Der Frauenmörder - Eckhard Toboll - E-Book

Der Frauenmörder E-Book

Eckhard Toboll

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Beschreibung

Berlin ist in Aufruhr: Mehrere junge Frauen sind plötzlich spurlos verschwunden. Alle gerade erst in der Großstadt Berlin angekommen, alleinstehend und, wie die jeweiligen Vermieter übereinstimmend aussagen, berichteten alle von der Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen Mann, der sie bald zu heiraten beabsichtigte. ... Inspektor Krause ist der beste Mann von Dr. Clusius, dem Chef der Berliner Kriminalpolizei. Er ist so eine Art deutscher Sherlock Holmes, der Mann für die unlösbaren Fälle im Berlin der 1920er-Jahre. Krause sucht sich seine Fälle selbst aus, Dr. Clusius macht Vorschläge, Krause übernimmt. Oder auch nicht. In diesem Fall übernimmt Krause: vier, bald 5 junge Frauen sind verschwunden und in allen Fällen sind die Gemeinsamkeiten unübersehbar. Alle hatten einen Verlobten, mit dem sie ein Haus an der Havel besichtigen wollten. Alle wollten spätestens nach ein, zwei Tagen wieder zurück sein, wie sie ihren Vermieterinnen versicherten. Und alle blieben verschwunden. Fünf junge Frauen, die keine Bekannten, keine Familie zu haben schienen. Auch nach der Berichterstattung in den Zeitungen meldet sich niemand, der auch nur eine von ihnen kannte. Das, was man über den angeblichen Bräutigam erfahren kann, lässt ganz eindeutig darauf schließen, dass es in allen Fällen ein und derselbe Mann ist. Ein Massenmörder scheint sein Unwesen zu treiben. Es gilt, ihn schnell seiner Taten zu überführen, bevor weiteres Unheil geschieht.

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Handlung
Biografie von Hugo Bettauer
Hochzeit und Auswanderungen
Zweite Heirat
Karriere nach dem Krieg
Ermordung und Gerichtsverfahren
Sonstiges
1. Kapitel
Die Müller, Möller, Jensen und Pfeiffer
2. Kapitel
Joachim von Dengern, alias Krause
3. Kapitel
Vier Mädchen ohne Anhang
4. Kapitel
Selma Cohen als Fünfte
5. Kapitel
Idylle an der Havel
6. Kapitel
Der blonde Herr mit dem Kneifer
7. Kapitel
Thomas Hartwig
8. Kapitel
Im Literaten-Café
9. Kapitel
Lotte Fröhlich
10. Kapitel
Überführt!
11. Kapitel
Unterhaltung mit einem Mörder
12. Kapitel
Kämpfende Seelen
13. Kapitel
Drei Menschen
14. Kapitel
Das große Rätsel
15. Kapitel
Der große Prozeß
16. Kapitel
Die Sensationspremiere
17. Kapitel
Die Bombe platzt!
18. Kapitel

Impressum

„Der Frauenmörder“ von Hugo Bettauer

Erstausgabe von 1922

Verlag: Neopubli, epubli.de, Berlin 

ISBN: 978-3-748526-38-4

copyright©by Eckhard Toboll

ebook-Produktion und Cover: Eckhard Toboll

Website: http://www.ectob.de

eMail: [email protected]

Handlung

Berlin ist in Aufruhr: Mehrere junge Frauen sind plötzlich spurlos verschwunden. Alle gerade erst in der Großstadt Berlin angekommen, alleinstehend und, wie die jeweiligen Vermieter übereinstimmend aussagen, berichteten alle von der Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen Mann, der sie bald zu heiraten beabsichtigte. ...

Inspektor Krause ist der beste Mann von Dr. Clusius, dem Chef der Berliner Kriminalpolizei. Er ist so eine Art deutscher Sherlock Holmes, der Mann für die unlösbaren Fälle im Berlin der 1920er-Jahre.

