Zuhause - Marilynne Robinson - E-Book

Zuhause E-Book

Marilynne Robinson

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Beschreibung

Um den erfundenen Ort Gilead hat Marilynne Robinson eine Erzählwelt geschaffen, die Roman für Roman weiterwächst. Gilead ist keine Idylle, sondern eine Stadt, die für den Leser zum Mittelpunkt eines ganzen Kosmos wird. In »Zuhause« kehrt Glory Boughton nach Gilead zurück, um ihren sterbenden Vater zu pflegen. Kurz darauf findet auch ihr Bruder Jack nach 20 Jahren heim, der »Bad Boy« der Familie, der zu viel trinkt und zu wenig tut. Jack eckt bei allen an – und doch ist er der Liebling des Vaters. Allmählich knüpft er ein enges Band zu seiner Schwester, hütet aber weiter ein großes Geheimnis – einen Konflikt aus dem dunklen Amerika, in dem Hautfarbe und Leidenschaft Hass gebären. »Zuhause« ist ein auf leise, präzise Art schonungsloses Buch, in dem Marilynne Robinson die Kontraste ihrer Welt um den fiktiven Ort Gilead noch eindringlicher zeichnet. Sie erzählt mit großer Meisterschaft von Scham und Würde, von Gnade und Vergebung, und wieder gelingt es ihr, dem Trost ein Zuhause zu geben. »Eine unserer größten lebenden Romanautorinnen.« Bryan Appleyard, Sunday Times

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Seitenzahl: 545

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Marilynne Robinson

Zuhause

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Uda Strätling

FISCHER E-Books

Inhalt

Widmung»Zuhause, Glory! Auf Dauer! [...]Schon wenige Wochen nach [...]Als sie heimkehrte, hatte [...]Es folgten Wochen der [...]Er hatte seinen verbliebenen [...]Glory brachte Jack hoch [...]Sie fing noch mal [...]Glory hatte oft darüber [...]Nach zwei Tagen war [...]Die Kirche ihrer Kinderjahre [...]Sie stopfte Jacks Zehn-Dollar-Schein [...]Nach einigen Tagen fand [...]Es machte tatsächlich vieles [...]Vier Wochen vor Jack [...]Jack kehrte tatsächlich heim, [...]Jetzt war sie wieder [...]Am Nachmittag ging sie [...]Sie hörte ihren Vater [...]Die Jungs hatten den [...]Als es dunkelte, kam [...]Am Morgen stand sie [...]Als der Tag angebrochen [...]Sie hatte ihn glauben [...]Der Vater hatte das [...]Das war der Tag, [...]Zunehmend suchte Jack in [...]Langsam ließ er die [...]Nach wie vor hatte [...]Am Morgen war Jack [...]Glory stieg auf den [...]Sie beschloss, zum Laden [...]Ehe Glory heimkehrte und [...]Glory hatte die meisten [...]Glory machte einen Brotteig. [...]Nach dem Essen kam [...]Sie dachte an das, [...]Vielleicht hielt sie die [...]Ihr Vater wollte früh [...]»Reverend«, hob er an. [...]Glory war in die [...]Am nächsten Morgen kam [...]Sie sah ihn wieder [...]Als sie den alten [...]Jack schien rastlos, also [...]Glory gab in der [...]Am nächsten Morgen erbot [...]Der Tag schien seinen [...]Jack hatte den Garten [...]Eines Abends kam Jack [...]Der alte Mann schien [...]Als Glory am Morgen [...]Am Nachmittag war sie [...]Am Sonntagmorgen kam Jack [...]Er bat sie, ihm [...]Jack schleppte den Ruhesessel [...]Als die Torte fertig [...]Jack kam herunter, um [...]Und so stückelten sie [...]Eine Zeitlang mäanderte das [...]Sie aßen Torte. »Ich [...]Am Tag darauf ging [...]An diesem Abend kam [...]In der Nacht regnete [...]Eine halbe Stunde später [...]Jack ließ einen Tag [...]Und schon am nächsten [...]Dann brachte Jack den [...]Für ihren Vater war [...]Es musste etwas geschehen. [...]Ihrem Vater gefiel die [...]Am nächsten Morgen kam [...]In den nächsten Tagen [...]Hätte Jack das sommersprossige [...]Es war später Abend, [...]Am nächsten Morgen stocherte [...]Glory lauschte die ganze [...]Und er kehrte in [...]So müde sie auch [...]Sie hatte am fauchenden [...]Jack lag auf dem [...]Jack setzte sich an [...]Jack holte Teddys Umschlag [...]Nach einer Weile kam [...]Am Morgen weckte sie [...]Im Drugstore angelten sich [...]Jack saß auf den [...]Er wartete auf sie, [...]Erst gegen Abend kam [...]Nachdem er seinen Vater [...]Als sie schließlich doch [...]Jack hatte seinen Anzug [...]Sie suchte Ames auf, [...]Als sie den Vater [...]Dann war Sonntag, und [...]Glory hatte den Sabbat [...]Also erschien Teddy und [...]Am zweiten Tag nach [...]Glory setzte sich auf [...]

Für Noah und Elise

und für Beatrice

»Zuhause, Glory! Auf Dauer! Ja!«, sagte ihr Vater, und ihr wurde schwer ums Herz. Seine Augen wollten strahlen, schwammen aber vor Mitleid. »Oder jedenfalls auf gewisse Dauer«, besann er sich, nahm ihr die Tasche ab und wechselte dazu seinen Stock in die schwächere Hand. Lieber Gott, dachte sie, lieber Gott im Himmel. So begannen und endeten neuerdings all ihre Gebete, die eigentlich Stoßseufzer des Staunens waren. Wie konnte ihr Vater so gebrechlich sein? Und wie konnte er so leichtsinnig darauf bestehen, den Kavalier zu spielen, seinen Gehstock über das Treppengeländer zu hängen, um ihr, lieber Gott, die Tasche hinauf aufs Zimmer zu tragen? Er tat es aber, stand dann vor der Tür und musste sich erst wieder sammeln.

»Dies ist das hübscheste Zimmer. Sagt Mrs. Blank.« Er deutete auf die Fenster. »Querlüftung. Ich weiß nicht. Ich finde sie alle hübsch.« Er lachte. »Nun, es ist ein gutes Haus.« Das Haus verkörperte für ihn ein im Ganzen gesegnetes Leben, das war augenfällig, war unbestreitbar. Das räumte er gerne ein, besonders im Angesicht großen Kummers. Von dem Haus sprach er, häufiger noch seit dem Tod ihrer Mutter, wie von einer treuen Gefährtin vieler Jahre, die schon um jede Annehmlichkeit, jeden Segens willen schön zu nennen war. Diese Schönheit fiel allerdings nicht jedem ins Auge. Das Haus war zu hoch für die Gegend, hatte eine schmucklos gerade Fassade, ein flach geneigtes Dach und Dreiecksgiebel über den Fenstern. »Italienischer Villenstil«, meinte ihr Vater, aber das war geraten oder eine Rechtfertigung. Denn das Haus wirkte nüchtern und prätentiös zugleich, trotz der geschlossenen Veranda, die ihr Vater vorne für die im Ort so beliebten Besuche an heißen Sommerabenden hatte anbauen lassen und die längst überrankt war von einer gewaltigen Klettertrompete. Es sei ein gutes Haus, sagte ihr Vater, und meinte damit, es habe, obwohl es eine so unglückliche Figur machte, ein gutes Herz. Draußen im Garten waren Beete und Sträucher verwahrlost, das musste selbst ihm klar sein, obwohl er sich nur noch selten über die Veranda hinauswagte.

Nicht, dass die Beete je besonders gepflegt gewesen wären, selbst als das Haus noch bestens in Schuss war. Dafür hatten die Versteck- und Fangspiele gesorgt, Krocket, Badminton und Baseball. »Was hattet ihr für einen Spaß!«, sagte ihr Vater, als entspräche der gegenwärtig etwas desolate Zustand dem Konfetti und den Bonbonpapieren nach dem Durchzug einer triumphalen Parade. Und dann gab es noch die Eiche vor dem Haus, die um vieles älter war als das Wohnviertel und der Ort, die den Gehweg über ihren Wurzeln zur Stolperfalle machte und ihre unberechenbaren Äste über die Straße und das Grundstück reckte, Äste, deren Durchmesser Stämme gewöhnlicher Bäume übertrafen. Die Eiche schraubte sich in einer Weise hoch, bei der sie immer an einen Riesenderwisch hatte denken müssen. Ihr Vater sagte, Könntet ihr Kinder mit dem Blick Gottes sehen, vom Anbeginn der Erde an, würdet ihr diesen Baum hochschießen und sich im Licht drehen und die Arme ausbreiten und sich in der Freude sonnen sehen, Eiche in Iowa zu sein. Einst hingen vier Schaukeln von den Ästen und verkündeten der Welt den Kindersegen des Hauses. Die Eiche grünte nach wie vor, und natürlich gab es damals wie heute die Apfel- und Kirsch- und Aprikosenbäume, die Fliederbüsche, die Klettertrompete und die Taglilien. Ein paar der Schwertlilien ihrer Mutter hielten sich tapfer. Zu Ostern konnten sie und ihre Schwestern immer noch Arme voll Blumen pflücken, und dann schwammen die Augen ihres Vaters und er sagte, »Ach ja, ja«, als brächten sie ihm Andenken, Blumen als lediglich hübsche Erinnerung an Blumen.

