Zukunft Mikromobilität -  - E-Book

Zukunft Mikromobilität E-Book

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Beschreibung

Minitransportmittel wie E-Bikes, überdachte Fahrräder, Lastenräder oder auch E-Scooter sorgen für einen Boom der Mikromobilität und verkörpern die Zukunft für die Fortbewegung in Städten. Ihre geringe Größe und der oft elektrische Antrieb bieten (nicht nur) im städtischen Umfeld deutliche Vorteile gegenüber Pkws. Damit wird der Verkehr individueller und grüner werden. Der Band präsentiert den aktuellen Stand und neue Entwicklungen zum Thema Mikromobilität sowie nachhaltige Geschäftsmodelle und Tipps rund ums Fahrrad. Schließlich verbindet kein anderes Verkehrsmittel Ökologie, Ökonomie und Soziales so perfekt miteinander. Beispiele aus dem Alltag und der Wirtschaft belegen, wie die dringend notwendige Verkehrswende vorangebracht werden kann, welche Rolle dabei innovativen Maßnahmen zukommt und wie unsere Gesellschaft nachhaltig in die Gänge kommt. Enthalten sind Beiträge zur Verkehrswende, zur Mobilitätsforschung, zum Wirtschaftsfaktor Rad, zu Netzwerken und Initiativen. Außerdem gibt es praktische Service- und Routentipps sowie Historisches, Anekdoten und Erfahrungsberichte rund um nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität. +++ +++ +++ »Den beiden Herausgeberinnen gelingt es, das Thema Mobilitätswende nicht einspurig zu präsentieren. Vielmehr finden neben praxisnahen Unternehmensthemen auch persönliche und historische Geschichten zu nachhaltiger Mobilität und die Welt der Dinge rund ums Rad ihren Platz.« Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft BNW e.V. +++ »Ist Autofahren heilbar? Rationale Argumente haben oft keinen Platz, wenn es um unser ›heilig's Blechle‹ geht. Dieses Buch kann dabei helfen, dass auch in Deutschland das ›System Auto‹ ins Wanken gerät. Vor allem durch die Sharing-Economy – gemeinsam nutzen statt alles besitzen: Räder, Roller, Daten, Autos und Büros. Dabei spielt die Mikromobilität eine zentrale Rolle – wie E-Bikes, überdachte Fahrräder, Lastenräder oder E-Scooter. So kann der Verkehr grüner und individueller werden und er verbindet Ökologie, Ökonomie, Fortschritt und Soziales miteinander. Die hier aufgezeigte Zukunft fährt lebensfreundlich, ist klimaverträglich und schafft attraktivere Lebensräume. Andere Länder zeigen schon lange, dass es geht und wie es geht: In Deutschland werden elf Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in den Niederlanden 27 Prozent. Radfahren ist gesund, preiswert und umweltfreundlich. Das Rad macht unabhängig vom Auto und schafft Platz in unseren Städten. Wir können selbständiger werden durch weniger Verkehr. Hat das etwas mit Verzicht zu tun? Es ist ein Gewinn für alle.« Franz Alt, Journalist und Buchautor

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Um die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben, benötigt es vor allem Menschen – Menschen, die aus Überzeugung engagiert handeln und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Dinge bewegen. Einer dieser Menschen ist Dr. Alexandra Hildebrandt, die mir immer wieder aufzeigt, wie vielfältig und facettenreich diese Möglichkeiten sind und die mich immer wieder motiviert weiterzumachen, auch wenn die Hürden und Probleme noch so groß erscheinen. Ohne ihre Beharrlichkeit wäre dieses Buch nie entstanden.

Mein Dank und meine Hochachtung gehen an dieser Stelle nicht nur an sie, sondern an alle Menschen, die sich täglich für mehr Nachhaltigkeit und für ein gutes Leben auch für die nachfolgenden Generationen einsetzen.

Claudia Silber

Alexandra Hildebrandt, Claudia Silber (Hg.)

ZUKUNFT MIKROMOBILITÄT

Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen: Ein Rad-Geber

Alexandra Hildebrandt, Claudia Silber (Hg.)

Zukunft Mikromobilität

Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen: Ein Rad-Geber

ISBN (Print) 978-3-96317-313-4

ISBN (ePDF) 978-3-96317-862-7

eISBN 978-3-96317-889-4

Copyright © 2022 Büchner-Verlag eG, Marburg

Satz: DeinSatz Marburg | rn

Bildnachweis Umschlag-Illustrationen: Jan Hendrik Ax | www.janhendrikax.de

Das Werk, einschließlich all seiner Teile, ist urheberrechtlich durch den Verlag geschützt. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

www.buechner-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Vorwort: Vorfahrt Mikromobilität

I. Zukunft in Bewegung

Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen

Rad-Mobilität der Zukunft mit Cradle to Cradle

Matthias Schäpers

Mehr Mobilität mit weniger Verkehr

II. Das Rad der Geschichte gestern und heute

Benedikt Weibel

Wir Mobilitätsmenschen. Das Fahrrad im Fokus der Verkehrswende

Tobias Loitsch

Fahrräder in China. Der Inbegriff eines modernen Lebens zwischen Mobilität und Technologie

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Bewegte Zeiten: Von den Anfängen des Individualverkehrs zur fahrradgerechten Stadt

Anne Weiss

Frauen am Rande des Oderbruchs

Alfons Schweiggert

Geschichte und Geschichten rund ums Rad: Von der Kaiserin über den König zum Komiker

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Die wichtigsten Fahrradtypen und ihre Einsatzgebiete

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Mosaiksteine zur Mobilitätswende: Welche Rolle spielen E-Scooter?

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Wie nachhaltig sind Produkte rund ums Rad? Eine kleine Warenkunde

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Die Bedeutung der Lieferkette in der Fahrradbranche

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Das Fahrrad als Dekorationsobjekt

Claus-Peter Niem und Karin Helle

Von Einzelkämpfern und Teamentwicklern – und der Strahlkraft des Fahrrads

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Nachhaltiger Tourismus

Alexandra Hildebrandt

Radfahren & Wellness

Karsten Schumann

Vom Glück des Radelns: Gedanken zu einem tragenden Lebensgefühl

Olaf Schulze

Eine Radtour in Thüringen ist immer auch eine Tour zu den »Drei Gleichen«. Über Stock und Stein mit Goethe, Schiller, Luther

III. Verkehrspolitik und nachhaltige Mobilitätswende

Dennis Knese

Was die Diversifizierung der Mikromobilität für die Verkehrsplanung und Straßenraumgestaltung bedeutet

Stephan A. Jansen unter Mitarbeit von Martha Wanat

Urbane Mobilitätskonzepte und Umsetzungen für klimaneutrale gesunde Unternehmen und Quartiere. Perspektiven & Projekte von Beratung bis Wartung

Anika Meenken

Fahrrad statt Elterntaxi: Von klein auf eigenständig mobil

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Klimabildung in den Schulen – und die Rolle der Mobilität

IV. Klimafreundliche Mitarbeitermobilität – Alternativen zum Firmenwagen

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Klimafreundliche Mitarbeitermobilität

Dieter Brübach und Natalia Astrin

Förderung der Fahrradnutzung als Beitrag zum Betrieblichen Mobilitätsmanagement

V. Mobilität und Logistik

Claudia Silber

Emissionsfreie Zustellung auf der Letzten Meile. Wie gelingt verantwortlicher Versandhandel

Karolin Zientarski

City Logistik neu gedacht. Das Lastenrad als Game Changer

VI. Nachhaltige Wege zur Circular Economy

Frank Bohle

Kreislaufwirtschaft statt Wegwerfprodukt: Das Schwalbe Recycling System

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Die Kultur der Reparatur

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Ein Stück Freiheit: Fahrräder für Geflüchtete

VII. Die neue Mobilitätskultur und Future Mobility

Stefan Carsten

Verkehrskonzepte der Zukunft – 10 Thesen

VIII. Zusatzinformationen

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Gute Verbindung: Die wichtigsten Netzwerke für eine nachhaltige Verkehrswende

Vorwort: Vorfahrt Mikromobilität

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

In Zeiten, in denen unsere Privatheit immer mehr verlorengeht und die Welt aus den Angeln gehoben ist, wächst das Bedürfnis, die Welt selbstbestimmt zu gestalten und zu handeln. Die moderne Sehnsucht nach Freiheit, die sich auch in der Liebe zum Fahrrad widerspiegelt, verdankt sich einer Komplexität, die den Einzelnen immer mehr vereinnahmt und dazu führt, dass er sich von sich selbst löst und fremdbestimmt ist: von den Medien, der Technik und der Welt des Konsums. Inmitten dieser Unüberschaubarkeit von Möglichkeiten suchen Menschen nach etwas, das sie im buchstäblichen Sinn »selbst« bewegt, das mit dem Spüren ihres Körpers verbunden ist, der Freude am Ursprünglichen und im wahrsten Sinne des Wortes mit Erdverbundenheit.

»Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.« John F. Kennedy

Bis Ende März 2022 präsentierte das Stadtmuseum Berlin im Märkischen Museum gemeinsam mit mususku – Museum der Subkulturen eine Sonderausstellung unter dem Titel »Easy Rider Road Show«. Im Mittelpunkt stand dabei das Fahrrad als Phänomen der Subkultur, welches gleichzeitig Freiheitsversprechen, Glücksbringer und Utopie ist. Fotografien zeigten, wohin uns das Rad bringen kann, welche starke Verbindung es zwischen Menschen schafft, und wie es als Teil von Protesten gegen Umweltzerstörung und für eine lebenswerte Stadt eingesetzt wird. Das Fahrrad hat das Potenzial, das Leben in der Stadt und die Stadt selbst zu verändern. Radfahren, Radsport und Radreisen sind so beliebt wie nie – Corona hat den Trend noch beflügelt. Ursprünglich wollten wir nur einen nachhaltigen »Rad-Geber« herausgeben, doch erkannten wir bald, dass das Thema viel komplexer ist und in einen größeren Kontext eingebunden sein muss. Das Rad steht hier deshalb auch symbolisch als Teil fürs Ganze. Mit der Corona-Pandemie kamen auch viele neue Gründe für die Dringlichkeit und die Chancen einer Verkehrswende hinzu. Zum einen sorgen technologische Entwicklungen wie Elektrifizierung, Digitalisierung und automatisiertes Fahren für differenzierte Mobilitätsbedürfnisse, zum anderen muss der Verkehr seine Schadstoff- und Treibhausgasemissionen deutlich senken und so vor allem einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gegenwärtig erlebt die Mobilitätsbranche ihre wohl radikalste Umstrukturierung seit Einführung des Automobils. Dabei ist die Bewältigung künftiger Mobilitätsströme eine der wichtigsten Herausforderungen. Das Umweltbundesamt ermittelte im Jahr 2020, dass ein Auto pro gefahrenen Personenkilometer durchschnittlich 152 Gramm CO2 ausstößt – im Gegensatz dazu erzeugen Schienennahverkehr 86 Gramm, Straßen-, Stadt-, U-Bahn 75 Gramm und Fernbus 27 Gramm pro Personenkilometer. Bei Radfahrenden betragen die Emissionen, die durch Infrastruktur und Produktion anfallen, weniger als 10 Gramm CO2 pro Kilometer. Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, ist eine grundlegende Transformation in Richtung nachhaltige Mobilität notwendig. Wie groß der Beitrag ist, den sie zur Reduktion von Treibhausgasen leisten kann, hat 2021 die Bitkom-Studie »Klimaeffekte der Digitalisierung« ermittelt: Demnach lassen sich durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen bis zu 25 Megatonnen CO2-Äquivalent einsparen.

Die Vereinten Nationen formulieren in ihren 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) detailliert, wie Mobilität bis 2030 aussehen soll (Zugang zu sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle). Die Maßnahmenprogramme, die während der Pandemie auf den Weg gebracht wurden, bieten enorme Gestaltungschancen für eine faire und klimagerechte Verkehrswende, die sich allerdings schon vor der Krise andeutete: Die deutsche Automobilindustrie verlor ihren Ruf als unangefochtener Fortschrittsgarant durch den Dieselskandal, und auch der Klimawandel sowie neue soziale Bewegungen wie Fridays for Future forderten neue gesellschaftliche und politische Handlungsbereitschaft. Die aktuellen Herausforderungen lassen sich nur mit einer konsequenten Reduzierung des Autoverkehrs meistern. Dies steigert nicht nur die Lebensqualität, sondern eröffnet auch ein Mehr an Mobilitätsoptionen. Früher war das Auto als Status- und Erfolgssymbol ein konkurrenzloses Objekt der Begierde. Auch der Führerschein galt als Initiationsritus vieler Generationen. Das hat sich inzwischen geändert – vielen Menschen ist eine BahnCard 100 heute sogar wichtiger als ein Dienstwagen. Der mit dem PKW zurückgelegte Weg ist im Vergleich zu den meisten anderen Mobilitätsformen die CO2-intensivste und zudem teuerste. Wird statt des eigenen Autos der ÖPNV genutzt, wird nur noch ein Achtel der Waldfläche für den CO2-Ausgleich benötigt. Außerdem senkt die Fahrt mit Bahn oder Bus das Stresslevel. Stellt das E-Bike eine Alternative zum Auto dar, werden die Treibhausgase bereits nach 100 km Fahrt ausgeglichen (Vergleich mit den eingesparten PKW-Kilometern).

»Lieber ein Fahrrad als ein SUV und lieber ein Park als ein Parkplatz!« Dr. Eckart von Hirschhausen

Die bisherigen Aktionen und Projekte zur Verkehrswende ermutigen immer mehr Menschen zur Eigeninitiative. Auch aus der Klimabewegung entstehen derzeit viele neue Ideen, die vom Redaktionskollektiv »AUTOKORREKTUR« (Clara Thompson, Jörg Bergstedt, Jutta Sundermann und Tobi Rosswog) im »Aktionsbuch Verkehrswende« zusammengetragen und gebündelt wurden. Der Name wurde von Katja Diehl ausgeliehen, die das gleichnamige Buch »#Autokorrektur« schrieb. Die Mobilitätsexpertin, Podcasterin und Autorin hat über 40 Interviews mit Menschen über ihre individuelle Mobilität geführt und fragte: »Willst du oder musst du Auto fahren?« Befragt wurden aber auch Menschen, die nicht Auto fahren können oder wollen. Das Ergebnis: Viele würden sofort auf ein eigenes Auto verzichten, wenn sie ihre Mobilität frei gestalten könnten. Mehr als 50 Prozent der Befragten hätten sich für die BahnCard 100 entschieden. Der größte Hinderungsgrund am Kauf war allerdings der Preis. Die Gruppe derer, die nicht auf das Auto angewiesen sein wollen, ist nach Ansicht von Katja Diehl enorm, aber sehr heterogen, weshalb sie nicht als »großes Ganzes« wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass das Auto – vor allem im ländlichen Raum – häufig noch vorausgesetzt wird. Die Gründe sind historisch bedingt: In der Nachkriegszeit geriet Deutschland in einen Rausch des Umbruchs, des Wirtschaftserfolges und der gesteigerten Mobilität. Nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer wurden an den Rand gedrängt.

»Die automobile Prägung von Stadt und Land wurde zur neuen Normalität.« Katja Diehl

Die Vision ihrer #Autokorrektur beginnt auch beim Fußverkehr und orientiert sich nicht nur am Klimaschutz, sondern auch an der Stadtplanung, an den Kosten, an der Gesundheit, an der Lärmbelästigung, am Feinstaub, am Flächenverbrauch und an einer Vorstellung vom guten Leben, in der wieder der Mensch im Mittelpunkt steht. Erst dann ist es möglich, die Verkehrswende nachhaltig voranzubringen, »damit eine Mobilität entsteht, die wahlfrei, barrierefrei, inklusiv und klimaschonend ist.« Dabei sollten Fahrräder und Fußgänger die gleichen Rechte wie Autos erhalten. Hier setzt auch das »Aktionsbuch Verkehrswende« an, dessen vielfältige und debattenreiche Beiträge wichtige Impulse für diesen Herausgeberband gaben. Es bildet darüber hinaus eine wichtige Ergänzung zur aktuellen Mobilitätsdebatte, die Themen wie »Barrierefreiheit« oft ausblendet. Deutschland hat zwar 2010 die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterzeichnet, doch mangelt es häufig noch an Umsetzungsmaßnahmen. Belegt wird, dass die USA im Bereich Barrierefreiheit und Behindertenrechte wegen der starken Behindertenrechtsbewegung der 1970er-Jahre und der Zusammenarbeit mit dem Civil Rights Movement und den Black Panthers weiter sind als viele europäische Länder. Auch das Thema Alter findet in aktuellen Publikationen zur Verkehrswende kaum Erwähnung. Dabei fühlen sich viele Menschen vom Radfahren ausgeschlossen, weil sie entweder Angst vor dem Verkehr haben oder es ihnen ihr Gesundheitszustand nicht (mehr) erlaubt, Fahrrad zu fahren. Einige haben es auch nicht gelernt. Zum Thema »Radeln im Alter« finden sich deshalb ebenfalls viele »bewegende« Beispiele: So hat sich in Wurzen, einer kleinen Stadt östlich von Leipzig, vor einigen Jahren eine Gruppe von Umweltaktivist:innen im sogenannten »Kanthaus« niedergelassen. Viele von ihnen engagieren sich für eine nachhaltige Verkehrswende; Lebensmittel und Baumaterialien werden mit Fahrradanhängern transportiert und vor der Haustür steht eine Fahrradreparaturstation für alle. Im Jahr 2021 gründete das Kanthaus hier einen Standort von »Radeln ohne Alter«. Fast ein Drittel der Bevölkerung ist hier älter als 65 Jahre. Es gibt mehr als zehn Pflegeeinrichtungen – und es entstehen immer mehr. Die meisten Bewohner:innen können sich nicht einfach ein Fahrrad beschaffen. Die Bewegung »Radeln ohne Alter« (»Cycling Without Age«) begann 2012 in Kopenhagen. In den letzten Jahren sind viele weitere Länder hinzugekommen. Ehrenamtliche bieten kostenlose Fahrten in Rikschas (dreirädrige Fahrräder mit einem Sitzplatz für zwei Fahrgäste in der Front) für Pflegeheimbewohner:innen an. Die Räder werden elektrisch unterstützt und die Sitzpositionen erleichtern das Gespräch zwischen Radfahrer:innen und Fahrgästen. Das Beispiel zeigt, dass die Verkehrswende für alle erreichbar sein kann.

In unserem Buch werden auch Beispiele fahrradgerechter Stadtplanung vorgestellt, und wir widmen uns der Frage, wie die Lebensqualität in Städten und Ballungsräumen erhöht werden kann – dabei muss zuweilen auch der Gegenwind der Autofahrer:innen ausgehalten werden. Zudem werden wichtige Impulse für dringend notwendige Veränderungsprozesse sowie Inspirationen für passende Maßnahmen vor Ort geliefert. Auch wird gezeigt, dass es mehr braucht als nur neue Mobilitätskonzepte: Benötigt wird ebenso ein neues Verhältnis zu Arbeit und Freizeit. Zahlreiche Beispiele belegen, wie die notwendige Verkehrswende im Personen- und Wirtschaftsverkehr vorangebracht werden kann und welche Rolle dabei innovative Maßnahmen spielen – für eine nachhaltigere Verkehrszukunft. Im Fokus stehen folgende Aspekte: der Radverkehr und seine Förderung in Deutschland und Europa, die Fahrradpolitik auf deutscher und europäischer Ebene, der Radtourismus als nachhaltiger Wirtschaftsfaktor, die Förderung von umweltfreundlicher Mobilität, das Radfahren als Gesundheitsfaktor sowie die Verbesserung der Sicherheit von weniger geschützten Verkehrsteilnehmern.

