Zwiefacher Irrtum - Prosper Mérimée - E-Book
SONDERANGEBOT

Zwiefacher Irrtum E-Book

Prosper Mérimée

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieses eBook: "Zwiefacher Irrtum" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Einerseits hatten sich hohe Verwandte die Beine abgelaufen, um die Interessenangelegenheiten zu regeln. Andererseits gehörte Chaverny einer guten Familie an. Damals war er noch nicht zu dick, war munter, und, in der ganzen Ausdehnung des Wortes das, was man einen guten Jungen nennt. Mit Vergnügen sah Julie ihn bei ihrer Mutter verkehren, weil er sie zum Lachen brachte, indem er ihr Geschichten aus seinem Regimente mit einer Komik erzählte, die nicht immer von gutem Geschmack war." Prosper Mérimée (1803-1870) war ein französischer Schriftsteller.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prosper Mérimée

Zwiefacher Irrtum

e-artnow, 2017
ISBN 978-80-273-0160-7

Inhaltsverzeichnis

I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.

I.

Inhaltsverzeichnis

Seit etwa sechs Jahren war Julie von Chaverny verheiratet und hatte seit fast fünf Jahren und sechs Monaten nicht nur eingesehen, daß sie ihren Gatten unmöglich lieben könnte, sondern daß es auch noch schwierig sei, einige Achtung vor ihm zu haben.

Der Gatte war ja kein unanständiger Mensch; war weder ein Dummkopf noch ein Einfaltspinsel. Vielleicht indessen hatte er von alledem etwas abbekommen. Wenn sie in ihren Erinnerungen gekramt, hätte es ihr wieder einfallen können, daß sie ihn einstmals liebenswürdig gefunden. Jetzt aber langweilte er sie, fand sie ihn durchaus abstoßend. Seine Art zu essen, Kaffee zu trinken, zu sprechen, machte sie nervös und ungeduldig. Sie sahen und sprachen sich fast nur bei Tisch, speisten aber mehrere Male in der Woche zusammen zu Mittag, und das genügte, um Julies Abneigung bestehen zu lassen.

Chaverny war ein ziemlich hübscher Mann, ein bißchen zu dick für sein Alter, mit frischem Teint, ein Sanguiniker, der sich aus Charakterstärke vor jenen unklaren Aufregungen in Acht nahm, die phantasiebegabte Männer häufig quälen. Er hegte den kindlichen Glauben, seine Frau bringe ihm eine stille Freundschaft entgegen (um sich wie am ersten Ehetage geliebt zu wähnen, dazu war er ein zu großer Philosoph), und diese Überzeugung bereitete ihm weder Freude noch Kummer; an’s Gegenteil würde er sich gleichfalls gewöhnt haben. Mehrere Jahre hatte er in einem Kavallerieregiment gestanden; als er aber ein bedeutendes Vermögen geerbt, war er des Garnisonlebens überdrüssig geworden, hatte seinen Abschied genommen und sich verheiratet.

Einerseits hatten sich hohe Verwandte die Beine abgelaufen, um die Interessenangelegenheiten zu regeln. Andererseits gehörte Chaverny einer guten Familie an. Damals war er noch nicht zu dick, war munter, und, in der ganzen Ausdehnung des Wortes das, was man einen guten Jungen nennt. Mit Vergnügen sah Julie ihn bei ihrer Mutter verkehren, weil er sie zum Lachen brachte, indem er ihr Geschichten aus seinem Regimente mit einer Komik erzählte, die nicht immer von gutem Geschmack war. Liebenswürdig fand sie ihn, weil er mit ihr auf allen Bällen tanzte und es ihm nimmer an guten Gründen fehlte, Julies Mutter zu überzeugen, länger dort zu bleiben, ins Schauspiel oder ins Boulogner Wäldchen zu gehn. Endlich hielt Julie ihn für einen Helden, weil er sich zwei-oder dreimal rühmlichst duelliert hatte. Was aber Chavernys Triumph vollkommen machte, war die Beschreibung eines bestimmten Wagens, der nach einem Plane von ihm hergestellt wurde, und in welchem er Julie selbst fahren wollte, wenn sie einwilligen würde, ihm ihre Hand zu reichen.