Warum erschien ihr dieses standhafte, aufrechte Haus so verlassen? So untröstlich? Tja, Schönheit lag im Auge des Betrachters, sagte sie sich. Und doch kehrten sieben der Kinder ihres Vaters nach wie vor so oft heim wie möglich, riefen an, schickten Nachrichten und Geschenke und Kisten voll Grapefruit. Deren eigene Kinder wiederum wurden, sobald sie Buntstifte halten und kritzeln konnten, ermahnt, an den Großvater, den Urgroßvater zu denken. Gemeindemitglieder und deren Kinder und Enkel schauten so pflichtschuldig vorbei, dass es ihn überstrapaziert haben würde, hätte nicht der neue Pastor ihnen einen entsprechenden Wink gegeben. Und dann war da noch Ames, das Alter Ego ihres Vaters, dem er sich so lange und so rückhaltlos anvertraut hatte, dass er für sie alle wie ein zweiter Vater war, nicht zuletzt, weil er mehr über sie wusste, als ihnen behagen konnte. Manchmal rangen sie ihrem Vater das Versprechen ab, niemandem ein Sterbenswörtchen zu sagen, womit sie, wie er wusste, Reverend Ames meinten, denn er selbst war viel zu diskret, um weiterzuerzählen, was ihm im Vertrauen mitgeteilt wurde, außer eben im Beichtstuhl der kargen Junggesellenküche von Ames, wo solche Versprechen schnell vergessen waren, so ihr Verdacht. Und was genau sollte der Vater nicht erzählen? Wie sie verrieten, was Jack gesagt hatte, was Jack getan hatte oder vermutlich vorhatte.

»Ich muss es wissen«, sagte der Vater. »Um seinetwillen.« Also verpfiffen sie ihren armen missratenen Bruder, der es wusste und den es ärgerte und düster amüsierte und der sie auf dem Laufenden hielt oder in die Irre führte und zu diesem oder jenem dringenden Verdacht verleitete, den sie dann glaubten, äußern zu müssen bei allen Bedenken, schon um dem Vater einen erneuten Sheriff-Besuch zu ersparen. Sie waren keine Petzen. Untereinander hielten sie einen strikten Ehrenkodex ein, und Jack nahmen sie nur deshalb davon aus, weil sie nicht wagten, es nicht zu tun. »Werden sie ihn ins Gefängnis werfen?«, fragten sie einander bestürzt, als der Sohn des Bürgermeisters sein Jagdgewehr in ihrer Scheune fand. Hätten sie es doch nur gewusst, sie hätten es zurückbringen und dem Vater Schock und Schande ersparen können. Zumindest hätte er sich, vorgewarnt, etwas sammeln und sich sagen können, dass nicht gleich die allergrößte Besorgnis angebracht sei.

Nein, sie warfen ihn nicht ins Gefängnis. Jack bot, flankiert vom Vater, eine weitere Entschuldigung an und erklärte sich bereit, eine Woche lang jeden Morgen die Stufen vorm Rathaus zu fegen. Und in der Tat brach er jeden Morgen früh auf. Doch auf den Stufen sammelten sich Laub und Ahornflügel, bis die Woche um war und der Bürgermeister sie selbst zusammenkehrte. Nein. Sein Vater würde immer für ihn intervenieren. Nur machte schon die Tatsache, dass sein Vater sein Vater war, Interventionen meist überflüssig. Und der Bursche beherrschte nun mal die Kunst der Ausflüchte so perfekt wie die übrigen Boughtons das Apostolische Glaubensbekenntnis.

Ein Jahrzehnt voller Vertrauensbrüche, kleiner wie großer, wog auf beiden Seiten immer schwerer, weil ständig mit neuen Verstößen oder der Gelegenheit dazu zu rechnen war, und es wog noch viel schwerer, weil Jack es ihnen nie mit gleicher Münze heimzahlte, allerdings vielleicht deshalb nicht, weil ihre eigenen Streiche ihm viel zu läppisch vorkamen. Zu behaupten, dass sie Jacks wegen alle bis heute ein schlechtes Gewissen plagte, wäre übertrieben. Ganz ohne Frage hatte er seine Gründe gehabt, sich all die Jahre fernzuhalten und jeden Kontakt mit ihnen abzubrechen. Falls er, lieber Gott, überhaupt noch lebte. Rückblickend war durchaus denkbar, dass Jack das alles leid geworden war, so ernst er das Ganze, wie sie wusste, auch betrieben hatte. Manchmal schien er sich gewünscht zu haben, er könnte einem Bruder, einer Schwester einfach vertrauen. Sie alle konnten sich erinnern, dass er gelegentlich fast offen und ehrlich gewesen war, fast aufrichtig gesprochen hatte. Und dann hatte er gelacht, aber vielleicht aus Verlegenheit.

In den langen Jahren seither kümmerten sie sich zum Teil deshalb um den Vater, weil sie um seinen Kummer wussten. Und sie waren gut zueinander, waren heiter und erzählten gern von den schönen Zeiten, kramten in alten Fotos, damit der Vater lachen und sagen konnte, »Ja, ja, ihr habt es einem nicht leicht gemacht.« Ihre Bemühungen mochten wegen ihrer Schuldgefühle umso aufrichtiger gewesen sein oder wegen einer Trauer, die wie Schuld lastete. Ihre grundguten, freundlichen, heiteren Geschwister waren bewusst und demonstrativ gut, wohlmeinend und heiter. Selbst als Kinder waren sie gut gewesen, aber nicht zuletzt, um so zu gelten. Das alles grenzte bedenklich an Heuchelei, selbst wenn es nur ein Ausgleich für Jack sein sollte, der so offenkundig nicht gut war, dass er die Familie in ein schlechtes Licht rückte. Sie waren so froh, wie es sich der Vater nur wünschen konnte, nein fröhlich. Wie ausgelassen sie waren! Und der Vater lachte dazu, tanzte mit ihnen zur Victrola, sang mit ihnen am Klavier. Was für eine wunderbare Familie! Und Jack, wenn er mal da war, beobachtete das Treiben und lächelte und hielt sich abseits.

Jetzt, als Erwachsene, achteten sie so peinlich darauf, sich hier an Feiertagen zu treffen, dass Glory das Haus seit Jahren nicht leer und still erlebt hatte, zuletzt als junges Mädchen. Selbst als die anderen aus dem Haus waren, gab es noch ihre Mutter, und ihr Vater war noch energisch genug gewesen, das Haus mit seinem Kommen und Gehen, seinem Singen und Grummeln zu beleben. »Ich weiß wirklich nicht, warum er die Tür so zuschlagen muss!«, sagte ihre Mutter, wenn er aufbrach, um irgendeine Gemeindeangelegenheit zu regeln oder auf ein Damespiel bei Ames vorbeizuschauen. Er sprang geradezu behende die Stufen hinab. Gewiss, die Sache mit Jack und dem Mädchen und ihrem Baby war ein Schlag gewesen und hatte ihm zugesetzt, aber er war rüstig und voller Tatendrang. Später dann, als die Gebrechen des Alters ihn einholten und ihre Mutter gestorben war, gab es weiterhin den Familienzustrom, die sich neckenden und zankenden Geschwisterkinder, die die Gespräche der Erwachsenen oft genug störten, um Fragen dazu, wie es ihr gehe, abzuwenden. Immer noch Lehrerin, immer noch verlobt, ja, lange Verlobungen hätten ja etwas für sich. Zweimal war der Verlobte sogar mitgekommen, hatte allen die Hand gereicht und grinsend ihre diskrete Musterung über sich ergehen lassen. Er war hier im Haus gewesen. Er konnte nicht lange bleiben, aber er hatte ihren Vater kennengelernt, der erklärte, ihn so weit ganz sympathisch gefunden zu haben, und das hatte den Argwohn etwas zerstreut. Deren und ihren. Und nun saß sie hier allein mit ihrem armen alten Papa, ihrem traurigen alten Papa, bei dem sich ein Großteil der über zwanzigjährigen Presbyterianer Gileads zu irgendeinem Zeitpunkt mal ausgeweint hatte. Erklärungen erübrigten sich, aber auch jede Hoffnung, ihm etwas vormachen zu können.

Jetzt, wo sie gekommen war, um zu bleiben, kam ihr der Ort verändert vor. Mit Gilead als Stoff und Schauplatz nostalgischer Erinnerungen war sie vertraut. Wie gern kehrten ihre Brüder und Schwestern heim, mit Ausnahme von Jack, und wie erleichtert brachen sie jeweils wieder auf. Wie lieb und teuer waren ihnen das alte Heim und die alten Geschichten, und wie weit hatten sie sich zerstreut. Die Vergangenheit war eine feine Sache, am rechten Platz. Wieder zuhause zu sein aber, auf Dauer, wie der Vater meinte, machte die Erinnerungen bedrohlich. Sie überhandnehmen, zu Gegenwart und womöglich Zukunft werden zu sehen – das betrachteten alle Geschwister als Jammer. Und sie wurmte die Vorstellung, bemitleidet zu werden.

