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Die Grande Dame der deutschen Lyrik: ihre schönsten Gedichte aus drei Jahrzehnten
Doris Runge zählt zu den wichtigsten Lyrikerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur. Das genaue Hinschauen, das Beobachten scheinbar beiläufiger Vorgänge ist bei ihr Programm, genauso wie die Reduktion auf das absolut Notwendige. Doch wer in den kleinen Alltagsvignetten nur Alltägliches vermutet, sollte ein zweites Mal hinschauen: Von jedem Wort aus verzweigen sich die Wege, Doppeldeutigkeiten und mythische Wesen eröffnen Welten, die ins Vor- und Nachleben führen, ins Märchen, in himmlische und, wer weiß, höllische Sphären.
Zum 70. Geburtstag der Dichterin liegt nun ein Band mit ihren schönsten und wichtigsten Arbeiten aus drei Jahrzehnten vor, ergänzt durch neue und bisher unveröffentlichte Texte. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Heinrich Detering, dem Präsidenten der Akademie für deutsche Sprache und Dichtung und einem langjährigen Kenner des Werks von Doris Runge.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 59
Doris Runge
zwischen tür und engel
Gesammelte Gedichte
Ausgewählt und mit einem Nachwort von Heinrich Detering
Deutsche Verlags-Anstalt
Liedschatten
ein scharfer wind
ein scharfer wind schärft
disteldolche und
andere klingen
über der schuldfrage
lernten wir das
apfelschälen
manchmal nachts
die morde
die wir tagsüber
mit sauberen händen
begehen
regenlianen
von gedanke zu gedanke
bittermandelmelodie
mit larmoyanz
in dunkelpoesie
eroberst du
die seelenlandschaft
aufwärts vom knie
Der Vogel der morgens singt
hinterm deich
ist die landschaft abgegrast
am horizont
das schimmelreiterreich
im nebeltuch regentrude
sie strickt den tag
auf langen weidenruten
wer weint ihr die fäden
ich hab keine zeit
fürchte das wetter
buchte den wolkenschlepper
für einen südlichen traum
serenissima
das lied ist gesungen
der letzte ton zersprang
rosen liegen in scherben
ein geöffneter mund
den niemand mehr schließt
jagdlied
fliegen
meine flügel ließ ich dir
du rupftest sie
für unser daunenbett
nun träume ich nachts
vom fliegen
es ist wie immer
erste sommersprossen
vom buschwind
rosenlicht
durchlässigen
vorfrühling
ach meine katzen so voller sehnsucht
und gottseidank etwas
das mich unruhig macht
flugreise
über den wolken
fällt der mond
eine zitronenscheibe
ins glas
öffnen sich
blusen wie herzen
engelhaar fällt
sternschnuppen sausen
schnell schließen
einige herren
die augen
haben einen wunsch frei
ikarus
das herz randvoll
mit himmel
als die erde
mein raubvogel
immer größer
und dunkler werdend
mich mitten
im flüchtigen traum
schlug
disteln
friedlich im sand
ratterndes erntelied
möwen im schlepp
augen voll flügelmuster
deine flatterschwinge
schwarz gegen die sonne
septemberspray
haut wärmt wie tee
in kleinen schlucken
zu genießen das glück
kratzt seine rechnung
unter die augen
drei krähenfüße cash
den rest später
morgen bin ich transparent
getöntes pergament
für deine disteln
september
licht runtergebrannt
erdtöne flackern
ein dünner rauchfaden
schwalben nach süden
eine mit gebrochenem
genick
die katze trägt
den sommer zurück
zigeunerin
beeren und ahornblut
sie schürt die abendglut
legt karten
trägt kleinen tod
in schwarzen spitzen
dreht sie den federkragen
rot schwillt sein kamm
der hund schlägt an
ein fluch ein zeichen
rot weht ihr kleid
der bäurin der gans
gibt sie noch
bis martini zeit
bäume [I]
vor der roten
wegsackenden sonne
winterbäume
noch einmal heben sie
trotzig
ihre blutgescheuerten geweihe
küste
küste
schön geschwungene
hüfte
ins blau
teer tang
perlmuttersand
öl totes
gefieder
den kopf
spalten
düsenjagdlieder
jagdlied
spannst neu den bogen
übers jahr
schießt du mir fliederduft
ins haar ins herz
den reim
in blattgold
später
jetzt komm ins gras
das alte spiel
die haut das nest
rupfst mir den rest
federn
blutschön am grünen hut
später
wildbret satt
mit blick nach unten
der sommer mit seinen
erdbeerfallen
so bodennah rot
einige jahrgänge ernten
körbevoll himmel
mit blick nach unten
später die gleichen
früchte nur der
befall nimmt zu
sommerfrische
du richtest dich ein
in mir
landhaus mit dorischen schenkeln
mit schönen antiken
gefühlen
rosa samtvorhängen
schwer genug gegen
zweifel
ein lächeln morgenrouge
auf die wettergeprüfte
fassade
das hält bis zum nächsten regen
ich tauche meine hände
in schwarze farbe
und schreibe
die ballade von einem
der einzog das fürchten zu lernen
wochenende
überm teekessel
weiße wolken
beschlagene brillengläser
eine zeitung
anzeigen
schwarz gerahmt
wie fingernägel
nach langer
drecksarbeit
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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