Nach einigen Ehemonden hatten alle guten Eigenschaften Chavernys viel von ihrem Verdienste eingebüßt. Er tanzte nicht mehr mit seiner Frau, – das ergibt sich ganz von selber. Seine lustigen Geschichten hatte er alle drei-oder viermal erzählt. Jetzt sagte er nur, die Bälle zögen sich zu sehr hin. Im Schauspiel gähnte er und fand die Sitte, sich zu Abend umzukleiden, einen unerträglichen Zwang. Sein Hauptfehler war die Faulheit. Wenn er zu gefallen versucht hätte, würde er vielleicht Erfolg gehabt haben; das »Muß« aber erschien ihm eine Höllenqual; das hatte er mit fast allen dicken Leuten gemein. Die Gesellschaft langweilte ihn, weil man in ihr nur in dem Maße gut aufgenommen wird, wie man sich ihr zu gefallen bemüht. Seiner Meinung nach war derbe Freude allen feineren Vergnügungen vorzuziehen, denn, um sich bei Leuten seines Geschmacks auszuzeichnen, brauchte er nur lauter zu schreien als die übrigen, was ihm bei so kräftigen Lungen wie den seinigen nicht schwer fiel. Überdies setzte er seinen Stolz darein, mehr Champagner als ein gewöhnlicher Sterblicher zu trinken, und ließ sein Pferd eine vierfußhohe Schranke tadellos nehmen. Infolgedessen erfreute er sich einer ehrlich erworbenen Schätzung unter jenen schwierig zu definierenden Wesen, die man junge Leute nennt, von welchen unsere Boulevards gegen fünf Uhr Abends überschwemmt sind. Jagdpartien, Landpartien, Rennen, Junggesellendiners, Junggesellensoupers wurden eifrig von ihm besucht. Zwanzigmal Mal am Tage sagte er, daß er der glücklichste der Männer sei, und jedes Mal, wenn Julie das hörte, schlug sie die Augen gen Himmel und ihr kleiner Mund verzog sich unsäglich verachtungsvoll.

Man kann sich denken, daß sie, schön, jung und mit einem Manne verheiratet, der ihr mißfiel, von sehr eigennützigen Verehrern umgeben sein mußte. Doch außer dem Schutze ihrer sehr klugen Mutter hatte sie ihr Stolz, der ihr Fehler war, bislang vor allen Verführungen der Welt gefeit. Die Enttäuschung, die ihrer Verheiratung gefolgt war, hatte es ihr überdies, indem sie ihr eine Art Erfahrung verlieh, schwer gemacht, sich zu begeistern. Ihr Stolz war’s, sich von der Gesellschaft bedauert und als Muster der Ergebung angeführt zu sehen. Alles in allem war sie beinahe glücklich, denn sie liebte niemanden, und ihr Gatte ließ ihr vollkommene Handlungsfreiheit. Ihre Gefallsucht (und sie tat zugegebenermaßen gern ein bischen dar, daß ihr Mann den Schatz, den sie besaß, nicht kannte), die ganz instinktmäßig wie die eines Kindes war, verwob sich sehr wohl mit einer gewissen verachtungsvollen Zurückhaltung. Kurz, aller Welt gegenüber war sie liebenswürdig. Die Schmähsucht fand nicht den geringsten Vorwurf, den sie ihr machen konnte.

II.

Inhaltsverzeichnis

Die beiden Gatten hatten bei Frau von Lussan, Julies Mutter, die nach Nizza reisen wollte, zu Mittag gegessen. Chaverny, der sich bei seiner Schwiegermutter tötlich langweilte, mußte notgedrungen den Abend dort verbringen, wiewohl er größte Lust hatte, seine Freunde auf dem Boulevard zu treffen. Nach dem Mahle hatte er sich auf ein bequemes Sofa gesetzt und zwei Stunden über kein Wort gesagt. Er schlief; durchaus schicklich übrigens, saß mit zur Seite geneigtem Kopfe da, wie wenn er der Unterhaltung voller Interesse zuhörte.