Das Fahrrad entwickelt sich vor allem in Großstädten zu einer kostengünstigen, platzsparenden und sauberen, wenn auch nicht zu einer besonders sicheren Alternative zum Auto, das immer weniger an Bedeutung gewinnt. Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschenden der Transport Studies Unit an der Universität Oxford belegt, dass der Umstieg auf das Fahrrad, E-Bike oder aufs Zu-Fuß-Gehen für die tägliche Fortbewegung auch einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leistet. Sie entstand innerhalb des EU-finanzierten Projektes PASTA (»Physical Activity Through Sustainable Transport Approaches«). Ziel ist es, Verkehr und Gesundheit miteinander zu verbinden, indem aktive Mobilität (zu Fuß gehen sowie Rad- und E-Bike fahren) in Städten als innovativer Weg zur Integration von körperlicher Aktivität in unseren Alltag gefördert wird (Study Protocol). Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Global Environmental Change veröffentlicht wurden, belegen, dass eine Steigerung der aktiven Mobilität den CO2-Fußabdruck signifikant senkt – sogar in europäischen Städten mit bereits hohem Fuß- und Radverkehrsanteil. Fast 2.000 Stadtbewohner:innen wurden über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet. Gesammelt wurden Primärdaten zum täglichen Mobilitätsverhalten, zu Wegezwecken sowie zu persönlichen und räumlichen Einflussfaktoren in den sieben europäischen Städten (Antwerpen, Barcelona, London, Orebro/Schweden, Rom, Wien, Zürich).

Wichtige Ergebnisse:

Eine Umstellung von nur einer Fahrt pro Tag vom Auto auf das Fahrrad würde den jährlichen CO

2

-Fußabdruck pro Person um etwa 0,5 Tonnen reduzieren (das macht einen beträchtlichen Anteil der durchschnittlichen Pro-Kopf-CO

2

-Emissionen aus). Wenn nur zehn Prozent der Bevölkerung ihr Reiseverhalten auf diese Weise ändern würden, lägen die Emissionseinsparungen bei etwa vier Prozent der Lebenszyklus-CO

2

-Emissionen des gesamten Autoverkehrs.

Die durchschnittlichen Pro-Kopf-CO

2

-Emissionen aus dem Verkehr (ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr) lagen zwischen 1,8 Tonnen CO

2

pro Person und Jahr in London und 2,7 Tonnen CO

2

pro Person und Jahr in Wien.

Seitens des Verkehrsangebots wird die Bedeutung von »Carrot-and-Stick«-Ansätzen als Kombination von Maßnahmen zur Attraktivierung aktiver Mobilität (Carrot) und zur De-Attraktivierung von Wegen mit dem Pkw oder motorisierten Zweirädern (Stick) unterstrichen.

Durchgängige und qualitativ hochwertige Infrastrukturen für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen sind ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor für die gezielte Förderung aktiver Mobilität.

Es wurde ein Handlungsbedarf an Städte weltweit abgeleitet: Sie sollten bei ihren stadtplanerischen Konzepten radikal umdenken (z.B. Stärkung dichter Strukturen und gemischter Landnutzungen).

Zu den Begriffen, die mit dem neuen Mobilitätsgefühl assoziiert werden, gehören neben Nachhaltigkeit auch Funktionalität, Unabhängigkeit, Dynamik und Selbstverwirklichung. Viele der lebenswertesten Städte der Welt sind inzwischen Fahrradstädte. Ihre Bewohner:innen und Entscheider:innen haben erkannt, dass die zunehmende Mobilität des Menschen künftig umweltfreundlicher, effizienter und intelligenter sein muss, denn die steigende Bevölkerung in den größten Ballungszentren sowie der zunehmende Verkehr führen häufig zur Lähmung oder sogar zum Stillstand der gesamten Region. Für die Bewältigung der globalen Klimakrise sind die 2020er-Jahre eine wesentliche Entscheidungs- und Umsetzungsdekade, nachdem zuvor die Weichenstellungen gesetzt wurden. Im europäischen Green New Deal ist das Ziel festgeschrieben, dass Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden soll. Um das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, legt das Klimaschutzgesetz für 2030 das konkrete Zwischenziel einer Treibhausgas-Emissionsminderung um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 fest. Doch ein Scheitern am Meilenstein dieses Zwischenschritts würde das große Ziel unerreichbar machen. Bis 2045 müssen Treibhausgas-Emissionen unterschiedlicher Sektoren (Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft) enorm reduziert werden, während nicht vermeidbare Emissionen durch Treibhausgas-Senken ausgeglichen werden.

Viele Menschen hofften darauf, dass es nach dem ersten Lockdown in Deutschland im Frühjahr 2020, als das Stauniveau für einige Wochen gegen Null sank, zu einer Mobilitätswende kommen würde. Dem war leider nicht so. Im Oktober 2021 hatte der Verkehr wieder das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie erreicht. Das bestätigt auch eine Analyse der Süddeutschen Zeitung, die Daten zum Straßenverkehr zwischen Januar 2019 und Ende Oktober 2021 ausgewertet hat: Im städtischen Verkehr stehen die Autofahrer:innen wieder deutlich mehr im Stau. Die Erfahrungen des Lockdowns belegen zugleich, wie wenig Zwang ausrichtet. Nachdem die Coronabeschränkungen aufgehoben waren, schnellten die CO2-Emissionen wieder nach oben. Im ersten Corona-Jahr 2020, als sich viele Gewohnheiten und Routinen verschoben hatten und einige Städte den reduzierten Autoverkehr zum Anlass nahmen, um provisorische Radwege einzurichten (das Konzept Pop-up-Radwege ist auf alle Städte in Deutschland übertragbar: Testen am lebenden Objekt »Straße«, nachbessern, schnell finalisieren), und auch wieder mehr Menschen zu Fuß gingen, sanken die Treibhausgasemissionen um etwa 80 Mio. t CO2. Sie lagen damit etwa 42,3 % unter dem Niveau von 1990. Etwa zwei Drittel des Rückgangs ist auf die Corona-Wirtschaftskrise zurückzuführen. Weltweit verminderten sich die Emissionen um etwa 7 %, in Deutschland um etwa 10 %. Hauptursachen für die geringeren Emissionen 2020 waren:

geringere Energienachfrage/geringere Kohleverstromung

gesunkene Industrieproduktion

Einbruch der Verkehrsnachfrage/reduziertes Verkehrsaufkommen

höhere CO

2

-Preise im EU-Emissionshandel

milder Winter.

Diese Corona-bedingten Treibhausgasminderungen dämpfen allerdings die Erderhitzung bis 2050 nach Berechnungen des UN-Umweltprogramms nur um 0,01 Grad Celsius. 2021 nahmen die CO2-Emissionen dann um rund 33 Mio. Tonnen beziehungsweise 4,5 Prozent gegenüber 2020 in Deutschland zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewende, die sich dem vergangenen Klima- und Energiejahr mit einem Fokus auf die Energiewende im Stromsektor widmet. Entscheidend für klimapolitische Erfolge ist eine Klimapolitik, die nachhaltig Investitionen in neue, klimaneutrale Technologien fördert, klimaschädliche Investitionen nicht weiter subventioniert und auf diese Weise den Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzt. Dazu braucht es Anreize in Richtung Erneuerbare Energien, energetische Sanierung und klimafreundliche Mobilität. Aber auch demografische Veränderungen und Migrationsdruck stellen enorme Herausforderungen für Stadtverwaltungen, Energieversorger und Verkehrsbetriebe dar. Hintergrund ist die Entwicklung des Menschen vom »Homo mobilis« zum »Homo transportandum«. Vor allem in Ballungsgebieten wird er zunehmend zum »Transportproblem«. Der weiter zunehmende Verkehr stellt Städte vor große Herausforderungen. Während es der Industrie, dem Handel und Privathaushalten gelingt, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, tritt der Verkehrssektor allerdings immer wieder auf der Stelle. »Der Transportsektor spielt eine entscheidende Rolle für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele für 2030«, sagt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Stiftung Klimaneutralität. Es müssten etwa 65 Prozent der Emissionen eingespart werden (70 bis 80 Millionen Tonnen CO2).

Um die aktuellen Herausforderungen zu verstehen, braucht es eine grundlegende Transformation in Richtung nachhaltige Mobilität. Es geht um einen kompletten Umbau des Verkehrssystems, um klimaneutral zu werden. Eine längst überfällige Verkehrswende, bei der Klimaschutz und Lebensqualität im Fokus stehen, ist deshalb notwendig. Dazu braucht es auch den politischen Willen, die Klimafrage mit oberster Priorität anzugehen, das Bewusstsein für Dringlichkeit sowie richtige Projektorganisation und Ausbildung. Leider ist bislang an den Hochschulen der Rad- und Fußverkehr thematisch noch unterrepräsentiert. An der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften werden Spezialist:innen für die Verkehrswende im Fachbereich »Radverkehrsmanagement« bereits ausgebildet.

»Der Mobilitätswende Flügel verleihen!« Unter diesem Appell hat der Dialog »Nachhaltige Stadt« – ein Projekt des Rates für Nachhaltige Entwicklung« – Ende September 2021 einen Appell an die neue Bundesregierung veröffentlicht, deren Empfehlungen sich mit den Forderungen von Franz Alt decken (Franz Alt, 2021).

Vorgestellt wurden dort sechs zentrale Empfehlungen:

Umsetzung und Kompensation CO

2

-Preis mit Lenkungswirkung

Nachhaltiges Bundesmobilitätsgesetz statt überholtem Bundesverkehrswegeplan

Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen

Zulassung von mehr Flexibilität für die Städte bei Tempo 30, Fahrradstraßen, Parken & Co.

Ausreichende Finanzierung von Kommunen und Abbau von Bürokratie bei Fördermitteln

Verbesserung von Rahmenbedingungen für neue Mobilitätsformen.