Andere Familien hatten längst alle Wirtschaftsgebäude abgerissen und ihre Weiden verkauft. Zwischen den alten Häusern war eine genügend große Zahl kleinerer im neuen Stil gesprossen, um Erstere deplatziert erscheinen zu lassen. Einst hatten Farmhäuser das Gesicht Gileads geprägt, mit Nutzgärten und Beerensträuchern und Hühnerhäusern, mit Holzschuppen, Kaninchenställen und Scheunen für die eine oder andere Kuh, das eine oder andere Pferd. Sie waren lebensnotwendig. Alles habe sich mit den Autos geändert, sagte ihr Vater. Die Menschen mussten sich nicht mehr in dem Maße selbst versorgen. Das war ein Jammer – nichts düngte Blumen besser als Hühnermist.

Die Boughtons, die immer an allem festhielten, hielten an ihrem Land, ihrer leerstehenden Scheune, ihrem nutzlosen Holzschuppen, ihren wildwuchernden Obstgärten und ihrer pferdelosen Koppel fest. Auf diesem unveränderten Terrain konnten die Brüder und Schwestern ihre Erinnerungen ausgiebig heraufbeschwören, sowohl aus dem eigenen wie dem gemeinsamen Gedächtnis, da einen Unterschied zu machen sahen sie keinen Anlass. Sie studierten Fotos und ließen die alten Zeiten aufleben und lachten zur Freude des Vaters.

Boughton-Land erstreckte sich hinter dem Haus in einem breiten Streifen über zwei Querstraßen, jetzt, wo der Ort so gewachsen war, dass es Querstraßen gab. Jahrelang hatte ein Nachbar – den sie immer noch, weil Luke ihn während seiner Semesterferien mal so getauft hatte, Trotzki nannten – auf einer Hälfte davon Alfalfa gepflanzt, und ihr Vater rang gelegentlich um Worte für seinen Ärger. »Wenn er mich wenigstens fragen würde«, sagte er. Sie war damals zu jung gewesen, um den Alfalfa-Coup zu verstehen, und erst auf dem College dämmerte ihr, was hinter den alten Geschichten steckte, dass sie im Grunde das Rumoren, das Schwelen alter Brände waren, die anderswo loderten. Ihr gefiel die Vorstellung, dass Gilead Teil der Welt war, von der sie in Büchern las, und sie wünschte, sie hätte Trotzki und seine Frau gekannt, aber just zum Ende ihres zweiten Studienjahres hatte das Paar trotz seines fortgeschrittenen Alters Gilead, dem offenbar nicht zu helfen war, aus Empörung den Rücken gekehrt, aber worüber genau, wusste niemand.

Das umkämpfte Stück Land hätte brachgelegen, wenn der Nachbar es nicht bewirtschaftet hätte, und Alfalfa war gut für den Boden, und der Witz an der Sache war, dass der Nachbar, der sonst ohne Beschäftigung schien und über den Geldfetisch schimpfte, seine Ernte einem ländlichen Vetter spendete, der ihm im Gegenzug einen gewissen Geldbetrag spendete. Ihr Vater jedenfalls konnte sich nie recht zu der Ansicht durchringen, dass Einspruch angebracht sei. Der Nachbar war zudem Agnostiker und moralisch womöglich auf Streit aus. Ihr Vater glaubte, einen weiteren solchen nicht verlieren zu dürfen, denn beim Versuch, die Gemeinde vom Bau einer Straße durch sein Land abzubringen, mit dem schlichten Argument, sein Vater wie sein Großvater wären dagegen gewesen, war er peinlich gescheitert. Das war ihm nach einer durchwachten Nacht aufgegangen, in der seine Überzeugung, im Recht zu sein, sich ganz ohne eingehende Gewissensprüfung in Luft aufgelöst hatte. Es gab lediglich, kurz nach 22 Uhr, den Augenblick der Erleuchtung und dann die sieben langen Stunden bis zum Morgengrauen. Da seine Lage sich bei Licht besehen nicht besser ausnahm, hatte er dem Bürgermeister einen Brief geschrieben, voll schlichter Würde und ohne auf die Worte »verlogener Raffzahn« Bezug zu nehmen, die er den Bürgermeister nach einer vermeintlich höflichen Unterhaltung zischen gehört zu haben glaubte, als er sich entfernte. Das alles berichtete er ihnen beim Abendessen und brachte es mehrfach noch in seinen Predigten an, weil er der festen Überzeugung war, dass der Herr, wenn er ihm persönlich eine moralische Lektion erteilte, das nicht nur zu seinem alleinigen Besten tat.

In jedem Frühjahr saß der agnostische Nachbar mit durchgedrücktem Kreuz auf seinem geborgten Traktor – und mit den hochgezogenen Schultern eines Mannes, der mit Gegenwind rechnet. Sonst wenig gesellig, grüßte er jedermann leutselig wie einer, der nichts zu verbergen hat, vielleicht, damit Reverend Boughton Bescheid wusste und auch merkte, dass es der ganze Ort wusste, nämlich dass er sich der Verletzung des Boughton’schen Besitzrechts schuldig mache. Gegen ebendiese Schuld boten Christen ihr ganzes Seelenheil auf, waren sie doch, sofern sie etwas auf ihre eigenen Gebete gaben, aufgerufen, auch ihren Schuldigern zu vergeben.

Ihr Vater blieb sichtlich verärgert, bis die Ernte eingebracht war, aber dennoch geneigt, in diesem Punkt nachzugeben. Er war sich dessen bewusst, dass der Nachbar ihn Jahr für Jahr zur Saat- wie zur Erntezeit der Lächerlichkeit preisgab, nicht allein, um die Erinnerung an seine unüberlegte Opposition gegen die Straße wachzuhalten, sondern auch als bescheidene Rache an der ganzen, aus seiner agnostischen Sicht, ungebrochenen Geschichte religiöser Bigotterie.

Einmal spielten fünf der sechs kleineren Boughtons – Jack war woanders – im zarten Alfalfafeld eine so freudlose wie entschlossene Runde Fuchs und Gänse, in dem herrlichen Alfalfa, so grün, dass er fast blau schien, so fett, dass selbst mitten am Tag auf den schmalen Blättern der Tau stand. Ihnen war nicht bewusst gewesen, dass sie auf Rache sannen, bis Dan aufs Feld hinauslief, um einen Baseball zu bergen, und Teddy ihm hinterherlief, und Hope und Gracie und Glory hinterdrein. Irgendjemand rief Fuchs und Gänse, und da schwärmten sie aus, um das große Wagenrad zu bilden und dann die Speichen, atemlos, während unter ihren Füßen der Klee so süßduftend brach, dass der angerichtete Schaden sie ebenso dauerte wie befeuerte. Sie schlitterten und stürzten in der grünen Schmiere, sie befleckten ihre Knie und Hände, bis die Genugtuung in ihren Herzen kaum noch das Wissen aufwog, was sie sich eingebrockt hatten. Sie spielten weiter, bis man sie zum Essen rief. Als sie in einem Dunst aus kindlichem Schweiß und Alfalfasud in die Küche schlichen, sog ihre Mutter scharf die Luft ein und rief, »Robert, sieh dir das an.«

Die Genugtuung, die flüchtig die Miene des Vaters erhellte, bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen, nämlich dass er hier eine Gelegenheit sah, christliche Demut in einer so unzweifelhaften Form zu demonstrieren, dass der Nachbar sie nicht anders denn als Tadel auffassen könnte.

Er sagte, »Ihr werdet euch natürlich entschuldigen müssen.« Er blickte fast streng, nur eine winzige Spur erheitert, eine winzige Spur hocherfreut. »Am besten bringt ihr es gleich hinter euch«, sagte er. Sie wussten genau, dass eine freiwillige Entschuldigung viel effektiver war als eine vom Geschädigten erpresste, und da der Nachbar ein reizbarer Mann war, konnte das Pendel prekärer Rechtschaffenheit allzu leicht gegen sie zurückschlagen. Also marschierten sie zu fünft die Straße hinab ans Ende der anderen Ecke. Unterwegs holte sie Jack ein und schloss sich ihnen an, als müsste jeder Bußgang ihn notwendig einschließen.

Sie klopften an die Tür des kleinen braunen Hauses, und es öffnete ihnen Trotzkis Frau. Sie schien erfreut, sie zu sehen, und keineswegs überrascht. Sie bat sie herein und erwähnte geradezu mit Bedauern den penetranten Kohlgeruch. Das Haus war spärlich möbliert und doch vollgestopft mit Büchern, Zeitschriften und Pamphleten, alles in irgendwie provisorischer Weise, obwohl das Paar dort seit Jahren wohnte. An die Wände waren Bilder von ernsten, bärtigen Männern und von Frauen mit unordentlichem Haar und randlosen Brillen gepinnt.

Teddy sagte, »Wir sind gekommen, um uns zu entschuldigen.«

Sie nickte. »Ihr habt das Feld zertrampelt. Ich weiß. Er weiß es auch. Ich sage ihm, dass ihr da seid.« Sie rief die Treppe hinauf, in einer möglicherweise fremden Sprache, lauschte einen Augenblick nach Unhörbarem und kehrte zu ihnen zurück. »Zu zerstören ist schlimm«, sagte sie. »Grundlos zu zerstören.«

Teddy sagte, »Das ist unser Feld. Vielmehr gehört es schließlich meinem Vater.«

»Armes Kind!«, sagte sie. »Du weißt es nicht besser, du sprichst davon, Land zu besitzen, das keiner nutzt. Land zu besitzen und es anderen vorzuenthalten. Etwas anderes lernst du ja nicht von deinem Vater, dem Priester! Mein, mein, mein! Während er sein Geld mit der Unwissenheit des Volkes macht!« Sie schwenkte einen dünnen Arm und eine kleine Faust. »Er erzählt wieder und wieder seine Lügen, während die Armen überall Not leiden!«

Noch nie hatten sie jemanden so sprechen hören, jedenfalls nicht mit ihnen oder über sie. Böse funkelnde Augen verliehen den Worten Nachdruck. So wässrig blau sie auch waren, blitzte in ihnen beeindruckende Wut und Rechtschaffenheit, und Jack lachte.

