Zwei Jahre Ferien - Roman von Jules Verne - Eckhard Toboll - E-Book

Zwei Jahre Ferien - Roman von Jules Verne E-Book

Eckhard Toboll

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Zwei Jahre Ferien (auch Abenteuer auf Chairman oder Ein Pensionat von Robinsons) ist ein Abenteuerroman des französischen Autors Jules Verne. Der Roman wurde erstmals 1888 von dem Verlag Pierre-Jules Hetzel unter dem französischen Titel Deux ans de vacances in der Reihe "Außergewöhnliche Reisen" (Voyages Extraordinaires) veröffentlicht. Band I erschien am 18. Juni 1888 und Band II am 8. November 1888. Eine Vorab-Veröffentlichung erfolgte im Magasin d'Éducation et de Récréation ab dem Januar 1888. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1889 unter dem Titel Zwei Jahre Ferien. In dem Buch geht es um 14 Jungen aus dem neuseeländischen Internat Chairman in Auckland, die im Jahr 1860 als Auszeichnung für besondere Leistungen von ihren wohlhabenden Eltern eine Schifffahrt rund um Neuseeland geschenkt bekommen und mit dem Schiff vom Hafen abgetrieben werden. Am 16. Februar sollen die Kinder samt einer ausgebildeten Mannschaft und Kapitän die Reise mit dem Schoner "Sloughi" starten. Jedoch sind die Schüler schon in der Nacht vor der Abfahrt an Bord, während die Mannschaft im Hafen schläft. Durch ungeklärte Umstände reißt sich das Schiffsseil los und der Schoner gerät in einen fürchterlichen Sturm. Entsetzt bemerken die Internatsschüler, dass sich außer ihnen nur noch der schwarze Schiffsjunge Moko an Bord befindet.

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Handlung
Erstes Kapitel.
Der Sturm. – Ein verirrter Schoner. – Vier Knaben auf dem Oberdeck des "Sloughi". – Das Focksegel in Stücken. – Im Innern der Yacht. – Der halberstickte Schiffsjunge. – Land in Sicht durch den Morgennebel. – Die Klippenbank.
Zweites Kapitel.
In der Brandung. – Briant und Doniphan. – Die Küste. – Vorbereitungen zur Rettung. – Das umstrittene Boot. – Von der Höhe des Fockmastes. – Ein mutiges Unternehmen Briant's. – Eine Folge der Springflut.
Drittes Kapitel.
Die Pension Chairman in Auckland. – Große und Kleine. – Ferien auf dem Meere. – Der Schoner »Sloughi« – Die Nacht des 15. Februar. – Verschollen. – Sturm. – Beratung in Auckland. – Was vom Schoner übrig ist.
Viertes Kapitel
Erste Untersuchung des Uferlandes. – Briant und Gordon im Strandwald. – Vergeblicher Versuch eine Grotte zu finden. – Eine Inventur der Vorräte. – Nahrungsmittel, Waffen, Kleidungsstücke, Bettzeug, Geräte, Werkzeuge und Instrumente. – Erstes Frühstück. Erste Nacht.
Fünftes Kapitel
Insel oder Festland? – Ein Ausflug. – Briant zieht allein aus. – Die Amphibien. – Scharen von Plattfischen. – Frühstück. – Von der Höhe des Vorgebirges. – Die drei Eilande im offenen Meere. – Eine blaue Linie am Horizont. – Rückkehr zum »Sloughi.«
Sechstes Kapitel
Verhandlung. – Ein geplanter und verschobener Ausflug. – Schlechtes Wetter. – Der Fischfang. – Das riesenhafte Meergras. – Costa und Dole auf einem nicht besonders schnellen Renner reitend. – Die Vorbereitungen zum Aufbruch. – Auf den Knien vor dem südlichen Kreuz.
Siebentes Kapitel
Der Birkenwald. – Von der Höhe des Steilufers. – Durch den Wald. – Ein Weg über den Creek. – Der Rio als Wegweiser. – Nachtlager. – Die Ajoupa. – Die bläuliche Linie. – Phan löscht seinen Durst.
Achtes Kapitel
Im Westen des Sees. – Längs des Ufers. – Strauße im Sicht. – Ein aus dem See abfließender Rio. – Ruhige Nacht. – Die Rückseite des Steilufers. – Ein Damm. – Trümmer eines Bootes. – Die Inschrift. – Die Höhle.
Neuntes Kapitel
Untersuchung der Höhle. – Möbel und Geräte. – Die Bolas und der Lasso. – Die Uhr. – Ein fast unleserliches Heft. – Die Karte des Schiffbrüchigen. – Wo man sich befindet. – Rückkehr nach dem Lager. – Das rechte Ufer des Rio. – Das Schlammloch. – Gordon's Signal.
Zehntes Kapitel
Bericht über den Ausflug. – Beschluss den »Sloughi« aufzugeben. – Entladung und Zerlegung der Yacht. – Ein Sturmwind als Helfer. – Unter dem Zelte gelagert. – Konstruktion eines Floßes. – Beladung und Einschiffung. – Zwei Nächte auf dem Rio. – Ankunft in Frenchden.
Elftes Kapitel
Erste Einrichtung im Innern von Frenchden. – Entladung des Floßes. – Besuch am Grabe des Schiffbrüchigen. – Gordon und Doniphan. – Der Kochofen. – Haar- und Federwild. – Der Nandu. – Services Pläne. – Annäherung der schlechten Jahreszeit.
Zwölftes Kapitel
Vergrößerung von Frenchden. – Ein verdächtiges Geräusch. – Phauns Verschwinden. – Phauns Wiedererscheinen. – Einrichtung des Vorsaales. Schlechtes Wetter. – Namengebung. – Die Insel Chairman. – Das Oberhaupt der Kolonie.
Dreizehntes Kapitel
Das Programm. – Feier des Sonntags. – Schneeballwerfen. – Doniphan und Briant. – Strenge Kälte. – Das Brennmaterial. – Ausflug nach den Traps Woods. – Nach der Sloughi-Bai. – Robben und Fettgänse. – Eine öffentliche Züchtigung.
Vierzehntes Kapitel
Letzte Wintererscheinungen. – Der Wagen. – Rückkehr des Frühlings. – Service und sein Nandu. – Vorbereitungen zu einem Zuge nach Norden. – Die Erdgruben. – Stopriver. – Fauna und Flora. – Das Ende des Family Lake. – Die Sandy-Wüste.
Fünfzehntes Kapitel
Der Heimweg. – Ausflug nach Westen. – Trulca und Algarrobe. – Der Teebaum. – Der Dike-creek. – Weinstöcke. – Eine unruhige Nacht. – Guanakos. – Baxsters Gewandtheit im Werfen des Lasso. – Rückkehr nach Frenchden.
Sechzehntes Kapitel
Briant besorgt wegen Jacques'. – Errichtung der Einhegung und des Viehhofes. – Ahornzucker. – Vernichtung der Füchse. – Neuer Ausflug nach der Sloughi-Bai. – Die bespannte Wagen. – Der Robbenschlag. – Das Weihnachtsfest. – Ein Hurra für Briant.
Siebzehntes Kapitel
Vorbereitungen für den nächsten Winter. – Ein Vorschlag Briant's. – Abfahrt Briant's, Jacques' und Moko's. – Über den Family-lake. – Der Gast-river. – Ein kleiner Hafen an der Mündung. – Das Meer im Osten. – Jacques und Briant. – Heimkehr nach Frenchden.
Achtzehntes Kapitel
Der Salzsumpf. – Die Stelzen. – Besuch der South-moors. – In Voraussicht des Winters. – Verschiedene Spiele. – Zwischen Doniphan und Briant. – Das Dazwischentreten Gordon's. – Beunruhigungen wegen der Zukunft. – Wahl am 10. Juni.
Neunzehntes Kapitel
Der Signalmast. – Strenge Kälte. – Der Flamingo. – Die Weibe. – Jacques' Geschichtlichkeit. – Doniphan's und Kross Ungehorsam. – Der Nebel. – Jacques im Nebel. – Kanonenschüsse von Frenchden aus. – Die schwarzen Punkte. – Die Haltung Doniphan's.
Zwanzigstes Kapitel
Ein Rast an der Südspitze des Sees. – Doniphan, Webb und Wilcox. – Trennung. – Die Gegend der Down s Lands. – Der Eastriver. – Längs des linken Ufers hinab. – Ankunft bei der Mündung.
Einundzwanzigstes Kapitel
Besichtigung der Deception-Bai. – Bear-Rock Harbour. – Plan bezüglich der Rückkehr nach Frenchden. – Untersuchung des Nordens der Insel. – Der North Creek. – Beechsforest. – Schwerer Sturm. – Eine Nacht mit Halluzinationen. – Beim Grauen des Tages.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Eine Idee Briant's. – Jubel der Kleinen. – Herstellung eines Drachens. – Ein unterbrochener Versuch. – Kate. – Die Überlebenden des »Severn«. – Doniphan und seine Kameraden von Gefahren bedroht. – Briant's Ergebenheit. – Alle wieder vereinigt.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Die damalige Lage. – Vorsichtsmaßregeln. – Verändertes Verhalten. – Der Kuhbaum. – Was zu wissen nötig war. – Ein Vorschlag Kate's. – Briant von einer Idee eingenommen. – Sein Plan. – Unterredung. – Für Morgen.
Fußnoten
Vierundzwanzigstes Kapitel
Erster Versuch. – Vergrößerung des Apparates. – Zweiter Versuch. – Auf den folgenden Tag verschoben. – Ein Vorschlag Briant's. – Jacques' Vorschlag. – Das Geständnis. – Briant's Gedanken. – In der Luft bei dunkler Nacht. – Was sich da zeigt. – Der Wind frischt auf. – Ausgang des Versuches.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Die Schaluppe des »Severn«. – Costar krank. – Die Rückkehr der Schwalben. – Entmutigung. – Die Raubvögel. – Das durch eine Kugel getötete Guanako. – Der Rest in der Pfeife. – Strengere Wacht. – Heftiger Sturm. – Ein Knall. – Ein Aufschrei Kate's.
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Kate und der Master. – Der Bericht Evans'. – Nach der Strandung der Schaluppe. – Walson am Hafen des Bearrock. – Der Drache. – Frenchden entdeckt. – Evans' Flucht. – Durch den Rio. – Pläne. – Ein Vorschlag Gordon's. – Die Länder im Osten. – Die Insel Chairman-Hannover.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Die Magellan-Straße. – Die Länder und Inseln an derselben. – Die Niederlassungen, welche daselbst gegründet wurden. – Zukunftspläne. – Gewalt oder List. – Rock und Forbes. – Die falschen Schiffbrüchigen. – Gastfreundlicher Empfang. – Zwischen elf Uhr und Mitternacht. – Ein Schuss Evans'. – Das Dazwischentreten Kate's.
Achtundzwanzigstes Kapitel
Ausfragung Forbes'. – Die Lage. – Eine geplante Auskundschaftung. – Abwägung der Streitkräfte. – Reste des Lagers. – Briant verschwunden. – Doniphan ihm zu Hilfe. – Schwere Verwundung. – Ein Schrei von Frenchden her. – Auftreten Forbes'. – Ein Kanonenschuss Moko's.
Neunundzwanzigstes Kapitel
Befreit! – Die Helden des Schlachtfeldes. – Das Ende eines Unglücklichen. – Streifzug in den Wald. – Wiedergenesung Doniphan's. – Am Hafen des Bearrock. – Die Neuverplankung. – Abfahrt am 5. Februar. – Stromab den Rio-Sealand. – Begrüßung der Sloughi-Bai. – Die letzte Spitze der Insel Chairman.
Dreißigstes Kapitel
In den Kanälen. – Die Meerenge. – Der Dampfer »Grafton«. – Rückkehr nach Auckland. – Empfang in der Hauptstadt Neuseelands. – Evans und Kate. – Schluss.

