den Blick fest auf ihre Uhr gerichtet. »Du springst gleich zurück, Jake. Nicht aufhören, deinen Vater zu beobachten, ja? Vickys Sicherheit hat immer noch allerhöchste Priorität!« Paulines Stimme war sehr leise, sie flüsterte es fast in Finn-Jakes Ohr.

»Verstanden«, sagte er ernst.

»Danke.« Auch ich senkte unwillkürlich meine Stimme. »Aber wenn du das nächste Mal kommst, kannst du vielleicht vorher von den Porters …«

Ich brach ab, als ein leichtes Zucken durch seinen Körper ging, er sich kurz nach vorne beugte – um sich zwei Sekunden später mit einem Ruck aufzusetzen und zu blinzeln.

»Willkommen zurück!«, sagte Pauline, und ich lächelte Finn an. Denn das war wieder der echte Finn aus meiner Welt. Meine Parallel-Tante hatte dafür gesorgt, dass die beiden wieder die Plätze getauscht hatten.

Er strich sich verlegen durch die Haare. »Habt ihr alles erfahren, was ihr wolltet?«

Pauline nickte. »Absolut. Und du wirst das große Vergnügen haben, am Freitag wieder zu springen.«

Das vorsichtige Lächeln auf seinem Gesicht verschwand. »Muss das sein?«, jammerte er. Er sah mich mit großen Augen an. »Vicky, deine Verwandten in der Parallelwelt sind ja ganz nett, aber diesmal hatte ich echt ein wenig Angst, was die mit mir machen. Deine Tante sieht sehr furchteinflößend aus mit dieser Schutzbrille, ich dachte erst, ich wäre in so einem schrägen Sci-Fi-Film aus den Achtzigern gelandet.«

»Das Opfer lohnt sich! Du tust es für Vickys Sicherheit«, sagte Pauline theatralisch.

Leider aber auch einen Tick zu laut, denn nun wurde Xaver auf uns aufmerksam. »Was ist mit Vickys Sicherheit?«, fragte er und kam neugierig auf uns zu.

»Die ist in Gefahr! Und die der Menschheit dazu!«, sagte Finn und rollte mit den Augen.

O Gott, was tat er denn da? Wollte er uns verraten?

Finn hob beide Hände in einer Geste der Resignation und sah zu Xaver hoch. »Deswegen hab ich mich eben breitschlagen lassen, ihr in den Sommerferien Chemie-Nachhilfe zu geben.« Er stöhnte. »Ich meine, es geht hier schließlich um das Leben aller Schüler vom St. Anna. Und Pauline weigert sich, sie kann die Verantwortung nicht mehr übernehmen.«

Xaver lachte. »Finn, wir sind dir alle zu Dank verpflichtet. Aber pass auf, dass Vicky nicht wieder den Alarm auslöst. Wie letztes Jahr, als wir dieses Salz mit Wasserstoffperoxid mischen sollten. Das war total leicht eigentlich, aber Vicky hat das Ganze an ihrem Platz angemischt statt unter dem Abzug, wie jeder normale Mensch. Es war richtig viel Feuerwehr da.«

Ja, ja, ja, sie hatten ja recht, ich war in Chemie ein kleines … Unglückshäschen, wie meine Mutter es mal liebevoll formuliert hatte. Aber ich konnte schließlich nicht an alles denken. Und unseren Freunden und Helfern hatten wir hinterher eine Runde Muffins ausgegeben.

 

Glücklicherweise hatten wir nicht Chemie in der nächsten Stunde, sondern Deutsch, das ich eigentlich mochte, aber in diesem Schuljahr hatten wir gleich mit drei Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen hatten wir eine Referendarin erwischt, die bei der Berufsberatung offenbar geschwänzt hatte. Sie schien erstens ihren Job zu hassen, zweitens uns Schülerinnen und Schüler zu hassen und drittens den Sturm und Drang zu hassen. Jedenfalls trug sie ihre Ausführungen zum Künstler als Genie derart leiernd und gelangweilt vor, dass bald meine Kieferknochen weh taten, so sehr musste ich das Gähnen unterdrücken. Ich merkte, wie mein Körper langsam immer weiter gen Pauline sackte und ich …

Moment mal, was roch hier denn so? Schlagartig richtete ich mich auf, und in dem Augenblick traf mich der Zimtschneckengeruch und verschlug mich in einen anderen Körper, in ein anderes Ich.

 

Diesmal war etwas anders, das spürte ich sofort.

In dem Moment, in dem ich im Körper meiner Parallelversion gelandet war, hatte ich aus einer Intuition heraus die Augen geschlossen. Ein ungewohntes, aufgeregtes Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit. Denn hier duftete es nicht nach Zimtschnecken wie gerade eben noch – nein, hier stieg mir der Geruch nach Salz und Meer, nach Sonne und frischem Wind in die Nase.

Dieser Ort war neu!

Ich holte tief Luft, um so viel wie möglich von dieser Seeluft aufzunehmen, und öffnete langsam die Augen. Und das, was ich sah, raubte mir den Atem.

Ich stand auf einer Terrasse, oberhalb einer halbmondförmigen Bucht, und unter mir lag das Meer, türkisblau und spiegelglatt. Eine warme Brise zerzauste mein Haar, und Möwen kreischten und zogen ihre Bahnen über dem Strand.

Für ein paar Sekunden war ich überwältigt von der Aussicht, ich sog die milde Luft ein und versuchte, das Bild ganz tief in meinem Herzen abzuspeichern.