Städte und Kommunen sind in einer Schlüsselposition, um den Mobilitätsverbund zu stärken. Sie stehen vor der Aufgabe, ehrgeizige Klimaziele zu formulieren und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele einzuleiten. Die Mobilitätswende ist allerdings in weiten Teilen ein lokales Projekt. Die Herausforderung besteht darin, den klassischen Kraftfahrzeugverkehr zu reduzieren und attraktive Mobilitätsalternativen sowie die entsprechende Infrastruktur anzubieten, die nachhaltig sind und die Lebensqualität in den Städten steigern.

Die Mikromobilität spielt also eine wichtige Rolle bei der Energie- und Mobilitätswende in den Städten – vor allem das Fahrrad, das künftig immer mehr die Verkehrslandschaft prägen wird. Es vereint flexible Mobilität, Lebensqualität und Nachhaltigkeit auf perfekte Weise. Komplett emissionsfrei ist natürlich auch ein Fahrrad nicht: Seine Herstellung benötigt wie alle Produkte wertvolle Ressourcen. Radfahren ist jedoch sehr energieeffizient im Vergleich zum Gehen, weil der Körperschwerpunkt nicht bei jedem Schritt angehoben wird. Im Vergleich zu einem vierrädrigen Fahrzeug ist die Rollreibung ebenfalls geringer.

Nachhaltige Vorteile des Fahrrads:

Das Fahrrad garantiert eine emissionsfreie Fortbewegung.

Bis 5 km Reichweite ist man mit dem Rad (bzw. bis 10 km mit dem Pedelec) schneller am Ziel als mit dem Auto.

Das Fahrrad schont Ressourcen (bis zu 100 mal geringerer Energie- und Rohstoffverbrauch bei der Herstellung im Vergleich zum Auto) und ist zudem viel besser recycelbar und kostengünstiger reparierbar.

Das Fahrrad senkt private Kosten – es spart im Vergleich zum Auto satte 17 Cent pro km.

Das Fahrrad senkt allgemeine Kosten – ein Kilometer Radweg kostet ein Fünfzigstel eines Kilometers Autobahn.

Das Fahrrad hält fit – 75 Minuten Rad fahren pro Woche reduziert die privaten Gesundheitskosten um bis zu 2.000 Euro/Jahr, der Arbeitgeber spart bis zu 1.200 Euro/Jahr.

Das Fahrrad schont die Umwelt – eine intelligente Verkehrsmittelwahl spart bis zu 27 % CO

2

in Deutschland.

Das Fahrrad reduziert den Flächenverbrauch – 20 mal mehr Platz benötigen Autos im Vergleich zu Fahrrädern in der Stadt.

»Wo ein Wille ist, ist auch ein Radweg.« Dr. Eckart von Hirschhausen

Um unsere Mobilität nachhaltiger, bedarfsgerechter und effizienter zu gestalten, benötigen wir eine Vielzahl an Mobilitätsoptionen. Mikromobilität kann hier ein wichtiger Baustein sein. Bei Mikromobilen, die das Angebot an Verkehrsmitteln erweitern, handelt es sich um Fahrzeuge, die ein oder zwei Personen befördern können. Dazu gehören Fahrräder und Roller, Segways oder Hoverboards sowie Kleinstfahrzeuge mit E-Antrieb wie zum Beispiel E-Scooter, E-Fahrräder und Pedelecs, Elektrolastenräder, Roller. Vor diesem Hintergrund ist auch die neue Initiative Dialog Mikromobilität zu sehen, ein Branchenbündnis von Verbänden, Unternehmen und Expert:innen. Das Motto der Initiative lautet »Mehr Miteinander wagen«. Es geht um die Kernthemen Sicherheit, Flächengerechtigkeit und Recht auf Mobilität, das für alle Verkehrsteilnehmenden gleich sein sollte. Fahrräder benötigen eine eigene Infrastruktur. Dabei ist die Schaffung genügender Abstellmöglichkeiten in den Kernstädten das größte Problem. Mikromobilität wird auf der infrastrukturellen und regulatorischen Ebene noch nicht ausreichend berücksichtigt. Vielerorts fehlt eine Ladeinfrastruktur für Elektroleichtfahrzeuge wie E-Roller, E-Kickscooter oder E-Lastenräder. Besonders wichtig ist eine intelligente Ladeinfrastruktur für professionell eingesetzte E-Lastenrad-Flotten, die schon heute für viele Unternehmen unverzichtbar sind. Die Bundestagswahl 2021 wurde auch vom Dialog Mikromobilität zum Anlass genommen, Vorschläge für die Politik auszuarbeiten, wie sich die städtische Infrastruktur und die Straßenverkehrsordnung an die neuen Realitäten anpassen lässt. Es geht um die grundlegen den Themen Sicherheit, Flächengerechtigkeit und Recht auf Mobilität (mehr Radwege, breitere Radverkehrsanlagen, Rad-Schnellstraßen, Ladeinfrastruktur für E-Lastenräder, angepasster Rechtsrahmen, Verknüpfung von Klimaschutz und Wirtschaftsförderung, Ausdehnung der Forschungsförderung auf Radlogistiksysteme). Der Dialog Mikromobilität ist eine Initiative, die sich als offene Diskussionsplattform versteht. Es ist das erste Mal, dass sich Verbände, Unternehmen und Fachleute verschiedener Branchen im weiten Feld der Mikromobilität zusammengeschlossen haben. Das war dringend nötig, denn die Mikromobilität boomt, aber auf der infrastrukturellen und regulatorischen Ebene wird dies noch nicht ausreichend berücksichtigt. Bisher fehlt eine Ladeinfrastruktur für die Mikromobilität, was besonders wichtig ist für professionell eingesetzte E-Lastenrad-Flotten.

Allerdings geht es nicht nur um die Infrastruktur für die Nutzung der unterschiedlichen Fortbewegungsmittel – vielmehr spielt hier der ruhende Verkehr eine wichtige Rolle. Eine nachhaltige Verkehrswende als gesellschaftliches Großprojekt bedeutet, eine umfassende Mobilitätswende durchzusetzen, die wesentliche technische Innovationen wie On-Demand-Verkehrsangebote für mehr Klimaschutz einschließt. Allerdings sind sie nur ein Teil eines fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesses. Eine nachhaltige Verkehrswende umfasst Ausbau und Förderung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, Sharing-Systeme sowie Rad- und Fußverkehr. Es gibt aber auch Menschen, die auf ihr Auto nicht verzichten wollen oder können und die genauso gern Bahn fahren, radeln und Fußgänger sind.

»Ich mag das Für-sich-Sein im Auto. Das Meditative langer Bahnfahrten. Das Serotoninglück auf dem Rad. Die mikroskopische Weltwahrnehmung im Gehen.« Henning Sußebach

Berücksichtigt werden sollten zudem wesentliche technische Innovationen für mehr Klimaschutz und innovative Maßnahmen (Emissionen sparen, Platz schaffen, mobil sein). Erreicht werden kann dies nur durch eine engagiertere und integrierte Verkehrspolitik von Bund und Europäischer Union, die Maßnahmen auf kommunaler Ebene stützt und eine nachhaltige Mobilität für alle in Stadt und Land befördert.1 Dabei muss jede Region ihren eigenen Weg finden, weil Infrastruktur und gesellschaftliche Strukturen überall unterschiedlich sind. Viele Stadtbewohner:innen und Entscheider:innen haben erkannt, dass die zunehmende Mobilität künftig umweltfreundlicher, effizienter und intelligenter sein muss. Doch hätten Städte größere Handlungsspielräume, wären viele Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit unkomplizierter zu treffen. Um dies zu erreichen, müssten Planungsverfahren einfacher und effizienter werden. Im ersten Schritt bedeutet eine nachhaltige Verkehrswende Vermeidung von überflüssigem Verkehr im Güter- und Personenverkehr. Anschließend muss der Güterverkehr auf die Schiene und der Personenverkehr auf den Umweltverbund aus Fuß-, Rad-, Bus- und Schienenverkehr verlagert werden. In den Regionen, in denen der ÖPNV gestärkt wird, und es mehr alternative Angebote gibt, lassen mehr Menschen ihr Auto stehen. Damit das vielerorts möglich wird, kooperieren Verkehrsbetriebe mit Anbietern neuer Mobilitätsformen wie Bikesharing, Carsharing oder Ridepooling. Jeder Kilometer, der im Autoverkehr eingespart wird, hilft in Zeiten von Klimawandel, hohen Spritpreisen und angestrebter Unabhängigkeit von ausländischen Energielieferungen. In der Kombination von öffentlichen mit anderen Verkehrsmitteln stecken enorme Einsparpotenziale.

Mobilität war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein aristokratisches Vorrecht. Macht hatte, wer sich schneller fortbewegen konnte. Der Mensch spiegelte sich in seinem Fortbewegungsmittel. Im 21. Jahrhundert bedeutet Mobilität ein vielseitiges Miteinander aus Öffentlichem Verkehr, Individualverkehr im Pkw, zu Fuß, auf dem E-Bike oder dem Fahrrad. Der motorisierte Individualverkehr (MIV) ist bei einem CO2-Budget von 1.090 Millionen Tonnen CO2 (2-Grad-Ziel) nicht die Lösung für die kommenden Jahre. Er verbraucht bei einer Pkw-Dichte wie in Deutschland etwa 10 Prozent dieses Budgets. Um dem Klimawandel zu begegnen, werden Mobilitätsplattformen benötigt, die bedarfsgerecht nachhaltige Mobilitätslösungen anbieten. Vor allem die nachwachsende Generation entwickelt ein anderen Mobilitätsverständnis. Wichtig für den Erfolg der Verkehrswende sind auch die Car-Sharing-Stationen und die gute Anbindung an S-Bahn, Stadtbahn und Busse. Die Verkehrskonzepte der Zukunft stehen unter dem Motto »Teile und kombiniere!«. Sie sind »multimodal«, bestehen nicht aus einer Einzellösung, sondern aus einem Ideenmix in einem ganzheitlichen Konzept. Besitz hat dabei einen viel geringeren Stellenwert als früher. Was heute zählt, sind Zugang, Nutzung und Dienstleistung. Umweltfreundliche Zukunftsmobilität kann nur gewährleistet werden, wenn es ein Zusammenspiel aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Angeboten wie Carsharing, Carpooling, Ridesharing, Bikesharing, Mobilitätsstationen, digitalen Buchungs- und Informationssystemen und einer stadtverträglichen Lastenradlogistik gibt.