Impressum

Titel: "Zwei Jahre Ferien - Roman von Jules Verne"

Copyright © Echard Toboll, D-45772 Marl, 2019

Verlag: Neopubli, epubli.de, Berlin

ISBN: 978-3-748572-78-7

eBook Produktion und Cover: Eckhard Toboll

Website: http://www.ectob.de

Handlung

Zwei Jahre Ferien (auch Abenteuer auf Chairman oder Ein Pensionat von Robinsons) ist ein Abenteuerroman des französischen Autors Jules Verne. Der Roman wurde erstmals 1888 von dem Verlag Pierre-Jules Hetzel unter dem französischen Titel Deux ans de vacances in der Reihe „Außergewöhnliche Reisen“ (Voyages Extraordinaires) veröffentlicht. Band I erschien am 18. Juni 1888 und Band II am 8. November 1888. Eine Vorab-Veröffentlichung erfolgte im Magasin d'Éducation et de Récréation ab dem Januar 1888. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1889 unter dem Titel Zwei Jahre Ferien.

In dem Buch geht es um 14 Jungen aus dem neuseeländischen Internat Chairman in Auckland, die im Jahr 1860 als Auszeichnung für besondere Leistungen von ihren wohlhabenden Eltern eine Schifffahrt rund um Neuseeland geschenkt bekommen und mit dem Schiff vom Hafen abgetrieben werden.

Am 16. Februar sollen die Kinder samt einer ausgebildeten Mannschaft und Kapitän die Reise mit dem Schoner „Sloughi“ starten. Jedoch sind die Schüler schon in der Nacht vor der Abfahrt an Bord, während die Mannschaft im Hafen schläft. Durch ungeklärte Umstände reißt sich das Schiffsseil los und der Schoner gerät in einen fürchterlichen Sturm. Entsetzt bemerken die Internatsschüler, dass sich außer ihnen nur noch der schwarze Schiffsjunge Moko an Bord befindet.

Über zwei Wochen fahren die Kinder über den Pazifik, doch als sie Land entdecken, erstrecken sich vor ihnen riesige Riffe. Durch Glück werden sie von einer großen Welle an Land getragen, aber dabei wird der Rumpf der Sloughi sehr stark beschädigt. Als sich nach langer Unklarheit herausstellt, dass es eine Insel ist, versuchen sie, sich so gut wie möglich auf ihr einzurichten. Zum Glück befinden sich auf dem Schiff zahlreiche Lebensmittel sowie warme Kleidung und Schusswaffen, die ihnen helfen. Sie finden eine Höhle, die sie als Unterkunft verwenden, und es stellt sich heraus, dass vor ihnen schon ein anderer Schiffbrüchiger auf der Insel gestrandet war.

Der schiffbrüchige Franzose hat eine Karte der Insel hinterlassen, die ihnen das Leben um einiges erleichtert. Sie leben dort, entdecken eine Annehmlichkeit nach der anderen und richten sich gemütlich ein. Die älteren Kinder versuchen so gut wie möglich den Schulunterricht für die Kleineren zu ersetzen, indem sie die vom Schiff geretteten Bücher zu Rate ziehen.

Als die Jungs in demokratischer Abstimmung den Amerikaner Gordon als Präsidenten wählen, gibt es in einem Teil der Gruppe, den eingebildeten Engländern Doniphan, Webb, Cross und Wilcox, Missmut. So bilden sich zwei rivalisierende Lager, die das Zusammenleben spürbar eintrüben.

Überraschenderweise strandet eine fürchterliche Räuberbande auf der Insel. Die Räuber haben eine Schiffsbesatzung umgebracht und aus dem Schiff ein Piratenschiff gemacht. Von der Besatzung haben sie nur zwei Leute übrig gelassen, Evans, den Steuermann, und eine Frau namens Kate.

Als die Räuber auf der Insel landen, fliehen die Kinder in die Höhle, von der aus sie zusammen mit den beiden Erwachsenen die Räuber besiegen. Nachdem Evans die Kinder informiert hat, dass sie sich auf der Hannover-Insel nur wenig entfernt von der Küste Chiles befinden, wird das Boot repariert und die Insel verlassen. Auf dem Weg werden sie von einem nach Australien fahrenden Dampfer aufgenommen, der die Kinder nach Hause bringt. Da deren Geschichte bereits in der ganzen Welt bekannt ist und alle dachten, die Kinder seien tot, werden sie berühmt. Das Tagebuch mit ihren Erlebnissen wird in alle großen Sprachen übersetzt und gedruckt.

Erstes Kapitel

Der Sturm. – Ein verirrter Schoner. – Vier Knaben auf dem Oberdeck des "Sloughi". – Das Focksegel in Stücken. – Im Innern der Yacht. – Der halberstickte Schiffsjunge. – Land in Sicht durch den Morgennebel. – Die Klippenbank.

In der Nacht des 9. März 1860 beschränkten die mit dem Meere fast zusammenfließenden Wolken die Sehweite bis auf wenige Fadenlängen.

Auf dem empörten Wasser, dessen Wogen, fahle Lichter werfend, einher stürmten, flog ein leichtes Fahrzeug fast segellos dahin.

Es war eine Yacht von hundert Tonnen – ein Schoner, mit welchem Namen man in England und Amerika solche Goeletten bezeichnet.

Dieser Schoner führte den Namen »Sloughi«; doch vergebens hätte man denselben am Achter des Fahrzeugs zu lesen gesucht, da die betreffende Tafelplanke durch irgend einen Zufall – durch Anprall der Wogen oder Kollision – unter der Reling zum größten Teil abgesprengt war.

Es war jetzt um elf Uhr Nachts. Unter den Breiten, wo sich das Schiff befand, sind die Nächte zu Anfang des März noch kurz. Das erste Tagesgrauen war etwa gegen fünf Uhr morgens zu erwarten. Doch verminderten sich damit, daß die Sonne den Weltraum erleuchtete, die Gefahren, welche den »Sloughi« bedrohten? Blieb das gebrechliche Fahrzeug nicht noch immer der Gnade der ungeheuren Wogen anheimgegeben? Unzweifelhaft; nur die Besänftigung der hohlen See, das Abflauen des wütenden Sturmes konnte dasselbe vor dem entsetzlichsten Schiffbruche bewahren, vor dem auf offenen Meere, fern von jedem Lande, auf dem die Überlebenden vielleicht hätten Rettung finden können.

Auf dem Hinterteile des »Sloughi« standen drei Knaben, der eine im Alter von vierzehn, die beiden andern in dem von dreizehn Jahren, und außerdem ein zwölfjähriger Schiffsjunge von Negereltern, am Steuerrade. Hier vereinigten sie ihre Kräfte, um den seitwärts anstürmenden Wellen, welche die Yacht querzulegen drohten, Widerstand zu leisten. Es war ein hartes Stück Arbeit, denn das trotz ihres Entgegenstemmens sich drehende Rad schien sie jeden Augenblick über die Schanzkleidung schleudern zu können. Kurz vor Mitternacht brach auch einmal eine solche Wassermasse über die Seite der Yacht herein, daß es ein Wunder zu nennen war, als das Steuer derselben noch glücklich Stand hielt

Die Knaben wurden zwar von dem Stoße umgeworfen, konnten sich aber sofort wieder erheben.

»Gehorcht es noch dem Steuer, Briant? fragte einer derselben.

– Ja, Gordon,« antwortete Briant, der seinen Platz schon wieder eingenommen und offenbar die gewohnte Kaltblütigkeit bewahrt hatte.

Darauf wandte er sich an den Dritten.

»Fest halten, Doniphan, rief er, und auf keinen Fall den Muth verlieren!… Es gilt, außer uns auch noch andere zu retten!«

Diese Worte wurden englisch gesprochen, doch verriet der Tonfall bei Briant die französische Abkunft.

Dieser kehrte sich nachher nach dem Schiffsjungen um.

»Du bist doch nicht verletzt, Moko?

– Nein, Herr Briant, erklärte der Gefragte. Doch lassen Sie uns darauf achten, die Yacht gerade gegen die Wellen zu halten, sonst laufen wir Gefahr versenkt zu werden!«

Eben wurde die Kappentüre der nach dem Salon des Schoners hinabführenden Treppe hastig geöffnet.

»Briant!… Briant! rief ein Kind von neun Jahren. Was ist denn geschehen?