Ich lehnte an einer hüfthohen Steinmauer, die die Terrasse, auf der ich stand, von einem wunderschönen, wild wuchernden Garten trennte. Rosen in Pink und Weiß und Gelb blühten dort, genau wie Hortensien und Zierlauch, und auf den zweiten Blick erkannte ich, dass das scheinbare Chaos durchaus System und ich einen typischen britischen Cottage-Garten vor mir hatte. Auf dem Terrassentisch standen Teller und Tassen bereit, dazu Marmelade, Milch und Käse. Und hinter der Terrasse erkannte ich ein kleines Haus aus grobem Stein, mit weiß getünchten Sprossenfenstern und zwei ziegelroten Schornsteinen an beiden Seiten des Giebels.

Ich drehte mich in alle Richtungen, weil ich wissen wollte, ob Konstantin in der Nähe war.

Da kamen plötzlich Pauline und Nikolas auf dem schmalen gepflasterten Weg um die Hausecke. Wahnsinn, was machten die denn hier? Und ich? Eben war ich noch in der Schule fast vom Stuhl gekippt – und jetzt das?

Meine beiden Freunde trugen braune Papiertüten mit dem Aufdruck einer Bäckerei.

»Ihr dürft uns nicht zum Einkaufen schicken, wenn wir Hunger haben«, sagte Nikolas, und Pauline hielt zur Bestätigung ihre Beute nach oben.

»Alfie hat uns neben den Baguettebrötchen sechs verschiedene Pastries aufgeschwatzt. Und seine Scones. Sorry, aber die musste ich einfach alle nehmen. Ach ja, und Meg soll ihn die Tage noch mal besuchen, damit er ihr das vegane Earl-Grey-Croissant-Rezept geben kann.«

In diesem Moment trat Konstantin aus dem Haus, einen leeren, großen Brötchenkorb in der Hand. Sein Blick glitt suchend umher, er sah erst unsere Freunde an, dann zu mir. Sofort verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. Einem so glücklichen Grinsen, dass ich auch lachen musste und ihm fröhlich zunickte.

Ja, wir waren in einer Parallelwelt.

Und Konstantin kannte diesen Ort zwar nicht, ich dafür umso besser: Wir waren im Ferienhaus von Colin, einem Freund meiner Eltern, in St. Ives, Cornwall. Einer der schönsten Orte in England (laut Dad), einer der schönsten auf der ganzen Welt (laut Mum). Ich kannte zu wenig von der Welt, um mich Mum anzuschließen, aber ich liebte es hier. Auch wenn ich immer noch keine Ahnung hatte, warum unsere Parallelversionen Urlaub machten, wenn doch noch gar keine Sommerferien waren.

Ich konzentrierte mich lieber auf das Hier und Jetzt. Und das war: wir alle, Konstantin, Pauline, Nikolas und ich, auf der traumhaften Terrasse des Cottages, vor uns ein großer, gedeckter Holztisch und hinter uns mein Dad, der mit einem Tablett aus dem Haus trat.

»Tee ist fertig!«

Und die Sachen, die Pauline und Nikolas gekauft hatten, versprachen weltbestes Frühstück, das wusste ich aus Erfahrung.

»Wir sind im Himmel gelandet«, raunte ich Konstantin zu, der neben mich getreten war, während Pauline das Gebäck in den Korb füllte und Nikolas reihum Tee eingoss.

»So was von«, flüsterte er zurück. »Und wenn es nach mir ginge, können wir hier gern noch ein Weilchen bleiben.«

2.

Am Nachmittag desselben Tages war der Spaß allerdings schon wieder vorbei. Wobei: die gesamte Deutschdoppelstunde zu schwänzen, und zwar in Cornwall – also die Weltenspringerei konnte wirklich Vorteile haben! Konstantin hatte sogar eine bewertete Gedichtinterpretation verpasst, wobei er hoffte, dass sein Parallel-Ich nicht vor lauter Schreck völlig versagt und seinen Durchschnitt vermiest hatte. Jedenfalls war es himmlisch gewesen, und das musste ich mir wieder ins Gedächtnis rufen, als ich ins B&B kam und es mal wieder zuging wie auf dem Jahrmarkt.

»Das ist total lieb von dir, Epos, aber … hm … ist das nicht eher was für drinnen?«, fragte Mum gerade ihren Fahrer, als ich vom Garten die Verandastufen nach oben ging und entdeckte, dass direkt vor unserer Hollywoodschaukel plötzlich ein großer, echt hässlicher Zierbrunnen stand.

Epos, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, als Entschuldigung für von ihm verbockte Aktionen meiner Mutter etwas zu schenken, tupfte sich die Stirn mit einem karierten Stofftaschentuch ab. Früher hatte er immer Grünpflanzen mitgebracht, aber dass er jetzt größere Ungetüme anschleppte, war neu.

»Da muss ich meine Frau fragen, ob der was für drinnen ist, aber ich dachte, er sieht so schön aus. So schön wie du«, nuschelte er, und Mum lächelte milde. Seit man bei ihr die kleine Babykugel sah, war Epos noch vernarrter in sie als sowieso schon – genau wie die Hälfte der Leute unserer Kleinstadt. Und weil Mum trotz B&B und Baby demnächst auch noch Bürgermeisterin unseres Städtchens werden würde – zusammen mit unserem Briefträger Winfried –, war Epos nicht der Einzige, der in regelmäßigen Abständen hier mit Geschenken auftauchte. Mein neues Geschwisterchen würde vermutlich von Geburt an bis zum achtzehnten Geburtstag nichts mehr brauchen. Dad musste im neuen Kinderzimmer schon die Regale erweitern, um allein die geschenkten Babysachen unterzukriegen. Dabei würde es erst im Winter geboren werden, was mir ein bisschen leidtat, denn ich liebte es, im Sommer Geburtstag zu haben. Dieses Jahr würde er sogar kurz vor Beginn der Ferien in ein paar Wochen sein, der perfekte Zeitpunkt.

