Zimtsterne & Punschküsse - Jessica Graves - E-Book

Zimtsterne & Punschküsse E-Book

Jessica Graves

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

24 Männer, 12 Kurzgeschichten, 9 bekannte Gesichter, 7 Tassen Punsch mit einem Schuss Kuss-Aroma, mindestens 5 Weihnachtsbäume und 1 Märchen. Diese weihnachtliche Kurzgeschichtensammlung ist randvoll mit allem, was das schönste Fest des Jahres zu bieten hat. Besinnliches Beisammensein, Weihnachtswunder und Liebe erwarten dich im Übermaß. Darüber hinaus gibt es mysteriöse Wichtelgeschenke von geheimen Verehrern, Leidenschaft vor prasselndem Kaminfeuer, Zweisamkeit im Schneegestöber, nur ein Bett, Reisen rund um die Welt, Alpenwanderungen und mehr als genug Zimtsterne und Punsch, gewürzt mit guten Küssen. Das alles zwischen Männern, die die Liebe suchen, finden oder bereits besitzen. Die perfekte Lektüre für einen gemütlichen Weihnachtsmorgen im Bett oder die Zeit zwischen der Bescherung und dem Besuch bei der Tante. . In diesem Buch sind fünf Kurzgeschichten zu vertrauten Charakteren aus bereits erschienenen Romanen enthalten. So steht etwa Alveros Greystone aus „New York Devil“ einer gefährlichen Bekannten gegenüber, Romeo aus „Heat im Zoo“ bringt jemandem das Backen bei und Benedict aus „Sugardaddy zum Entlieben“ trifft in den Alpen auf einen Mann, der ihn gehörig durcheinanderbringt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

Zimtsterne

&

Punschküsse

 

 

Jessica Graves

 

 

Impressum:

 

Deutschsprachige Erstausgabe September 2022

Copyright © 2022 Jessica Graves

Jessica Graves

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische und sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, wozu auch die Verbreitung über »Tauschbörsen« zählt.

 

Covergestaltung: Coverträume (Bildquelle: shutterstock.com)

 

1. Auflage

 

Inhaltsverzeichnis

 

Weihnachtlicher Gruss

Spoilerwarnung

Ein Wald aus Weihnachtsbaeumen

Japanische Weihnachten

Weihnachtswichtel

Heisse Weihnachten

Der Feind in seinem Bett

Gezaehmte Weihnachten

Weihnachtswunder

Praesidiale Weihnachten

Mondplaetzchen

Abenteuerliche Weihnachten

Zimtsterne und Walnussplaetzchen

Der einsame Prinz

Ein festliches Dankeschoen

Ueber Jessica Graves

Deine Stimme zaehlt

Weitere Geschichten aus Jessicas Feder

Aiden & Damian – Footprints in the Sand

Sugardaddy zum Entlieben

New York Devil

Heat im Zoo

Weitere Veröffentlichungen (Gay Romance)

Weitere Veröffentlichungen (Hetero Romance)

 

 Weihnachtlicher Gruss

 

Als ich klein war, habe ich gern Märchen und Legenden gelesen. Grimms Märchen, die Nibelungen- und die Artussage und die Erzählungen der ägyptischen und griechischen Götter. Besonders in der Weihnachtszeit haben es mir diese Geschichten angetan.

Weihnachten war für mich stets die Zeit, in der ich mich mit einem Märchenbuch und einer kuscheligen Decke in eine ruhige Ecke setzte, aus der man mich meist nur mit Gewalt bekam, wenn das nächste Familienessen oder der Besuch bei der Tante anstanden. Das beste Geschenk an Weihnachten war ein neues Märchenbuch. Damit hatte ich mich bald durch die halbe Welt gelesen.

Als ich älter wurde, wurden die klassischen Märchen immer öfter von weihnachtlichen Liebesgeschichten abgelöst. Das Träumerische wandelte sich. Ich versank in Schneelandschaften mit romantischen Szenen, fühlte mit, während die Hauptfiguren zwischen heißem Tee und Schneeballschlacht ihr ganz eigenes Drama zu bewältigen hatten, und war missmutig, wenn Silvester vorüberzog und mich der Alltag einholte.

An Weihnachten zu lesen, birgt einen besonderen Zauber. Einen, der mich jedes Jahr wieder findet.