Krause sucht sich seine Fälle selbst aus, Dr. Clusius macht Vorschläge, Krause übernimmt. Oder auch nicht. In diesem Fall übernimmt Krause: vier, bald 5 junge Frauen sind verschwunden und in allen Fällen sind die Gemeinsamkeiten unübersehbar. Alle hatten einen Verlobten, mit dem sie ein Haus an der Havel besichtigen wollten. Alle wollten spätestens nach ein, zwei Tagen wieder zurück sein, wie sie ihren Vermieterinnen versicherten.

Und alle blieben verschwunden. Fünf junge Frauen, die keine Bekannten, keine Familie zu haben schienen. Auch nach der Berichterstattung in den Zeitungen meldet sich niemand, der auch nur eine von ihnen kannte.

Das, was man über den angeblichen Bräutigam erfahren kann, lässt ganz eindeutig darauf schließen, dass es in allen Fällen ein und derselbe Mann ist. Ein Massenmörder scheint sein Unwesen zu treiben. Es gilt, ihn schnell seiner Taten zu überführen, bevor weiteres Unheil geschieht.

Biografie von Hugo Bettauer

Maximilian Hugo Bettauer wurde als Sohn des Börsenmaklers Arnold (Samuel Aron) Betthauer aus Lemberg und dessen Ehefrau Anna geb. Wecker geboren. Er war das jüngste Kind und hatte noch zwei ältere Schwestern, Hermine (Michi) und Mathilde. 1887/1888 besuchte er die 4. Klasse des Franz-Josephs-Gymnasiums auf der Stubenbastei; sein damaliger Mitschüler Karl Kraus schätzte ihn nicht besonders, nahm ihn aber später gegen die Wiener Skandalpresse in Schutz. 

Mit 16 Jahren riss Bettauer von zu Hause aus und reiste nach Alexandria, von wo er wieder zurückgeschickt wurde.

1890 konvertierte Bettauer vom jüdischen zum evangelischen Glauben und änderte seinen Namen von Betthauer in Bettauer. Im selben Jahr ging er als Einjährig-Freiwilliger zu den Kaiserjägern.

Hochzeit und Auswanderungen 

Nach fünf Monaten in Tirol schied er nach Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten wieder aus dem Militärdienst aus. Gemeinsam mit seiner Mutter zog er nach Zürich und trat mit 24 Jahren (1896) das beachtliche väterliche Erbe an.

In Zürich heiratete er seine Jugendliebe Olga Steiner und wanderte mit ihr nach dem Tod seiner Mutter in die USA aus. Noch während der Überfahrt verlor Bettauer durch eine Spekulation sein gesamtes Vermögen. Die beiden blieben bis 1899 in New York, wo seine Frau als Schauspielerin auftrat. Da Bettauer keine Arbeit fand, zogen beide nach Berlin, wo ihr Sohn Heinrich Gustav Hellmuth zur Welt kam.

In Berlin arbeitete Bettauer als Journalist mit amerikanischer Staatsbürgerschaft und wurde durch das Aufdecken einiger Skandale bekannt. Unter anderem schrieb er infolge eines Skandals das 1921 erschienene Buch Bobbie, in dem er einen reichen und mächtigen Kindesentführer beschrieb. 1901 wurde Bettauer nach dem Selbstmord des Direktors des Berliner Hoftheaters, den er der Korruption bezichtigt hatte, aus Preußen ausgewiesen.

Bettauer zog nach München, arbeitete im Kabarett Die Elf Scharfrichter und ging im Herbst 1901 nach Hamburg, um dort Leiter des Fachblattes Küche und Keller zu werden.

Zweite Heirat 

Nach der Scheidung von seiner Frau lernte Bettauer in Hamburg seine zweite Frau, die damals 16-jährige Helene Müller, kennen. 1904 brannte Bettauer mit Helene durch und emigrierte erneut nach Amerika. Auf der Überfahrt heiratete er seine Geliebte, die im selben Jahr noch einen Sohn (Reginald Parker) zur Welt brachte. In New York arbeitete er als Journalist für Zeitungen und begann, für diese Fortsetzungsromane zu schreiben.