»Weißt du, Epos, wir haben hier nur begrenzt Platz, und du musst wirklich – wirklich – nicht jedes Mal etwas mitbringen. Es ist ja auch schade, wenn die schönen Sachen in den Keller wandern. Okay?«

Epos nickte schüchtern.

Mum nickte erleichtert, schob sich eine glänzende Haarsträhne hinters Ohr und lächelte, als sie mich entdeckte. »Hallo, mein Schatz! Wie war dein Tag?«

Ich dachte an meinen kurzen Urlaubsausflug. »Prima. Sag mal, fahren wir eigentlich noch mal zusammen weg, ehe das Kleine kommt?«

»In den Urlaub, meinst du? Ich denke schon. Sobald wir uns im Rathaus eingearbeitet haben, kann Winfried sicher mal übernehmen, schätze ich.«

»Und ich mach in der Zwischenzeit die Urlaubsvertretung im B&B!«, ertönte es aus der Küche, und ich rechnete es Mum hoch an, dass sie nur ganz leicht zusammenzuckte.

»Hallo, Tante Polly!«, rief ich nach drinnen, und Sekunden später kam Mums ältere Schwester zu uns auf die Veranda. Sie trug an diesem Tag ein auffällig unauffälliges Leinenkleid, hatte die Haare relativ ordentlich gekämmt, und – trug sie da etwa Lippenstift?

Für einen Moment konnte ich sie nur erstaunt anstarren.

»Was ist?«

»Du siehst heute so … hm …«

»Ich sehe sehr seriös aus, wolltest du sagen, oder? Das stimmt. Das bin ich nämlich auch. Weil ich deine Mutter davon überzeugen will, dass ich eine verantwortungsvolle Frau bin und sie sich auf mich verlassen kann, wenn das Baby erst da ist und sie so viel um die Ohren hat.«

Das war ganz grundsätzlich kein schlechter Gedanke, aber Polly und verantwortungsvoll, das waren zwei Begriffe, die nicht sonderlich gut zusammenpassten.

»Außerdem bin ich so frisch und ausgeruht und gleichzeitig so … energiegeladen … von unseren Flitterwochen, dass ich Bäume ausreißen könnte! Was so ein Urlaub bewirkt, einfach unglaublich. Ich glaube, wir planen am besten gleich die nächste Reise.«

Was ja ihrer Zuverlässigkeit ein bisschen entgegenstand, aber hey, wer war ich, zu urteilen? Nach meinen unverhofften zwei Freistunden heute?

Selbst Pauline hatte nach der Unterrichtsstunde zugegeben, dass sie meinen Tausch gar nicht bemerkt hatte. Aber das mochte an der bleiernen Lähmung in der Deutschstunde gelegen haben, die die gesamte Klasse erfasst hatte, ich hatte Pauline tatsächlich rütteln müssen, als ich kurz vor der Pause zurückgesprungen war.

Warum die andere Vicky nicht durchgedreht war und sich so unauffällig an meiner Stelle verhalten hatte, das konnte ich nur raten.

Pauline wiederum war sehr, sehr neidisch, als ich ihr in der Mensa von meinem kleinen Ausflug nach Cornwall erzählt hatte. Sie hatte sofort ihr Handy gezückt und sich Bilder von St. Ives angesehen – und sogar die Website der Bäckerei aufgerufen, in der ihr anderes Ich mit Nikolas das Frühstück besorgt hatte. Sie beschloss kurzerhand, ihre Eltern so lange zu bequatschen, bis sie die Pläne für die Sommerferien änderten und genau dort eine Ferienwohnung mieteten.

Kaum hatte ich an meine beste Freundin gedacht, sah ich auch schon ihren blonden Schopf zwischen den Rhododendren aufblitzen.

»Sag bloß, es hat geklappt!«, sagte ich zu ihr, als sie erhitzt und mit strahlenden Augen durch den Garten des B&B auf uns zugehopst kam.

»Was soll geklappt haben?«

»Na, deine Urlaubspläne.«

»Oh. Nein, das weiß ich noch nicht. Aber ich hab dafür was anderes gefunden, als ich eben im Stadtarchiv war. Ich dachte, das interessiert euch vielleicht. Oder besser gesagt deine Großeltern.«

Sie ließ ihren Rucksack von der Schulter gleiten, zog den Reißverschluss auf und holte ein großes Buch mit dunkelblauem Einband heraus.

»Du hast Oma und Opa was mitgebracht?«

Sie nickte. »Sind sie da?«

»Drinnen. Sie nehmen aber, glaube ich, gerade ein Video auf – Q&A in Sachen Sport Ü60.«

Ja, es war tatsächlich zu dem gekommen, was sich niemand hatte vorstellen können: Meine Großeltern hatten mit ihrem kürzlich entdeckten Sportfimmel, gepaart mit ihrem Faible für Social Media, für einen Trend gesorgt, der sie im Nullkommanichts in den Influencer-Himmel katapultiert hatte.

Innerhalb kürzester Zeit hatten sie einen YouTube-Kanal auf die Beine gestellt und luden zweimal die Woche Videos hoch – Trainingstipps, kleine Workouts, Ernährungstipps –, alles zwar wissenschaftlich äußerst fragwürdig, doch die beiden schienen den Nerv sehr vieler Leute zu treffen. Und seit sie beschlossen hatten, die Videos auf Englisch zu drehen, waren ihre Aufrufzahlen explodiert. Erst letzte Woche hatten sie von YouTube diese silberne Urkundentafel für 100.000 Subscriber bekommen. Die hing jetzt in unserem Wohnzimmer an der Wand, direkt neben dem Erker.

Den hatten sie zum Studio umfunktioniert und saßen dort, um ihre Vlogs oder ihre Tipps oder sonst etwas zu drehen, weil das Licht so gut war. Ich musste ehrlich gestehen – ihre neue Passion war um einiges cooler als ihr vorheriges Hobby Bügelperlen!