– Nichts, Iverson, gar nichts, erwiderte Briant. Geh' mit Dole wieder hinunter, aber recht schnell!

– Ach, wir fürchten uns so sehr! ließ sich das zweite, noch etwas jüngere Kind vernehmen.

– Und die Anderen? fragte Doniphan.

– Die Andern auch! versicherte Dole.

– Nun geht nur Alle hinunter, ermahnte Briant. Schließt Euch fest ein, sucht Eure Lagerstätten auf und macht die Augen zu, dann werdet Ihr keine Furcht mehr spüren. Gefahr ist nicht vorhanden.

– Achtung!… Wieder eine große Welle!« rief Moko.

Ein gewaltiger Anprall erschütterte das Hinterteil der Yacht. Diesmal schlug die See glücklicherweise nicht über, denn wenn das Wasser in größerer Menge durch die Treppentür gedrungen wäre, hätte sich die noch weiter belastete Yacht bei dem starken Seegange schwerlich wieder aufrichten können.

»Macht doch, daß Ihr hineinkommt! rief Gordon. Hinunter, oder ihr bekommt's mit mir zu tun!

– Geht, geht hinunter, Ihr Kleinen!« setzte Briant in freundlicherem Tone hinzu.

Die beiden Köpfe verschwanden gerade in dem Augenblicke, wo ein anderer am Treppenausgange erscheinender Knabe sagte:

»Du bedarfst unser nicht, Briant?

– Nein, Baxter, antwortete dieser. Du magst mit Kross, Webb, Service und Wilcox bei den Kleinen bleiben. Wir Vier sind uns genug.«

Baxter schloß wieder sorgfältig die Thür.

»Die Anderen fürchteten sich auch!« hatte Dole gesagt.

Aber befanden sich denn ausschließlich Kinder auf diesem vom Orkan verschlagenen Schoner? – Ja, nichts als Kinder. – Und wie viele waren es? – Fünfzehn, unter Einrechnung Gordon's, Briant's, Doniphan's und des Schiffsjungen.

– Durch welche Zufälligkeiten diese allein mit ihrem Schiffe abgesegelt waren, werden wir später erfahren.

Und auf der Yacht befand sich kein erwachsener Mann? Kein Kapitän, um diese zu führen? Kein Seemann zur Bedienung des Segelwerkes und der Takelage? Kein Steuermann, um bei diesem Sturme das Steuer zu handhaben? – Nein, kein einziger!

Ebenso hätte keine lebende Seele an Bord genau angeben können, an welchem Orte auf dem Ozean der »Sloughi" sich befinde… Welcher Ozean war es überhaupt?… Der ausgedehnteste von allen, das Stille Weltmeer, das sich über 140 Längengrade von der Landmasse Australiens und den Küsten Neuseelands bis zur Küste von Südamerika erstreckt.

Was mochte hier vorgegangen sein? War die Besatzung des Schoners durch einen Unfall verunglückt? Hatten malaysische Seeräuber sie entführt und an Bord die jungen Passagiere, deren ältester kaum vierzehn Jahre zählte, ihrem Schicksale überlassen? Eine Yacht von hundert Tonnen erfordert mindestens einen Kapitän, einen Obersteuermann und fünf bis sechs Leute, und von diesem zur Führung des Schiffes unentbehrlichen Personal war ein Schiffsjunge allein übrig!… Woher endlich kam dieser Schoner, aus welchem australischen Gebiete oder welchem ozeanischen Archipel? – Und wohin war er bestimmt? Auf diese Fragen, welche jeder Schiffer gestellt hätte, wenn ihm der »Sloughi« in diesen einsamen Meeresteilen begegnet wäre, würden die Kinder wohl haben Antwort geben können; es war jedoch weder ein Segel in Sicht, noch einer jener transatlantischen Dampfer, deren Reiserouten sich auf den Meeren Ozeaniens kreuzen; ebenso wenig eines der unter Segel oder Dampf laufenden Kauffahrteischiffe, welche Europa, wie Amerika, zu Hunderten nach den Häfen des Großen Ozeans entsendet. Doch hätte auch eines jener mächtigen Fahrzeuge, durch seine Dampfmaschine oder seine große Besegelung gegen den Sturm ankämpfend, sich in dieser Gegend gezeigt, so würde es doch nicht in der Lage gewesen sein, der von der rollenden See gleich einem Spielballe umhergeworfenen Yacht Hilfe zu leisten.

Inzwischen wachten Briant und seine Gefährten so gut sie konnten darüber, daß der Schoner nicht nach der einen oder der andern Seite abgedrängt wurde.

»Was tun wir nun?… fragte da Doniphan.

– Alles, was uns mit Gottes Hilfe möglich sein wird, uns zu retten, antwortete Briant.

In der Tat verdoppelte der Sturm jetzt seine Gewalt. Der Wind wehte »fuderweise«, wie die (französischen) Seeleute zu sagen pflegen, und wiederholt schien es, als müsse der »Sloughi« bei dem schauerlichen Unwetter in Trümmer gehen. Seit achtundvierzig Stunden redelos, der Großmast vier Fuß über den Deckbalken abgebrochen, hatte man kein Schönfahrsegel hissen können, um das Schiff sicherer zu regieren. Der nur seiner Oberbramstenge beraubte Fockmast stand zwar vorläufig noch fest, doch war jede Minute zu befürchten, daß er, wenn die Wanten (Strickleitern) desselben rissen, sich auf das Deck herabsenken würde. Vorn flatterten und klatschten die Fetzen des kleinen Klüversegels so laut wie der Knall einer Feuerwaffe. Als einziges Segelwerk war nur das Focksegel übrig, welches aber ebenfalls zu zerreißen drohte, da die Knaben nicht Kraft genug hatten, durch ein eingezogenes Reff seine Oberfläche zu verkleinern. Kam es auch noch dazu, so konnte der Schoner nicht mehr im Striche des Windes gehalten werden; die Wogen rollten dann von der Seite her über ihn herein, brachten ihn zum Kentern und zum Sinken, und damit verschwanden seine Passagiere im schauerlichen Abgrunde.

Und bisher war nach der offenen See zu keine Insel entdeckt worden, keine Linie festen Landes im Osten aufgetaucht! Sich mit einem Schiffe auf den Strand zu setzen, ist ein entsetzliches Rettungsmittel, und doch würden diese Kinder es weniger gefürchtet haben, als das Wüten des grenzenlosen Meeres. Jedes beliebige Ufer hätten sie trotz etwaiger Untiefen, Klippen, trotz des darauf stürmenden Wogen Schwalles und der Brandung, welche unaufhörlich gegen die Felsmauern donnert, als winkende Rettung begrüßt, als festes Land unter den Füßen an Stelle des Ozeans, der sie jeden Augenblick zu verschlingen drohte.

Auch nach einem Lichte, auf das sie hätten zusteuern können, spähten sie vergebens…

Kein freundlicher Schein durchdrang das tiefe Dunkel der Nacht.

»Der Fockmast ist gebrochen! rief Doniphan.

– Nein; nur das Segeltuch hat sich von den Saumtauen losgerissen, erklärte der Schiffsjunge.

– Wir müssen uns desselben entledigen, meinte Briant. Gordon, bleib' Du mit Doniphan am Rade, und Du, Moko, hilfst mir!«

Wenn Moko als Schiffsjunge einige nautische Kenntnisse besitzen musste, so gingen diese auch Briant nicht vollständig ab. Da er auf seiner Fahrt von Europa nach Ozeanien den Atlantischen und den Stillen Ozean durchschifft, hatte er sich mit der Führung eines Schiffes einigermaßen vertraut gemacht. Das erklärt es, weshalb die anderen Knaben, welche davon gar nichts verstanden, Moko und ihm die Sorge, den Schoner zu führen, hatten überlassen müssen.

In einem Augenblicke waren Briant und der Schiffsjunge unerschrocken nach dem Vorderteil der Yacht geeilt. Um deren Drehung zu verhüten, mussten sie dieselbe von dem Focksegel befreien, dessen unterer Teil eine Art Tasche bildete und durch Abfangen des Windes den Schoner so bedenklich nach seitwärts neigte, daß dieser fast die Wellenkämme berührte. Kam es aber erst so weit, so konnte dieser sich nicht wieder aufrichten, wenn nicht der Fockmast nach Sprengung seiner metallenen Puttings gekappt wurde; wie hätten Kinder das indes ausführen können?

Unter diesen schwierigen Umständen bewiesen Briant und Moko eine wirklich erstaunliche Geschicklichkeit. In der Absicht, an Leinwand so viel wie möglich zu behalten, um den »Sloughi« während der Dauer des Sturmes vor dem Winde zu erhalten, bemühten sie sich – und zwar mit Erfolg – das Hisstau der Raa zu lösen, welche sich nun bis auf vier bis fünf Fuß über dem Deck herabsenkte. Nach Lostrennung einzelner Fetzen des Focksegels mittels Messer, wurden dessen untere Ecken durch einige Hilfsbrassen an den Pflöcken der Schanzkleidung befestigt, wobei die zwei mutigen Knaben freilich zwanzigmal in Gefahr kamen, von Sturzseen weggespült zu werden.

Unter dieser bis aufs äußerste verminderten Segelfläche konnte dem Schoner wenigstens die Richtung gesichert werden, die er jetzt schon lange Zeit einhielt. Schon der Druck des Windes an seinem Rumpf allein genügte übrigens, ihn mit der Schnelligkeit eines Torpedobootes dahinzujagen. Das war von Wichtigkeit, weil es darauf ankam, schneller als die nachrollenden Wogen fortzutreiben, um von zu schweren Sturzseen über Backbord frei zu bleiben.

Nach Durchführung ihrer Aufgabe kehrten Briant und Moko wieder zu Gordon und Doniphan zurück, um diese beim Steuern zu unterstützen.

Eben jetzt öffnete sich die Thür der Treppenkappe zum zweiten Male. Ein Kind steckte den Kopf heraus. Es war Jacques, der um drei Jahre jüngere Bruder Briant's.

»Was willst Du, Jacques? fragte ihn sein Bruder.