»Oho«, sagte sie, »wer du bist, weiß ich. Kleiner Strauchdieb, Säufer! Während dein Vater den Leuten erzählt, wie sie zu leben haben! Dich hat er nicht anders verdient!« Dann, »Du schweigst? Hast du noch nie die Wahrheit gehört?«

Daniel, der Älteste, sagte, »So sollten Sie nicht reden. Wären Sie ein Mann, ich müsste Sie wahrscheinlich schlagen.«

»Ha! Ja, ja, die guten Christen kommen zu mir ins Haus und drohen mit Gewalt! Ich werde mich über euch beim Sheriff beschweren. Es gibt wenig Gerechtigkeit, selbst in Amerika!« Sie schwenkte erneut die Faust.

Jack lachte. Er sagte, »Schon gut. Lasst uns gehen.«

Und sie sagte, »Ja, hört auf euren Bruder. Er kennt den Sheriff!«

Also schlichen sie zur Tür hinaus, hörten sie krachend ins Schloss fallen, zogen bei Abendlicht im Gänsemarsch heim, mit dem beschäftigt, was sie gehört hatten. Sie waren sich einig, dass die Frau verrückt war und ihr Mann auch. Trotzdem sammelte sich Groll an, und es war davon die Rede, Fenster einzuschlagen oder Luft aus Reifen zu lassen. Ein so großes und so gut getarntes Loch zu graben, dass der Nachbar mitsamt seinem Traktor hineinstürzen würde. Und unten an seinem Grund wären Spinnen und Schlangen. Und wenn er dann um Hilfe schrie, würden sie eine Leiter hinunterschieben, deren Sprossen angesägt wären und unter seinem Gewicht brechen würden. Ach, die schreckliche Schadenfreude bei den Jüngeren, während es den Älteren zu schaffen machte, dass man ihre Familie beleidigt hatte und sie nichts unternommen hatten.

Sie betraten die eigene Küche, und da waren die Mutter und der Vater und warteten auf ihren Bericht. Sie sagten, dass sie mit dem Mann nicht gesprochen hätten, die Frau aber habe sie angeschrien und den Vater einen Priester geschimpft.

»Nun«, sagte die Mutter, »ich hoffe, ihr wart höflich.«

Sie zogen die Schultern hoch und wechselten Blicke. Gracie sagte, »Wir haben irgendwie einfach dagestanden.«

Jack sagte, »Sie war richtig gemein. Sie hat gesagt, ihr verdient mich nicht anders.«

Die Augen ihres Vaters blitzten. Er sagte, »Das hat sie gesagt? Das war aber nett von ihr. Da muss ich mich unbedingt bei ihr bedanken. Ich will doch hoffen, dass ich dich verdiene, Jack. Euch alle, natürlich.« Seine unerbittliche Zärtlichkeit und Jacks unergründliches Schweigen dazu.

Im Jahr drauf baute Trotzki Kartoffeln und Kürbisse an, im nächsten Mais. Ein Neffe des ländlichen Vetters kam und half bei der Ernte, und über kurz oder lang wurde diesem das Feld überlassen, und er baute in einer Ecke ein kleines Haus und holte seine Frau zu sich, und dann bekamen sie Kinder. Weitere Beete mit Ringelblumen, eine weitere flatternde Wäscheleine, ein weiteres unter weitem Himmel aufgeschlagenes Dach zum Schutz menschlicher Hoffnung und Gebrechlichkeit. Stillschweigend traten die Boughtons alle Rechte ab.

Schon wenige Wochen nach ihrer Rückkehr hatten Glory und ihr Vater zu einem annehmbaren Rhythmus gefunden. Die Haushälterin Mrs. Blank, noch einige Jahre älter als ihr Vater, war nun, da sie den Reverend in guten Händen wusste, froh, sich zurückziehen zu können. Nachbarn und Gemeindemitglieder hielten sich mit Aufmerksamkeiten zurück oder gestatteten sie sich nur heimlich. Glory ahnte, wie mirakulös und temporär dieses Stillhalten war. Als hätte es ein Zeichen gegeben, als teilte sich ein Meer und bildete das Wasser links und rechts Mauern. Einst, als sie Kinder waren, hatte ihre Schwester Grace bei Tisch laut darüber nachgedacht; sie verstehe nicht, wie so etwas habe passieren können, dass Wasser einfach so stillsteht, und Glory hatte nach kurzem Überlegen gemeint, vielleicht wie Gelee. Es war ihr nicht darum gegangen, das Wunder zu erklären, nur das Ergebnis zu beschreiben. Aber am Tisch hatten alle sie ausgelacht. Auch Jack. Eigentlich fand sie, dass er meist mehr Rücksicht auf ihr unschuldiges Alter nahm als die anderen. Deshalb registrierte sie sein Lachen sehr genau. Und doch glaubte sie felsenfest, da konnten sie lachen, wie sie wollten, dass den Finger in eine Mauer aus Wasser zu stecken grundsätzlich nicht anders sein konnte als ihn in Früchtegelee zu schieben – wozu sie, als Pastorentochter, schließlich unzählige Male Gelegenheit gehabt hatte. Mehr als einmal war sie dabei erwischt worden. Und sie hielt es für ausgeschlossen, dass aus den Scharen von Menschen nicht auch ein Kind Israels oder Ägyptens das Experiment gemacht hatte und dass dabei einen Fisch zu berühren so gesehen sehr viel anders war als eine Bananenscheibe zu berühren. Seltsam, sich gerade daran zu erinnern. Das kam davon, wieder zuhause zu sein.

Jeden Tag fegte sie und räumte auf – leichte Arbeit, weil das Haus so gut wie unbewohnt war. Sie besorgte das wenige, was ihr Vater zu seinem Wohlbefinden benötigte. Er saß am Fenster, er saß auf der Veranda, er aß Kekse und trank Milch, las die Zeitung und die Saturday Evening Post. Die las sie auch, und alles, was sie sonst in die Finger bekam. Manchmal, wenn es eine Oper oder ein Theaterstück gab, hörte sie Radio, einfach um eine menschliche Stimme zu hören. Das klobige alte Radio wurde warm und roch nach ranzigem Haarwasser. Sie musste an rastlose Handelsvertreter denken. Und sobald sie sich von ihm entfernte, zischte und fauchte es dumpf. Es war die Art schlechte Gesellschaft, die Einsamkeit einem lieb macht. Eine Lektion in linkischem Liebeswerben, in der Zählebigkeit schlechter Ehen. Sie verübelte und vergab dem Gerät seine obsessiven »Hummelflüge« und Ravels »Boléro«. Um das Radio bei Stimmung zu halten, blieb sie nah bei ihm sitzen, wenn sie las. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, sich irgendeine Handarbeit vorzunehmen. Sie könnte es wieder mit dem Stricken versuchen, große, einfache Sachen. Ihre ersten Probestücke waren einst Babyjacke und -mütze gewesen. Daraus war nichts geworden. Aber ihre Mutter hatte sich gesorgt. Sie sagte, »Glory, du nimmst dir alles zu sehr zu Herzen.« Das sagten alle von ihr. Hope war ausgeglichen, Luke großherzig, Teddy helle, Jack war Jack, Grace musikalisch und Glory nahm sich alles zu Herzen. Sie wünschte, irgendjemand hätte ihr mal erklärt, was sie anders hätte machen können, was sie sonst hätte tun sollen.

Sie brach schnell in Tränen aus. Das bedeutete nicht, dass sie tiefer empfand als andere. Es bedeutete schon gar nicht, dass sie empfindlich oder gefühlsduselig war oder ihre Tränen erpresserisch gegen die Kränkungen einsetzte, die damit einhergingen, das Nesthäkchen zu sein. Mit vier hatte sie drei Tage lang über den Tod eines Hundes in einem Hörspiel geweint. Wann immer ihr die Tränen kamen, brachten ihre Brüder und Schwestern ihr Schluchzen über Heidi und Bambi und die ausgesetzten Kinder der Märchen zur Sprache. Sie lasen ihr die Geschichten Dutzende Male vor. Als bestehe der Sinn und Zweck der Geschichten allein darin, kindlichen Kummer zu erzeugen. Es war wirklich ärgerlich, und es war nichts zu machen. Sie hatte gelernt, ein Gesicht aufzusetzen, das von weitem nicht verriet, dass sie weinte, und da hatten sich die anderen einen Spaß daraus gemacht, sie dabei zu ertappen – Ah, Tränen, sagten sie. Tränen. Sie fand, die Natur hätte den Anstand besitzen müssen, den Ausdruck von Gefühlen durch die Handteller zu gestatten oder ihretwegen auch durch die Fußsohlen.