1910 kehrte er nach Wien zurück und begann bei der Neuen Freie Presse. Als er zu Beginn des Ersten Weltkriegs in die Armee eintreten wollte, wurde ihm dies mit Hinweis auf seine US-Staatsbürgerschaft verwehrt.

Als Kriegsberichterstatter wurde ihm von der Neuen Freien Presse nur eine reparierte Schreibmaschine zugestanden, die der aufgebrachte Redakteur postwendend auf den Mist warf. Die fristlose Entlassung folgte umgehend (1918). 

Karriere nach dem Krieg

Unmittelbar nach dem Krieg arbeitete Bettauer als Korrespondent für New Yorker Zeitungen und startete in den USA ein Hilfsprogramm für die Wiener Bevölkerung. Ab 1920 schrieb er Romane in großer Produktion; jährlich erschienen vier bis fünf Titel. Bettauer spezialisierte sich auf Kriminalromane mit sozialem Engagement. Populär wurden seine Romane auch dadurch, dass ihre Schauplätze nicht allein Wien, sondern auch New York und Berlin waren.

Sein bekanntester Roman wurde Die Stadt ohne Juden aus dem Jahre 1922, in dem er schildert, wie sich Wien entwickeln würde, wenn alle Juden auswandern müssten. Er griff damit den in Wien immer offensiver zutage tretenden Antisemitismus auf, glaubte aber dennoch an ein friedliches Zusammenleben der Religionen: Er ließ seinen Roman auch mit dem „Einsehen“ der Christen enden, dass die Juden zum Wohle der Stadt zurückgeholt werden müssen.

Ab 1924 gab er die Zeitschrift Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik heraus, die später unter dem Titel Bettauers Wochenschrift fortgeführt wurde. Das Journal sorgte regelmäßig für Skandale ob seiner aufklärerischen und teilweise reißerischen Inhalte. Er setzte sich unter anderem für ein modernes Scheidungsrecht, Schwangerschaftsabbruch und Straffreiheit für Homosexualität unter Erwachsenen ein. Wie in den USA setzte er auch hier das Konzept des Fortsetzungsromans um. Bettauer verdiente im Lauf der Zeit zusätzlich an seinen Buchrechten für Bühnen- und Filmversionen.

Er gehörte damit nicht nur zu den umstrittensten, sondern auch erfolgreichsten Schriftstellern seiner Zeit. In der Verfilmung Die freudlose Gasse (G. W. Pabst, 1925) feierte Greta Garbo ihr internationales Leinwanddebüt. Die Stadt ohne Juden wurde 1924 unter Regisseur Hans Karl Breslauer u. a. mit Hans Moser und Ferdinand Maierhofer verfilmt.

Auf Grund seines „Entdeckungsjournalismus“ und seines Eintritts für sexuelle Aufklärung und Freizügigkeit wurde Bettauer immer wieder Gegenstand von öffentlichen Diskussionen. Seine Gegner versuchten ihn als „Asphaltliteraten“ zu disqualifizieren. Nach einer öffentlichen Eskalation des Streits und der Beschlagnahme der Zeitschrift wurde gegen Bettauer ein Prozess angestrengt, begleitet von öffentlichen Drohungen und Mordaufrufen. Bettauer wurde überraschend freigesprochen, und die Nachfolgezeitschrift erreichte mit 60.000 Exemplaren die höchste Auflage unter den damaligen Wochenzeitungen.

Ermordung und Gerichtsverfahren 

Nach einer wochenlangen Medienkampagne gegen Bettauer schoss der Zahntechniker Otto Rothstock am 10. März 1925 Bettauer in seiner Redaktion (Lange Gasse 5–7) nieder. Bettauer wurde schwer verletzt mit fünf Schüssen in Brust und Arme ins Krankenhaus eingeliefert. Am 26. März starb er im Alter von 52 Jahren an den Folgen des Attentats. 