Aus diesem Grund habe ich diese weihnachtliche Kurzgeschichtensammlung geschrieben – und einen Funken Weihnachtsmagie darin eingefangen. Der Fokus liegt auf Romantik mit einem Hauch Märchen. Entspannte Geschichten mit Happy End erwarten dich, die dir in der kältesten Jahreszeit das Herz wärmen.

Ich hoffe, dass dich mein Weihnachtsfunke erreicht.

Besinnliche Lesezeit.

 

 

Jessica Graves

 

 Spoilerwarnung

 

Bevor du dich in dieses weihnachtliche Lesevergnügen stürzt, ein Wort der Warnung: In dieser Kurzgeschichtensammlung wirst du auf bereits bekannte Charaktere aus folgenden meiner Romane treffen:

 

Andrew, Romeo und Stephen aus

„Heat im Zoo“

Gabriel und Alveros aus

„New York Devil“

Alaric und Gawain aus „

New World King

“, sowie

Jonas und Benedict aus

„Sugardaddy zum Entlieben“

 

Alle Kurzgeschichten setzen nach Ende der jeweiligen Romane an. Wenn du die Bücher noch nicht gelesen hast, empfehle ich, das vorher zu tun, wenn du Spoiler vermeiden willst. Alternativ kannst du die jeweilige Geschichte auch überblättern. Die Namen der Charaktere werden am Anfang der Geschichten aufgeführt, sodass es nicht zu bösen Überraschungen kommt.

Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen!

 

 

 

 

 Ein Wald aus Weihnachtsbaeumen

 

 

Hadrian war nervös, als er vor dem Eingang stehenblieb und hineinspähte. Es wimmelte von Bäumen und er sah niemanden, der ihm weiterhelfen konnte. Vielleicht sollte er wieder gehen und es bei den Weihnachtselfen des Weihnachtsmanns versuchen? Das hatte auch recht vielversprechend ausgesehen.

»Ein Weihnachtsbaum für Sie?«, fragte hinter ihm eine tiefe Stimme, die ihn so erschreckte, dass er einen Satz machte. Hadrian sprang eilig herum und sah sich einem Mann gegenüber, der groß und breitschultrig war und ihn mit finsterer Miene ansah.  

Peinlich berührt schüttelte er den Kopf und wich dem wachsamen Blick des Mannes aus. »Nein. Ich bin hier wegen des Aushilfsjobs.«

»Die Zeitungsannonce?«

Hadrian nickte nervös. »Ja.«

Sein Gegenüber reichte ihm die Hand. »John Waltz«, stellte er sich vor.

Als Hadrian sie ergriff, wurden seine Finger so kräftig gedrückt, dass die Knöchel knackten.

»Schon Erfahrung im Weihnachtsbaumverkauf gesammelt?« Mr. Waltz gab seine Hand frei.  

Kopfschüttelnd bewegte Hadrian die Finger, um das leichte Ziehen zu vertreiben. »Nein.«  

Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Sonst irgendwelche nennenswerten Erfahrungen im Verkauf?«, hakte er nach und hob skeptisch eine Augenbraue, als halte er das für unwahrscheinlich.

»Ich habe letztes Jahr auf einer Messe an einem Stand ausgeholfen«, sagte Hadrian eilig, weil er fürchtete, dass ihn der Mann direkt ablehnte, wenn er wieder verneinte. »Flyer verteilt und Leute angesprochen. Und ich habe mal für ein paar Wochen gekellnert.«

»Also zumindest Erfahrung im Umgang mit Menschen verschiedener Hintergründe.«

Hadrian nickte.  

»Wie flexibel bist du zeitlich?«

»Sehr flexibel«, beteuerte Hadrian hastig. »Mein Studium hat gerade erst angefangen und im ersten Semester schonen sie uns noch. Ich kann jederzeit hier sein.«

»Vormittags, mittags, abends, bis spät in die Nacht hinein?«, hakte Mr. Waltz nach, als wollte er sichergehen.

»Das bekomme ich geregelt.«

»An den Wochenenden? Sonntage?«

Allmählich fühlte sich Hadrian wie in einem Verhör. Tapfer antwortete er: »Kein Problem.«

»Weihnachten?«, wollte der Mann wissen und seine Augen verengten sich leicht, als wäre er skeptisch.

»Wann immer Sie mich hier haben wollen, Mr. Waltz«, sagte Hadrian mit aller Inbrunst, die er aufbringen konnte. Er brauchte diesen Job und das Geld. Das hier würde ihm besser gefallen, als im Kostüm eines Weihnachtselfen durch die Massen zu hüpfen. Weniger hektisch.

