Zwei Freunde im Schnee - Birgit Bernhard - E-Book

Zwei Freunde im Schnee E-Book

Birgit Bernhard

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Beschreibung

Eine Geschichte darüber, wie zwei angeblich völlig verschiedene Wesen Freunde werden, der eine groß und plump, unbeweglich, klug und traurig, der andere klein und süß, flatterhaft, naiv und fröhlich. Eine Parabel über das Dasein und die bewegende Frage, ob alles Zufall ist im Leben, oder ob es nicht doch Fügung sein könnte, dass sich manche Lebens-Wege kreuzen.

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Seitenzahl: 68

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Für den Schneemann und den kleinen Vogel

Für alle Freunde dieser Welt

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Das Da-Sein

Die Suche

Die Entdeckung

Gute Schwingungen

Das Auftauen

Freundschaft

Der Hauptgewinn

Überredungskünste

Die Chorprobe

Der verletzte Schneemann

Mögen, was man eigentlich nicht mag

Die Zugvogel-Schlepper

Streit und Versöhnung

Sternenhimmel

Ein Name für den Vogel

Wie sie gerne wären

Die Welt mit anderen Augen sehen

Sich selbst aushalten

Ich bin, was ich bin

Der Frühling naht

Wenn etwas bleiben würde

Der World Snowman Fund

Wichtiges über die beiden Freunde

Der Schneemann

Der Vogel

Gemeinsam schweigen

Die Enthüllung

Abschied

Epilog

Prolog

Er wusste nicht, woher er gekommen war und warum er überhaupt da war. Aber wer weiß das schon im Leben? Wer weiß schon, woher er kommt und wohin er geht? Wer weiß schon, was es für einen Sinn hat, da zu sein?

War das eigentlich so wichtig? Wäre es nicht vielleicht besser gewesen, einfach zu akzeptieren, dass er nun mal da war, und in der Zeit, die er da war, das Beste daraus zu machen?

Das Da-Sein

Eines Tages war er mit dem Bewusstsein erwacht, dass es ihn gab. Dieser Moment des ersten Begreifens war für ihn nicht schön, sondern erschreckend gewesen. Es kam ihm absurd vor, da zu sein. Noch absurder erschien es ihm, dass er darüber reflektierte.

Aber so war es nun mal. Es gab ihn, den Schneemann. Er stand den ganzen Tag einsam auf der Wiese und er wusste nichts mit sich anzufangen. Er war traurig und missmutig. Er mochte es nicht, wenn der Tag trüb war, und es war ihm nicht recht, wenn die Sonne schien. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Kinder kamen und es gefiel ihm noch weniger, wenn den ganzen Tag niemand kam. Er war unzufrieden, wenn ihm langweilig war, und er hasste es, gestört zu werden. Mit einem Wort: Er war ein richtig grimmiger Schneemann, dem man nichts recht machen konnte.

Immer wieder fragte er sich, warum die Welt so ungerecht war. Warum andere Wesen laufen konnten, während er völlig unbeweglich war. Warum er ständig von Widrigkeiten wie Sturm, Regen und Sonne bedroht war, während andere schön im Haus saßen und es sich gemütlich machten. Am meisten ärgerte es ihn, dass er überhaupt da war. Immer wieder erfüllte es ihn mit Wut, dass es ihn gab und dass er zu nichts nütze war.

Bald jedoch würde sich sein Leben ändern. Davon wusste der Schneemann aber noch nichts. So wie man es niemals weiß, bevor eine große Veränderung im Leben eintritt. Nicht einmal am Morgen des Tages, der alles verändern wird, hat man auch nur die leiseste Ahnung davon.

Ein kleiner Vogel würde in das Leben des Schneemanns treten. Dieser Vogel flog den ganzen Tag vergnügt umher. Er mochte es, wenn es warm war, und es störte ihn nicht, wenn es kalt wurde. Er hatte ja sein Wintergefieder. Es gefiel ihm unter Freunden zu sein, aber er liebte es auch, manchmal ganz für sich allein zu sein. Der Vogel hinterfragte sein Leben nicht, sondern er nahm jeden Tag, wie er war. Kurz gesagt: Er war ein fröhlicher kleiner Geselle, der das Leben liebte.

Natürlich war es Zufall, dass die beiden aufeinandertrafen. So wie alles im Leben Zufall ist. Oder war es doch eine Art Fügung? Vielleicht schauen wir uns zuerst die Geschichte an und entscheiden dann, ob es genau richtig war, dass sich die beiden begegnet sind. Vielleicht entscheiden wir uns erst am Ende der Geschichte, ob es nicht doch Fügung sein könnte, dass sich manche Lebenswege kreuzen.