Und das Allerbeste war: Die beiden waren so beschäftigt, dass seit der schlimmen Sache an Pollys und Franks Hochzeit – als die beiden die Hochzeitslocation gekapert hatten – nichts mehr passiert war. Also: keine größeren Fehltritte, keine Kurzschlusshandlungen, kein Ärger mit anderen – zumindest keiner, der der Rede wert wäre. Es schien tatsächlich so, als hätten die Großis endlich eine Aufgabe im Leben gefunden, der sie sich voll und ganz widmen wollten – auch wenn ihr Englisch manchmal ein bisschen falsch war und ihr Akzent meine Englischlehrerin in die Ohnmacht getrieben hätte, aber genau dafür liebten die Leute sie. In ein paar Ländern waren sie geradezu Kult – sie sprachen sogar von einer Livetour nach Thailand.

»And now we want to say goodbye to you, stay active, stay fröhlich, we wish you what«, sagte Oma gerade lächelnd in die Kamera, während Opa neben ihr saß und mit seiner typischen Handbewegung winkte.

»Schnitt!«, brüllte er dann plötzlich, obwohl sonst niemand außer ihnen da war. Er stoppte die Kameraaufnahme, und dann regte sich auch Oma.

»Ach, Vicky und … Dings.« Mit Namen hatte es Oma nicht so, auch wenn Pauline seit Jahren bei uns ein und aus ging. »Habt ihr schon unser letztes Video gesehen? Da machen wir Dehnübungen, die helfen, wenn man lange sitzt, ihr Schülerinnen seid genau unsere Zielgruppe, ihr müsst ja den ganzen Tag nur im Klassenzimmer rumhocken.«

»Weswegen wir ja auch nix sehen konnten. Aber hallo erst mal«, sagte Pauline und winkte mit der freien Hand. Genau wie ich hatte sie es längst aufgegeben, eine ordentliche Begrüßung von den beiden zu erwarten. »Passt auf, ich habe im Stadtarchiv etwas gefunden, das ich euch zeigen wollte.«

»Wir kommen gleich raus zum Tee, ja? Hat Meg die Scones mit diesem Eiweißteig gemacht, wie ich es ihr gesagt habe?«, fragte Oma, während sie die Softboxen aussteckte und zur Seite schob.

»Ich frag mal«, sagte ich langsam und zog Pauline am Handgelenk zurück durch die Küche nach draußen.

»Mum, hast du wirklich Scones mit Eiweißteig gemacht?«, raunte ich, während meine Mutter dastand und Epos beobachtete, wie er erst die Tischdecke auf dem Verandatisch glatt strich und dann begann, das Teeservice zu verteilen. Tante Polly hatte inzwischen ihren Aktionismus dahingehend kanalisiert, dass sie sich die freie Gartenliege in der Sonne geschnappt hatte und das extraschwere Sudoku weitermachte, mit dem Mum und ich gestern angefangen hatten.

»Die Teller ein bisschen weiter auseinander, Epos, ach nein, warte mal, wie viele sind wir eigentlich? Ich glaube, die Baumanns sind gerade von ihrem Ausflug zurückgekommen, die wollen sicher auch was, dann decke am besten für zehn Leute.«

Dann drehte sich Mum zu mir um und sagte laut: »Natürlich habe ich den Eiweißteig gemacht!«, so dass man es bis drinnen hören konnte.

Sie zwinkerte uns zu und schob sich an uns vorbei in die Küche, um besagte »Eiweiß«-Scones aus dem Ofen zu holen.

Ich folgte ihr, um Marmelade, Clotted Cream und den Tee auf einem Tablett anzurichten. »Wie geht’s dir heute?«

Mum lachte. »Seit ich schwanger bin, ist das die Frage, die ich am häufigsten höre. Mir geht es wunderbar. Wie die letzten Wochen schon. Und deinem Geschwisterchen auch, ich war heute Vormittag erst bei der Kontrolle. Es ist alles in bester Ordnung.«

Mum war mittlerweile in der siebzehnten Schwangerschaftswoche und das blühende Leben, noch mehr als sonst schon. Sie war nicht mehr so müde und erschöpft, sondern voller Tatendrang und Energie. Ich wusste zwar nur theoretisch, was in ihrem Körper gerade abging, aber sollte ich in meinem Leben ein Kind bekommen, wollte ich mich bitte genauso fühlen wie sie.

»Das ist so cool«, sagte Pauline und setzte sich auf ihren Stammplatz auf der Holzbank am Tisch. »Und deine Haare glänzen wunderschön. Hast du ein neues Shampoo?«

Mum nickte. »Man nennt es Schwangerschaftshormone.«

Epos seufzte verzückt, beeilte sich jedoch, den Tisch weiterzudecken, als Mum ihm einen ermahnenden Blick zuwarf.

Ich platzierte die große Kanne Tee in der Tischmitte, verteilte die anderen Sachen und ging dann die Scones holen, während Mum ein paar frisch geschnittene Rosen in der Vase drapierte.

»Sieht gut aus«, sagte sie zufrieden, und schon wieder seufzte Epos – und ich hoffte nur, dass er vor lauter Mum-Verehrung nicht mit noch scheußlicheren Opfergaben als dem Zierbrunnen ankam.

Fünf Minuten später saßen wir Schulter an Schulter um den Tisch, denn wenn es Tee und Scones gab, standen immer alle pünktlich auf der Matte. Neben meinen Großeltern, Tante Polly, Epos, Pauline und mir waren noch zwei Gäste dazugekommen, ein älteres Ehepaar mit Verwandtschaft in der Nähe, sie waren mittlerweile schon Stammgäste.