Als Kind waren für sie die Wörter »heimlich« und »heilig« leicht zu verwechseln gewesen, ja miteinander verwachsen. In der Kirche durfte man nicht einmal flüstern. Es gab Wörter, die man nie aussprechen durfte. Es gab Dinge, die einem erklärt werden würden, wenn man alt genug war, um sie zu verstehen. In und außerhalb der Kirche hatte sie zwanghaft geflüstert. Ihre großen Schwestern sagten gern, Es ist ein Geheimnis. Du darfst es niemals verraten, versprich, dass du es nicht verrätst. Großes Ehrenwort. Und dann flüsterten sie ihr etwas Belangloses oder Offensichtliches oder vollkommen Unwahres ins Ohr und sahen zu, wie sie zehn oder fünfzehn Minuten mit sich und der Last rang. Der ganze Witz lag darin, dass sie einfach nichts für sich behalten konnte, dass sie hinter vorgehaltener Hand ins erstbeste geneigte Ohr flüsterte, was von dem Unsinn übrig blieb, der ihr anvertraut worden war. Auch verschmolzen »Sterbenswörtchen« und »Lass mich nicht in Sünde sterben« in ihrem Kopf, und sie bemerkte, dass sie ständig ihre Schwüre brach. Einmal, als sie noch nicht in die Schule ging, während Jack genau dort hätte sein müssen, es aber nicht war, sah sie ihn draußen im Obstgarten und lief heulend vor einer nicht mehr zu bändigenden Angst zu ihm hin. Er sah sie an und lächelte und sagte, »Verdammt, Kleine, werd erwachsen.« Dann sagte er, »Willst du mich verpetzen? Willst du mir Ärger machen?« Sie tat es nicht. Es war das erste Geheimnis, das sie bewahrte. Ihr war, als hätte sie in diesem Moment gelernt, was Ehre sei, vielleicht einfach deshalb, weil sie im richtigen Alter war. Vielleicht hatte sie aber auch in ihrem Leben nie wirklich einen Unterschied gemacht zwischen Geheimnis und Heiligem, hatte mehr Wert auf Takt und Diskretion gelegt, als gut war. Oder sie war auch darin letztlich nur eine Boughton.

Aber noch mit achtunddreißig hütete sie sich vor Countrysongs und ›Geschichten aus dem Leben‹. Sie hütete sich sogar vor bestimmten Gedanken, bestimmten Erinnerungen, weil ihr Vater keinen Kummer ertrug. Seine Miene trübte sich bei den leisesten Anzeichen. Also erlaubte sie sich keine Grübeleien, so stark der Drang auch manchmal war. Es hätte ihn tief beelendet.

In der Zeit der – soweit bekannt – größten Schmach Jacks, hatten ihre Eltern ängstlich über sie gewacht und nahmen mit einer Ernsthaftigkeit Rücksicht auf ihre Gefühle, die sie interessant fand. Ihre Gefühle waren damals ja weitgehend ungeprüft. Sie stand an der Schwelle des sechzehnten Jahres eines beschaulichen Lebens an einem beschaulichen Ort, was wenig mehr besagte, als dass ihre Leidenschaften und Überzeugungen unkompliziert und ungebrochen waren und einmütig wie allegorische Figuren. Wahrheit hatte mit Stärke einherzugehen, Treue absolut zu sein, Großmut unbegrenzt, der Schein hingegen und die Konvention waren Bälger des Riesen Scheinheiligkeit und zu vertreiben. Sie hatte weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, zu überlegen, was Treue oder Großmut wirklich bedeuteten. So wohlbehütet hatte sie im Grunde keine Ahnung, was sie dachte. Wie es dazu hatte kommen können, dass Jack ein Kind hatte, zum Beispiel. Sie fand das eigentlich famos, obwohl sie ihre Ansicht für sich behielt. Aus Büchern und auch aufgeschnappten Gerüchten zu der Sache im Allgemeinen wusste sie, dass es nicht angebracht war, in dieser Frage eine so schlichte Haltung einzunehmen. Ihren Eltern lag es schließlich fern, über die Geburt eines Enkelkinds zu tuscheln oder Tränen zu vergießen, also galt es, sich deren Trauer anders zu erklären. So vieles war ihr nie erklärt worden. In ihrer Familie war es so. Unverzichtbare Informationen wurden von Bruder zu Bruder, Schwester zu Schwester weitergegeben, und meist reichte das, trotz unvermeidlicher Verzerrungen und der Sensationslust, aus. Als Grace zu Hope nach Minneapolis zog, wurde dieser Übertragungsweg unterbrochen, und ihre Eltern, die es so lange ihren Kindern überlassen hatten, sich mit Neuigkeiten zu überraschen, hatten dieses Handikap nicht bedacht.

Ihre Eltern waren auf ihre Weise nicht minder unwissend als sie, nur hatten sie ihre Unschuld aus praktischen Erwägungen abgelegt, nicht etwa, weil sie die Unschuld für unhaltbar hielten, sondern weil sie den Lauf der Welt, wenngleich sie ihn nicht als ideal ansahen, doch dem Konflikt vorzogen. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass die Wahrheit scharfe Ecken und Kanten hatte und im ernsten Widerspruch stehen konnte zu jedem Wohlwollen. Sie hatten gelernt, dass exzessives Streben, selbst nach dem Höchsten, scheinheilig erscheinen konnte und es womöglich auch war, und dass das einzig verlässliche Maß für Exzesse eine ärgerliche Reaktion war, die in einem selbst durch den Anflug von Verlegenheit bestätigte, dass eine Grenze verletzt worden war. Gnade erkannten sie in der Bereitwilligkeit des noch so hartnäckigen Sünders, einen milden Scherz, ein paar demütige Worte als Entschuldigung zu akzeptieren. Ihr Vater insbesondere, ein moralisch fordernder, aber auch geselliger Mann, hatte dies aufrichtig zu schätzen gelernt. Wahrlich, um ein Pastorenleben lauerte allseits Gefahr, und ihr Vater war vor allem auf der Hut. Mit der schrecklichen Strenge eines aufrichtigen Kindes hatte Glory seine Anpassungsmanöver, wie lässlich oder verständlich sie auch waren, allesamt bemerkt und bedacht. Das lag zum Teil daran, dass sie sich in einem plötzlich still gewordenen Haus wiederfand und nur über ihre Eltern nachdenken konnte.

Und doch besaß Glorys Sicht der Dinge für ihre Eltern eben dadurch Gewicht, weil sie naiv war. Ein Baby war schließlich ein Geschenk Gottes. Nie hatte ihr Vater ein Kind getauft, ohne diese Worte zu sprechen. Und wenn sich Jack auch der jungen Mutter gegenüber schändlich verhalten hatte – »Sie ist so jung, noch ein halbes Kind!«, flüsterte ihr Vater –, änderte das nichts an der Tatsache, dass das Neugeborene ein Kind der Familie war und verdiente, willkommen geheißen und freudig aufgenommen zu werden. Glory hatte deshalb nie recht verstanden, weshalb an der Reaktion ihrer Eltern der Kummer einen so entscheidenden Anteil haben musste. Das Mädchen war doch kaum jünger als Glory selbst, die sich ziemlich sicher war, dass sie nichts dagegen gehabt hätte, ein Baby zu bekommen. Zu beschränkt vor Einsamkeit und jugendlicher Naivität war sie weit entfernt davon zu verstehen, warum ihr Vater von Arroganz und Arglist sprach. Oder weshalb er die Worte in solch bitterem Ton flüsterte. Sonntags stand ihr Vater, sofern die Jungs daheim waren, vorn in der Kirche und wartete, bis sich die Bänke füllten. Ihre Brüder marschierten der Reihe nach herein, alle drei, und dann wartete ihr Vater noch einen Moment länger, den Blick aufs Portal gerichtet oder hoch zur Empore. Dann neigte er den Kopf zur Seite, Geste des Bedauerns und der Vergebung in einem. Manchmal, selten, nickte er und lächelte, und dann wussten sie, dass Jack zugegen war und dass die Predigt um Freude und göttliche Güte kreisen würde, gleich welcher Text an der Reihe war. Nie hatte sie ihren Vater derart harte Worte sprechen hören – die Arroganz! die Arglist! –, und nie hatte sie ihn tagelang brüten und still schimpfen sehen, als ringe er mit der Erkenntnis, dass manche Übertretungen die Kraft eines Normalsterblichen zur Vergebung überstiegen. Wie oft hatte sie an diese harten, notwendigen Worte denken müssen.

Zu dieser Zeit lebten sie so im Licht der Öffentlichkeit, dass ihr schien, sie hätten ebenso gut zugeben können, was ohnehin alle wissen mussten. Sie hatte nie Anlass gehabt, anzunehmen, dass ihre Eltern das anders sahen, andererseits hätte sie ihnen gern den Gefallen getan, die ganze Sorge auf sich zu lenken. Beide Eltern glaubten an die Macht des Vorbildes. Hier bot sich fraglos Gelegenheit zu einer bedeutsamen moralischen Lektion. Sie müssten nur nach ihrem Glauben handeln. Sie müssten ihn in der gegenwärtigen Lage vollends zum Tragen bringen. Ja! Sie sah ihren Vater Mut fassen. »Der Herr hat sich mir sehr gnädig gezeigt!«, sagte er, um sich an seine entsprechend große, ja grenzenlose Pflicht zu erinnern. An diesem Gedanken konnte er sich regelrecht berauschen. Jack hatte seine Autoschlüssel aufs Klavier gelegt und den Zug zum College genommen. Sie selbst war fast alt genug, um Auto zu fahren, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie es könnte. Also brachte sie ihren Vater hinaus aufs Land zu dem Baby. Es war beängstigend, sich zu erinnern, wie glücklich sie inmitten seines Leids gewesen war.