Mr. Waltz schwieg einen Moment. Seine Kiefermuskeln zuckten und Hadrian war sich nicht sicher, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Wie hatte er sich in diesem plötzlichen Bewerbungsgespräch angestellt?

Dann, als schien er einen Entschluss gefasst zu haben, nickte Mr. Waltz. »In Ordnung. Der Stundensatz beträgt fünfzehn Dollar. Du wirst morgen Nachmittag anfangen, um vierzehn Uhr. Sei pünktlich. Und bring eine Kopie deines Führerscheins mit.«

Hadrian starrte ihn an. Es brauchte eine Weile, bis er verstand, was das bedeutete. Als endlich zu ihm durchsickerte, dass er den Job hatte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Natürlich!«, sagte er überschwänglich. »Vielen Dank, Mr. Waltz, Sir. Sie werden es nicht bereuen.«

»Wir werden sehen«, brummte Mr. Waltz und es klang wie eine Warnung. Sie war unnötig. Hadrian erkannte eine Chance, wenn ihm eine geboten wurde. Er würde sich anstrengend, damit sein neuer Boss keinen Grund hatte, die Entscheidung anzuzweifeln.  

Mit federndem Schritt verließ Hadrian den Weihnachtsbaummarkt.  

*

 

Als er am nächsten Tag zur vereinbarten Zeit zurückkam, traf Hadrian, statt auf Mr. Waltz, auf einen jungen Mann mit Sommersprossen und blonden Locken, der weitaus gesprächiger und freundlicher wirkte als sein neuer Boss.

»Timothy Bright«, stellte er sich breit grinsend vor. »Du kannst mich Tim nennen. Komm, Mr. Waltz sagte, ich soll dir ein paar Dinge zeigen.«

Und er griff ihn am Arm, zog ihn über das Gelände, das von Tannenbäumen so dicht besiedelt war, dass man sich zwischen den Ästen durchzwängen musste, und weiter nach hinten, zum Container. Dort befanden sich das Büro, eine winzige Küche und eine Angestelltentoilette. Es war kaum mehr als ein Dixi-Klo und die Kaffeemaschine und Mikrowelle hatten schon bessere Tage gesehen, aber Hadrian beklagte sich nicht. Er war glücklich, dass er Teil des Teams geworden war.

Tim erklärte ihm die Unterschiede der verschiedenen Nadelbäume des Sortiments und gab ihm eine Einführung in die Verkaufsgespräche.

In den kommenden Tagen bemerkte Hadrian schnell, dass sein Kollege im Verkaufen recht erfolgreich war. Er nutzte jede Gelegenheit, um sich etwas von ihm abzuschauen. Tim hatte diesen natürlichen Charme, der weder angestrengt noch aufgesetzt wirkte. Er war zurückhaltend freundlich und die Kunden sprangen darauf an. Hadrian vermutete, dass er durch dieses unaufdringliche Verhalten authentischer wirkte und sie weniger das Gefühl hatten, dass er ihnen etwas andrehen wollte. Und Hadrian, der schon befürchtet hatte, dass ihm seine Introvertiertheit bei dieser Art von Job hinderlich sein konnte, war erleichtert, dass ihm das nicht im Weg stehen musste.

Mr. Waltz bekam er in den nächsten Wochen selten zu Gesicht. Meist waren Tim oder eine andere Aushilfe da, eine Studentin namens Lara, die sich für Tim zu interessieren schien. Während Hadrian Tim und Lara mehr und mehr kennenlernte und die Arbeit mit ihnen sehr genoss, hielt sich Mr. Waltz bedeckt, ging in seinem Büro die Zahlen durch und ließ sich selten blicken. Er war ein wandelndes Mysterium, sprach wenig, und wenn, dann nur das Nötigste. Über ihn war auch bei den anderen beiden kaum etwas bekannt. Hadrian verstand nicht, warum, doch aus irgendeinem Grund machte es Mr. Waltz in seinen Augen noch interessanter.

Der Mann hielt sich dermaßen bedeckt, dass sich Hadrian bei Mutmaßungen darüber ertappte, wie er wohl war. Er vermutete, dass mehr hinter der grummeligen, griesgrämigen Fassade steckte. Aber Hadrian ahnte auch, dass er nichts anderes zu sehen bekommen würde. Seine Anstellung wäre bis zum Ende des Weihnachtsgeschäfts begrenzt. Danach würde er sie alle nie wiedersehen und sich deutlich mehr auf sein Studium konzentrieren.