»Was wolltest du uns denn zeigen, Pauline?«

Ich wusste nicht, wer erstaunter war – Mum, Pauline oder ich − darüber, dass Oma vorhin tatsächlich zugehört hatte und sogar noch mal nachfragte.

Pauline zog das dunkelblaue Buch hervor. Es war in Leinen gebunden und schon ziemlich abgegriffen, und der in Gold geprägte Titel auf dem Rücken war verblichen, so dass nicht ersichtlich war, um welche Art Buch es sich handelte.

Nach kurzem Blättern schlug Pauline eine Seite auf, auf der einige sepiafarbene Fotografien abgebildet waren. Eine davon war eine Art Klassenfoto, nur in ziemlich alt. Die Leute darauf sahen sehr erwachsen aus, die Jungs in Anzügen und mit geschniegelten Seitenscheiteln, die Mädchen in Kleidern und mit aufwendigen Flechtfrisuren – dabei waren sie sicher nicht viel älter als Pauline und ich gerade.

»Schaut mal, das könnten deine Eltern gewesen sein«, sagte Pauline zu Opa. »Oder? Ihr hattet mal erzählt, in welcher Klasse sie waren, als sie zusammenkamen, und diese Bilder könnten ziemlich gut passen.«

Mein Opa nahm Pauline das Buch aus der Hand und hielt sich das Foto unter die Nase.

»Du hast recht«, sagte er. »Das sind wirklich meine Eltern, also Vickys Urgroßeltern! Ach, dieses Bild hatte ich beinahe vergessen, dabei hing es ewig in unserer Küche.«

Meine Oma schob sich die zweite Hälfte ihres angebissenen Scones in den Mund. »Schtümpt«, nuschelte sie und kaute hastig. »Und die Schulfreunde deiner Eltern, die kenne sogar ich noch. Das hier ist Friederike, deren Eltern damals die Bäckerei hatten. Und Walther, der später in die USA ausgewandert ist. Und natürlich er hier.«

Sie tippte auf das Papier und stieß einen undefinierbaren Laut aus, und Opa nickte. »Ja, genau, schon gesehen. Bertram ist auch drauf.«

Meine Eingeweide machten einen Satz.

»Bertram?«, wiederholte ich langsam und sah Pauline an. »Wer ist denn … Bertram?«

Meine beste Freundin saß für einen Moment wie erstarrt da. Dann hielt sie sich selbst das Buch vor die Nase, um den Freund meines Uropas zu mustern.

Opa langte quer über den Tisch und schnappte sich noch einen Scone. »Bertram war der beste Freund meines Vaters. Für seine Zeit ein echter Freigeist. Hat sich nicht groß um das gekümmert, was die Leute über ihn gesagt haben.«

»Auf unserer Hochzeit hat er doch dieses Gedicht vorgetragen.« Oma griff nach der Teekanne. »Das lustige, mit dem Prinzen und der Taube, oder wie war das? Aber ein bisschen merkwürdig war er schon.«

Sie goss sich ihre Tasse wieder voll und nahm dann ihr Handy zur Hand, um ein Selfie von sich und der Teetasse zu schießen, mit dem angebissenen Scone daneben.

»Hashtag teatime, Hashtag highprotein, Hashtag − was heißt noch mal genießen auf Englisch?«

»To enjoy werden alle verstehen, oder auch to savour?«, meinte Mum und sah mich fragend an.

Ich nickte mechanisch, denn der Blick, den Pauline mir jetzt zuwarf, ließ meine Nackenhaare zu Berge stehen.

Bertram.

»Bertram ist ein ziemlich komischer Name«, sagte da meine beste Freundin, langsam und sehr überlegt. Sie war so viel schlauer als ich, denn ich war kurz davor gewesen, mit einer direkten Frage herauszuplatzen, statt mich vorsichtig vorzutasten.

Opa nickte. »Na ja, die Namen waren damals alle komisch, aber seiner war besonders scheußlich. Fand er selbst, er wollte sich sogar mal ein Pseudonym zulegen, glaube ich.«

»War er denn Autor?« Diese Frage kam ein bisschen schneller von Pauline als eben. Sie war genauso aufgeregt wie ich.

»Bertram war vor allem ein Aufschneider«, warf Oma ein, die mit einer Hand immer noch ihr Handy hielt, mit der anderen ihren Teller, Besteck und das Marmeladenglas gekonnt zu einem Flatlay auf dem Tisch arrangierte. »Er hat immer gesagt, er würde schreiben, dabei hat er sich nur für so olle Schinken interessiert. Er meinte, er wäre Übersetzer und Autor, aber die alten Schriften mussten, wenn man es genau nahm, ja gar nicht übersetzt werden. Mit ein bisschen Phantasie hat man die auch so lesen können.«

Meine Eingeweide tanzten mittlerweile Salsa. »Was für alte Schriften denn?«

»Na, Fraktur, Sütterlin, Kurrentschrift, so was alles.«

»Und er hat nie selber geschrieben?« Pauline hing halb über dem Tisch, so weit hatte sie sich nach vorne gelehnt, um nichts von dem zu verpassen, was meine Großeltern von sich gaben.

»Nö! Hätte der gar nicht gekonnt. Ich habe zumindest nie ein Buch von ihm zu Gesicht bekommen.«

Ich warf Pauline einen Blick zu.

Ich sah förmlich ihre Gedanken in ihrem Kopf umherwirbeln. Und das hatte einen guten Grund. Denn vor knapp zwei Monaten hatten wir in Finn-Jakes Parallelwelt von einem Buch erfahren, das in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden war. Es bildete den Schlüssel zur gesamten Weltenspringerei: Das Rätsel von Bertram.