Fahrräder und Mobilitätsstationen benötigen allerdings mehr Platz im öffentlichen Raum. In der Regel geht dies zu Lasten von Kfz-Stellflächen. Das birgt Konflikte, was dazu führt, dass sich viele Radprojekte verzögern. Das Forschungsteam des »City2Share-Projekts«, das vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gemeinsam mit weiteren Partnern durchgeführt wurde, verdeutlichte allerdings, dass weniger Parkplätze kein individueller Verlust sein müssen. Im Gegenzug kann Lebens- und Aufenthaltsqualität für alle im Wohnviertel gewonnen werden. Die Modellstädte München und Hamburg testeten innovative Wege in eine mobile und umweltverträgliche Zukunft. Die Publikation belegt, dass eine Reduzierung des Verkehrs nicht nur die Lebensqualität steigern, sondern sogar ein Mehr an Mobilitätsoptionen eröffnen kann. In den beiden Modellstädten wurden mehrere Maßnahmen zur Entlastung des Verkehrs parallel erprobt, beispielsweise der Einsatz wohnungsnaher Mobilitätsstationen mit geteilten und elektrischen Mobilitätsangeboten (Bike- und Carsharing), ein umweltverträglicher Lieferverkehr auf der Basis von Mikro-Depots und Lastenrädern sowie die Rückgewinnung und Aufwertung des kostbaren öffentlichen Raums, kombiniert mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung, denn eine smarte Stadt hört nicht bei Energieeffizienz, Klimaschutz oder intermodaler Mobilität auf. Vielmehr schafft sie auch Arbeitsund Bildungsangebote, verbessert die Gesundheitsversorgung und beteiligt die Bürger bei der Mitgestaltung. All das führt zu einer höheren Lebensqualität für Bewohner:innen und zu besseren Rahmenbedingungen für Unternehmen.

In Städten entwickelt sich das Fahrrad gemeinsam mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Mobilitätsmedium der Zukunft. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) forciert ebenfalls die Verkehrswende hin zum Fahrrad und sieht E-Bikes als passendes Mittel in diesem Vernetzungsprozess an. Die Corona-Krise erforderte einen raschen Auf- und Ausbau der provisorischen Radinfrastruktur. Was es folglich braucht, sind auch bauliche Veränderungen für eine dauerhafte Integration in bestehende Verkehrssysteme. Die »Smart Cities« der Zukunft sind durch Nähe, Öffentlichkeit, Agilität und Vernetzung geprägt: Alle Informationen zu den städtischen Infrastrukturen, Akteuren, Ereignissen laufen zusammen. Zu den wichtigsten Bausteinen einer nachhaltigen Smart City-Strategie gehören strategische Planung und IT-Infrastruktur. Besonders relevant sind dabei die ineinandergreifenden Anwendungsfelder öffentliche Verwaltung, Gesundheit, Bildung, Energie und Umwelt, Gebäude sowie Mobilität. Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Welt braucht neben einer Änderung unseres Verhaltens und dem Wandel des öffentlichen Bewusstseins aber auch eine neue Geschichte des menschlichen Fortschritts. Dabei sollte es darum gehen, nicht unsere Gier, sondern unsere Neugier zu wecken, Gestaltungsräume aufzuzeigen und mit kritischem Urteilsvermögen Dinge zum Besseren zu verändern. Deshalb spielt das Thema nachhaltige Innovationen und deren Geschichte ebenfalls eine wichtige Rolle in diesem Buch. Anhand zahlreicher Beispiele wird ebenfalls gezeigt, dass Klimaschutz auch für Unternehmen zu den zentralen Nachhaltigkeitsaufgaben gehört. Im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategien setzen sie sich mit dem eigenen Mobilitätsmanagement das Ziel, eine effiziente, umweltfreundliche und sozial verträgliche Mobilität zu fördern. Viele Betriebe, die hier vorgestellt werden, haben bereits fahrradfreundliche Maßnahmen umgesetzt, die Vorbild für andere sein können.

»Mobilität soll auch Spaß machen, weil sie ein wichtiger Teil des Lebens ist«, sagt der Mobilitätsexperte Benedikt Weibel. Das Fahrrad bewegt uns und steht zugleich für eine größere gesellschaftliche Bewegung, die sich nur begreifen lässt, wenn wir die »Motive« dahinter sehen: Es geht um Aufbruch, ums Entdecken, unerwartete Begegnungen und den Wunsch nach Unabhängigkeit und Ungebundenheit, der seinen Ausdruck auch in der Do-it-yourself-Bewegung, der Liebe zum Handwerk oder dem Urban Gardening findet. Hier wird besonders deutlich, dass Menschen heute nicht nur konsumieren wollen, sondern auch ein neues Verhältnis zu den Dingen suchen, indem sie diese mehr achten und schätzen. Die Humanwissenschaften sprechen auch von einem »material turn«. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Dinge alt oder neu sind. »Manchmal ist das Leben ganz schön leicht, zwei Räder und ein Lenker und das reicht«, singt Max Raabe in seinem Retro-Schlager »Fahrrad fahr’n«. Der Künstler, der mit einem Repertoire aus Schlagern der 1920er- und 30er-Jahre und eigenen Titeln im Stil dieser Zeit bekannt wurde, empfindet das Rad als ein »sehr angenehmes Fortbewegungsmittel – »das ist das Ideale und lüftet die Sandale.« Er fährt fast immer auf einem Herrenrad aus den 1960er-Jahren ohne Gangschaltung – sogar zu Preisverleihungen im Smoking. Im Mai 2019 wurde er beim Nationalen Radverkehrskongress in Dresden als »Fahrradfreundlichste Person 2019« ausgezeichnet. Seine Botschaft: »Man darf halt nicht so ellbogenhaft herumfahren. Mit etwas Geschmeidigkeit kommt man viel besser voran.«

Der Philosoph Peter Sloterdijk sieht die Einheit von Mensch und Fahrzeug schon bei Plato vorgebildet und in allen Kulturen, die das Rad, den Wagen oder das Reiten entdeckt und das kentaurische Motiv entwickelt haben: Der Mensch mit seiner kleinen Kraft bewegt sich auf einer tragenden größeren Energie. Wer sie nutzt und sich auf den Weg macht, verändert sich – genauso wie seine Wahrnehmung und sein Denken. Diese Verbindung von innen und außen fördert zugleich die Kultur der Achtsamkeit (»mindfulness«), mit einem ständigen Lernprozess in einer sich ständig verändernden Umgebung. Damit verbunden ist auch die wachsende Gemeinde von Enthusiasten, die alte Räder sammeln und noch ohne Tacho auskommen: Ihnen geht es ums Fahren und nicht um Leistung. Einer der bekanntesten Retro-Orte ist Gaiole im Chianti. Seit 1997 treffen sich hier jährlich im Oktober Tausende Retro-Anhänger zur »L’Eroica«2. Veranstalter verlosen mittlerweile Startplätze, »weil das Vintage-Peloton zur Lawine angeschwollen ist«. In Flandern findet die »Retro Ronde«3 statt, in Frankreich unter anderem die »Anjou Velo Vintage«4. Anhänger:innen skurriler Rennen streichen sich den Tag des »Kalmit-Klapprad-Cup«5 rot im Kalender an. »Es geht auch um Wertschätzung für klassische Handwerkskunst«, sagt der Nürnberger Künstler und Gastronom Ralf Siegemund. Diese Sehnsucht ist auch eine Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft. Viele der in diesem Buch vorgestellten Produkte rund ums Rad, die mit klima- und umweltfreundlichen Produkten überzeugen können, erinnern auch an frühere Zeiten, als ihre Herstellung noch etwas Besonderes war und über viele Jahre benutzt wurden. Sie spiegeln ebenso die Persönlichkeit ihres Besitzers. Vielleicht erleben Retro- und Nostalgiethemen derzeit einen Boom, weil sie mit persönlichen Bindungen zu tun haben, Orientierung geben und Identität stiften. Zugleich sind sie ein Zugeständnis an einen langsameren, natürlichen Rhythmus in einer viel zu schnellen, technisierten Welt.

Dieser Überblick verdeutlicht zugleich den Ansatz dieses Buches: Es ist nicht starr auf ein Thema fixiert, sondern widmet sich auch vielen Seitenstraßen, die während der »Entstehungstour« des Buches von uns entdeckt und befahren wurden. Die Zusammenstellung der Beiträge war ein fließender Prozess, dem wir als Herausgeberinnen gern gefolgt sind. Das Thema lädt dazu ein, nicht nur auf einer Spur zu bleiben, sondern sich auch vielen kleinen Zwischenstationen und Nebensächlichkeiten zu widmen, die sich quasi im Vorbeifahren ergeben haben. So geht es in diesem Sammelband nicht nur um die Verkehrswende, Mobilitätsforschung, politische Rahmenbedingungen und den Wirtschaftsfaktor Fahrrad, Netzwerke und Initiativen, Service- und Routentipps, sondern auch um das Fahrrad im historischen Kontext, um Anekdoten und Kurioses sowie kleine, unterhaltende Wissenshäppchen rund um das Thema nachhaltige Mobilität, die allerdings nur ein Baustein ist, denn es kommt letztlich darauf an, unsere gesamte Lebensweise zu überdenken.

Die Beiträge stellen sich beispielsweise den folgenden Fragen:

Wie können

alternative Mobilitätsformen

wie Rad- und Fußverkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr gestärkt werden?

Wie gelingt es, gemeinsam

Anreize

zu schaffen, damit der private Nutzer den PKW stehen lässt?

Warum geht der

Ausbau

des Radverkehrs in einigen deutschen Städten nur langsam voran?