Bis dahin sollte er genug zu tun haben, als dass er sich über solche Dinge den Kopf zerbrechen konnte. Denn der Ansturm auf Weihnachtsbäume nahm mit jeder Woche, die verging, zu. Als Weihnachten nur noch wenige Tage entfernt war, hatte Hadrian so viel zu tun, dass er nach seinen Schichten oft vollkommen fertig ins Bett fiel und direkt einschlief. Er war froh, dass er die Kunden nicht allein bedienen musste und dass Tim und Lara da waren. Sonst hätte er nicht gewusst, wie er dem wachsenden Ansturm hätte gerecht werden sollen. 

*

 

Als sich Tim zwei Tage vor Weihnachten überraschend mit schwerer Grippe krankmeldete und Lara bedauernd mitteilte, dass sie sich wohl bei ihm angesteckt hatte, sah sich Hadrian plötzlich allein dem Kundenansturm gegenüber. Derart unterbesetzt, in der wichtigsten Zeit, die das Weihnachtsbaumgeschäft kannte, ergriff Mr. Waltz entsprechende Maßnahmen: Weil er so kurzfristig keinen Ersatz auftreiben konnte, verkaufte er selbst.

Nun hatte Hadrian Gelegenheit, ihn bei der Arbeit zu beobachten – sofern es seine eigene Zeit zuließ. Und was er in den nächsten zwei Tagen lernte, bestätigte sein Bild von Mr. Waltz und veränderte es zugleich. Er war ihm schon anfangs entschlossen, charakterstark und dominant erschienen. Aber, wie Hadrian feststellte, konnte er durchaus freundlich sein. Höflich, zuvorkommend und aufmerksam. Er betreute die Kunden zielführend, ließ sich nie die Kontrolle über ein Gespräch nehmen und entließ sie am Ende mit dem Gefühl, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Seine Verkaufsgespräche waren strukturiert, entschieden und effektiv. Und Hadrian bemerkte, was für einen langen Weg er noch vor sich hatte. Er versuchte, es zu imitieren. Es gelang ihm auf diese kurze Zeit nicht und doch musste er sich eingestehen, dass er so viel lernte, dass er davon definitiv profitierte.  

Zugleich waren die zwei Tage an Stress und Hektik nicht zu überbieten. Hadrian kroch am Ende seiner Schichten, die er bis zur Belastungsgrenze ausgereizt hatte, vom Platz, war fix und alle, wenn er zu Hause ankam.

Wenn er keine Semesterferien hätte, würde er es niemals so gut durchhalten. Deshalb war er ehrlich erleichtert, als sie an Heiligabend zu zweit die letzten Kunden bedienten und gegen acht endlich den Weihnachtsbaummarkt schließen konnten. Nur noch ein paar vereinzelte, traurig aussehende, kleine Tannen standen auf dem Platz, der nun, da er leer war, erstaunlich groß aussah.  

»Gute Arbeit«, sagte Mr. Waltz zufrieden, nachdem sie das Tor geschlossen hatten. Selbst er klang nicht so kraftstrotzend wie sonst.  

»Danke«, antwortete Hadrian abgekämpft. Es war das erste Mal, dass ihn Mr. Waltz lobte. Er war zu erschöpft, um sich darüber zu freuen.

Sie gingen zum kleinen Container. Hadrian würde seine Tasche holen und sich dann ein letztes Mal verabschieden. Wehmut stieg in ihm auf. Die Wochen waren anstrengend gewesen, aber der Nebenjob hatte ihm viel Freude bereitet. Zudem hinaus hatte er einiges gelernt. Es würde ihm fehlen, Tim und Lara jeden Tag zu sehen.

»Und schon ist Weihnachten«, sagte Mr. Waltz. »Ich finde, wir haben uns eine Belohnung verdient.« Vor dem Container blieb er stehen.

Hadrian, der ihm gedanklich nicht folgen konnte, schaute fragend auf.