Und dieses Buch war wahrer Sprengstoff. Allein konnte man es allerdings nur begrenzt nutzen, um Leute in andere Welten zu schicken. Es wimmelte von komplizierten und unverständlichen Formeln. Hochbegabte Wissenschaftler wie meine Parallel-Tante, ihr Mann Frank und leider auch der böse Finn-Jake-Vater konnten sich zwar einen Reim darauf machen, aber auch sie schafften es nur mit Mühe, Finn zu uns zu schicken.

Das lag daran, dass das Buch von Bertram nicht vollständig war. Es fehlte so etwas wie ein Lösungsteil – eine sogenannte Matrix. Wenn man die in der Hand hielte, dann wären kontrollierte Sprünge − egal wohin, egal wann, egal von wem − ein Kinderspiel.

Die Matrix hatte uns viele Sorgen bereitet, denn genau hinter der war der böse Finn-Vater her gewesen, bevor wir ihn mit Hilfe meiner Parallelverwandtschaft festsetzen konnten. Nicht auszudenken, was so ein größenwahnsinniger Typ damit angestellt hätte!

In unserer Welt hatten wir das Buch von Bertram bis heute nicht gefunden, weder Hauptteil noch die Matrix, aber natürlich hatte Pauline es nicht lassen können und hatte seitdem endlose Nachmittage in sämtlichen Archiven in der Gegend verbracht, um auch hier auf die Spur von Bertram und seinem Buch zu kommen. Und nun – konnte es wirklich sein, dass meine Großeltern ihn uns auf dem Silbertablett servierten?

Jetzt zog Mum das Jahrbuch zu sich. »Ich glaube, diesen Bertram hab ich auch noch kennengelernt, als er schon richtig alt war. Irgendein achtzigster Geburtstag, kann das sein? Aber selbst da hat er noch viel geredet«, sagte sie.

»Nach seinem Tod musste man sein Mundwerk noch mal extra begraben«, murrte Oma, und Mum lachte leise.

»Wie toll, dass du das gefunden hast. Mach auf jeden Fall eine Kopie für uns von der Seite, ehe du es zurückgibst, ja?«

»Klar«, sagte meine beste Freundin, trank hastig ihren Tee aus und stand auf. »Aber jetzt müssen wir los, Vicky.« Ihre Augen leuchteten, und ihre Wangen waren immer noch ganz rot.

»Komme«, murmelte ich, schob mir den Rest meines Scones in den Mund und folgte ihr durch den Garten.

Wir hatten so viel zu besprechen!

 

 

Das Haus, in dem ich mit Mum und Dad wohnte, lag nur ein kleines Stück die Straße hinunter, nicht mal eine Minute vom B&B entfernt, und genau wie meine beste Freundin wusste ich, dass wir bei unserem folgenden Gespräch unbedingt ungestört sein mussten.

Pauline marschierte deswegen direkt in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

»Wir haben ihn«, stieß sie hervor. »Wir. Haben. Ihn!«

»Aber meine Großeltern haben gesagt, dass er gar nicht geschrieben hat. Es könnte ein x-beliebiger Bertram gewesen sein.«

»Ach komm, ein Bertram, der in den Sechzigern erwachsen war und sich selbst als Autor und Übersetzer bezeichnet hat, in diesem Ort – so viele kann es da doch gar nicht gegeben haben. Das muss er sein!«

»Aber meine Großeltern haben behauptet, sie hätten nie ein Buch von ihm gesehen.«

»Darauf würde ich nichts geben. Ich möchte mir nicht wirklich vorstellen, was deine Großeltern alles gemacht haben, als sie jung waren. Mit den Freunden deines Uropas abzuhängen, gehörte sicher nicht dazu. Abgesehen davon, warum hätte Bertram ihnen so etwas auf die Nase binden sollen? Vor allem, wenn er wirklich am Rätsel von Bertram geschrieben hat.«

Ich ließ mich aufs Bett fallen. »Ich weiß nicht, Pauline … mir kommt das immer noch komisch vor. Gut, er hat sich als Schriftsteller bezeichnet, aber das tun ja so viele …«

»Wenn ich eins in meinem kurzen Leben gelernt habe, dann, dass es selten solche Zufälle gibt. Schon gar nicht im Zusammenhang mit dieser wahnwitzigen Weltenspringerei.«

Ich schluckte. Tief in meinem Inneren wusste ich ja, dass sie recht hatte.

»Und was willst du jetzt tun?«

Sie hob das Jahrbuch hoch, das sie wie ein Baby im Arm gehalten hatte. »Ich werde genau hier weitermachen. Jetzt hab ich endlich einen Anhaltspunkt, wo ich suchen muss.«

»Aber es ist doch vorbei«, sagte ich. »Die Geschichte in dieser anderen, schrecklichen Welt ist erledigt. Der böse Finn-Vater von dort ist festgesetzt, das hat uns Finn … äh … Jake doch bestätigt, und wir werden nie wieder dorthin zurückspringen.«

Pauline, die vor mir auf und ab marschiert war, blieb am Fenster stehen und sah in den Garten.

»Trotzdem. Mein Gefühl sagt mir, dass ich weitermachen muss. Um jeden Preis.«

Und weil Pauline dieses Gefühl hatte, wurde mir gleich ein ganz kleines bisschen mulmig zumute.

Aber nur ein kleines bisschen.

Und nur so viel, dass ich es schnell wieder verdrängen konnte, zumindest für den Moment. Das hier war immerhin Pauline. War ja klar, dass sie das Rätsel lösen musste, da war sie wie ein Hund, der einem Knochen hinterherjagte. Und schaden konnte es schließlich nichts, oder?

3.

»Sag mal, Finn, hat dein Bruder gerade eine Freundin? Oder einen Freund?« Susas Stimme hallte fast durch die ganze Mensa, und Yoko hielt sich die Hände vors Gesicht.