Die Suche

Tagelang schon war der Schneemann dumm herumgestanden und hatte sich furchtbar gelangweilt. Wie immer war er übelgelaunt und griesgrämig. Da flog der uns schon bekannte Vogel herbei. So ein Geschöpf hatte der Schneemann noch nie gesehen. Der Vogel war klein, hatte einen ziemlich dicken runden Körper mit schwarzem Gefieder und einen roten Schnabel. Der Schneemann mochte Vögel nicht. Ihn störte das ewige Gezwitscher. (Nur so nebenbei bemerkt: Natürlich mochte er es auch nicht, wenn es um ihn herum zu ruhig war.) Außerdem neigten Vögel dazu, immer wieder mal ihr Geschäft auf ihm fallen zu lassen. Und das ging so schlecht raus aus seinem weißen Kleid! Oder besser gesagt: Es ging überhaupt nicht mehr raus, denn ein Schneemann lässt sich ja nicht in eine Waschmaschine stecken.

Der Vogel betrachtete den Schneemann neugierig. Er flog um ihn herum, damit er ihn von allen Seiten begutachten konnte. Dann setzte er sich auf seinen Kopf und tippelte darauf hin und her. Er lief am Schneemann rauf und runter wie an einem Baum und hinterließ überall seine Spuren.

Der Schneemann war total genervt. Der Vogel kitzelte ihn und das Gezwitscher und Geflatter machten ihn ganz verrückt. Und er wusste es genau: Jeden Moment wäre es soweit und der Vogel würde etwas auf ihm hinterlassen.

»Was machst du hier?«, fragte der Schneemann mürrisch, wobei es ihn selbst erstaunte, dass er die Sprache der Vögel sprechen konnte. »Ich bin auf der Suche nach einem Freund«, antwortete der Vogel. »Hier wirst du ihn nicht finden, denn hier ist niemand außer mir«, entgegnete der Schneemann, »also kannst du woanders weitersuchen und mich in Ruhe lassen!«

»Du verstehst mich nicht, ich suche nicht einen bestimmten Freund. Ich suche einfach einen neuen Freund.« »Aber hier wirst du ihn nicht finden, nicht bei mir!«, gab der Schneemann unfreundlich zurück. »Wieso?«, zwitscherte der Vogel. »Jeder kann doch ein Freund sein oder zum Freund werden.« »Ach so?« Der Schneemann war erstaunt. »Was genau ist das denn, ein Freund?« »Das weißt du nicht?«, lachte ihn der Vogel aus. »Äh doch, natürlich, schon irgendwie«, antwortete der Schneemann, dem es peinlich war, dass er es tatsächlich nicht wusste und fügte hinzu: »Nur nicht so genau …« »Ein Freund ist jemand, der dich gern hat und der dein Leben besser macht«, erklärte der Vogel. Dann flog er davon und ließ einen etwas verdutzten Schneemann zurück. So etwas sollte es geben?

Die Entdeckung

Der kleine Vogel kam jeden Tag und jeden Tag nervte er den Schneemann erneut. Heute war er wieder besonders anstrengend und hörte nicht auf, den Schneemann vollzuquatschen. »Guten Morgen, lieber Schneemann!«, trällerte er fröhlich. »Wie geht es dir? Nur, falls du es wissen willst, mir geht’s gut. Wahrscheinlich fragst du mich ja eh nicht danach. Was hast du heute vor? Wie findest du das Wetter? Was sagst du zu den neuesten Entwicklungen in der Futter-Krise? Glaubst du, es schneit heute noch? Wie gefällt dir mein Zwitschern? Freust du dich, mich zu sehen? Warum schaust du so traurig?«

»Holst du auch irgendwann mal Luft?«, fragte der Schneemann unwirsch. »Ja natürlich!«, rief der Vogel belustigt. »Natürlich hole ich Luft, sonst würde ich ja sterben! Luftholen ist wichtig zum Leben, das Wichtigste überhaupt. Holst du denn keine Luft? Wie ist das bei euch Schneemännern? Wie findest du eigentlich die Luft heute? Ich finde sie frisch und gut … tra-la-la-la-la«, und so ging es weiter und weiter. Dann flog der Vogel zum Schneemann hoch und setzte sich auf seine Nase. »Jetzt tanz mir nicht auch noch auf der Nase herum!«, beschwerte sich der Schneemann. »Tanzen? Was für eine gute Idee!«, zwitscherte der Vogel und legte erst so richtig los. Genervt verdrehte der Schneemann die Augen. »Warum bist du eigentlich kein Zugvogel?«, fragte er gereizt. »Zugvogel, was is ´n das?«, wollte der Vogel wissen. »Du kennst nicht einmal die Gepflogenheiten deiner Spezies?«, entgegnete der Schneemann herablassend. »Hä?«, fragte der Vogel. »Und was ist Spezies?«