»Ich habe noch eine Flasche Glühwein im Büro«, erklärte sein Boss. »Was hältst du davon, wenn wir sie öffnen? Zur Feier der erfolgreichen Saison trotz der Herausforderungen?«

Überrascht stutzte Hadrian, ehe er nickte. »Oh. Okay.«

Sein Zögern ließ Mr. Waltz innehalten. Dann wanderte ein Ausdruck wie schlechtes Gewissen über sein Gesicht. »Entschuldige, ich halte dich auf. Zu Hause wartet sicher deine Familie auf dich.«

Hadrian spürte den Stich. Es war Weihnachten und er würde in seine kleine einsame Wohnung zurückkehren. Da war keine Familie, die auf ihn wartete. Nicht seit er alt genug gewesen war, auszuziehen und seiner unangenehmen Vergangenheit den Rücken zu kehren. »Nein, es … es ist in Ordnung. Ich habe Zeit.«

Seine Worte schienen Mr. Waltz zu überraschen. Hadrian meinte, Bestürzung in seinen Augen auffunkeln zu sehen, doch es erlosch so schnell wieder, dass er sich nicht sicher sein konnte.

»Wenn das so ist? Ich werde den Glühwein aufwärmen.«

»Ist gut.«

Während Mr. Waltz im Container verschwand, blieb Hadrian in der klirrenden Kälte stehen und schaute seinem Atem dabei zu, wie er in feinen Wölkchen davonschwebte. Es wunderte ihn, dass ihm sein Boss Alkohol anbot. Das hätte er dem korrekten und strengen Mr. Waltz nicht zugetraut. Aber vermutlich war es eine Ausnahme. Es war ihr letzter Tag. Hadrians Schicht war zu Ende. Faktisch trank er also gar nicht bei der Arbeit und Mr. Waltz war auch nicht länger sein Boss.

Der Gedanke wollte ihn traurig stimmen. Hadrian schob ihn von sich und lenkte den Blick hinauf zu den Sternen. Hier, inmitten der großen Stadt, konnte er kaum welche sehen. Nur ein paar Dutzend funkelten zu ihm herunter. Es war friedlich hier draußen und nach getaner Arbeit fühlte sich Hadrian beinahe erfüllt. Er hatte viele Haushalte mit seinen Bäumen glücklich gemacht und dazu beigetragen, dass sich der Weihnachtszauber verteilte. Einen Job zu haben, mit dem er anderen Menschen helfen konnte, gefiel ihm. Es gab ihm ein gutes Gefühl.

Nachdenklich betrachtete er die Sterne und verlor sich in Gedanken.

Erst als er hörte, wie sich die Tür des Containers öffnete und Mr. Waltz die drei vergitterten Metallstufen hinabstieg, wurde er daraus entrissen. Hadrian wandte sich zu ihm um. Sein Boss trug zwei Tassen in den Händen, aus denen es dampfte. Er reichte ihm eine.  

»Danke«, sagte Hadrian höflich, nahm sie entgegen und roch daran. Es duftete nach Nelken, Zimt, Orangenschalen und nach süßem Alkohol.

»Gern«, antwortete Mr. Waltz und wiederholte: »Das haben wir uns nach diesem Tag verdient.«

Hadrian nickte lächelnd. Das große Finale war kräftezehrend gewesen. Er hatte nicht geglaubt, dass so viele Leute ihre Weihnachtsbäume erst auf die letzte Minute kaufen würden.  

Mr. Waltz setzte sich auf die oberste Metallstufe und trank einen Schluck, ehe er das Gesicht verzog. »Vorsicht«, warnte er. »Er ist ziemlich heiß.«

Hadrian musste schmunzeln. »Gut zu wissen.« Er ließ sich ebenfalls nieder – auf die niedrigste Stufe. Seine Füße taten weh, weil er den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war.

»Wie wirst du die nächsten Tage verbringen?«, überraschte ihn Mr. Waltz mit dem Versuch, Small Talk zu führen. Hadrian hatte nicht geglaubt, dass sein Chef sinnloses Geplauder für angebracht hielt, wenn es nicht dem Verkauf von Weihnachtsbäumen diente.

Er zuckte mit den Schultern. »Ich denke, ich werde lernen«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Ich habe das Studium in den letzten Tagen ziemlich vernachlässigt. Da muss ich ein paar Dinge aufholen.«

»Aber sicher nicht die ganze Zeit, oder?«, fragte Mr. Waltz freundlich. »Es ist immerhin Weihnachten. Deine Familie wäre enttäuscht, wenn du die Zeit gar nicht mit ihnen verbringst.«

Hadrian schluckte. Da war es schon wieder, dieses unangenehme Gefühl. »Ich habe keine Familie«, antwortete er bemüht sachlich und unbekümmert. Weil er spürte, dass die Stimmung zwischen ihnen beklommen wurde, fragte Hadrian eilig: »Und Sie? Was haben Sie geplant?«