Wieder zuhause zu sein rief all diese Erinnerungen wach, in der Stille ganz allein zu sein, während sie neben dem grummelnden Radio saß und in dem Buch zu lesen versuchte, das ihr unter den Hunderten von alten Bänden in den Dutzenden Regalen und Schränken, die in den übervollen Räumen zu viel Platz wegnahmen, als am wenigsten unleserlich erschien. Der »Säbeltanz«, natürlich. Die »Ouverture 1812«. Gabriel Heatter mit den Nachrichten. Von Zeit zu Zeit raffte sich ihr Vater zu einem Damespiel oder Monopoly auf. Er tat es ihr zuliebe. Als Kind, wenn Windpocken, Masern, Mumps oder eine Grippe sie zwangen, das Bett zu hüten, war ihr Vater mit einer Tüte Pfefferminzbonbons, einer Flasche Ginger Ale und dem Monopolybrett zu ihr gekommen und hatte mit ihr eine kurze und hochkomische Runde gespielt, hatte »Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei«-Erlebniskarten aus dem Ärmel gezogen, seine Spielmarken im Bettzeug verloren und sie hinter ihrem Ohr wiedergefunden. Jetzt schummelte er von Zeit zu Zeit ihr zuliebe. Listig hörte er kurz vor der Schlossallee auf, obwohl er mehr als genug Geld hatte, sie zu erwerben und die Parkstraße ohnehin schon besaß. Es machte sie traurig. Die Bank durfte man ihm aus ebendem Grund gar nicht erst anvertrauen.

Wenn er nachmittags auf der Veranda saß, arbeitete sie im Garten. Das waren angenehme Stunden. Sie legte Flächen frei, die sie ohne viel Mühe umgraben könnte, um Erbsen und Salat anzupflanzen.

Aber die Abende, ach, die wurden ihr lang. Ich bin achtunddreißig Jahre alt, sagte sie sich, wenn sie nach dem Essen abräumte. Ich habe einen Masterabschluss. Ich habe dreizehn Jahre lang Englisch an der Highschool unterrichtet. Ich war eine gute Lehrerin. Was habe ich aus meinem Leben gemacht? Wo ist es hin? Es ist, als hätte ich von einem Erwachsenenleben geträumt und erwachte wieder im Haus meiner Eltern. In ihrem Kleiderschrank hingen schlichte, anständige Kleider fürs Klassenzimmer. Es gab aus jenem anderen Leben Strickjacken und flache Pumps. Es gab keinen Grund, sie nicht zu tragen.

Sie träumte manchmal, sie wäre wieder auf der Schule. Sie war entweder ein Kind, das versuchte, zu unterrichten, oder eine Lehrerin, die zu ihrer Schmach feststellen musste, dass sie wieder zum Kind wurde. In beiden Traumvarianten hatte sie von ihrem Fach keine Ahnung und musste alles verzweifelt erfinden. Sie ahnte den Hohn und das Ressentiment im Klassenzimmer, das Tuscheln und die schiefen Blicke. Die Schüler zogen alle ab, nahmen keine Notiz von ihr, und ihr fiel nichts ein, was sie hätte zum Bleiben bewegen können. Was für eine Schmach! Sie brüllte gegen das Gelächter und das Schlagen der Spindtüren an und schreckte im grillenzirpenden, tiefschwarzen Gilead hoch. Besser vielleicht, als in Des Moines aufzuwachen und zu wissen, dass sie in wenigen Stunden wieder vor der Klasse stehen müsste. Ihre Träume machten ihr klar, dass sie nicht durchweg gern unterrichtete, selbst wenn sie das bei Tage glaubte. Der Stich, den sie im Herzen verspürte, wenn sie hochschreckte, und der bange Zweifel, ob sie ihr Leben im Griff habe und es nicht, zumindest nicht vollends, ein Schwindel oder Fehlschlag sei, war ein kurzlebiger Kummer, einer, den sie abschütteln konnte, indem sie Licht machte und ein bisschen las. Einst hatte sie sich fragen können, Was will ich mehr? Aber sie hatte der Frage nie recht getraut, weil sie doch wusste, wie begrenzt ihre Erfahrung war und dass sie unmöglich wissen konnte, was es alles zu wollen gab.

Als Mann hätte sie sich für ein geistliches Amt entscheiden können. Das hätte ihrem Vater gefallen. Luke war in seine Fußstapfen getreten, aber auch erst, als klar wurde, dass Dan keine Ambitionen in der Richtung hatte. Jack war inzwischen längst zu Jack geworden, und Teddy zu jung, um irgendjemandes Erwartungen zu schultern, wie tapfer er auch den Versuch unternommen haben würde. Sie schien immer gewusst zu haben, dass aus der Sicht ihres Vaters das bedeutendste Werk der Welt Sache der Männer war, sanfter, ernster Männer, bibelfester, stilvoller Beter oder jedenfalls in einer halbwegs anständigen Kirche Ordinierter. Sie waren die Statthalter der Letzten Dinge. Frauen waren Geschöpfe zweiter Ordnung, wie fromm, wie geliebt, wie geehrt sie auch immer waren. Das hätte ihr Vater nie laut gesagt. Es war Hope gewesen, die sie darüber aufklärte, dass dem Klerus immer nur und ausschließlich Männer angehören konnten, mit Ausnahme von Aimee Semple McPherson als Bestätigung der Regel. Aber sie wusste es längst. Keinem aufgeweckten Kind konnte es verborgen bleiben. Nichts davon hatte während der Jahre ihres Studiums und in ihrem Lehrerdasein eine Rolle gespielt, doch jetzt, mitten in der Nacht, gehörte es zu der Einsamkeit, die sie empfand, als wäre das Gefühl, es hätte alles anders kommen können, eine reale Verfinsterung. Sichtbare Finsternis. Das war Milton.

Obwohl ihre Körper an der Schwelle zur Reife linkisch und rastlos waren, ihnen die Bestimmung wie ein feines Gift durch Adern und Drüsen und Follikel kroch, sie zu Abbildern ihrer Eltern und sich selbst fremd machte, beugten fast alle ihrer Halbwüchsigen ihre Nacken über jede Aufgabe, die sie ihnen stellte. Darin lag die Art Humor, die den Humoristen in ein eher dubioses Licht rückt.

Warum müssen wir Gedichte lesen? Warum »Il Penseroso«? Lest und ihr werdet verstehen. Wenn nicht, lest nochmal. Und nochmal. Manche Schüler nahmen sich ihre Worte zu Herzen wie einst sie, als man diese Worte an sie gerichtet hatte. Sie verhalf ihnen zur Menschenbildung. Die Menschen haben immer gedichtet, sagte sie ihnen. Vertraut einfach darauf, dass das für euch wichtig sein wird. Das pathetische Klappern des »Todesritts der Leichten Brigade« rührte manche von ihnen zu Tränen, und da hatte sie mit ihnen über schlechte Gedichte gesprochen. Wer entscheidet, was gut und was schlecht ist? Ich selbst, sagte sie. In diesem Moment. Ihr müsst nicht meiner Meinung sein, nur lauschen. Manche taten es. Zu ihrer Verblüffung. Kein Wunder also, dass sie nachts träumte, jeden Anspruch auf ihre Aufmerksamkeit verspielt zu haben. Was hatte sie denn schon für einen Anspruch? Hoben manche Schüler ihr vielleicht deshalb so vertrauensvoll das Gesicht entgegen, weil das, was sie ihnen sagte, wahr war, nämlich dass sie menschliche Wesen seien, Wahrer und Stifter eines literarischen Erbes? Weil sie einen Anspruch hätten? Ihr Vater hatte seine Kinder im Glauben erzogen, dass der rechte Weg schnurstracks von der Antike zur Ewigkeit führte. Lernt die Psalmen und bedenkt die Lehren der frühen Kirche. Wisst, was es zu wissen gilt. Antike Väter lehrten ihre antiken Kinder und diese ihre antiken Kinder ebendiese Dinge. Der puritanische Milton mit seinen heidnischen Musen. Es ist wie eine Stimme, die man aus einem Nebenraum hört, die aus purer Lust singt, und bald kennt man die Melodie, und durch einen hindurch zieht sie willkürlich und notwendig weiter durch die Generationen. Woher aber singen? Woher die Freude daran? Und woher der Segen des Augenblicks, da eine andere, vor sich hin träumende Stimme hörbar wird. Wie ihr Vater, wenn er beim Rasieren »Nun saget Dank« summte. Wie John Keats, der in Cheapside seine goldenen Reiche durchreiste. Dazu musste man nicht Geistlicher sein. Lehrerin sein war eine feine Sache. Leere Blicke konnten ja ebenso gut Innerlichkeit anzeigen. Wahrscheinlich war die Jugend an jedem urzeitlichen Feuer rastlos gewesen, wenn ein Ältester sagte, Wisset. Ganz sicher sogar war sie rastlos gewesen. Die jungen Körper waren mit aller Macht dabei, sich zu strecken, zu behaaren, sich für die Fortpflanzung zu rüsten. Trotzdem hatte sie manchmal im Klassenzimmer eine Stille tiefer als gewöhnliche Stille vernommen. Wie hatte sie jenes Leben nur aufgeben können? Wofür hatte sie es aufgegeben?