Wie kann eine echte

Circular Economy

, die den Erhalt von Ressourcen und Produkten in den Mittelpunkt stellt, gestärkt werden?

Inwiefern leistete die

Corona-Krise

ungewollt einen Beitrag zur Verkehrswende?

Was bedeutet

Dienstrad-Leasing?

Welche Vorteile und Probleme bringt diese Idee mit sich?

Warum werden in der Fahrradindustrie

Design-Aspekte

stärker als bisher berücksichtigt?

Warum werden

E-Bikes

immer beliebter?

Wie sieht heutzutage der

Entwicklungsprozess

eines Fahrrads aus?

Welche Hemmschwellen gibt es für

E-Mobilität?

Wo ist der Einsatz von

E-Scootern

sinnvoll? Wie funktioniert die Nutzung? Wie sieht es aus mit der Sicherheit und wie ökologisch sind sie überhaupt?

Welche

Erfahrungen

machen Menschen mit dem Rad?

Was sind die wichtigsten

Fahrradtrends?

Wie kann vermieden werden, dass kostbare innerstädtische

Flächen

durch Dauerparker und Lieferverkehr unverhältnismäßig hoch belastet werden?

Was ist der Stand zu

Future Mobility?

Welche

GPS-Radcomputer

sind sinnvoll?

Wie kann die städtische

Infrastruktur

und die Straßenverkehrsordnung an die neuen Realitäten angepasst werden?

Welche unterschiedlichen Formen des

kollaborativen Produzierens, Reparierens und Teilens

entstehen heute jenseits von Markt und Staat?

Welche neuen

Konzepte

gibt es zur Zweiradkultur?

Welche Rolle spielen

Lastenfahrräder

bei der Mobilitätswende? Warum brauchen sie eine eigene Infrastruktur? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Lastenradtypen voneinander? Wo sind sie erhältlich und wie lassen sie sich finanzieren?

Warum sollten wir die

Letzte Meile

neu denken?

Vor welchen Herausforderungen steht die

Logistikbranche?

Welche

Maßnahmen

sind für eine erfolgreiche Verkehrswende nötig?

Welche Möglichkeiten gibt es zum

mikromobilitätsgerechten Ausbau

städtischer Infrastrukturen, die Erhöhung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden sowie mehr Flächengerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Mobilität?

Was ist die Aufgabe eines

Mobilitätsbeauftragten?

Weshalb ist es dringend nötig, dass Unternehmen

Mobilitätskonzepte

entwickeln?

Was macht nachhaltiges

Mobilitätsmanagement

aus?

Welche Faktoren haben uns in die heutige

Mobilitätsmisere

geführt?

Weshalb sollten mehr

Mobilitätsstationen

errichtet werden?

Was muss passieren, damit sich

nachhaltige Mobilität

im bisherigen Autoland Deutschland zu einer attraktiven klima- und sozialverträglichen Fortschrittsvision entwickelt?

Wo gibt es

nachhaltige Fahrräder?

Was macht eine

nachhaltige Fahrradbekleidung

aus? Warum sind nachhaltige Fahrradhelm-Alternativen so schwer zu finden?

Was ist die größte Herausforderung bei der Herstellung

nachhaltiger E-Bikes?

Wie kann der

ÖPNV

der Zukunft aussehen?

Benötigen Mikromobile spezielle

Parkzonen

, wie wir sie auch für Pkw haben?

Sind Bürger:innen und Unternehmen schon weiter als die

Politik?

Welche politischen

Rahmenbedingungen

braucht eine wirkliche Mobilitätswende?

Wie sieht der

rechtliche Rahmen

für Elektro-Kleinstfahrzeuge aus?

Welche Rolle spielt die Kultur der

Reparatur

im Kontext der nachhaltigen Mobilität?

Was hat Mobilität mit

Sexismus

zu tun?

Wie können Menschen mit Einschränkungen freier ihre Mobilität gestalten?

Wie kann die Verkehrswende auch

sozial gerecht

gestaltet werden?

Wie kommen wir vom Verkehrskollaps zur

solidarischen Mobilität?

Wie bewegt sich die

Stadt

der Zukunft? Wie bewegt man sich in er Stadt der Zukunft?

Welche Maßnahmen zur

Stärkung des Radverkehrs

gibt es innerhalb und außerhalb des Unternehmens?

Gilt das Fahrrad als neues

Statussymbol?

Wie kann das

Straßenverkehrsrecht

geändert werden, um die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen zur Umsetzung der Mobilitätswende zu stärken?

Welche Rolle spielen die 17

Sustainable Development Goals

(SDGs) der Vereinten Nationen für die nachhaltige Mobilität?

Welche Rolle spielt der nachhaltige

Tourismus?

Welche geeigneten Instrumente unterstützen die

Transformation

im Mobilitätsbereich?

Wie können Menschen

überzeugt

werden, öfter Rad zu fahren – mit Sanktionen oder mit Anreizen?

Wie können mehr Menschen zum

Umsatteln

auf eine umweltbewusste Art der Fortbewegung motiviert werden?

Was können

Unternehmen

tun, um Mitarbeitende bei der Wahl eines umweltbewussten Verkehrsmittels zu unterstützen? Wie können sie umweltbewusste Verhaltensweisen fördern?

Wie können Menschen vor

Umweltbelastungen

geschützt werden und trotzdem mobil bleiben?

Wie kann der

Strukturwandel

zur Klimaneutralität gelingen?

Wie gelingt es, Menschen, die Angst vor

Veränderungen

haben, auf dem Weg nicht zu verlieren und Mut statt Angst zu machen?

Wir schaffen wir vielfältigere

Verkehrsangebote?

Wie sehen

Verkehrskonzepte

der Zukunft aus?

Wie lässt sich das

Verkehrssystem

sozial-ökologisch und gleichzeitig fair für alle umgestalten?

Wie kann die notwendige

Verkehrswende

im Personen- und Wirtschaftsverkehr vorangebracht werden? Was sind wesentliche Gründe dafür, dass die Verkehrswende immer wieder ins Stocken gerät?

Welche innovativen Wege gibt es in eine mobile und umweltverträgliche

Zukunft?

Wie funktioniert die

Zukunftsvision

»Fahrradstadt«?

Wir danken allen Autor:innen für ihre bereichernden Beiträge sowie jenen, die daran direkt oder indirekt beteiligt waren, die mit uns bereitwillig ihr Wissen geteilt haben und uns behilflich waren: Anna Rechtern von VAUDE, Steffen Jüngst von SCHWALBE, Dr. Constanze Pomp und Michael Jahn. Norman Rinkenberger vom Büchner-Verlag gilt unser besonderer Dank, ohne ihn würde es dieses Buch nicht geben. Auch Judith Göbel sei von Herzen für ihre Lektoratsarbeit gedankt. Wir sind uns bewusst, dass dieses Buch nur einen Ausschnitt des Themas wiedergeben kann und immer etwas zu wünschen übrigbleibt. Wir hoffen dennoch, dass Sie viel Freude beim Lesen haben und dass Sie auf Ihrer nachhaltigen Mobilitätstour vieles lesend »erfahren«, was Sie bisher noch nicht über das Thema gewusst haben. Und vielleicht ist es ja ein Beitrag, dass auch Sie Freude haben am »Umsteigen«.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber

Sommer 2022

Anmerkung:

Wir haben es den Autor:innen überlassen, eine gendergerechte Schreibweise zu wählen oder der besseren Lesbarkeit wegen die Sprachform des generischen Maskulinums zu verwenden. Personenbezogene Aussagen beziehen sich auf alle Geschlechter. Leider gibt es noch keine perfekte Lösung zur Umsetzung dieses Anliegens, aber es steht uns eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Neben neutralen Formulierungen wie »Mitarbeitende« oder »Studierende« werden in einigen Beiträgen Sternchen verwendet oder der Doppelpunkt. Dieses vertraute Satzzeichen fügt sich nach Wahrnehmung vieler Menschen besser ins Wortbild ein und stört den Lesefluss weniger als das Sternchen. Auch eignet sich diese Schreibweise besser für Screenreader, die automatische Sprachausgabe für blinde oder sehbehinderte Menschen. Die meisten dieser Programme machen beim Doppelpunkt eine kurze Pause, andere Sonderzeichen werden jedes Mal beschrieben. Dennoch gehen die Meinungen auch an dieser Stelle auseinander, wenn das Sternchen dem Doppelpunkt vorgezogen wird, weil letzterer ein Satzzeichen ist, das nicht innerhalb eines Wortes vorkommen sollte. Das alles würde für sich ein eigenes Buch füllen.