– Komm! Komm schnell! erwiderte Jacques. Im Salon steht Wasser!

– Ist das möglich?« rief Briant erschreckt.

Eilenden Schrittes lief er nach der Kappe und sprang die Treppe hinunter.

Den Salon erleuchtete nur ganz notdürftig eine Hängelampe, welche bei dem Stampfen des Schiffes heftig schwankte. Beim Scheine derselben erblickte man etwa zehn Kinder auf den Polsterbänken oder den Lagerstätten des »Sloughi« Die kleinsten derselben – und es waren solche von acht bis neun Jahren darunter – hatten sich in ihrer Todesangst dicht an einander gedrängt.

»Es ist keine Gefahr vorhanden! rief ihnen Briant, der sie zunächst beruhigen wollte, zu. Wir sind ja da! Fürchtet Euch nicht!«

Darauf mit einer Signallaterne den Fußboden des Salons ableuchtend, musste er sich überzeugen, daß eine gewisse Menge Wasser in der Yacht von einem Bord zum anderen hin und wieder flutete.

Jetzt galt es festzustellen, woher dieses Wasser kam und ob es wohl gar durch einen Sprung in der Seitenwand eingedrungen war.

Vor dem Salon befand sich das große Zimmer und weiterhin der Speisesaal, dann die Wohnung und darüber das Wachhaus der Mannschaft.

Briant durchsuchte alle diese Räumlichkeiten und erkannte, daß das Wasser weder ober-, noch unterhalb der Schwimmlinie eingedrungen sein könne. Dasselbe war vielmehr nur durch das Aufbäumen des Vorderstevens hierher geschleudert worden und rührte von Spritzseen her, welche, über das Vorderteil schlagend, teilweise durch die zur Mannschaftswohnung führende Treppenkappe Eingang nach dem Innern gefunden hatten. Von dieser Seite drohte also keine eigentliche Gefahr.

Briant beruhigte seine Leidensgefährten, als er wieder durch den Salon kam, und nahm auch selbst mit größter Zuversicht seinen Platz am Steuerrade wieder ein. Der sehr solid gebaute und erst unlängst frisch gekupferte Schoner zog kein Wasser und versprach auch dem Anprall der Wogen Widerstand zu leisten.

Es war jetzt ein Uhr Nachts, und während schwere Wolken die Dunkelheit noch verschlimmerten, entfesselte sich der Orkan zur schlimmsten Wut. Die Yacht flog dahin, als wäre sie völlig in Wasser eingetaucht. Scharf drang dann und wann der Schrei eines Sturmvogels durch die Luft. Von deren Erscheinen konnte man jedoch keineswegs auf die Nähe eines Landes schließen, denn man begegnet denselben oft mehrere hundert Seemeilen von der nächsten Küste. Übrigens außer Stande, gegen den Sturm aufzukommen, folgten die Vögel diesem vielmehr selbst ebenso wie der Schoner, dessen Schnelligkeit keine menschliche Kraft zu hemmen vermocht hätte.

Eine Stunde später hörte man an Bord wieder etwas zerreißen. Der Rest des Focksegels war in Stücken gegangen und die Leinwandfetzen flatterten gleich riesigen Möwen durch die Luft davon

»Nun haben wir kein Segel mehr, rief Doniphan, und ein anderes zu setzen ist ganz unmöglich.

– Tut nichts! antwortete Briant. Verlass' Dich darauf, daß wir doch noch ebenso schnell vorwärts kommen.

– Eine schöne Antwort! erwiderte Doniphan. Wenn das Deine Art und Weise zu manövrieren ist…

– Achtung auf die Wellen von rückwärts! unterbrach ihn Moko. Festgehalten oder wir werden weggeschwemmt…«

Er hatte den Satz kaum beendet, als mehrere Tonnen Wasser über das Backbord hereinstürzten. Briant, Doniphan und Gordon wurden gegen die Treppenkappe geschleudert, wo sie sich zum Glück noch anklammern konnten.

Der Schiffsjunge dagegen war verschwunden mit der Wassermasse, welche sich in brodelndem Schwall von hinten nach vorne über den »Sloughi« ergoss und dabei einen Teil des Mastwerkes, die beiden Boote und die Jolle – obwohl diese ganz hereingeholt waren – sowie mehre Schiffsbalken und das Kompasshäuschen mit fortriss. Da jedoch gleichzeitig die Schanzkleidung streckenweise zerstört war, konnte das Wasser schnell wieder abfließen, was die Yacht vor dem Untergange durch diese ungeheure Überlastung bewahrte.

»Moko!… Moko! rief Briant, sobald er wieder ein Wort sprechen konnte.

– Ist er etwa ins Meer geschleudert worden? fragte Doniphan.

– Nein; doch man sieht und hört nichts von ihm, erklärte Gordon, der sich über die Reling hinausgebeugt hatte.

– Wir müssen ihn retten – ihm eine Rettungsboje oder Stricke zuwerfen!, antwortete Briant.

Und mit lauter Stimme, welche während einiger ruhigerer Sekunden kräftig wiederhallte, rief er noch einmal:

»Moko!… Moko.

– Hierher!… Zu Hilfe! erklang die Antwort des kleinen Negers.

– Er liegt nicht im Meere, sagte Gordon. Seine Stimme kommt vom Vorderteile des Schoners her.

– Ich werde ihn retten!« rief Briant.

Sofort tastete er sich über das Deck hin unter steter Vorsicht, den Blöcken und Rollen auszuweichen, welche lose an den herabgelassenen Raaen hingen, und sich festklammernd, um bei den Bewegungen des Schiffes auf dem schlüpfrigen Verdeck nicht umgeworfen zu werden.

Noch einmal hörte er die Stimme des Jungen, dann war Alles still.

Mit größter Anstrengung war es Briant gelungen, die Treppenkappe des Volkslogis zu erreichen.

Er rief laut…

Keine Antwort.

War Moko etwa durch eine neue heftige Schiffsbewegung über Bord geschleudert worden, nachdem er den letzten Schrei ausgestoßen? In diesem Falle musste der unglückliche Bursche schon weit von ihnen, weit hinter dem Winde treiben, denn die Wellenbewegung konnte ihn nicht mit gleicher Schnelligkeit wie der Sturm den Schoner mit fortgetragen haben; dann war er verloren…

Nein; eben drang wieder ein schwacher Hilferuf bis zu Briant, der nach dem Gangspill eilte, in dessen Fuß das Ende des Bugspriets eingelassen war. Hier fand er einen sich umherwindenden Körper. –

Der Schiffsjunge war es, halb eingeklemmt zwischen die an der Spitze zusammenlaufende Schanzkleidung. Ein Hisstau, das er mit aller Kraft von sich abzudrängen suchte, schnürte ihm den Hals zu. Erst zurückgehalten durch dieses Hisstau, als die gewaltige Woge ihn wegspülte, war er jetzt nahe daran, durch dasselbe erwürgt zu werden.

Briant riss sein Messer heraus, und nicht ohne Mühe gelang es ihn, das Hanftau, welches den Schiffsjungen festhielt, zu durchschneiden.

Moko wurde nach dem Hinterteile zurückgeführt.

»Danke, Herr Briant, danke!« sagte er, sobald er die Sprache wiedererlangt hatte.

Dann nahm er seinen Platz am Steuerrade wieder ein, und alle Vier banden sich fest, um gegen die Wasserberge, welche sich hinter dem »Sloughi« auftürmten, gesichert zu sein.

Entgegen der Annahme Briant's, hatte sich die Geschwindigkeit der Yacht doch etwas vermindert, seitdem vom Focksegel gar nichts mehr übrig war – und darin lag eine neue Gefahr. Die jetzt schneller als jene laufenden Wellenberge konnten über das Hinterteil hereinbrechen und sie mit Wasser anfüllen. Doch war dagegen nichts zu tun und jedenfalls an das Aufhissen eines Segels gar nicht zu denken.

Auf der südlichen Halbkugel der Erde entspricht der März dem Monat September auf der nördlichen, und die Nächte sind noch nicht zu lang. Da es jetzt um die vierte Morgenstunde war, konnte es nicht mehr lange währen, bis der Horizont im Osten, also in der Richtung, nach der der »Sloughi« getrieben wurde, sich aufhellen musste. Vielleicht nahm die Gewalt des Sturmes mit anbrechendem Tage etwas ab. Vielleicht kam auch ein Land in Sicht und das Loos dieser Kindergesellschaft entschied sich binnen wenigen Minuten. Wir werden das erfahren, wenn das Morgenroth erst die Tiefen des Himmels färbt.

Gegen viereinhalb Uhr glitt ein schwacher Lichtschein bis zum Zenit empor. Unglücklicher Weise beschränkte der Dunst in der Luft den Gesichtskreis auf kaum eine Viertelmeile. Man fühlte es fast, daß die Wolken mit ungeheurer Schnelligkeit dahineilten. Der Orkan hatte nichts an Kraft verloren, und weit hinaus verschwand das Meer unter dem Schaume der sich überstürzenden Wogenkämme. Kam der Schoner in parallele Lage mit diesen, so wäre er, der jetzt einmal auf dem Scheitel einer Welle tanzte und dann in das Thal derselben hinuntergestürzt wurde, wohl zwanzigmal gekentert.

Die vier Knaben betrachteten unverwandt das Chaos der durcheinander wirbelnden Fluten. Sie ahnten wohl, daß ihre Lage, wenn das Meer sich nicht bald beruhigte, eine verzweifelte werden musste. Nimmermehr hätte der »Sloughi« noch weitere vierundzwanzig Stunden dem Anprall der Wogen, welche zuletzt doch die Treppenkappen wegreißen mussten, Widerstand leisten können.

Da ertönte aufs neue Moko's Stimme.

»Land! rief er jubelnd, Land!«

Durch einen Nebelspalt glaubte der Schiffsjunge vor ihnen im Osten die Umrisse einer Küste erkannt zu haben Täuschte er sich nicht? Es ist oft gar so schwer, die schwachen Linien eines Landes zu unterscheiden, wenn von ferne gesehen die Wolkenschichten unmittelbar darauf lagern.