Der vermeintliche Verlobte so vieler Jahre hatte ihr in einem Brief eröffnet, er wisse auf Dollar und Cent genau, wie viel er ihr schulde. Er hatte wohl Buch geführt. Das musste er von Anfang an getan haben, seit jenem Abend, an dem er sie zum Essen ausgeführt, aber leider seine Geldbörse vergessen hatte. Ihr stieg die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie daran dachte. Er schrieb, er werde es ihr alles bis auf den letzten Cent zurückzahlen, sobald sich seine Lage verbessert habe. Er schrieb, »Es wird einiges dauern, bis die Rechnung beglichen ist, denn sie ist nicht unbeträchtlich.« Was für eine kleinliche Unverblümtheit hatte ihn über diese ›Schulden‹ Buch führen lassen? Sie selbst hatte gar nichts berechnet, wäre nie auf die Idee gekommen, hatte nie überhaupt das Gefühl gehabt, sich etwas zu vergeben. Es kam nicht mehr darauf an. Worauf es ankam, war, so dumm gewesen zu sein. In dem Brief hatte er geschrieben, »Tut mir leid, wenn du dich getäuscht fühlst.« Sie gestattete sich keine Erinnerung an die einsame Freude, die es ihr bereitet hatte, sich einzuschränken, und an den Genuss geradezu der Entsagungen und des Sparens, das eines Tages zu – was eigentlich? landläufigem? – Glück führen würde. Wenn sie an einem Diner vorbeikam, meinte sie, dieses Glück zu sehen.

Sie wusste, dass irgendwo im Haus Shakespeare und Dickens zu finden sein mussten und Mark Twain. Der Kipling hatte seinen Platz, wie immer schon, auf der Kommode in Luke und Teddys Zimmer, aber Kipling konnte sie nicht ausstehen. Schließlich fragte sie ihren Vater, was aus den vielen Büchern geworden war, die sie so gern gelesen hatte; er telefonierte, und innerhalb von zwei Wochen trafen von sechs verschiedenen Absendern sechs Kartons mit den guten, alten Bänden und einigen seriösen und anständigen neuen Romanen ein, darunter MacKinlay Kantors Andersonville, Ernest K. Ganns Es wird immer wieder Tag und Robert Ruarks Die schwarze Haut. Zehn stapelte sie gleich neben das Radio. Derzeit war sie zu großen Entscheidungen nicht imstande. Sie wollte nicht über ihr Leben nachdenken. Sie schlug Andersonville auf. Ihr Vater sagte, »Der Bursche, der es geschrieben hat, stammt aus Iowa. Den Namen des Orts habe ich vergessen. Inzwischen ist er berühmt. Wie heißt er gleich noch.« Sie wusste über MacKinlay Kantor aus Webster City Bescheid. Andersonville war lang und unleugbar traurig. Das Buch hatte halb Des Moines untröstlich gemacht. Sie beschloss, es ganz zu lesen. Sie könnte weinen, ohne ihren Vater zu erschrecken.

Dann kam eines Tages mit der Post, neben den ein, zwei Rechnungen und der Nachricht für sie von Hope, ein Brief für ihren Vater, der gerade in die Küche trat, um sich ein Glas Wasser zu holen. »Der Brief ist von Jack«, sagte er. »Ich erkenne die Schrift. Das ist seine Handschrift.« Er setzte sich und legte den Brief vor sich hin auf den Tisch. »Ziemlich unerwartet«, bemerkte er leise mit belegter Stimme. Dann verharrte er so reglos, dass sie fürchtete, er erleide eine Art Anfall, einen Schlag. Aber er betete nur. Er streckte die Hand aus und berührte eine Ecke des Umschlags. »Ich glaube fast, ich werde ein Taschentuch brauchen, Glory, sei so gut. Es liegen welche in der rechten oberen Schublade.« Und da lagen sie auch, ordentlich gestapelt, groß und fest. Er hatte immer ein wunderschönes Taschentuch bei sich getragen, weil man in seinem Metier ja nie wissen konnte. Sie reichte ihm eines, und er tupfte sich damit das Gesicht ab. »Also wissen wir, dass er lebt. Das ist schon etwas.«

Sie dachte, lieber Gott, und wenn er sich irrt? Wenn ihm Sehnsucht und Alter etwas vorgaukeln?

Sie sagte, »Darf ich mal sehen?«

»Ja, nun, ein Brief von deinem Bruder! Natürlich wirst du ihn sehen wollen! Entschuldige!«

Sie nahm ihn zur Hand. Er war dünn, ein Blatt bloß in einem Umschlag mit Absender und Stempel aus St. Louis. Reverend Robert Boughton in kleiner, klarer, eleganter Schrift. »Soll ich ihn aufmachen?«

»Nein, Gute, tut mir leid, aber das sollte ich lieber selbst tun, falls er vertraulich ist. Es könnte ihm an Verschwiegenheit gelegen sein. Wer weiß. Wenigstens lebt er.« Er trocknete sich die Augen.

Sie schob den Umschlag wieder auf den Tisch, und der alte Mann legte eine Hand daneben. Von Zeit zu Zeit hob er ihn etwas an, studierte die Handschrift und den Stempel. »Ja, der ist eindeutig von Jack. Ein Brief von Jack.«

Sie dachte, er warte vielleicht darauf, dass sie den Raum verlasse, und doch traute sie sich nicht zu gehen. Er könnte enttäuscht werden oder der Brief tatsächlich von Jack sein, aber irgendwie beunruhigend, in seinem Namen verfasst von einer Anstalt für chronische Quälgeister, für unheilbar Pflichtvergessene. Oder kam, lieber Gott, aus dem Gefängnis. Wehe, er hatte nicht einen verdammt guten Grund, seinen Vater so aufzuwühlen. Wehe, er hatte nicht einen verdammt guten Grund, den alten Mann der Gefahr unsäglicher Enttäuschung auszusetzen. Selbst wenn er tot war.

»Glory, ich glaube, du wirst mir doch helfen müssen. Ich wollte warten, bis ich etwas ruhiger wäre, aber daraus wird wohl nichts werden. Am besten nimmst du ein Federmesser. Wir brauchen ja den Absender noch.«

Sie suchte ein Schälmesser hervor und schlitzte den Umschlag auf, holte einen gefalteten Zettel hervor und überreichte ihn. Er räusperte sich. »Nun«, sagte er. Er griff zum Taschentuch auf seinem Schoß und legte es auf den Tisch. »Dann wollen wir mal sehen, was er zu sagen hat.« Und er entfaltete den Zettel und las. »Ja. Hier steht, er kommt heim. Er schreibt, ›Lieber Vater, ich wollte in ein, zwei Wochen nach Gilead kommen. Ich würde, wenn es recht ist, eine Weile bleiben. Ergebenst, Jack.‹ Recht ist! Was glaubt er denn! Wir müssen ihm schreiben. Ich werde es selbst tun, aber ich muss mich erst etwas ausruhen. Ich glaube kaum, dass ich im Augenblick einen Füller halten könnte.« Er lachte. »Was für ein Tag!«, sagte er. »Ich war mir nicht immer sicher, ob ich diesen Tag noch würde erleben dürfen.« Im Schlafzimmer half sie ihm in den Sessel, zog ihm die Schuhe aus und deckte ihn mit einem Quilt zu. Sie küsste ihn auf die Stirn. Er behielt den Brief in der Hand. Er sagte, »Ames wird es wissen wollen.«

Während er also döste, betete, sich sammelte, absah von Kümmernissen und Zweifeln, bange Erwartung litt, Halt suchte an seinem im Ganzen gesegneten Leben und die Kraft zu heroischer und väterlicher Gunst und womöglich gefährlich knapp dem Zusammenbruch jenes Teils seines Sensoriums entging, der für große Gefühle sorgte – ein Schweigen ihres Vaters war nie nur ein Schweigen –, spazierte sie zu den Ameses rüber.

Das Haus sah genauso aus wie immer, nur sehr reinlich, herausgeputzt geradezu. Es war im Stil der schlichten Farmhäuser der Gegend gebaut, vollkommen schmucklos bis auf die spindelförmigen Pfosten und Geländerstäbe der Veranda. Ihre ganzen Kinderjahre hindurch hatte der alte Ames allem Anschein nach in seinem Studierzimmer im ersten Stock gehaust. Nachts sah sie dort im Fenster Licht brennen, und wenn man sie tagsüber mit einer Nachricht oder einem Buch zu ihm schickte, stand sie so lange in der Küche, bis er ihre Stimme hörte, den Absatz zu Ende brachte, den er gerade las oder schrieb, und herunterkam. Die Küche hatte immer blank gerochen, nie nach Gebrauch, als sondere das Linoleum eine Substanz ab, die an die Stelle des ungenutzten Herds und der leeren Speisekammer träte.