»Nicht viel«, sagte Mr. Waltz, der sich dazu entschieden zu haben schien, den Themenwechsel anzunehmen. »Einige organisatorische Notwendigkeiten wegen des Weihnachtsbaummarktes.« Er machte eine weitschweifende Geste. »Die Verwaltung will eine Kostenaufstellung und dann wird der Platz an den Pächter zurückgegeben.«

Hadrian nickte. Das klang genauso wenig nach Familienaktivitäten. Er fragte sich, ob Mr. Waltz geschieden war. Ob er Kinder hatte, die er vielleicht an den Weihnachtsfeiertagen sah, ehe sie von ihrer Mutter abgeholt wurden. Verheiratet war er wohl nicht, wenn er es heute nicht eilig hatte, nach Hause zu kommen.

Hadrian war zu schüchtern, um zu fragen. Stattdessen trank er einen Schluck Glühwein und bemerkte zufrieden, dass ihn das Getränk ordentlich durchwärmte. Den ganzen Tag draußen zu stehen, hatte ihn ziemlich unterkühlt. Die heiße Tasse tat außerdem seinen Fingern gut, deren Spitzen schon blau angelaufen waren.  

»Lebst du allein?«, fragte Mr. Waltz in die Stille hinein.  

Hadrian schwieg einen Moment. Es war schwer, auf diese Frage zu antworten. Sicher wollte Mr. Waltz nur aufmerksam sein, aber er sprach nicht gern über sein derzeitiges Leben. Hin und wieder fühlte er sich einsam. Und er fragte sich, wie viel er sagen musste und wo er die klare Grenze ziehen konnte, weil es Mr. Waltz nichts anging. Schließlich kam es jetzt nicht mehr darauf an. Sie würden ab morgen getrennte Wege gehen.

Andererseits, was hatte er schon zu verlieren, wenn sie sich ohnehin nicht wiedersahen? Wieso eine freundlich interessierte Frage abblocken? Also antwortete Hadrian: »Ja. Ich bin vor einigen Monaten in eine eigene Wohnung gezogen. Und Sie?«

Mr. Waltz nickte nur, trank noch einen großen Schluck Glühwein und legte den Kopf in den Nacken. »Es hat etwas Angenehmes, einen Ort für sich zu haben«, sagte er, während er die Sterne ansah.

Hadrian schwieg. Das konnte er wohl als Zustimmung begreifen. Oder Mr. Waltz wand sich geschickt heraus. Dass er verschlossen war, wusste Hadrian ja inzwischen. Um nichts sagen zu müssen, trank er seine Tasse aus. Der Glühwein entspannte ihn. Machte ihn schläfrig. Er spürte, wie ihm der Alkohol durch die Blutbahnen wanderte.

»Menschen können zuweilen recht anstrengend sein«, sagte Mr. Waltz, ohne dass er eine Antwort zu erwarten schien. Es war, als würde er es zu sich selbst sagen. »Es ist selten, auf jemanden zu treffen, mit dem man tatsächlich auskommt. Ohne dass sich einer zu sehr verbiegen muss.«

Hadrian schaute zu, wie sein Boss austrank.

Eine Weile saßen sie stumm auf der Treppe.

Dann fand Mr. Waltz aus seinen Gedanken. Er blickte in seine Tasse und zurück Hadrian hin. »Die Hälfte der Flasche ist noch da. Möchtest du mehr?«

Hadrian wusste, dass er aufhören sollte. Er hatte keine Übung mit Alkohol und sein Bewusstsein schwebte bereits auf einer leichten, flauschigen Wolke. Trotzdem reichte er Mr. Waltz seine Tasse.

»Danke.«

Der Mann verschwand wieder im Inneren des Containers und kam bald mit zwei vollen Tassen zurück. Er reichte Hadrian seine. »Ist es nicht seltsam, wie das menschliche Gehirn funktioniert?«, fragte er, als hätten sie eben ein Gespräch geführt, an das er anknüpfte.

Hadrian hatte Mühe, ihm zu folgen – und das lag nur bedingt am Alkohol. »Inwiefern?« Er trank einen vorsichtigen Schluck.