»Bitte frag ihn nicht auch noch, wenn ich dabei bin.«

»Wieso denn? Du stehst auf Jakob, seit er hergezogen ist, wirst dich aber vermutlich in den nächsten zehn Jahren nicht trauen, auch nur hallo zu ihm zu sagen. Ich will nur helfen.«

Finn, der zusammen mit uns die Mittagspause in der Mensa verbrachte, lächelte und zuckte mit den Achseln.

»Nein, mein Bruder hat gerade keine Freundin.«

Ich rollte mit den Augen. »Hey, Leute, ihr wisst doch genau, dass Jakob nur Augen für Delia hat. Und die wiederum ist in Vincent verliebt, der aus der Stadt, mit der Sterneköchinmutter.«

»Aber die beiden führen eine Fernbeziehung«, steuerte Claire bei, die gerade mit ihrem Tablett zu uns kam und aufmerksam zugehört hatte. »Da wäre es schon wichtig zu wissen, ob das so optimal läuft. Vicky, du kennst doch die Freundin von Vincents Zwillingsbruder. Kann die nicht weiterhelfen?«

Yoko stöhnte, als hätte ihr jemand eins der stumpfen Schulmesser in die Seite gerammt, und Finn widmete seine ganze Aufmerksamkeit den Teigtaschen auf seinem Teller, um nicht am Gespräch teilnehmen zu müssen.

Claire sah sich verwundert um. »Was denn? Ich sage nur das Offensichtliche!«

»Die Freundin vom Zwillingsbruder mit der Sterneköchinmutter? Leute, das ist die reinste Seifenoper«, sagte Yoko und deutete mit ihrer Gabel auf Finn. »Du bist nie Zeuge dieses Gesprächs geworden, klar? Und du wirst deswegen deinem großen Bruder nichts, aber auch gar nichts davon erzählen.«

Finn grinste. »Klar! Aber nur, wenn wir jetzt das Thema wechseln.«

»Ihr braucht den neuesten Klatsch und Tratsch? Den habe ich zufällig«, sagte Leonard, der hinter uns aufgetaucht war und sich den letzten freien Stuhl zu meiner Rechten schnappte.

»Was weißt du, was ich noch nicht weiß?«, fragte Claire, und Leonard lächelte verschwörerisch in die Runde.

»Ratet mal, wer die Schule verlässt.« Er beugte sich über den Tisch, und wir taten es ihm alle nach. »Na?«

Claire rollte mit den Augen. »Die Samadi, das wissen aber alle schon. Die hat sich nach Hamburg verliebt, das ist ein alter Hut.«

»Nein, die mein ich nicht. Ich meine jemanden, den wir alle ganz sicher nicht vermissen werden.«

»Da fallen mir einige ein«, murmelte Susa, und Yoko nickte.

»Schüler oder Lehrer?«

»Vampi!!!«, platzte es aus Leonard heraus, und das war der Moment, in dem sogar Pauline den Kopf von ihrem Tablet hob und ihre Mittagslektüre in einem wissenschaftlichen Fachmagazin unterbrach. »Er hat sich versetzen lassen! Meine Mutter meint, dass er nicht über die Schmach hinwegkommt, nicht zum Bürgermeister gewählt worden zu sein.«

»Aber er ist doch offiziell Kandidat, oder? Die Wahl hat noch gar nicht stattgefunden.«

Leonard schnaubte. »Na ja, aber es ist Fakt, dass Vickys Mum und Winfried gewinnen werden.«

Alle am Tisch nickten und ich mit. Daran gab es tatsächlich keinen Zweifel, denn obwohl meine Mutter keine Wahlwerbung machte, wusste jeder in unserem Städtchen, dass sie mit Winfried zusammen die perfekte Doppelspitze geben würde. Manche Leute gingen sogar schon ins Rathaus und wollten sich Termine geben lassen, weil sie dachten, dass die beiden längst im Amt waren.

Ich schob mit meiner letzten Tortellini den Rest Soße in die Mitte des Tellers und sagte: »Das sind wirklich die allerbesten Neuigkeiten.«

»Aber wen bekommen wir dann in Wirtschaft?«, fragte Yoko, und Claire zuckte mit den Schultern.

»Völlig egal, schlimmer kann es nicht mehr kommen. Ach, Leonard, wo du gerade stehst, bringst du mir eine Nachspeise mit? Die hab ich vergessen. Rhabarberkuchen, bitte.«

»Aber ich steh doch gar nicht«, sagte Leonard, und als ihn Claires Blick traf, zuckte er tatsächlich mit den Schultern und stand auf. »Okay, schon kapiert.«

Gerade als Pauline angefangen hatte, Claire zu erklären, wie unhöflich das eben war, roch ich es. Und weil wir leider nicht allein waren, konnte ich meine beste Freundin nicht vorwarnen.

Deswegen verschwand ich völlig unbemerkt in diesem Moment aus meinem Körper und landete in einer anderen Version meiner selbst.

 

 

»Vicky, du bist dran!«

Ich blinzelte, die Sonne schien mir direkt ins Gesicht, und ich musste niesen. Irgendjemand sagte »Gesundheit«, und ich rieb mir die Augen.

Auf jeden Fall war ich draußen, und ich musste mir erst mal die Haare, die wild im Wind flatterten, hinter die Ohren streichen, um zu erkennen, wo ich gelandet war.

»Oh!« Ich fand mich direkt vor einer Eisdiele wieder, und es war meiner Erinnerung nach eine der besten im ganzen Ort. In St. Ives – ich war wieder hier.

Hinter mir standen Konstantin, Pauline und Nikolas, jeder von ihnen mit einer großen Eistüte in der Hand. Vor mir, am Fenster des Straßenverkaufs, winkte mir der Eisverkäufer. Er lächelte mich so breit an, dass sein Goldzahn in der Sonne glänzte.