Noch während er im Krankenhaus lag, kam es im Wiener Gemeinderat zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Über die Motive des Attentäters wurde lange gerätselt. Dieser behauptete, er habe ein Fanal gegen die angebliche Sittenlosigkeit eines Autors setzen wollen, der mit seinen sexuell freizügigen Schriften berühmt geworden sei. Fakt ist, dass Otto Rothstock vor dem Anschlag Mitglied der NSDAP war, wieder austrat und nach der Tat von NS-nahen Anwälten und Freunden unterstützt wurde. Vom Geschworenengericht wurde er zwar wegen des Mordes freigesprochen, das Gericht veranlasste aber die Einweisung des Attentäters in eine psychiatrische Klinik, die er nach 18 Monaten Ende Mai 1927 als freier Mann verließ. 

Sonstiges

Bettauers Roman Die Stadt ohne Juden und seine darauf folgende Ermordung regten Artur Landsberger zur Romangroteske Berlin ohne Juden (1925) an.

2009 wurde im 8. Wiener Gemeindebezirk Josefstadt eine Verkehrsfläche nahe den ehemaligen Redaktionsräumen in Hugo-Bettauer-Platz benannt.

1. Kapitel

 Die Müller, Möller, Jensen und Pfeiffer

»Lieber Krause, Sie müssen Klarheit in die Sache bringen! Nur läppischer Zufall? Ne, das glaube ich nicht und Sie glauben es auch nicht, soweit ich aus Ihrem wieder einmal total versteinerten Gesicht lesen kann! Innerhalb von sechs Wochen verschwinden unter Hinterlassung ihrer Habseligkeiten vier Mädchen, alle zwischen zweiundzwanzig und sechsundzwanzig Jahren, alle vier heiratstoll und mit je einem fragwürdigen Bräutigam behaftet – ne, lieber Krause, da liegt kein dämlicher Zufall vor, sondern ein Verbrechen! Und dem müssen wir auf die Spur kommen.«

Krause sah den Chef der Berliner Kriminalpolizei, Dr. Clusius, aus wasserhellen, verschlafenen, müden und leblosen Augen bewegungslos an und sagte, während es nervös um seine dünnen, blutleeren, bartlosen Lippen zuckte:

»Herr Doktor sind sehr aufgeregt! Und das ist nicht gut, denn wenn Herr Doktor aufgeregt sind, gelingt es Ihnen nicht, mir ein klares Bild zu geben. Darf ich also bitten, mir nun in aller Ruhe zu sagen, was Herrn Doktor zu der Annahme gebracht hat, daß ein grauenhafter Unhold sein Wesen treibt und Mädchen verschleppt?«

Die Schmisse im runden Gesicht des hohen Kriminalbeamten färbten sich rot, weil er aus den Worten des Krause eine leise Ironie herauszuhören glaubte. Er strich sich hastig durch die schütteren, ein wenig angegrauten Haare und blätterte in den Papieren, die vor ihm lagen.

»Sie sind heute wieder unausstehlich, Krause! Aber meinethalben! Machen Sie sich Ihre Notizen und ich werde alles genau erzählen.«

Krause rührte sich nicht.

»Herr Doktor belieben zu vergessen, daß ich mir niemals Notizen machen muß, weil ich Gelegenheit genug hatte, mein Gedächtnis zu schärfen.«

Dr. Clusius erhob seine Stimme.

»Jawohl, Herr von Krause, ich gestattete mir, einen Augenblick Ihre Biographie zu negligieren. Also gut, schreiben Sie nicht auf, aber setzen Sie sich und bringen Sie mich nicht zur Verzweiflung.