»Gefühle«, präzisierte Mr. Waltz. »Emotionen. Zu- und Abneigung.« Er machte eine weitschweifende Geste, während er nachdenklich in die Ferne spähte, als sähe er dort etwas. »Chemische Prozesse werden in unseren Köpfen losgetreten und schon fühlen wir uns wütend oder entspannt oder aufgeregt.«

Hadrian runzelte die Stirn. Er war sich nicht sicher, ob er nach einem langen anstrengenden Arbeitstag und eineinhalb Tassen Glühwein in der Verfassung war, solche schwerwiegenden Themen zu besprechen.

»Alles außerhalb unserer Kontrolle«, stellte Mr. Waltz fest und schaute Hadrian so durchdringend an, dass er Gänsehaut bekam. »Wusstest du, dass es nur drei Sekunden dauert, bis man weiß, ob man jemanden mag? Die einzige Frage, die sich das Gehirn dabei stellt, ist, ob man diesen Menschen riechen kann.«

Hadrian schluckte betroffen. Er fragte sich immer noch, was ihm Mr. Waltz damit sagen wollte und bemerkte, dass es nachteilig war, leicht angetrunken zu sein. Sein Geist war so verschwommen, dass er keine Struktur in Mr. Waltz’ Worten erkannte.

»Wir glauben, dass wir die Kontrolle darüber haben, wen wir mögen und wen nicht. Aber das ist eine Lüge. Wir steuern gar nichts. Unser Gehirn macht das, biochemische Prozesse und das Unterbewusstsein. Wir finden nur die Begründungen dafür, warum wir mit diesen Prozessen übereinstimmen, damit wir uns selbst einreden können, dass es unsere eigene Entscheidung ist.«

Hadrian antwortete nicht. Er versteckte sein Gesicht in der Tasse und versuchte, zu begreifen, was sein Boss da sagte.

»Das verstehe ich nicht«, nuschelte er schließlich. »Was bedeutet das?«

»Es bedeutet, dass wir uns selbst austricksen können.« Mr. Waltz trank seinen Glühwein in großen Schlucken aus und stellte die Tasse neben sich auf die Treppenstufe. »Es bedeutet, dass wir das, was wir für andere Menschen empfinden – Sympathie, Abneigung, Wut, Freundschaft, sogar Liebe – dass wir das alles inszenieren können. Damit lösen wir eine biochemische Reaktion aus und die signalisiert unserem Gehirn, dass das, was wir nur vorgegeben haben, tatsächlich Realität ist.«

Hadrian schüttelte sprachlos den Kopf. In Ermangelung weiterer Worte ließ er einen Schluck Glühwein über seine Zunge rollen.

Sein Blick begegnete dem von Mr. Waltz. »Glauben Sie das wirklich?«

Es klang zu abstrus, um wahr zu sein. Und es würde so vieles bedeuten. Dass er seine ungesunde Familie mögen konnte, wenn er nur so tat als ob. Dass er sich jedes Mal, sobald er fürchtete, dass ihn jemand ablehnte, nur auf eine gewisse Art verhalten musste, um sicherzugehen, dass ihn diese Person sympathisch fand.

Mr. Waltz zuckte mit den Schultern. »Ich habe davon gelesen«, sagte er nachdenklich. »Vor einigen Tagen war ein ziemlich langer Artikel dazu in einer Zeitung. Recht anschaulich erklärt. Sie haben Experimente mit Versuchspersonen durchgeführt. Es hat in neunzig Prozent der Fälle geklappt. Das, was sie erzeugen wollten, wurde erzeugt. Egal, ob es Abneigung, Freundschaft oder Liebe war.«

»Tatsächlich?«, hauchte Hadrian atemlos. Nun, da sein Geist entspannter und er mit Mr. Waltz allein war, erinnerte er sich daran, dass er ihn attraktiv fand. Sein Boss sah überdurchschnittlich gut aus. Er hatte eine angenehme Stimme und konnte nett sein, wenn er wollte. Er war groß und breitschultrig und Hadrian wünschte sich, sie würden dieses Gespräch auf einer Couch fortführen, aneinandergeschmiegt, unter einer kuscheligen Sofadecke. Die Vorstellung ließ seine Wangen warm werden und seine Fingerspitzen kribbelten.

Mr. Waltz nickte. Er schien von den Gedanken glücklicherweise nichts zu ahnen.

»Haben Sie es ausprobiert?«, fragte Hadrian leise. »Oder wollen Sie es versuchen?«

Als ihn sein Boss überrascht ansah, erkannte er, dass dieser wohl nicht so weit gedacht hatte.