»Ein Land?«… hatte Briant geantwortet.

– Ja, versicherte Moko… ein Land… dort im Osten!«

Er wies dabei nach einem Punkte am Horizont, den jetzt schon wieder wallende Nebelmassen verhüllten.

»Bist Du Deiner. Sache sicher?… fragte Doniphan.

– Ja!… Ja!… Ganz sicher, behauptete der kleine Neger. Wenn der Nebel wieder einmal zerreißt, so seht nur scharf dorthin, etwas nach rechts vom Fockmast… da… Achtung… da unten!«…

Die sich eben öffnenden Nebelmassen lösten sich allmählich von der Meeresfläche, um nach höheren Zonen aufzusteigen. Einige Augenblicke später war der Ozean auf die Strecke von mehreren Seemeilen vor der Yacht klar zu übersehen.

»Ja… Land!… Das ist Land!… rief Briant.

– Und ein sehr niedriges Land!« setzte Gordon hinzu, der die gemeldete Küste schärfer ins Auge gefasst hatte.

Jetzt konnte kein Zweifel mehr aufkommen. Auf einer breiten Strecke des Horizontes zeichnete sich Land, ein Kontinent oder eine Insel, in deutlicher Linie ab. Dasselbe mochte fünf bis sechs Seemeilen von hier entfernt sein. Bei der Richtung, der er folgte und aus der abzuweichen der Sturm ihm gar nicht erlaubte, musste der »Sloughi« binnen einer Stunde unbedingt auf dasselbe geworfen werden. Dabei war freilich zu befürchten, daß er zertrümmert wurde, vorzüglich wenn ihn Klippen aufhielten, bevor er den eigentlichen Strand erreichte. Hieran dachten die Knaben jedoch gar nicht. In dem Lande, welches so unerwartet sich ihren Blicken darbot, sahen sie nur das Heil, die winkende Rettung.

In diesem Augenblick begann der Wind wieder stärker zu wehen. Wie eine Feder davongetragen, stürmte der »Sloughi« auf die Küste zu, welche sich scharf wie ein Tintenstrich vom weißlichen Grunde des Himmels abhob. Hinter dem Strande erhob sich nämlich ein höheres Uferland, das aber nicht mehr als hundertfünfzig bis zweihundert Fuß aufsteigen mochte. Vor ihm dehnte sich ein gelblicher Strand aus, zur Rechten eingerahmt von abgerundeten Massen, welche einem Wald im Innern anzugehören schienen.

O, wenn der »sandige Vorland erreichen konnte, ohne auf eine Klippenreihe zu stoßen, wenn die Mündung eines Flusses ihm Zuflucht bot – dann, ja, dann konnten seine jungen Passagiere noch heil und gesund davonkommen!

Während Doniphan, Gordon und Moko am Steuer blieben, hatte Briant sich nach dem Vorderdeck begeben und betrachtete das sich sichtlich nähernde Land; so schnell schossen sie dahin. Vergebens suchte er aber eine Stelle, wo die Yacht hätte unter günstigen Bedingungen anlaufen können. Hier zeigte sich weder die Mündung eines Flusses oder Baches, noch selbst ein flach ins Meer abfallender sandiger Strand, auf dem man mit einem Stoße festfahren konnte. Vor dem Strande hin nämlich streckte sich eine Reihe von Klippen, deren schwärzliche Häupter bei den auf und ab schwankenden Wogen auftauchten und wieder verschwanden und an welchen das Wasser fortwährend schäumend brandete. Hier musste der »Sloughi« beim ersten Stoß in Stücken gehen.

Briant sagte sich da, daß es besser sei, im Augenblicke der Strandung alle seine Kameraden auf dem Deck zu haben. Er öffnete also die Thür der Kappe und rief hinunter:

»Alle, alle herauf!«

Sofort kam ein Hund herausgesprungen und ihm folgten zehn Kinder, die sich nach dem Hinterteile der Yacht drängten. Die kleinsten stießen beim Anblick der bergehohen Wellen ein entsetzliches Angstgeschrei aus.

Kurz vor sechs Uhr morgens war der »Sloughi« bis an den Rand des Klippengürtels herangekommen.

»Jetzt festhalten! rief Briant. Tüchtig festhalten!«

Die Kleider halb abgelegt, hielt er sich bereit, denen zu Hilfe zu springen, welche der Wogenschlag etwa fortriss, denn sicherlich wurde die Yacht über die Klippen hin gewälzt.

Da machte sich ein erster Stoß fühlbar. Der »Sloughi« stampfte mit seinem Hinterteile auf einen Felsen, aber trotz der gewaltigen Erschütterung des ganzen Schiffsrumpfes drang doch kein Wasser durch dessen Plankenwand.

Von einer zweiten Welle gehoben, wurde er gegen fünfzig Fuß weiter getragen, diesmal ohne die Klippen zu streifen, welche an unzähligen Stellen emporstarrten. Endlich blieb er, nach Backbord geneigt, inmitten der kochenden Brandung liegen.

Wenn auch nicht im offenen Meere, so befand er sich doch noch eine Viertelseemeile vom Strande entfernt.

Zweites Kapitel

In der Brandung. – Briant und Doniphan. – Die Küste. – Vorbereitungen zur Rettung. – Das umstrittene Boot. – Von der Höhe des Fockmastes. – Ein mutiges Unternehmen Briant's. – Eine Folge der Springflut.

Die von der Nebelwand befreite Atmosphäre gestattete jetzt einen weiten Ausblick rings um den Schoner. Die Wolken flogen noch immer mit rasender Schnelligkeit am Himmel hin, der Sturm hatte noch immer nicht ausgewütet. Vielleicht peitschte er dieses unbekannte Gebiet des Stillen Ozeans aber doch nur mit seinen letzten Ausläufern.

Das war mindestens höchst wünschenswert, denn die Lage des »Sloughi« war jetzt nicht minder beängstigend als in der Nacht, wo er gegen das empörte Meer ankämpfte. Eines sich an das andere schmiegend, mussten diese Kinder sich verloren glauben, wenn eine Woge über die Schanzkleidung schlug und sie Alle mit Schaum bedeckte. Die Stöße waren jetzt desto härter, da der Schoner denselben nicht frei nachgeben konnte. Jedenfalls erzitterte er bei jedem Anprall bis in alle Rippen und doch schien es nicht, als ob seine Wand geborsten wäre, weder als er den Rand der Klippen streifte, noch als er sich zwischen den Köpfen der Klippen sozusagen festkeilte. Briant und Gordon, die nach den unteren Räumen gegangen waren, überzeugten sich wenigstens, daß noch kein Wasser in den Rumpf eindrang.

Sie beruhigten in dieser Hinsicht nach Möglichkeit ihre Kameraden, vorzüglich die kleinsten derselben.

»Habt nur keine Angst!… wiederholte Briant immer wieder. Die Yacht ist fest gebaut!… Der Strand ist nicht mehr fern!… Wartet nur, wir werden den Strand schon erreichen!

– Und warum sollen wir warten? fragte Doniphan.

– Ja… warum denn?… setzte ein anderer, zwölfjähriger Knabe, Wilcox mit Namen, hinzu. Doniphan hat recht. Warum denn warten?

– Weil der Seegang noch zu schwer ist und uns auf die Felsen schleudern würde, erwiderte Briant.

– Und wenn die Yacht nun in Stücken geht?… rief ein dritter Knabe, Namens Webb, der mit Wilcox etwa gleichalterig war.

– Ich glaube nicht, daß das zu befürchten ist, antwortete Briant, mindestens nicht mehr, wenn die Ebbe eintritt. Sobald das Wasser sich soweit zurückgezogen hat, wie der Sturm das zulässt, werden wir an unsere Rettung gehen!«

Briant hatte völlig recht. Obwohl die Gezeiten im Stillen Ozean verhältnismäßig schwach auftreten, so können sie doch zwischen Flut und Ebbe eine nicht unbeträchtliche Verschiedenheit des Wasserstandes hervorbringen. Es war also von Vorteil, einige Stunden zu warten, zumal wenn dann auch der Wind abflaute. Vielleicht legte die Ebbe einen Teil der Klippen trocken; dann war es leichter, den Schoner zu verlassen und die letzte Viertelmeile bis zum Strande zu überwinden.

So vernünftig dieser Rath indes erschien, zeigten sich Doniphan und zwei oder drei Andere doch gar nicht geneigt, demselben Folge zu geben. Sie traten auf dem Vorderdeck zusammen und sprachen gedämpften Tones mit einander. Es trat schon klar zutage, daß Doniphan, Wilcox, Webb und ein anderer Knabe, namens Kross, keine Lust hatten, sich mit Briant zu verständigen. Während der langen Fahrt des »Sloughi« leisteten sie ihm noch Gehorsam, weil Briant, wie erwähnt, einige seemännische Erfahrung besaß Sie hegten dabei aber stets den Gedanken, sofort nach dem Wiederbetreten eines Landes sich ihre Freiheit des Handelns zu wahren – vor Allen Doniphan, der sich durch genossenen Unterricht und natürliche Veranlagung sowohl Briant wie allen seinen Kameraden überlegen dünkte. Diese Eifersucht Doniphan's gegen Briant bestand übrigens schon seit langer Zeit, und schon weil letzterer von Geburt Franzose war, empfanden junge Engländer wenig Neigung, sich seiner Oberherrschaft zu fügen.

Es lag also die Befürchtung nahe, daß diese Umstände den Ernst der ohnehin beunruhigenden Lage noch verschlimmern könnten.

Inzwischen betrachteten Doniphan, Wilcox, Kross und Webb das schäumende, von Wirbeln aufgeregte und von Strömungen hingerissene Wasser, welches freilich schwer zu überwinden schien. Der geübteste Schwimmer hätte der Brandung des zurücksinkenden Meeres, welches der Sturm von rückwärts packte, nicht zu widerstehen vermocht. Der Ratschlag, einige Stunden zu warten, rechtfertigte sich also von selbst. Doniphan und seine Kameraden mussten das endlich einsehen, und so kehrten sie wieder nach dem Hinterdeck zurück, wo die Kleinen sich aufhielten.