Dann hatte er sich an einen Whisttisch setzen müssen, ein Spiel, das er verabscheute, weil es eine gewisse Aufmerksamkeit erfordert. All das hatte ziemlich lange gewährt. Es schlug gerade halb zwölf. Chaverny hatte für den Abend keine Verabredung: er wußte absolut nicht, was er unternehmen sollte. Während solcher Ratlosigkeit meldete man den Wagen. Wenn er nach Hause zurückkehren würde, mußte er seine Frau begleiten. Die Aussicht auf ein zwanzig Minuten langes Untervieraugensein hatte etwas Beängstigendes für ihn. Doch fügte er sich schließlich in das Unabänderliche.

Als er seine Frau in ihren Schal hüllte, konnte er sich eines Lächelns nicht erwehren, wie er sich in einem Spiegel die Funktionen eines frischgebackenen Ehemanns verrichten sah. Er betrachtete auch seine Frau, die er kaum angeschaut hatte. An diesem Abend erschien sie ihm hübscher als gewöhnlich: auch bedurfte er einiger Zeit, um den Schal zurechtzulegen. Julie war ebenso verdrossen über das eheliche Untervieraugensein wie er. Schmollend zog sie ein etwas schiefes Gesicht und ihre geschwungenen Augenbrauen zogen sich unwillkürlich zusammen. All das verlieh ihrem Antlitze einen angenehmen Ausdruck, dem selbst ein Ehemann nicht widerstehen konnte. Während der eben erwähnten Tätigkeit begegneten sich ihre Augen im Spiegel. Beide waren sie verwirrt. Um sich aus der Verlegenheit zu ziehen, küßte Chaverny seiner Frau lächelnd die Hand, die sie erhob, um ihren Schal zu ordnen … »Wie lieb sie sich haben!« sagte Frau von Lussan ganz leise, die weder die kalte Verachtung der Frau, noch des Ehemanns unbekümmerte Miene bemerkte.

Im Wagen ließen sie zuerst eine Zeit wortlos verstreichen. Chaverny fühlte wohl, daß er schicklicherweise etwas sagen müsse, doch fiel ihm nichts ein. Julie ihrerseits beobachtete ein verzweiflungsvolles Schweigen. Er gähnte drei oder vier Mal so sehr, daß er sich selber darüber schämte, und beim letzten Male hielt er sich für verpflichtet, sich deswegen bei seiner Frau zu entschuldigen… »Die Gesellschaft hat zu lange gedauert!« fügte er zu seiner Rechtfertigung hinzu. In dieser Bemerkung sah Julie nur die Absicht, die Abendgesellschaften ihrer Mutter zu bekritteln und ihr etwas Unangenehmes zu sagen. Seit langem hatte sie sich jedoch daran gewöhnt, jegliche Auseinandersetzung mit ihrem Manne zu vermeiden und verharrte deshalb in ihrem Schweigen.

Chaverny, der an diesem Abend in Plauderstimmung war, fuhr nach zwei Minuten fort:

»Sehr gut hab’ ich heute gegessen, muß Ihnen aber schon sagen, daß Ihrer Mutter Champagner zu süß ist.«

»Wie?« fragte Julie, die nachlässig den Kopf nach seiner Seite hinwandte und angeblich nichts verstanden hatte.

»Ich erwähnte, Ihrer Mutter Champagner sei zu süß. Ich hab’ es ihr zu sagen vergessen. Es ist merkwürdig, aber man bildet sich ein, Champagner auszusuchen wäre so leicht; nun, nichts ist schwieriger als das! Zwanzig Champagnersorten gibt’s, die alle schlecht sind, und nur eine ist gut.«

»Ach!«

Und nachdem Julie diese Interjektion der Höflichkeit gegönnt hatte, wandte sie ihren Kopf und schaute durch den Vorhang auf ihrer Seite. Chaverny legte sich zurück und stemmte die Füße gegen das vordere Wagenkissen, etwas verstimmt, daß seine Frau sich all seinen Bemühungen gegenüber, eine Unterhaltung anzuknüpfen, so ablehnend verhielt.