Damit er es nicht falsch verstand, setzte Hadrian eilig hinzu: »Vielleicht in einem Verkaufsgespräch? We-wenn die Kunden Sie sofort mögen würden, würden sie noch schneller bei Ihnen kaufen.«

Mr. Waltz’ Mundwinkel zuckten. »Auf dem Gebiet kann ich mich nicht beschweren, denke ich.«

Hadrian gab ihm im Stillen recht. Er hatte ihn verkaufen gesehen. Mr. Waltz brauchte keine zusätzlichen psychologischen Tricks, um Mensch und Baum zueinander zu bringen.  

»Aber in anderen Bereichen wünschte ich, ich könnte mir dieses Wissen mehr zunutze machen«, fuhr Mr. Waltz mit einem Seufzen fort und sein Blick glitt wieder in die Ferne.

Hadrian beobachtete ihn verstohlen. »In welchen Bereichen?« Er ahnte, dass der Glühwein an seiner lockeren Zunge schuld war.

Mr. Waltz schaute zu ihm zurück, mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen. »In Liebesdingen«, antwortete er unerwartet direkt. »Ich bin offensichtlich nicht in der Lage, jemanden auf lange Sicht an mich zu binden und das ist, um ehrlich zu sein, deprimierend.«

Hadrian errötete. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Mr. Waltz die Karten so offen auf den Tisch legen würde.

Dieser schien ebenfalls zu bemerken, dass er für seine Verhältnisse ungewohnt direkt war. »Entschuldige«, sagte er und blinzelte, als versuchte er, aus einem Traum zu erwachen. »Ich weiß nicht, warum ich dir das erzählt habe. Das ist sicher nicht das gewöhnliche Thema, das man an Weihnachten mit seinem Boss bespricht. Du musst mich für jämmerlich halten.«

»Nein«, sagte Hadrian leise. »Tue ich nicht.«

Auf seine Worte schwiegen sie beide. Mr. Waltz wirkte unzufrieden. Ob über sich selbst oder seine Situation, war schwer zu sagen.  

»Wollen Sie es denn …«, begann Hadrian und leckte sich nervös Glühwein von den Lippen. »Wollen Sie es denn ausprobieren? Das, was Sie gelesen haben?«

Seine Frage schien Mr. Waltz zu überrumpeln. »Ich weiß nicht.«

»Gibt es eine Beziehung, die Sie verändern wollen?«

»Nun, da fallen mir schon ein paar ein«, sagte Mr. Waltz nickend. Er lachte auf. »Allein die Beziehung zu meiner Tante ist furchtbar, wir haben die letzten Jahre gar nicht mehr miteinander gesprochen. Und ich habe jedes Jahr an ihrem Geburtstag ein schlechtes Gewissen, weil sie schon so alt ist und wenn ihr was zustößt, haben wir es nie aus der Welt geschafft, dass …«

»Was ist mit mir?«, unterbrach ihn Hadrian atemlos.

Mr. Waltz hielt inne. »Mit dir?«

Hadrian nickte. Er wusste selbst nicht, was genau er suggerieren wollte. Ja, er fand Mr. Waltz attraktiv, aber er hatte nie über mehr nachgedacht. Wieso jetzt? War der Glühwein schuld? Brachte ihn dieses gemeinsame Zusammensein auf einer eiskalten Treppe am Weihnachtsabend auf seltsame Ideen? Oder das Gefühl, dass an Weihnachten Wunder möglich waren?

»Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, sagte er langsam und es gelang ihm nicht länger, den Blick zu Mr. Waltz aufrecht zu erhalten, »können zwei Menschen nach dieser Theorie Zuneigung füreinander empfinden lernen, wenn sie nur die richtigen Emotionen beieinander auslösen.«

Mr. Waltz schwieg eine Weile. Dann sagte er, mit seltsam rauer Stimme. »Das ist richtig.« Er räusperte sich. »Trotzdem denke ich nicht, dass …«

»Wir sind beide allein an Weihnachten. Niemand wartet zu Hause auf uns.« Der Alkohol ließ Hadrian die Umstände so klar sehen, dass er darüber nicht einmal peinlich berührt sein konnte. Es war, als hätte er vom Kelch der Erkenntnis gekostet. Es war egal, dass er nicht wusste, ob Mr. Waltz schwul war. Laut dieser Theorie konnte man jeden lieben, wenn man sich nur darauf einließ. Auch romantisch. Die Vorstellung, dass das mit ein paar Kniffen möglich war, beflügelte ihn.

---ENDE DER LESEPROBE---