Ich habe Ihnen gesagt, daß dem Polizeipräsidium innerhalb einiger Wochen vier Vermißtanzeigen zugegangen sind. Es handelt sich um folgende Fälle: Ein Mädchen, laut Meldeschein Trude Müller aus Berlin, dreiundzwanzig Jahre alt, hat am ersten Juli bei der Witwe Wendler, Waterloo-Ufer sechs, ein Zimmer gemietet. Die junge Dame machte einen guten, vertrauenswürdigen Eindruck, gab an, Lehrerin zu sein und demnächst heiraten zu wollen. Die Miete für das Zimmer zahlte Trude Möller für einen Monat im vorhinein. Am sechsten Juli erzählte sie ihrer Wirtsfrau, daß sie mit ihrem Bräutigam eine kleine Reise unternehmen müsse. Er wolle ein Besitztum an der Havel unweit von Ketzin erwerben und es vor Kaufabschluß mit ihr besichtigen. Sie werde in Ketzin bei einer Tante ihres Bräutigams übernachten und morgen, spätestens übermorgen wieder zurück sein. Das Mädchen machte rasch eine Handtasche zurecht und stellte ihren Bräutigam, der gleich darauf mit einem Autotaxi vorgefahren kam, der Frau Wendler vor. Dieser Bräutigam dürfte angeblich Schollern oder Schullern geheißen haben, trug einen Kneifer und wird als hagerer, blonder Mann in den Dreißigern geschildert. Die Müller kam nicht mehr zurück und am sechzehnten Juli erstattete Frau Wendler die Abgängigkeitsanzeige, der das Revieramt keine sonderliche Aufmerksamkeit schenkte. Der von Fräulein Müller hinterlassene Holzkoffer ist noch uneröffnet und hinterliegt jetzt hier im Aufbewahrungsraum des Präsidiums.

Zweiter Fall: Am fünften Juli erschien in der Pension der Frau Zinkenbach in der Nürnbergerstraße ein Mädchen und mietete ein Zimmer mit voller Verpflegung. Die Dame zog am zehnten Juli ein und füllte den Anmeldeschein höchst flüchtig mit Grete Möller, geboren in Hamburg, fünfundzwanzig Jahre alt, Private, aus. Schon zwei Tage später teilte sie dem Stubenmädchen frühmorgens mit, daß sie auf etwa zwei Tage verreisen werde, um mit ihrem Bräutigam ein Haus in der Havelgegend zu besichtigen. Den Bräutigam, der mit einem Taxicab vorfuhr, hat niemand als der Portier gesehen, und dieser kann sich nur an einen blonden Herrn mit Kneifer erinnern. Auch Fräulein Möller ist nicht mehr zurückgekehrt.

Dritter Fall: Am fünfzehnten Juli mietete ein Fräulein Annemarie Jensen, ebenfalls in Hamburg geboren, vierundzwanzig Jahre alt, ein bescheidenes Zimmer in der Fremdenpension der Frau Lestikow in der Motzstraße. Sie erzählte, sie sei eben aus Nordamerika zurückgekehrt und suche in Berlin eine Stelle als Hausdame. Einige Tage später aber vertraute sie der Frau Lestikow an, einen Herrn kennen gelernt zu haben, der sie zu verehren scheine. Er sei sehr wohlhabend, in den besten Jahren, ein hochgebildeter Mann, Naturforscher und beabsichtige, sich unweit von Berlin anzukaufen, um in Ruhe seinen Forschungen leben zu können. Am einundzwanzigsten Juli kam Fräulein Jensen spätabends nach Hause und teilte der Frau Lestikow, die noch wach war sehr erregt mit, daß sie sich mit dem Naturforscher verlobt habe und am anderen Tag mit ihm nach dem Havelstädtchen Ketzin reisen wolle, um dort ein in der Nähe befindliches Haus mit Garten zu besichtigen. Der Bräutigam, der anderen Tages gegen zehn Uhr vormittags Fräulein Jensen abholte, wurde von Frau Lestikow gesehen und ihr als Doktor Schindler vorgestellt. Er war sehr wortkarg, trieb zur Eile an, trug einen Kneifer, war schlank und blond. Fräulein Jensen kam, obwohl auch sie vorausgezahlt und ihr Gepäck hinterlassen hatte, nicht mehr zurück.