Jetzt blühten am Küchenfenster Geranien und frohlockten die Küchengardinen in frisch gebügeltem Weiß. Am Gartenweg waren neue Beete entstanden. Sämtliche Boughtons waren zu Ames’ Trauung heimgereist, außer, natürlich, Jack. Es war die letzte Trauung, die ihr Vater je vollziehen würde, wie er sagte, und die freudenvollste. Ein paarmal hatte er dann doch noch nachgegeben und sechs oder sieben weitere Paare getraut, denen er besonders zugeneigt war. Er hatte damit gerechnet, auch Glory trauen zu dürfen, aber sie hatte ihm brieflich erklärt, dass sie spontan zu einem Friedensrichter gegangen seien, einfach um die Dinge mal zu regeln. Ihr Vater hatte außerdem, neben den eigenen Enkeln, noch einige Kinder getauft. Und doch betrachtete er die Trauung der Ameses als Sternstunde seines geistlichen Amts. Lila, die unwahrscheinliche Braut in ihrem gelben Satinkostüm und dem Pillbox-Hut, hatte leise verlegen gelächelt, ihre Schnappschüsse ertragen, sie gewähren lassen. Ihre Arme waren voller selbstgezogener und -geschnittener Rosen. Die Blumen waren ihr ganzer Stolz. Sie neckten sie heute noch, weil sie sich geweigert hatte, ihren Brautstrauß zu werfen. Gleich seinem Pfarrhaus schien der alte Ames wie ausgewechselt und doch unverändert. Inzwischen war er nicht nur väterlich, sondern Vater, nicht nur Gentleman, sondern Mann einer Frau, die seine Artigkeiten mit spöttischer Rührung hinnahm.

Er saß in der Verandaschaukel und las, doch als er Glory kommen sah, richtete er sich mühsam auf und erwartete sie mit der galanten Verbindlichkeit, mit der er allen über zwölf begegnete und die ihr stets geschmeichelt hatte. Dieser Tage aber vermutete sie darin unwillkürlich eine Art Beileid. Sie versagte sich die Frage, wie viel er wusste.

»Ein schöner Nachmittag«, sagte er. »Wie geht es dir? Wie geht es deinem Vater? Setz dich zu mir.«

Sie sagte, »Es geht uns so weit gut, würde ich sagen. Ich kann nicht lange bleiben. Heute Morgen hat Papa einen Brief von Jack erhalten. Das sollte ich dir sagen. Ich meine, von Johnny.«

»Aha. Ein Brief von Jack.«

»Er schreibt, er komme nach Hause.«

»So? Und wie hat dein Vater das aufgenommen?«

»Er tut sich schwer, glaube ich. Er weiß nicht, worauf er sich einstellen soll. Besonders zuverlässig ist Jack ja nie gewesen.«

Schweigen. »Hat er gesagt, wann er kommen will? Hat er gesagt, warum?«

»Angeblich in ein, zwei Wochen. Viel mehr stand da nicht.«

»Nun, das sind doch gute Nachrichten.« Er sagte es ohne die geringste Überzeugung. »Ob dein Vater heute Nachmittag einen Besuch verkraftet?«

»Ich denke schon.«

Als er sie den Gartenweg hinab begleitete, um ihr das Tor zu öffnen, sagte er, »Er sollte sich lieber keine übertriebenen Hoffnungen machen.« Da mussten sie beide lachen. Er sagte, »Nun, das werden wir ihm wohl kaum mehr austreiben.« Dabei machte Glory sich durchaus eigene Hoffnungen, ebenfalls übertriebene – dass es tatsächlich zu dem Besuch käme, dass es interessant werden würde und dass Jack sie nicht als unerträglichstes, strebsamstes, am wenigsten vertrauenswürdige seiner Geschwister in Erinnerung hätte. Sie glaubte und hoffte, dass er sich an sie kaum erinnern würde.

Als sie heimkehrte, hatte ihr Vater seinen Brief schon geschrieben, adressiert und verschlossen. »Ja. Ich habe einen kleinen Scheck beigelegt, für alle Fälle. Das Reisen ist teuer heutzutage. Ich hoffe, ich kränke ihn damit nicht, aber ich dachte, es würde ihm zeigen, wie sehr wir uns auf ihn freuen. Ich hielt das, alles in allem, für eine gute Idee. Ich kann ihn wieder herausnehmen, wenn du meinst …«

»Es wird ihn nicht kränken, Papa. Du hast doch immer kleine Schecks beigelegt.«

»Nun, es könnte aber doch sein, dass er sich an meine kleinen Allüren nicht erinnert. Ich hätte warten und dich überfliegen lassen sollen, was ich geschrieben habe. Ich dachte bloß, wir sollten gleich etwas losschicken. Er wird ja auf Antwort warten. Wenn es ›recht‹ ist. Stell dir vor! Nein, er soll sich da keine Sorgen machen!«

»Er wollte sicher nur höflich sein.«

»Überaus höflich, ja, das war er. Als schriebe er einem Fremden. Aber da mäkele ich schon wieder herum.«

Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich bringe ihn gleich auf die Post.«

»Ich denke, er ist einigermaßen leserlich. Die Adresse jedenfalls ist klar, würde ich meinen.« Er sagte, »Da war ich etwas bange, weil mir anfangs die Hände doch sehr gezittert haben. Ich hätte ihn dir zeigen sollen. Ich hoffe, er kann ihn lesen.«

»Bestimmt«, sagte sie. Aber sie wusste, dass er eine abschließende, absolute, glaubhafte Versicherung gar nicht hören wollte. Denn sollte er enttäuscht werden und Jack doch nicht kommen, dann könnte er sich selbst die Schuld zuschreiben, die ganze Bitternis auf sich nehmen und seinen missratenen Sohn schonen. Das hätte er für jedes seiner Kinder getan, auch für sie, das wusste sie. Aber für Jack hatte er immer schon die ausgeklügeltsten – ja, was? – Rettungsstrategien angewandt. Wie oft hatte er gesagt, »Was hat mich der Bursche auf die Knie gezwungen!« Er schien sich eingeredet zu haben, auch das sei ein Segen.

Ames kam, und die beiden steckten über dem Damebrett die Köpfe zusammen. Zwischen ihnen gab es so viele Anekdoten. Einmal hatten sie als junge Anwärter am Predigerseminar, ganz vertieft in einen theologischen Streit, eine Brücke überquert. Eine Bö hatte den Hut ihres Vaters ins Wasser geweht, und er hatte die Hosenbeine hochgekrempelt und war ihm, eifrig weiter debattierend, vergeblich stromabwärts hinterher gewatet. »Ich gewann aber doch langsam die Oberhand!«, insistierte ihr Vater.

»Nur weil ich vor Lachen nicht mehr reden konnte.« Der Hut hatte sich schließlich an einem Ast verfangen, und das war auch schon die ganze Geschichte, aber jedes Mal mussten sie von neuem lachen. Die Pointe schien darin zu liegen, dass sie einst sehr jung gewesen und nun sehr alt waren und dass sie Tag für Tag dieselben gewesen und nun irgendwie am Ende so vollkommen andere waren. Sie musterten sich voll gelassener Zuneigung.

Ames sagte, »Wie ich höre, kommt dein Junge nach Hause.«

»Sagt er. Er hat einen Brief geschickt.«

»Werden die Brüder und Schwestern auch kommen?

Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Ich habe sie angerufen.« Da war sie wieder, die Teilung des Meeres. »Wir sind uns einig, dass wir lieber abwarten sollten, ob er sie sehen will. Richtig wohl war ihm ja in unserer Mitte nie. Ich fürchte, das lag an mir … Aber es ist gut, dass Glory hier ist, zur Unterstützung«, sagte er rasch, als ihm ihre Anwesenheit wieder einfiel. Da wechselte sie ins Wohnzimmer hinüber, setzte sich neben das grummelnde Radio und widmete sich einem Kreuzworträtsel. Ist es wirklich so gut, dass ich da bin?, fragte sie sich. Vielleicht. Solange ich daran denke, nicht wütend zu sein. Ermahnen musste sie sich deshalb, weil Jack wahrscheinlich nach wie vor unausstehlich wäre und sie ihre ganze Geduld schon anderweitig aufgebraucht hatte.

Es folgten Wochen der Unruhe und Verstimmung, ihrer Bemühungen, mit der Vorfreude und Bangnis und dann wieder Enttäuschung des alten Mannes klarzukommen, die ihn unweigerlich rastlos, schlaflos und mürrisch machten. Sie rang täglich darum, ihren Vater zum Essen zu bewegen. Eisschrank und Speisekammer waren mit allem gefüllt, was Jack seiner Erinnerung nach besonders gemocht hatte, und er verdächtigte Glory, zu früh resignieren und Vorräte lieber aufbrauchen als zu lange lagern zu wollen. Folglich gestattete er sich kaum mehr als eine Schale Haferbrei oder ein pochiertes Ei, während sich auf Eiercremetorten eine Haut bildete und Salatköpfe welkten. Sie fragte sich bange, was sie mit dem ganzen Zeug machen sollte, wenn Jack gar nicht kam. Die Vorstellung, sich mit ihrem gebrochenen Vater zu einem abgestandenen, beschämenden Festmahl hinsetzen zu müssen, war unerträglich, aber sie stellte es sich trotzdem vor, um sich klarzumachen, wie wütend sie war und wie sehr zu Recht. Sie erwog sogar, nachts gerade so viele Lebensmittel aus dem Haus zu schmuggeln, wie die Nachbarhunde bewältigen könnten, weil sie zu unappetitlich wären, um sie den Nachbarn selbst anzubieten, und so vergällt vor bitterem Kummer, dass sie ohnehin im Hundenapf landen würden.

Glory hatte sich rein prophylaktisch wütende Tiraden zurechtgelegt. Für wen hältst du dich eigentlich! Wie kannst du nur so rücksichtslos sein!, woraus im Verlauf der vielen Tage ein ›Wie kannst du nur so niederträchtig herzlos gemein usw. sein‹ wurde. Immer inständiger hoffte