Weiterführende Informationen:

Onlinebeiträge (Abruf: 29.5.2022):

Agora Energiewende (2021): Die Energiewende im Corona-Jahr: Stand der Dinge 2020. Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2021:

https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2020_01_Jahresauswertung_2020/200_A-EW_Jahresauswertung_2020_WEB.pdf

»Der Mobilitätswende Flügel verleihen!«

https://www.nachhaltigkeitsrat.de/aktuelles/appell-an-kommende-bundesregierung-21-oberbuergermeisterinnen-aus-nachhaltigkeits-dialog-fordern-mobilitaetswende-als-prioritaet/

Die Erstausstattung für den Radpendler:

https://www.pd-f.de/2020/06/10/die-erstausstattung-fuer-den-radpendler_14973

Fahr Rad! Wie Verkehrskonzepte der Zukunft in die Gänge kommen:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2020/03/fahr-rad-wie-verkehrskonzepte-der.html

Fair und klimagerecht: Die Verkehrswende nimmt Fahrt auf:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2022/05/fair-und-klimagerecht-die-verkehrswende.html

Gerecht und fair: Mobilität für alle:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/06/gerecht-und-fair-mobilitat-fur-alle.html

Immer mehr Menschen satteln um: Job & Rad:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2020/10/immer-mehr-menschen-satteln-um-job-rad.html

Mikromobilität boomt: Was nun?:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/09/mikromobilitat-boomt-was-nun.html

Mobilitätskonzepte: Wie Unternehmen umweltbewusste Verhaltensweisen fördern:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/09/mobilitatskonzepte-wie-unternehmen

. html

»Nachhaltige Mobilität soll auch Spaß machen«. Interview mit dem Mobilitätsexperten Benedikt Weibel:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/10/nachhaltige-mobilitat-soll-auch-spa.html

Peter Sloterdijk legt Bundestrainer Joachim Löw Rücktritt nahe. In: DER SPIEGEL (26.11.2020).

https://www.spiegel.de/kultur/peter-sloterdijk-legt-bundestrainer-joachimloew-ruecktritt-nahe-a-4175fcac-e460-4b1c-ba69-1ffdd09d6cf2

Trübe Aussichten: Zunahme der CO

2

-Emissionen:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2022/01/trube-aussichten-zunahme-der-co2.html

Umweltfreundliche Zukunftsmobilität: Konstruktive Beiträge zur Verkehrswende:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/04/umweltfreundliche-zukunftsmobilitat.html

Verkehrswende: Wie gelingt eine klimaneutrale Zukunft in den Städten?:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2022/01/verkehrswende-wie-gelingt-eine.html

Wie kann der Strukturwandel zur Klimaneutralität 2045 gelingen?:

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2021/11/wie-kann-der-strukturwandel-zur.html

Meditation in Bewegung: Warum Radfahren so beliebt ist (10.10.2020)

https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2020/10/meditation-in-bewegung-warum-radfahren.html

Zeitungen und Zeitschriften:

»Das Ruder herumreißen«. In: DUP Unternehmer Magazin (Februar 2022), S. 48.

Sebastian Herrmann: Stahl und Wolle. In: Süddeutsche Zeitung (21./22.6.2014), S. 5.

Sophie Menner, Caroline Vogt, Lea Weinmann: Der Stau ist zurück. In: Süddeutsche Zeitung (18./19.12.2021), S. 60.

Nina Pauer: Der große Raum der Freiheit. In: DIE ZEIT (22.12.2021), S. 56.

Felix Reek: »Ein Auto ist viel Gewohnheit«. In: Süddeutsche Zeitung (21.2.2022), S. 55.

Henning Sußebach: Parkplatzhirsch. In: DIE ZEIT (3.2.2022), S. 31.

Marco Völklein: Druck von der Straße. In: Süddeutsche Zeitung (15./16.1.2022), S. 46.

Lorenz Wolf-Doettinchem: Da kommt was ins Rollen. In: stern (4.6.2020), S. 39–47

Bücher:

Franz Alt: Nach Corona – Unsere Zukunft neu gestalten. Patmos Verlag, Ostfildern 2021.

Franz Alt: Nach Paris: Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Gabler Verlag, Berlin Heidelberg 2021.

Heiko Bielinski: #Einfach autofrei leben. Nachhaltig mobil: Die besten Alternativen – Mit Corona-Spezial. Südwest Verlag, München 2021.

Katja Diehl: Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2022, S. 24 f.

Pryor Dodge: Faszination Fahrrad – Geschichte, Technik, Entwicklung. Verlag Delius-Klasing, Bielefeld 2003.

Peter Hennicke, Thorsten Koska, Jana Rasch, Oscar Reutter, Dieter Seifried: Nachhaltige Mobilität für alle. Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit. Oekom Verlag, München 2021.

Alexandra Hildebrandt (Hg.): Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.

Jörg Knieling (Hg.): Wege zur großen Transformation. Herausforderungen für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwickelung. Oekom Verlag, München 2018.

Hans-Erhard Lessing: Ich fahr’ so gerne Rad … dtv Verlag, München 2002.

Guido Schlaich: Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2021, S. 101.

Oliver Specht, Axel Nauert: Planet Proofed. Wie Sie Ihr Unternehmen nachhaltig und erfolgreich in die Zukunft führen. REDLINE Verlag, München 2020.

Clara Thompson (Hrsg.), Tobi Rosswog (Hrsg.), Jutta Sundermann (Hrsg.), Jörg Bergstedt (Hrsg.): Aktionsbuch Verkehrswende. Acker, Wiese & Wald statt Asphalt. Oekom Verlag, München 2021.

Benedikt Weibel: Wir Mobilitätsmenschen. Wege und Irrwege zu einem nachhaltigen Verkehr. NZZ Libro, Basel 2021.

Anne Weiss & Bettina Schuler: Das Weltretter-ABC. Schlag’s einfach nach – clevere Tipps für dein wunderbar nachhaltiges Leben. mvg Verlag, München 2022.

1 Anna Riesenweber: Ein Plädoyer für gerechte Mobilität. In: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. 29.04.21 (https://idw-online.de/de/news767752)

2https://eroica.cc/de

3https://www.retroronde.be/en/

4https://www.anjou-velo-vintage.com/fr/

5http://www.kalmit-klapprad-cup.de/

Rad-Mobilität der Zukunft mit Cradle to Cradle

Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen

Die Sonne scheint und Sarah beschließt, heute Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Sie zieht ihre biologisch abbaubare Jacke an und will sich direkt auf ihr Rad schwingen. Moment! Fast hätte sie ihre nachfüllbare Wasserflasche vergessen. Schnell packt Sarah die Flasche aus vollständig recycelbarem und materialgesundem Kunststoff ein. Jetzt aber los. Als sie die ersten Meter fährt, denkt sie daran, dass sie demnächst ein neues Coating für ihre Fahrradreifen braucht. Gut, dass sich darum das Herstellerunternehmen des Fahrrads kümmert. Sarah hat ihr Rad nur geleast, denn sie möchte eigentlich nur Fahrrad fahren, die darin verbauten Materialien können gerne Eigentum des Herstellerunternehmens bleiben. Die Firma nimmt das Fahrrad nach der Nutzung durch Sarah wieder zurück, repariert und überarbeitet es oder zerlegt es sortenrein in seine Bestandteile, recycelt diese und lässt die recycelten Materialien in den Produktionsprozess für neue Fahrräder einfließen. Kopfschüttelnd denkt Sarah daran, wie die Menschen früher die Umwelt durch Mikroplastik aus Reifenabrieb verschmutzt haben. Jetzt entsteht mit jedem Meter, den sie auf dem Fahrrad zurücklegt, neuer Nährstoff für Pflanzen. Sarah tritt fester in die Pedale und freut sich über die saubere Luft und die blühenden Wiesen neben der Radschnellroute. An ihrem Arbeitsplatz angekommen stellt Sarah ihr Fahrrad im Fahrradparkhaus nebenan ab. Dort kann sie das E-Bike kostenlos laden, mit sauberer Energie aus den kreislauffähigen Solarpaneelen auf dem Dach, die so viel Strom erzeugen, dass damit auch die Firmenkantine versorgt wird. Dieses Parkhaus ist nicht nur ein Parkhaus, sondern ein Ort der Zusammenkunft und der sozialen und ökologischen Vielfalt. Sitzecken laden zum Verweilen ein, während das E-Bike lädt, und überall summt und brummt es, da die Fassadenbegrünung zum Biotop für Insekten und andere Tiere geworden ist. Ein Ort zum Wohlfühlen als Teil einer ganzheitlichen Mobilitätsstrategie, die sich nicht nur auf die reine Fortbewegung beschränkt, sondern Mehrwerte schafft.

Nach Feierabend holt Sarah sich noch schnell einen Kaffee zum Mitnehmen im komplett recycelbaren Mehrwegbecher aus gesunden und hitzebeständigen Materialien und ruft sich per App ein autonomes Shuttle, in dem sie das Fahrrad problemlos transportieren kann. Nach einem langen Arbeitstag ist sie erschöpft und zudem ist ihr Knie nach einer Verletzung vor ein paar Wochen noch nicht wieder komplett fit. Weil sie noch einen Termin nachbereiten will, wählt sie in der App ein Shuttle aus, in dem ein Arbeitsplatz eingerichtet ist. Zur Auswahl stehen auch Shuttles für den Transport von Gruppen sowie Shuttles mit Sitzecken oder Sofas für längere Strecken – je nachdem, was man gerade benötigt. Gut, dass Sarah sich nicht für eine Fortbewegungsart entscheiden muss, sondern bequem von einem klima- und ressourcenpositiven Verkehrsmittel ins andere wechseln kann. Das Shuttle kann von allen Menschen kostenfrei genutzt werden und bietet gerade Menschen wie Sarah, die in ländlichen Regionen wohnen, in Kombination mit dem Fahrrad eine praktische Form der Mobilität. Selbstverständlich wird jeglicher im Shuttle verbrauchte Strom ausschließlich aus Erneuerbaren Energien aus kreislauffähigen Anlagen gewonnen. Fossile Energieträger, wie altmodisch…

Eine Utopie – oder vielleicht doch eher eine realistische Vision für unsere Mobilität der Zukunft? Das Fahrrad muss auch in Zukunft ein wichtiger Teil unserer Mobilität sein. Denn Fahrrad fahren hat viele Vorteile: Es stößt im Vergleich zu anderen Transportvehikeln in der Herstellung weniger und im Betrieb kein CO2 aus, es hält fit und macht Spaß. Die Anschaffung ist deutlich günstiger als die eines Autos und macht das Rad für nahezu alle Menschen erschwinglich. Wer Rad fährt, ist bereits heute flexibel: kein Warten auf den Bus, keine Suche nach einem Parkplatz. Doch zum Fahrrad gehört viel mehr als nur die reine Fortbewegung. Wenn das Fahrrad also Teil einer langfristig zukunftsfähigen Mobilität sein soll, müssen wir uns wesentlich breitere Gedanken über seine Herstellung und seine Nutzung machen als dies heute der Fall ist. Welche Materialien nutzen wir für die Herstellung eines Fahrrads? Unter welchen Bedingungen fertigen wir das Rad und seine einzelnen Bestandteile? Welche Arbeitsbedingungen herrschen entlang der Lieferketten eines Fahrrads? Welche Geschäftsmodelle und welche Infrastruktur benötigen wir für eine zukunftsfähige Rad-Mobilität?