Da sagte Briant zu Gordon und einigen Andern, die ihn umstanden:

»Wir dürfen uns auf keinen Fall trennen!… Bleiben wir zusammen, oder wir sind verloren!

– Du nimmst Dir doch nicht heraus, uns Vorschriften machen zu wollen? rief Doniphan, der jene Worte verstanden hatte.

– Ich nehme mir gar nichts heraus, antwortete Briant, und verlange nichts, als daß wir zum Heile Aller vereinigt handeln.

– Briant hat recht, erklärte Gordon, ein ernster, schweigsamer Knabe, der nie sprach, ohne seine Worte reiflich erwogen zu haben.

– Ja!… Ja!…« riefen einzelne der Kleinen, welche eine Art geheimer Instinkt trieb, sich an Briant anzuschließen.

Doniphan erwiderte nichts mehr; doch er und seine Kameraden hielten sich abseits in Erwartung der Stunde, wo zur Rettung geschritten werden sollte.

Doch welches Land lag eigentlich vor ihnen? Gehörte es zu einer der Inseln des Stillen Ozeans oder zu einem Festlande? Diese Frage musste vorläufig offen bleiben, da der »Sloughi« sich viel zu nahe dem Ufer befand, um einen hinreichenden Gesichtskreis überblicken zu können. Seine hohle, eine geräumige Bucht bildende Masse lief in zwei Vorgebirge aus – das eine ziemlich hoch und nach Norden zu scharf abgeschnitten, das andere in einer nach Süden vorgestreckten Spitze endigend. Vergebens suchte aber Briant mit einem der an Bord befindlichen Fernrohre zu erkennen, ob das Meer jenseits dieser Vorberge die Uferlinien einer Insel badete.

Im Fall dieses Land nämlich eine Insel war, entstand die ernste Frage, wie man diese wieder verlassen könne, wenn es sich als unmöglich erwies, den Schoner wieder flott zu machen, den die nächste Flut schon dadurch, daß sie ihn auf den Klippen hin und her warf, elend zertrümmern musste. Und war diese Insel obendrein unbewohnt – solche gibt es im Stillen Ozean gar viele – wie sollten auf sich selbst angewiesene Kinder, die nichts besaßen, als was ihnen vielleicht von den Vorräten der Yacht zu bergen gelang, sich die notwendigsten Lebensbedürfnisse verschaffen?

Auf festem Lande dagegen hätte sich die Aussicht auf Rettung entschieden verbessert, weil dieses Festland kein anderes als Südamerika sein konnte. Da mussten sie, auf dem Gebiet von Chile oder Bolivia, jedenfalls Hilfe finden, und wenn auch nicht sofort, so doch wenige Tage nach stattgehabter Landung. Freilich waren auf diesen Nachbargebieten der Pampas mancherlei schlimme Begegnungen zu fürchten – jetzt handelte es sich aber einzig darum, überhaupt erst das Land zu erreichen.

Die Witterung war jetzt klar genug geworden, um alle Einzelheiten desselben zu erkennen, und deutlich unterschied man das Vorland des Strandes, das hohe, diesen im Hintergrunde einrahmende Ufer, nebst verschiedenen auf letzterem zerstreuten Baumgruppen. Briant erkannte sogar die Mündung eines Rio rechts am Ufer.

Wenn der Anblick dieser Küste auch nichts besonders Anziehendes bot, so wies doch der grüne Vorhang derselben auf eine gewisse Fruchtbarkeit hin, welche der der Länder unter mittlerer Breite zu entsprechen schien. Voraussichtlich zeigte die Vegetation jenseits der Uferhöhe, wo sie Schutz vor den Seewinden und gewiss noch günstigeren Boden fand, eher eine üppigere Entwickelung.

Bewohnt schien der sichtbare Teil des Ufers nicht zu sein, wenigstens bemerkte man hier kein Haus und keine Hütte, nicht einmal an der Mündung des Rio. Vielleicht wohnten die Eingebornen, wenn es solche gab, mit Vorliebe mehr im Innern des Landes, wo sie dem heftigen Ansturme des Westwindes am wenigsten ausgesetzt waren.

»Ich kann nicht den geringsten Rauch entdecken, sagte Briant, das Fernrohr senkend.

– Und am Strande befindet sich kein einziges Boot, bemerkte Moko.

– Wie sollte das der Fall sein, da hier kein Hafen vorhanden ist?… warf Doniphan ein.

– Ein Hafen ist dazu nicht gerade notwendig, erwiderte Gordon. Einfache Fischerboote können auch in einer Flussmündung Schutz finden, und es wäre möglich, daß diese des Sturmes wegen sich hätten weiter landeinwärts zurückziehen müssen.«

Gordon's Bemerkung war ganz richtig. Mochte es nun diesen oder jenen Grund haben, jedenfalls war nirgends ein Boot wahrzunehmen, und in der Tat schien dieser Teil des Ufers keine Bewohner zu haben. Es musste demnach die erste Aufgabe der jungen Schiffbrüchigen werden, festzustellen, ob dasselbe sich überhaupt als bewohnbar erweise

Inzwischen sank das Wasser mit der Ebbe, doch sehr langsam, weiter zurück, denn der Wind von der Seeseite hemmte dessen Abfluss, obwohl dieser bei einer gleichzeitigen Drehung nach Nordwest schwächer zu werden schien. Jetzt galt es also sich bereit zu halten für den Augenblick, wo die Klippenreihe einen Übergang gestatten würde.

Es war nun gegen sieben Uhr. Jeder beschäftigte sich damit, die für den ersten Bedarf notwendigsten Gegenstände auf das Deck zu schaffen, in der Hoffnung, die übrigen aufzufischen, wenn die Wellen sie aus Ufer trügen. Die Großen wie die Kleinen legten hierbei die Hände an. An Bord befand sich unter anderem ein großer Vorrat an Konserven, Biskuit, an gepökeltem und geräuchertem Fleisch. Diese Nahrungsmittel wurden zu handlichen Ballen verpackt und sollten, unter die Größeren verteilt, von diesen an's Land geschafft werden.

Um das aber ausführen zu können, musste die Klippenreihe erst einen trockenen Weg bieten, und Niemand wußte doch, ob das Meer sich auch beim niedrigsten Stande soweit zurückziehen würde, um die Felsen bis zum Strande bloß zu legen.

Briant und Gordon beobachteten unablässig und aufmerksam das Meer. Mit der Veränderung der Windrichtung wurde die Luft merkbar ruhiger und die Gewalt der Brandung begann ebenfalls nachzulassen, so wie man leicht bemerken konnte, daß das Wasser an den hervorragenden Felsblöcken niedersank. Der Schoner selbst lieferte einen Beweis für diese Abnahme des Wasserstandes, da er sich noch etwas weiter nach Backbord überneigte. Es war sogar zu befürchten, daß diese Neigung noch ferner zunahm und er sich ganz auf die Seite legte, denn er hatte sehr seine Formen und einen schlank abgerundeten Rumpf mit hohem Kiel, gleich den schnellsegelnden Yachten. Wenn das Wasser dann das Vorderdeck des Fahrzeuges eher erreichte, als man das letztere verlassen konnte, musste die Situation sich äußerst bedrohlich gestalten.

Wie beklagenswert erschien es nun, daß die Boote vom Sturme weggerissen worden waren. Diese hätten hingereicht die ganze Gesellschaft aufzunehmen, und die jungen Leute wären jetzt schon in der Lage gewesen, einen Landungsversuch zu unternehmen. Und welche Bequemlichkeit, eine Verbindung zwischen Schoner und Küste zu unterhalten, um vielerlei nützliche Gegenstände, die jetzt an Bord zurückgelassen werden mussten, fortzuschaffen! Wenn der »Sloughi« schon die nächstfolgende Nacht vielleicht in Stücken ging, was waren seine Wracktrümmer wert, nachdem die Brandung sie durch die Klippenreihe hin gewälzt hatte? Konnten diese überhaupt noch nützliche Verwendung finden? Würden dann die noch übrigen Vorräte nicht vollständig havariert sein? Sahen sich die jungen Schiffbrüchigen nicht in kürzester Zeit allein auf die Hilfsquellen angewiesen, welche dieses Land ihnen bot?

  Ja, es war ein beklagenswerter Umstand, daß kein Boot mehr vorhanden war, um die Ausschiffung zu bewerkstelligen.

Plötzlich ertönte vom Vorderdeck ein lauter Aufschrei. Baxter hatte eine jetzt hochwichtige Entdeckung gemacht.

Die für verloren gehaltene Jolle hatte sich unter dem Knie des Bugspriets in den Ketten des letzteren gefangen. Diese Jolle konnte freilich nur fünf bis sechs Personen aufnehmen; doch da sie sich unbeschädigt zeigte, was leicht zu erweisen war, nachdem man sie aufs Deck gezogen hatte, erschien es nicht unmöglich, sie zu benützen, im Falle das Meer die Überschreitung der Klippen trockenen Fußes verhinderte. Hierzu musste man natürlich den niedrigsten Stand der Ebbe abwarten, und inzwischen kam es wieder zu einer lebhaften Auseinandersetzung, vorzüglich zwischen Briant und Doniphan.

Doniphan, Wilcox, Webb und Kross, die sich der Jolle bemächtigt hatten, gingen nämlich schon daran, sie wieder über Bord zu befördern, als Briant auf sie zutrat.

»Was beginnt Ihr hier? fragte er.

– Was uns passt! antwortete Wilcox.

– Ihr wollt dieses kleine Fahrzeug besteigen?…

– Ja, erwiderte Doniphan, und Du wirst uns nicht davon abhalten.

– Das werd' ich doch tun, ich und alle die Übrigen, die Du verlassen willst.

– Verlassen?… Wer sagt Dir das? antwortete Doniphan hochmütig. Ich will Niemand verlassen, verstehst Du? Wenn wir erst am Strande sind, wird Einer die Jolle zurückrudern…

– Und wenn er nicht zurückkehren kann, rief Briant, der sich nur mit Mühe beherrschte, wenn sie zwischen den Felsen leck würde…

– Einsteigen!… Zum Einsteigen fertig!« unterbrach ihn Webb, der Briant zurückdrängte.