»Ich nehme Zitrone und Himbeere, bitte«, sagte ich auf Englisch, und der Typ nickte und spachtelte mir eine Riesenportion in die Eistüte. Da ich den Geldbeutel in der Hand hielt, bezahlte ich alles zusammen und folgte dann meinen Freunden, die sich ihren Weg durch die schmalen Gassen zurück zur Hafenpromenade bahnten.

Das war ein Parallelweltsprung ganz nach meinem Geschmack. Eisessen statt Nachmittagsunterricht. Ich konnte mein Grinsen quasi nicht mehr zurückhalten.

Konstantin, der auch hier mein Konstantin war, weil er immer zeitgleich mit mir die Welten tauschte, ging ein Stück vor mir neben Nikolas. Er warf mir nur über die Schulter einen schnellen Blick zu, ehe er versuchte, das Gespräch mit seinem besten Freund in Gang zu halten und dabei nicht aufzufallen.

Auf dem breiten Fußweg direkt am Hafen war es trubelig, wie immer im Sommer. St. Ives war ein malerischer Touristenort, doch obwohl jedes Jahr so viele Besucher herkamen, war es wundervoll und gemütlich und liebenswert.

Ich setzte mich neben Konstantin auf die Mauer, die die schmale Straße vom Strand trennte, und leckte an meinem Eis.

»Wir sagen es ihnen aber schon, oder?«, raunte Konstantin mir zu, und ich sah für einen Moment unschlüssig zu Nikolas und Pauline, die ein Stück neben uns standen und sich gegenseitig von ihrem Eis probieren ließen.

»Was denn sagen?«, fragte Pauline auch schon, und ich nickte. War klar, dass diese Ausgabe hier ebenfalls Ohren wie ein Luchs hatte.

»Dass wir, na ja … dass wir nicht die sind, für die ihr uns haltet.«

Pauline legte den Kopf schief. »Sprich weiter.«

Ich schluckte. »Also, wir sind schon Vicky und Konstantin, aber normalerweise wohnen wir … woanders. Ich für meinen Teil saß gerade noch in der Schule. In einer … anderen Welt?« Den letzten Satz brachte ich nur sehr piepsig heraus – es war jedes Mal wieder schwer zu erklären. Selbst für meine Ohren hörte sich es vollkommen unglaubwürdig an.

»Moment mal – das stimmt wirklich? Ihr habt uns neulich nicht veräppelt?«

»Ich kapier gar nichts«, murmelte Nikolas und sah Hilfe suchend zu Pauline.

»Die beiden haben doch neulich beim Frühstück was gefaselt, weißt du nicht mehr? Als ob sie mitten am Tag einen völlig wilden Traum gehabt hätten oder so?«

»Eure Vicky und euer Konstantin waren tatsächlich weg«, sagte Konstantin und sprang von der Hafenmauer, um unseren Freunden gegenüberzustehen.

Damit hatte er die Aufmerksamkeit der beiden, und wir erklärten abwechselnd in wenigen Sätzen, wie die Weltentauschgeschichte funktionierte.

»Das ist … ja total abgefahren«, meinte Nikolas und vergaß dabei sogar sein Eis. Es schmolz und lief ihm über die Finger.

»Ihr beiden seid also zu Besuch hier, für eine unbestimmte Zeit«, fasste Pauline die Lage zusammen. »Ihr steckt in den Körpern unserer Freunde für – wie lange?«

»Das wissen wir nicht. Das weiß niemand«, sagte Konstantin. »Aber das Ganze funktioniert natürlich auch in die andere Richtung.«

»Natürlich!«, sagte Pauline sofort. »Wenn ihr andere seid und in den Körpern unserer Freunde steckt, müssen unsere Freunde bei euch sein.«

»Stimmt«, sagte ich. »Die stecken jetzt in unseren Körpern.«

»Das ist wirklich … schräg. Hoffentlich spricht hier niemand Deutsch, sonst meinen die, wir haben nicht mehr alle Teetässchen im Schrank«, murmelte Nikolas.

Doch obwohl tatsächlich einige Touristen auf der Hafenpromenade vorbeischlenderten, nahm niemand Notiz von uns.

Konstantin, der auf unerklärliche Weise sein Eis schon gegessen hatte, und zwar ohne sich vollzukleckern, stemmte die Hände in die Hüften und strahlte mich an.

»Endlich haben wir es mal richtig cool erwischt.« Er drehte sich um seine eigene Achse und blickte sich begeistert um. »Das ist der Wahnsinn hier!«

Theoretisch pflichtete ich ihm bei, doch wenn ich eins in meinem Leben gelernt hatte, dann, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Ich schleckte ein Rinnsal Zitroneneis von meiner Waffel. »Es muss einen Haken geben!«

»Aber wieso denn? Was, wenn wir zur Abwechslung die Zeit hier einfach mal genießen?«

»Weil ich Vicky King bin. Und weil mir immer was Blödes passiert, selbst wenn alles so aussieht, als ob ich nur im Urlaub bin und Eis esse.«

Konstantin blickte die Hafenpromenade auf und ab. Ein paar Kinder spielten Fangen, die Möwen kreischten, und eine Gruppe Urlauber diskutierte, in welchen Pub sie zur Mittagspause einkehren wollten. »Was soll denn bitte schön passieren?«

Ja, es sah wirklich heimelig aus und sehr ruhig. Und dennoch.

»Keine Ahnung! Vielleicht, dass Finn-Jakes böser Vater um die Ecke marschiert kommt. Oder dass meine Tante Polly auftaucht, die irgendwelche komischen Experimente mit uns machen will.«

»Was redet die da?«, fragte Nikolas leise Pauline, doch die bedeutete ihm nur, still zu sein.

»Wir haben endlich mal den Hauptgewinn gezogen«, sagte Konstantin, und er lachte so glücklich, dass mein Herz sofort auch ein bisschen hüpfte.