Für eine ganzheitliche Mobilitätsstrategie reicht es nicht aus, dass wir uns Gedanken über alternative Antriebe machen und Radwege bauen. Wir müssen die Art und Weise, wie wir Transportvehikel und ihre Infrastruktur planen und herstellen, völlig neu denken und umgestalten – egal, ob Auto, Zug, Bus oder Rad. Denn natürlich ist das Rad klimafreundlicher als etwa ein Pkw – in Produktion und Betrieb. Doch diese Betrachtung lässt außer Acht, dass auch Fahrradreifen, Rahmen oder Gepäckträger – wie jedes Auto und jeder Zug – aus endlichen Ressourcen wie Metallen und Erdöl hergestellt werden. Und wir befinden uns eben nicht nur inmitten einer Klimakrise, sondern seit Jahren auch in einer Ressourcenkrise. Das heißt: Durch unseren heutigen linearen Umgang mit Ressourcen berauben wir uns unserer eigenen Existenzgrundlage und verschlimmern dazu noch die Klimakrise. Höchste Zeit also, das Thema Ressourcen mitzudenken, wenn wir uns über eine zukunftsfähige Mobilitätsstrategie Gedanken machen.

Cradle to Cradle (C2C) ist ein Ansatz für eine solche umfassende Mobilitätsstrategie. Cradle to Cradle bedeutet, wörtlich übersetzt, von der Wiege zur Wiege, und ist ein Gegenentwurf zu unserer heutigen linearen Wirtschaftsweise. Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit erfordern ein Umdenken – und eine ganzheitliche Lösung für zusammenhängende ökologische, ökonomische und soziale Probleme. Die C2C-Denkschule beschreibt ein solches Umdenken, indem wir den Menschen als Nützling sehen, der durch sein Handeln einen positiven Mehrwert für sich und seine Umwelt schaffen kann. Denn mit unserer heutigen Strategie, die Umwelt etwas weniger zu belasten und damit etwas weniger Schaden anrichten zu wollen, werden wir die Klima- und Ressourcenkrise vielleicht abmildern, aber eben nicht abwenden. Anstatt unseren negativen Fußabdruck verringern zu wollen müssen wir uns also das Ziel setzen, einen möglichst großen positiven Fußabdruck zu hinterlassen.

Diese C2C-Denkschule können wir mit dem C2C-Designkonzept praktisch umsetzen. Mit Cradle to Cradle designen wir alle Produkte von Anfang an so, dass sie in kontinuierlichen technischen und biologischen Kreisläufen zirkulieren. Dabei verwenden wir ausschließlich gesunde und positiv definierte Materialien, die für ihr jeweiliges Nutzungsszenario designt sind. Bestandteile von Verbrauchsprodukten, die bei der Nutzung zwangsweise in der Natur landen, zirkulieren in biologischen Kreisläufen. Bestandteile von Gebrauchsprodukten, die nicht in der Biosphäre landen, zirkulieren in unendlichen technischen Kreisläufen. Dazu müssen sie so designt sein, dass sie sortenrein trennbar sind und bei mindestens gleichbleibender Qualität recycelt werden können.

Kreislauf Systematisch (2022) © C2C NGO

Eine C2C-Fahrradbranche als Teil der Mobilitätswende

Genau diesen Ansatz brauchen wir auch für eine innovative Fahrradindustrie, die sich nicht nur darauf beschränkt, weniger Schaden anzurichten, sondern wegweisende Produkte entwirft, die Spaß machen und gut für uns und die Umwelt sind. Nur so kann die Fahrradindustrie Teil einer zukunftsfähigen Mobilitätswende sein. Für die Fahrradbranche ist ein zirkulärer Ansatz eine Chance, wertvolle Ressourcen in Kreisläufen zu führen. Denn Materialien wie Aluminium oder Stahl sind endlich. Wenn die im Rad verbauten Rohstoffe nach der Nutzung einfach auf der Müllkippe landen, ist das weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Eine weiterhin linear wirtschaftende Fahrradindustrie ist also nicht zukunftsfähig. Das Rad der Zukunft sollte deshalb nach Cradle to Cradle-Kriterien gebaut sein. Das ist besonders für die ressourcenarmen Länder Europas wie Deutschland sinnvoll. Denn durch die Kreislaufführung von Ressourcen machen wir uns zudem auch weniger abhängig von Rohstoffimporten. Mit C2C können wir die Fahrradindustrie zu einer noch innovativeren Wirtschaftsbranche transformieren, die zu einer zirkulären Mobilitätswende beiträgt und eingebettet in eine kluge und zukunftsfähige Mobilitätsstrategie Mehrwerte schafft: ökologisch, ökonomisch und sozial.

So sieht ein Fahrrad nach Cradle to Cradle aus

Doch wie sieht nun so ein C2C-Fahrrad konkret aus? Und was unterscheidet es von einem herkömmlichen Rad? Ein Fahrrad setzt sich aus vielen einzelnen Bestandteilen zusammen. Bei einem C2C-Fahrrad zirkulieren die Materialien jedes einzelnen Bauteils entweder in der Biosphäre oder in der Technosphäre. Ein C2C-Fahrradrahmen ist beispielsweise so gebaut, dass er vollständig sortenrein demontier- und recycelbar ist. Das bedeutet, dass er nach der Nutzung rückstandslos in seine Einzelteile zerlegt werden kann, die einzelnen Materialien also nicht irreversibel verklebt oder verpresst sind. Das gleiche gilt für eine Fahrradgabel. Diese Teile sind Gebrauchsprodukte, die in der Technosphäre zirkulieren. Viele dieser Bestandteile bestehen heutzutage aus Gewichtsgründen oft aus Carbonfasern, die mit Harz verklebt sind. Das führt dazu, dass die Fasern bisher, wenn überhaupt, nur mit einem erheblichen Qualitätsverlust recycelt – und damit downgecycelt – werden können. Bei einem C2C-Rad sind alle Bestandteile dagegen zu 100 Prozent ohne Qualitätsverlust recycelbar und bestehen ausschließlich aus Materialien, die getrennt und in der Technosphäre gehalten werden können.

Im Gegensatz dazu landen Bestandteile von Verbrauchsprodukten bei ihrer Nutzung, beispielsweise durch Abrieb, unweigerlich in der Umwelt. Diese Produkte müssen also so designt sein, dass ihr Abrieb biologisch abbaubar ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Fahrradreifen. Durch das Fahren entsteht Abrieb, der in der Natur landet. Das gleiche gilt für die Bremsen eines Fahrrads. Heute bestehen Reifen meist aus herkömmlichem Gummi, das als nicht kompostierbares Mikroplastik die Umwelt belastet und als Mikropartikel in der Lunge landet. Gleichzeitig enthalten die Reifen oftmals Weichmacher wie Phthalate und andere gesundheitsschädigende Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK, die krebserregend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd wirken können.

Doch was wäre, wenn wir durchs Fahrrad fahren einen positiven Impact in unserer Umgebung hinterlassen würden, der weit über die Einsparung von CO2-Emissionen hinaus geht? Der Reifen der Zukunft ist nach Cradle to Cradle gebaut, er besteht aus einem biologisch abbaubaren Material und enthält ausschließlich positiv definierte Materialien. Denn auch bei der Materialauswahl gilt: Nur weniger schlecht sein, reicht nicht. Dazu müssen wir weg von unserer »Frei-von«-Mentalität kommen, nach der wir einen Stoff ausschließen, wenn er sich als schädlich erwiesen hat, dann mitunter aber Substitute verwenden, die ebenso schädlich sind. Stattdessen sollten wir ausschließlich gesunde Materialien für unsere Produkte wählen. So können wir nicht nur weniger Schaden in der Umwelt hinterlassen, sondern können sogar Nährstoff in die Natur bringen. Blühende Wiesen durch gesunden Reifenabrieb – so kann C2C-Fahrradmobilität aussehen. Und dafür müsste noch nicht einmal der komplette Reifen biologisch abbaubar sein. Denkbar wäre auch eine Beschichtung aus einem biologisch abbaubaren Material, die regelmäßig neu aufgetragen wird.

Nicht nur das Fahrrad selbst ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir schon beim Design eines Produkts an das jeweilige Nutzungsszenario denken müssen. Dass Produktbestandteile aus einem biologisch abbaubaren Material sein müssen, wenn sie bei der Nutzung unweigerlich in der Umwelt landen, gilt auch für sonstiges Equipment, das zum Radsport dazu gehört. Denn auch beim Tragen und Waschen von Fahrradbekleidung entsteht Abrieb. Dementsprechend müssen Trikots, Hosen und Jacken so designt sein, dass jene Fasern, die sie beim Waschvorgang verlieren, kompostierbar sind.

Auch wenn die Grundbestandteile wie Rahmen, Reifen und Sattel ähnlich sind, gibt es schon heute eine Vielzahl verschiedener Fahrradtypen, die an ihr jeweiliges Nutzungsszenario angepasst sind: Lastenräder, E-Bikes, Mountainbikes und viele mehr. In einer Zukunft, in der Fahrräder eine immer größere Bedeutung für unsere Mobilität haben werden, wird es voraussichtlich auch ein immer größeres Angebot geben. Und das ist auch begrüßenswert: So findet jede Person das den eigenen Bedürfnissen entsprechende Fahrrad. Egal ob Gravel Bike oder Kinderfahrrad: Alle verbauten Materialien müssen gesund für Mensch und Umwelt sein und entweder im biologischen oder technischen Kreislauf zirkulieren. E-Bikes sind dann sinnvoll, wenn alle Bestandteile einer Batterie nach ihrer Nutzung recycelt und damit zur Ressource für neue Produkte werden können – und die Batterie damit nicht, wie es heute der Fall ist, zu Sondermüll wird und dadurch wiederum das Klimaproblem verschärft. Nur mit einer konsequenten Kreislaufführung aller Bestandteile eines Rads können wir eine zukunftsfähige Radmobilität gestalten.

Cradle to Cradle umfasst alle Produktionsschritte