Vierter und letzter Fall: Käthe Pfeiffer, geboren in Bayern, ohne Angabe des Ortes, fünfundzwanzig Jahre alt, Kontoristin, mietete am zwanzigsten Juli ein möbliertes Zimmer bei der Witwe Klappholz in der Krummenstraße in Charlottenburg. Frau Klappholz sah ihre Mieterin, die den ganzen Tag außer Haus war, nur selten. Am fünfundzwanzigsten Juli verließ Käthe Pfeiffer um sechs Uhr morgens das Haus und hinterließ folgendes Schreiben:

Werte Frau Klappholz!

Ich verreise auf zwei Tage, da mein Bräutigam eine Villa an der Havel kaufen soll, die ich natürlich vorher auch besichtigen möchte. Bin spätestens übermorgen wieder hier. Bitte aufzupassen, daß nichts aus meinem Zimmer fortkommt. Bestens grüßend

Käthe Pfeiffer.

Den Bräutigam hat niemand gesehen, Fräulein Pfeiffer ist nicht mehr zurückgekehrt und Frau Klappholz hat am fünften August, also genau vor einer Woche, die Anzeige erstattet.«

Dr. Clusius blies vor sich hin, streckte die Beine weit aus, schob Krause die Zigarren zu, zündete sich selbst eine an und sagte:

»Ich bin fertig und werde wirklich staunen, wenn Sie sich alles gemerkt haben. Und nun, lieber Krause, was halten Sie davon?«

In Krause kam jetzt endlich Bewegung. Er stand auf, ging zum Fenster, warf einen Blick auf den Alexanderplatz, lachte kurz und trocken auf, weil ihm zwei dicke Frauen, die ihm Verlauf eines Tratsches ihre Marktkorbe gegeneinander schwenkten, komisch erschienen, drehte sich dann um und sprach, während sein mageres, verwittertes Gesicht, das mit der scharfen Hakennase einem Schauspieler, einem Jockei, aber auch einem ein wenig degenerierten Aristokraten gehören konnte, sich in tausend Falten und Fältchen legte, tonlos, ohne Erregung, gleichgültig, als würde es sich um eine Wetterfrage handeln:

»Ich habe mir jedes Detail gemerkt, und das war nicht schwer, weil diesen aus den Polizeirevieren stammenden Berichten eben jedes Detail fehlt. Was ich davon halte? Nun, dem Anschein nach könnte es sich allerdings um vier ganz gleichartige Verbrechen, begangen von ein und derselben Person, handeln.«

Der oberste Kriminalbeamte von Berlin sah den hageren, irgendwie grau erscheinenden und ganz in Grau gekleideten Mann interessiert an.

»Sie drücken sich sehr vorsichtig aus, Krause! Dem Anschein nach und könnte sich – – – Wollen Sie also den Fall übernehmen?«

»Sicher, er ist ernst genug, um mich anzuregen.«

Dr. Clusius lächelte und nickte befriedigt.

»Was wollen wir also zunächst unternehmen?«

»Ganz klar, Herr Doktor! Morgen vormittag müssen hier in diesem Zimmer die zurückgelassenen Gegenstände der verschwundenen Frauen, ihre Anmeldescheine und die vier Vermieterinnen, bei denen sie gewohnt hatten, sowie der Portier aus der Motzstraße zur Stelle sein. Na, vor dem Gequatsch der vier Weiber graut mir jetzt schon! Aber es muß überstanden werden und dann gehe ich los!«

Die Worte: »Dann gehe ich los« gefielen dem Chef so außerordentlich, daß er sich vergnügt die Hände rieb. Ich gehe los – das hatte bei Krause zu bedeuten, daß er sich aus einem apathischen Nörgler in eine Dynamomaschine verwandelte und wirklich losging, wie ein Auto mit achtzig Pferdekräften. Krause ging nicht immer los, aber wenn er losging, dann arbeitete er mit hundert Sinnen und Gehirnen.

2. Kapitel