Von Wilcox und Kross unterstützt, hob er schon das leichte Fahrzeug auf, um es ins Wasser zu bringen.

Briant packte dasselbe an dem einen Ende.

»Ihr werdet nicht einsteigen! rief er.

– Das wollen wir doch sehen! antwortete Doniphan.

– Ich sage Euch, Ihr steigt nicht ein! widerholte Briant, entschlossen im allgemeinen Interesse Widerstand zu leisten. Die Jolle muß zunächst für die Kleinsten zurückbehalten werden, im Falle auch bei niedrigem Meere zu viel Wasser stehen bliebe, um den Strand zu erreichen.

– Laß' uns in Ruhe! schrie Doniphan aufbrausend. Ich erkläre Dir nochmals, Briant, Du wirst uns nicht hindern zu tun, was wir wollen.

– Und ich wiederhole Dir, Doniphan, herrschte ihn Briant ebenso laut an, daß ich Euch doch hindern werde!«

Die beiden Knaben waren schon bereit, auf einander los zu stürzen. Bei diesem Streite hätten Wilcox, Webb und Kross natürlich für Doniphan Partei ergriffen, während sich Baxter, Service und Garnett voraussichtlich auf Briant's Seite stellten. Die Sache hätte die schlimmsten Folgen haben können, als Gordon sich noch ins Mittel legte.

Gordon, der älteste und besonnenste von Allen, sah das Beklagenswerte eines solchen Zwischenfalles ein, und war vernünftig genug, sich zu Gunsten Briant's auszusprechen.

»Halt! Halt, Doniphan! rief er, etwas Geduld! Du siehst doch, daß der Seegang noch stark ist und wir Gefahr laufen, unsere Jolle ganz einzubüßen.

– Ich mag es nicht leiden, daß Briant uns Gesetze vorschreibt, wie er sich das seit einiger Zeit angewöhnt hat, erwiderte Doniphan heftig.

– Nein!… Nein!… ließen Kross und Webb sich vernehmen.

– Es fällt mir gar nicht ein, irgendwem Gesetze vorzuschreiben, antwortete Briant, ich werde das aber auch keinem anderen gestatten, wenn es sich um das Interesse Aller handelt.

– Das liegt uns ebenso sehr am Herzen wie Dir, schleuderte ihm Doniphan entgegen; und jetzt wo wir auf dem Lande sind…

– Leider noch nicht, fiel ihm Gordon ins Wort. Trotze nicht ferner, Doniphan, und laß uns einen günstigen Augenblick abwarten, wo wir die Jolle verwenden können.«

Gordon trat zu sehr gelegener Zeit als Vermittler zwischen Briant und Doniphan – wozu er übrigens schon mehrfach Veranlassung gefunden hatte – und die Kameraden fügten sich seinen Vorstellungen.

Der Wasserstand hatte jetzt um zwei Fuß abgenommen, und es entstand die Frage, ob sich zwischen den Klippen vielleicht eine Art Canal hinziehe.

In der Meinung, von der Höhe des Fockmastes die ganze Anordnung des Klippengürtels besser übersehen zu können, begab sich Briant nach dem Vorderdeck, erklomm die Steuerbord-Wanten und kletterte dann noch an den Tauen der Bramstenge hinaus. Quer durch die Klippenbank zeigte sich da eine Durchfahrt, deren Richtung durch viele, sie auf beiden Seiten begrenzende Felsblöcke angedeutet war und der man folgen musste, wenn man mit Hilfe der Jolle nach dem Strande gelangen wollte. Augenblicklich freilich brodelte und wirbelte die Brandung hier noch viel zu heftig, um sich jener mit Erfolg bedienen zu können. Unfehlbar wäre die Jolle auf eine Felsspitze geworfen und damit schwer beschädigt, wenn nicht vernichtet worden. Es empfahl sich also noch so lange zu warten, bis das sinkende Meer hier eine gefahrlosere Wasserstraße zurückließ.

Von der Oberbramraa aus, auf welcher Briant reitend sich anklammerte, bemühte sich dieser, das Uferland noch genauer zu besichtigen. Er suchte mit dem Fernglase Stück für Stück den Strand ab bis zu der höher ansteigenden Hinterwand desselben. Zwischen den beiden, etwa acht bis neun Seemeilen voneinander entfernten Vorgebirgen schien die Küste völlig unbewohnt zu sein.

Nach halbstündigem Auslugen stieg Briant wieder hinunter und berichtete seinen Gefährten, was er gesehen. Wenn Doniphan, Wilcox, Webb und Kross ihm zuhörten, ohne etwas zu sagen, so fragte ihn Gordon dagegen:

»Als der »Sloughi« strandete, Briant, war es da nicht gegen sechs Uhr morgens?

– Ja, antwortete Briant.

– Und wie lange dauert es bis zum niedrigsten Wasserstande?

– Ich glaube fünf Stunden. – Nicht wahr, Moko?

– Ja, zwischen fünf und sechs Stunden, erklärte der Schiffsjunge.

– Das träfe also gegen elf Uhr ein, fuhr Gordon fort. Dann wäre der günstigste Zeitpunkt zu dem Versuche, die Küste zu erreichen.

– So hatt' ich auch gerechnet, bemerkte Briant.

– Nun wohl, nahm Gordon wieder das Wort, wir wollen uns für diese Zeit bereit halten und inzwischen etwas essen. Sind wir gezwungen selbst ins Wasser zu gehen, so geschehe das wenigstens mehrere Stunden nach eingenommener Mahlzeit.«

Ein guter Rat, wie er von diesem klugen Knaben zu erwarten war. Jetzt ging's also an das erste, aus Konserven und Biskuit bestehende Frühstück. Briant besorgte und überwachte dabei vorzüglich die Kleinen. Jenkins, Iverson, Dole, Costa begannen sich bei der glücklichen Sorglosigkeit ihres Alters schon wieder völlig zu beruhigen und hätten gewiss ohne jede Rücksicht drauf los gegessen, denn sie hatten seit vierundzwanzig Stunden nichts über die Lippen gebracht. Alles ging jedoch gut ab, und einige Tropfen mit Wasser verdünnten Brandys lieferten ein anregendes Getränk.

Nach eingenommenem Frühstück begab sich Briant wieder nach dem Vorderteile des Schoners und beobachtete, auf die Schanzkleidung gestützt, die Klippenreihe.

Wie langsam wich doch das Meer zurück! Es lag aber auf der Hand, daß dessen Niveau sich erniedrigte, denn die Schieflage des Schoners nahm noch weiter zu. Moko hatte mittels eines Senkbleis gefunden, daß noch mindestens acht Fuß Wasser über der Bank standen. Daß die Ebbe so tief sinken würde, um jene völlig trocken zu legen, glaubte Moko nicht annehmen zu dürfen und teilte seine Ansicht Briant heimlich mit, um Niemand unnötig zu erschrecken.

Briant setzte dann Gordon hiervon in Kenntnis. Beide begriffen, daß der Wind, obwohl er noch weiter nach Norden umgegangen war, doch das Meer verhinderte, soweit zurückzusinken, wie es bei stillem Wetter der Fall gewesen wäre.

»Was beginnen wir dann also? sagte Gordon.

– Ich weiß es nicht… ich weiß es nicht!… antwortete Briant. Und welches Unglück, es nicht zu wissen… welches Unglück, in unserer Lage fast noch Kinder und, wo es so nötig wäre, nicht Männer zu sein.

– Die Notwendigkeit wird unsere Lehrmeisterin sein, versicherte Gordon. Verzweifeln wir nicht, Briant, und handeln wir klug!

– Ja, handeln, Gordon! Wenn wir den »Sloughi« vor Wiedereintritt der Flut nicht verlassen haben, wenn wir noch eine Nacht an Bord bleiben müssen, sind wir verloren…

– Kein Zweifel, denn die Yacht wird dann zertrümmert werden. Wir müssen dieselbe auf jeden Fall verlassen haben…

– Gewiss; um jeden Preis, Gordon!

– Wäre es nicht ratsam, eine Art Floß oder etwas wie eine Fähre herzustellen?

– Daran hab' ich wohl auch gedacht, antwortete Briant, leider hat uns der Sturm aber alles dazu geeignete Material entführt. Die Schanzkleidung abzubrechen, um aus deren Teilen ein Floß zusammen zu zimmern, dazu fehlt uns die Zeit. So bleibt nur die Jolle übrig, deren wir uns aber bei dem schweren Seegange nicht bedienen können. Doch nein, wir könnten auch noch versuchen, ein Tau durch den Klippengürtel zu ziehen und dessen Ende an der Spitze eines Felsens zu befestigen. Vielleicht gelingt es uns, daran bis ganz in die Nähe des Strandes hingleiten zu können…

– Wer soll das Tau aber auslegen?

– Ich, erklärte Briant.

– Und ich werde Dir helfen, sagte Gordon.

– Nein, ich vollbring' es allein, versetzte Briant.

– Denkst Du dabei die Jolle zu benützen?

– Das hieße, es wagen, sie ganz einzubüßen, Gordon, und es ist besser, diese als allerletztes Hilfsmittel aufzubewahren.«

Bevor er zur Ausführung seines gefahrvollen Vorhabens schritt, wollte Briant jedoch, um jede unglückliche Möglichkeit auszuschließen, noch eine nützliche Maßregel treffen.

An Bord befanden sich verschiedene Schwimmgürtel, und er veranlasste die kleinsten Gefährten, sich sofort mit denselben auszurüsten. Im Fall sie die Yacht verlassen mussten, während das Wasser noch so tief war, daß diese mit den Füßen keinen Grund fanden, würden diese Apparate sie schwimmend erhalten, und die größeren Knaben, welche an dem Tau hinglitten, sollten sie dann nach dem Strande zu vor sich herschieben.

