Zum Verständnis von seelischer Gesundheit - Erich Fromm - E-Book

Zum Verständnis von seelischer Gesundheit E-Book

Erich Fromm

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Beschreibung

Der Vortrag aus dem Jahr 1962 thematisiert drei psychische Pathologien, die sich bei immer mehr Menschen beobachten lassen und deshalb gesellschaftliche Wurzeln haben müssen. So leiden immer mehr Menschen unter einer meist grandiosen Vorstellung von sich selbst und werden wütend oder depressiv, wenn sie von der zumeist anders aussehenden Realität eingeholt werden. Andere werden sich selbst immer fremder und schlüpfen von einer Rolle in die nächste, um sich noch authentisch erleben zu können. Und immer häufiger kommt es vor, dass sich Menschen mehr vom Leblosen, Dinglichen, Technischen angezogen fühlen als vom Leben und Lebendigen, mehr von der Kontrolle über andere Menschen als vom Teilen und vom Miteinander. An den Pathologien des Narzissmus, der Entfremdung und der Nekrophilie illustriert Erich Fromm, welche gesellschaftlichen Ursachen seelische Erkrankungen haben können und wie man sie überwinden kann. Aus dem Inhalt • Der Narzissmus und seine Überwindung • Die Entfremdung und ihre Überwindung • Die Nekrophilie und ihre Überwindung • Die gesellschaftliche Determiniertheit seelischer Gesundheit

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Seitenzahl: 48

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Zum Verständnis von seelischer Gesundheit

(The Humanist Concept of Mental Health)

Erich Fromm(1991f [1962])

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer FunkAus dem Amerikanischen von Rainer Funk.

Der Beitrag Zum Verständnis von seelischer Gesundheit (1991f) geht auf einen gleichnamigen Vortrag zurück, den Fromm am 1. Dezember 1962 anlässlich eines „Lateinamerikanischen Seminars über seelische Gesundheit“ hielt. Erstveröffentlichung 1991 in deutscher Übersetzung von Rainer Funk unter dem Titel Zum Verständnis von seelischer Gesundheit in Band 6 der „Schriften aus dem Nachlass“ mit dem Titel Die Pathologie der Normalität. Zur Wissenschaft vom Menschen beim Beltz Verlag, Weinheim, S. 107-132. Reprint als Heyne Sachbuch 1995 beim Heyne Taschenbuchverlag in München. Überarbeitet fand der Beitrag 1999 Aufnahme in die Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag), Band XII, S. 143-160. – Die Erstpublikation der Schriften dieses Bandes in der englischen Originalsprache erfolgte 2010 unter dem Titel The Humanist Concept of Mental Health beim Verlag American Mental Health Foundation in New York, S. 81-99.

Die E-Book-Ausgabe des Beitrags orientiert sich an den von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassungen der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, Band XII, S. 143-160.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1991 by The Estate of Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2015 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2015 by Rainer Funk.

Inhalt

Zum Verständnis von seelischer Gesundheit

1. Das an der Gesellschaft orientierte und in der Medizin vorherrschende Verständnis von seelischer Gesundheit

2. Seelische Gesundheit und evolutionäres Denken

3. Mein eigenes Verständnis von seelischer Gesundheit angesichts der seelischen Krankheiten der heutigen Gesellschaft

a) Der Narzissmus und seine Überwindung

b) Die Entfremdung und ihre Überwindung

c) Die Nekrophilie und ihre Überwindung

d) Die gesellschaftliche Determiniertheit seelischer Gesundheit

Literaturverzeichnis

1. Das an der Gesellschaft orientierte und in der Medizin vorherrschende Verständnis von seelischer Gesundheit

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Verständnisse von seelischer Gesundheit.[1] Das eine orientiert sich an der Gesellschaft, das andere würde ich am Menschen orientiert nennen. Es ist, um ein vertrauteres und traditionelles Wort zu gebrauchen, ein humanistisches Verständnis von seelischer Gesundheit.

Bei dem an der Gesellschaft orientierten Verständnis von seelischer Gesundheit ist der Mensch gesund, wenn er den Aufgaben, die ihm die Gesellschaft stellt, entsprechen kann und er also entsprechend den Bedürfnissen einer gegebenen Gesellschaft funktioniert. Ein Beispiel soll dies illustrieren: Ein primitiver Stamm lebt davon, andere Stämme anzugreifen, deren Stammesangehörige zu töten, um an deren Habseligkeiten zu kommen. Nehmen wir nun an, dass es in diesem kriegerischen Stamm einen gibt, der dies nicht tun mag und den bei der Vorstellung zu töten und zu rauben, das Entsetzen packt. Vermutlich ist er sich seiner Abneigung noch nicht einmal bewusst, weil es in dieser besonderen Gesellschaft geradezu undenkbar ist, dass jemand eine Abneigung gegen das hat, was alle so gerne tun. In der Tat ist es in jeder Gesellschaft undenkbar, das nicht tun zu wollen, was alle tun möchten.

Eines Morgens nun geht der Stamm auf Kriegspfad; dieser eine wird sich vermutlich nicht seiner Abneigung gegen das Töten von Menschen bewusst sein, aber er wird – sagen wir – einen Brechanfall bekommen. Vermutlich gibt es in diesem Stamm noch keine Psychiater, die die Erkrankung als psychogen oder als ein solches Symptom diagnostizieren, aber sicherlich wird der Medizinmann sagen, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmt: Wo alle froh sind, den Feind zu attackieren, fängt er an, sich zu erbrechen, und hindert sich so daran, mit zum Angriff zu gehen. In dieser Gesellschaft ist dieser Mann krank, während er in einem Stamm von friedlichen Bauern kerngesund wäre, während ein kriegerisches Stammesmitglied, das seine Lust am Töten hat, beim Stamm der friedlichen und kooperativen Bauern als krank gelten würde.

Das humanistische Verständnis von seelischer Gesundheit unterscheidet sich von dem an der Gesellschaft orientierten grundsätzlich. Nicht das gesellschaftlich angepasste Funktionieren bestimmt hier, was seelische Gesundheit ist, sondern Maßstäbe, die dem Menschen innewohnen. Was dies im einzelnen bedeutet, werde ich weiter unten ausführen. Gäbe es zwischen den Zielsetzungen der Gesellschaft und den [XII-146] Zielsetzungen einer völligen Entwicklung des Menschen keinen Konflikt, dann wären die beiden Verständnisse von seelischer Gesundheit identisch und gäbe es keinen Grund, sie auseinanderzuhalten. In der bisherigen Geschichte des Menschen hat es aber schon immer einen Konflikt zwischen den Interessen der individuellen Entwicklung und den Interessen der jeweiligen Gesellschaft gegeben, so dass es auch immer zwei verschiedene Auffassungen von seelischer Gesundheit gab. Natürlich stellen jene, die ein an der Gesellschaft orientiertes Verständnis von seelischer Gesundheit vertreten, ihre Auffassungen immer so vor, als sei es mit dem am Menschen orientierten Verständnis identisch. Sie behaupten also, dass das, was vom Standpunkt der Gesellschaft aus das Gute und das Beste sei, auch für den Menschen das Gute und das Beste sei. Und die meisten Menschen glauben dies auch.