Nachdem er noch zwei oder drei Mal gegähnt hatte, fuhr er indessen, sich Julien nähernd, fort:

»Sie haben da ein Kleid an, das Ihnen entzückend steht, Julie. Wo haben Sie’s gekauft?«

»Zweifellos will er seiner Geliebten ein ähnliches schenken,« dachte Julie. – »Bei Burry,« antwortete sie leicht lächelnd.

»Warum lachen Sie?« fragte Chaverny, seine Füße vom Kissen nehmend und noch näher rückend; gleichzeitig faßte er einen Ärmel ihres Kleides und hub an, ihn in scheinheiliger Weise zu küssen.

»Ich lache,« erwiderte Julie, »weil Ihnen mein Kleid auffällt. Nehmen Sie sich in Acht, Sie zerknittern meine Ärmel!« Und damit befreite sie ihren Ärmel aus Chavernys Hand.

»Ich versichere Sie, Ihrem Anzuge schenke ich stets große Aufmerksamkeit, und Ihren Geschmack bewundere ich ganz außerordentlich. Nein, auf Ehre, ich sprach neulich mit einer … Frau darüber, die sich schlecht anzieht, … obwohl sie schrecklich viel für ihren Anzug ausgibt … Sie dürfte sich zu Grunde richten … Ich sagte ihr … Ich erwähnte Sie …«

Julie freute sich über seine Verwirrung und suchte ihr durchaus nicht durch eine Unterbrechung ein Ende zu machen.

»Ihre Pferde sind schlecht, Sie laufen nicht! Ich muß sie Ihnen austauschen,« erklärte Chaverny völlig fassungslos.

Während des Restes der Fahrt wurde die Unterhaltung nicht lebhafter; über die Gegenantwort kam man auf beiden Seiten nicht hinaus.

Endlich kamen beide Gatten in der Rue … an und trennten sich mit dem Gutenachtwunsch.

Julie begann sich auszukleiden, und ihre Kammerfrau war, ich weiß nicht aus welchem Grunde hinausgegangen, als sich ihre Schlafzimmertüre ziemlich ungestüm auftat und Chaverny eintrat. Julie verhüllte sich schnell die Schultern und »Verzeihung«, sagte er, »zum Einschlafen möcht’ ich gern den letzten Scottband haben … ist’s nicht Quentin Durward?«

»Der muß bei Ihnen sein,« entgegnete Julie, »hier sind keine Bücher.« Chaverny betrachtete seine Frau in diesem für die Schönheit so vorteilhaften Negligé. Er fand sie, um mich eines jener von mir verabscheuten Ausdrücke zu bedienen, »pikant«. Wahrlich ein schönes Weib! dachte er. Und blieb unbeweglich vor ihr stehen und hielt wortlos seine Kerze in der Hand. Julie stand ihm ebenso aufrecht gegenüber, zerknitterte ihre Nachthaube und wartete anscheinend ungeduldig, daß er sie allein lasse.

»Der Teufel soll mich holen, Sie sind reizend heute Abend!« rief Chaverny endlich. Er trat einen Schritt näher und setzte seine Kerze hin. »Wie gern ich die Frauen mit ungeordneten Haaren sehe!« Und also redend, ergriff er mit einer Hand die langen Haarflechten, die Julies Schultern bedeckten, und legte fast zärtlich einen Arm um ihre Hüften.

»Ach Gott! Sie riechen gräßlich nach Tabak!« rief Julie sich losmachend, »Lassen Sie meine Haare, Sie nehmen den Geruch an und dann werd’ ich ihn nimmer los werden!«