Es war jetzt zehneinviertel Uhr. Binnen fünfundvierzig Minuten musste die Ebbe den tiefsten Stand erreicht haben. Am Steven des »Sloughi« maß man nur noch vier bis fünf Fuß Wasser, es schien aber nicht, als ob dieser Stand sich noch um mehr als wenige Zoll erniedrigen sollte. Gegen sechzig Yards weiterhin stieg der Grund freilich merkbar höher auf, das verriet sich deutlich an der mehr schwärzlichen Farbe des Wassers, sowie an den zahlreichen Spitzen, die längs des Strandes aufgetaucht waren. Die Schwierigkeit lag nur darin, über die tiefere Stelle vor dem Schiffe glücklich hinweg zu kommen. Gelang es Briant, in dieser Richtung ein Tau auszulegen und es an einem Felsen haltbar zu befestigen, so musste dieses Tau, nach dessen Anspannung mittels des Gangspills an Bord, es ermöglichen, eine Stelle zu erreichen, wo man wenigstens Grund fand. Holte man an demselben Kabel die Ballen mit Mundvorräten und Werkzeugen herüber, so gelangten diese voraussichtlich unbeschädigt an's Land.

Wie gefährlich dieser Versuch auch sein mochte, so wollte Briant doch Niemand gestatten, für ihn einzutreten, und er traf demgemäß seine Vorbereitungen.

Am Bord befanden sich mehrere schwächere Taue von etwa hundert Fuß Länge, welche gelegentlich zum Bugsieren gedient hatten. Briant wählte eines von mittlerer Dicke, das ihm am geeignetsten erschien, und befestigte dasselbe, nachdem er sich halb entkleidet, am Gürtel.

»Jetzt Achtung, Ihr Andern! rief Gordon. Seid bei der Hand, das Tau nachgleiten zu lassen. Hierher aufs Vorderdeck!«

Doniphan, Wilcox, Kross und Webb konnten ihre Mithilfe bei einem Unternehmen nicht verweigern, dessen Wichtigkeit sie einsahen. Trotz ihrer Misslaune ließen sie sich dazu herbei, an dem Tau mit anzufassen und dieses je nach Bedarf nachschießen zu lassen, um Briant's Kräfte möglichst zu schonen.

In dem Augenblicke, wo dieser bereit stand über Bord zu springen, näherte sich ihm sein Bruder und rief:

»Ach, Briant, was wagst Du?

– Keine Furcht, Jacques! Ängstige Dich nicht um mich!« antwortete der mutige Knabe.

Gleich darauf sah man ihn schon im Wasser auftauchen und mit kräftiger Bewegung fortschwimmen, während das Tau ihm nachrollte.

Selbst bei ruhigem Meere wäre dieses Unternehmen sehr schwierig gewesen, denn die Brandung schlug stets heftig gegen das Felsengewirr. Strömungen und Gegenströmungen hinderten den unerschrockenen Knaben oft eine gerade Richtung einzuhalten, und wenn sie ihn packten, hatte er große Mühe, sich wieder herauszuarbeiten.

Immerhin kam Briant dem Strande allmählich näher, während seine Kameraden das Tau nach Bedarf ablaufen ließen. Offenbar aber nahmen seine Kräfte ab, obwohl er sich erst fünfzig Fuß weit vom Schoner befand. Vor ihm tobte jetzt ein heftiger Wirbel, erzeugt durch verschieden aufeinandertreffende Wellen. Gelang es ihm, um diesen herumzukommen, so durfte er hoffen, sein Ziel zu erreichen, denn hinter demselben war das Wasser bedeutend ruhiger. Er versuchte also sich mit aller Anstrengung nach links zu werfen. Vergeblich! Auch der beste Schwimmer im kräftigsten Mannesalter wäre hieran gescheitert. Von der durcheinanderschießenden Wellenbewegung erfasst, wurde Briant unwiderstehlich nach der Mitte des Wirbels gezogen.

»Zu Hilfe!… Zieht an!… Holt ein!« hatte er noch die Kraft zu rufen, bevor er verschwand.

An Bord der Yacht verbreitete sich ein unbeschreiblicher Schrecken.

»Holt ein!«… rief Gordon kaltblütig.

Seine Kameraden beeilten sich das Tau schnell einzuziehen, um Briant wieder an Bord zu holen, ehe er durch zu langes Verweilen unter Wasser erstickte.

Binnen weniger als einer Minute war Briant – freilich bewusstlos – an Bord geholt; er kam jedoch in den Armen seines Bruders bald wieder zu sich.

Der Versuch, ein Tau irgendwo an der Klippenreihe zu befestigen, war missglückt und Keiner hätte ihn mit Aussicht auf Erfolg wiederholen können. Die unglücklichen Kinder waren also darauf angewiesen, ruhig zu warten… Auf was denn zu warten?… Auf Unterstützung?… Doch von welcher Seite und von wem hätte eine solche kommen können?

Jetzt war schon Mittag vorüber; die Flut machte sich bereits bemerkbar und die Brandung wurde stärker. Da gleichzeitig Neumond war, musste die Flut sogar höher steigen als am vergangenen Tage. Wenn dazu der Wind wieder mehr nach der Seite des hohen Meeres zurückging, lief der Schoner Gefahr, von seinem Felsenbett noch einmal abgehoben zu werden… Er streifte dann von Neuem den Grund, er musste an den Klippen kentern! – Diesen endlichen Ausgang

des Schiffbruchs hätte Keiner überlebt. Und jetzt war nichts zu tun… nichts!

Auf dem Achterdeck versammelt, die Kleinen in der Mitte der Großen, betrachteten Alle das Wiederanschwellen des Meeres, das sich durch die nach einander verschwindenden Klippenhäupter verriet. Leider war der Wind wieder nach Westen umgeschlagen, und wie in vergangener Nacht peitschte er das Land mit voller Wucht. Mit dem sich vertiefenden Wasser wuchsen auch die Wellen wieder an, hüllten den »Sloughi« in feuchte Dünste und mussten bald über denselben hinweg branden. Gott allein konnte den jungen Schiffbrüchigen zu Hilfe kommen, und ihre Gebete vermischten sich mit ihren Angstrufen.

Kurz vor zwei Uhr hatte der Schoner sich wieder aufgerichtet und lag jetzt nicht mehr nach Backbord geneigt. Infolge seines Stampfens stieß er aber mit dem Vorderteile auf den Grund, obwohl sein Hintersteven noch auf dem Felsen festsaß.

Bald wiederholten sich die Stöße ohne Unterlass und der »Sloughi« rollte dabei von einer Seite zur anderen. Die Kinder mussten sich fest aneinander halten, um nicht über Bord geschleudert zu werden.

In diesem Augenblicke kam ein schaumgekrönter Berg von der offenen See her angestürmt und türmte sich zwei Kabellängen von der Yacht noch höher auf. Man hätte ihn für die ungeheure Woge einer Springflut, wie diese in einige große Ströme sich eindrängt, halten können. In einer Höhe von über zwanzig Fuß kam er herangedonnert, brauste über den Klippengürtel hinweg und hob den »Sloughi« auf, den er über die Felsen wegtrug, ohne daß sein Kiel dieselben nur streifte.

Binnen weniger als einer Minute wurde der »Sloughi«, umhüllt von der gurgelnden Wassermasse, bis mitten auf den Strand und hier auf einen Sandhügel geworfen, so daß er kaum zweihundert Schritte von den Bäumen des hohen Uferrandes entfernt lag. Hier blieb er, diesmal auf dem festen Lande, unbeweglich sitzen, während das wieder abflutende Meer den Strand trocken zurückließ.

Drittes Kapitel

Die Pension Chairman in Auckland. – Große und Kleine. – Ferien auf dem Meere. – Der Schoner »Sloughi« – Die Nacht des 15. Februar. – Verschollen. – Sturm. – Beratung in Auckland. – Was vom Schoner übrig ist.

Zur Zeit, da unsere Geschichte spielt, war die Pension Chairman eine der angesehensten in Auckland, der Hauptstadt Neuseelands, jener bedeutenden englischen Kolonie im Stillen Ozean. Dieselbe zählte gegen hundert, den besten Familien des Landes angehörige Zöglinge. Die Maoris, die Eingebornen der Inselgruppe, konnten in derselben ihre Kinder nicht unterbringen, doch waren für letztere andere Unterrichts- und Erziehungsanstalten vorhanden. Die Pension Chairman besuchten nur junge Engländer, Franzosen, Amerikaner und Deutsche, lauter Söhne von Plantagenbesitzern, Rentnern, Kaufleuten oder Beamten des Landes. Sie erhielten hier eine allseitige Erziehung und Ausbildung, vollkommen entsprechend derjenigen, welche die ähnlichen Anstalten des Vereinigten Königreiches gewähren.

Der Archipel von Neuseeland besteht zunächst aus zwei Hauptinseln, nämlich Ika-Na-Mawi oder die Fischinsel im Norden, und Tamaï-Ponamu oder Nephrit-Land im Süden. Durch die Cook Straße getrennt, liegen diese zwischen den 34. und 45. Grade südlicher Breite, was auf der nördlichen Halbkugel etwa der Lage Nordafrikas und Italiens entspricht.

Die in ihrem südlichen Teile stark zerrissene Insel Ika-Na-Mawi bildet eine Art unregelmäßiges Rechteck, das sich nach Norden zu in einem durch das Cap Van-Diemen abgeschlossenen Bogen fortsetzt.

Fast am Anfange dieses Bogenstückes und an einer Stelle, wo die Halbinsel nur wenige (englische' Meilen (zu je 1609 Meter) Breite misst, ist Auckland erbaut. Die Stadt liegt also ganz ähnlich wie das griechische Korinth und hat wirklich auch den Namen »das südliche Korinth« erhalten. Im Westen und im Osten besitzt sie je einen offenen Hafen. Da der östliche, der im Hauraki-Golf liegt, nicht tief genug ist, hat man mehrere jener langen »Piers« (nach englischem Vorbilde) erbauen müssen, an denen wenigstens Schiffe von mittlerem Tonnengehalt anlegen können. Unter diesen befindet sich der »Commercial- Pier,« an welchem die Queens-Street, eine der Hauptstraßen der Stadt, ausmündet.

In der Mitte dieser Straße hat man die Pension Chairman zu suchen.