Zwischen uns: ein Traum - Fabienne Mangold - E-Book

Zwischen uns: ein Traum E-Book

Fabienne Mangold

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Beschreibung

Nora führt ein einfaches Leben: lange Schichten in einem angesagten Restaurant, kurze Momente mit ihrer Jugendliebe Brandon, der als DJ durch die Clubs zieht. Doch eine mysteriöse Einladung in einer schwarzen Box mit goldenem Umschlag verändert alles. Plötzlich findet sich Nora in einem prunkvollen Schloss wieder- in einer Welt aus Masken, Macht und verbotenen Spielen. Dort trifft sie auf Xander, einen Mann von unerschütterlicher Dominanz und dunkler Anziehungskraft. Er weckt in ihr Seiten, die sie nie kannte, bringt sie an Grenzen, die Lust und Angst zugleich in ihr entfachen. Während Nora zwischen Faszination und Entsetzen taumelt, kämpft Brandon um die Frau, die ihm fremd geworden ist. Doch auch er wird ungewollt in Xanders Welt gezogen und sieht mit eigenen Augen, wie Nora in Versuchung versinkt, die er ihr nie geben konnte. Zerrissen zwischen Liebe, Verlangen und Machtspielen, muss Nora entscheiden, wer sie wirklich ist- und wem sie gehört: Brandon, der sie seit Kindertagen liebt, oder Xander, der sie mit jeder Berührung tiefer in seine dunkle Welt zieht. Doch je länger sie in dieser Verbotenen Spähre verweilt, desto klarer wird: es gibt kein Zurück.

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Seitenzahl: 192

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zwischen uns: ein Traum

Von Fabienne Mangold

Vorwort

Kerzenlicht tanzt an den Wänden, warm und schmeichelnd, während der süßlich-schwere Rauch der Zigaretten den Raum wie einen Schleier umhüllt. Stimmen, Gelächter – und dazwischen ein Laut, der wie ein heimliches Versprechen klingt. Ein Stöhnen, kaum hörbar, aber unwiderstehlich. Überall Masken, Gesichter verborgen, Körper fast enthüllt.

Furcht huscht über meine Haut, doch noch stärker als die Angst ist die Neugier, die mich tiefer in dieses Mysterium lockt.

„Komm, Madame. Der Herr sehnt sich bereits nach Ihnen.“

Vor mir steht ein Mann, dessen Erscheinung sich von allen anderen abhebt. Kein nacktes Fleisch, sondern ein schwarzer Anzug, makellos, wie für ihn allein geschaffen. In seiner Haltung liegt Autorität, in seiner Stimme eine stille Verführung, der ich mich nicht entziehen kann. Fragen sind hier unerwünscht. Ich schweige – und folge.

Stufe um Stufe tragen mich die gewundenen Treppen empor, verziert mit goldenen Mustern und Bildern, die Geschichten von Leidenschaft und Macht erzählen. Der Flur, den wir betreten, ist gesäumt von Gemälden, so prachtvoll, dass ich beinahe vergesse, wohin mich mein Weg führt. Erst als wir vor einer schweren Flügeltür stehen, holt mich sein Blick zurück.

„Hier. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Der Herr wird Sie bald erwarten.“

Hinter der Tür empfängt mich keine Kammer, sondern ein Reich der Sinnlichkeit. Ein monumentales Bett thront im Zentrum, umgeben von flackernden Kerzen, die mit ihrem Licht den Raum in ein Spiel aus Schatten und

Verheißung tauchen. Kristallene Gläser glänzen neben edlen Flaschen, die nach unzähligen Geschichten schmecken. Ich schenke mir ein Glas Wein ein, koste die dunkle Süße – und trete hinaus auf den Balkon.

Die Sommerbrise streicht sanft über meine Haut, während ich den Blick in die Nacht richte.

Alles in mir weiß: Dies ist erst der Anfang.

Nora

Vier Nächte in Folge hatte ich hinter der Bar und zwischen Tischen verbracht, in einem der angesagtesten Restaurants der Stadt. Mein Körper sehnte sich nach nichts Anderem, als nach einer heißen Dusche und einem weichen Bett. Während ich meine Jacke enger um mich zog, dachte ich daran, dass Brandon jetzt gleich aufbrechen würde. Schon wieder würden wir uns verpassen.

Brandon und ich kannten uns seit Kindertagen. Wir hatten uns gegenseitig die Schaufeln im Sandkasten weggenommen und uns heimlich Schokolade zugesteckt, lange bevor wir wussten, was Liebe bedeutet. Heute legte er als DJ in den besten Clubs auf, während ich Kellnerin war – ein Job, der nie mehr als eine Zwischenlösung sein sollte, doch das Leben hatte mich in seine Routine gezogen.

Kaum hatte ich die Tür aufgeschlossen, stieg mir ein vertrauter Duft in die Nase. Gefüllte Paprika mit Reis – mein Lieblingsgericht. Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Auf dem Teller im Kühlschrank klebte ein Post-it, Brandons Schrift:

„Ich liebe dich. Träum später was Schönes und lass es dir schmecken.“

Ich liebte diesen Mann.

Während die Mikrowelle summte, machte ich eine Komödie an, ließ mich auf die Couch sinken und aß. Danach stand nur noch eine Sache zwischen mir und dem Schlaf: die Dusche. Heißes Wasser rann über meine Haut, brannte den Lärm der letzten Tage fort, bis nur noch Ruhe blieb. Ich schloss die Augen, atmete tief. Eingecremt, im bequemsten Pyjama und mit dem Handy in der Hand, tippte ich noch eine kurze Nachricht:

„Danke für das Essen. Viel Spaß beim Auflegen. Ich freue mich, wenn du später neben mir liegst. Liebe dich, Kussi.“

Kaum hatte ich das Handy zur Seite gelegt und die Augen geschlossen, klingelte es. Laut. Hart. Unerwartet. Mit einem genervten Seufzen schlurfte ich zur Tür. Wer, um Himmels willen, stand um diese Zeit noch draußen? Doch als ich sie öffnete, war niemand da. Nur die stille Nacht – und vor meinen Füßen ein schwarzer Karton, darauf ein goldener Umschlag. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Wer schickt mir so etwas? Drinnen setzte ich mich aufs Bett, das Paket in meinem Schoß, und öffnete zuerst den Umschlag. Auf der Karte stand in schwungvollen Buchstaben:

„Hallo, meine hübsche Versuchung.

Nun ist der Abend gekommen. Ich wählte dich als meinen persönlichen Gast.

Ich möchte, dass du das, was in dem Karton ist, anziehst.

Es ist meine persönliche Wahl gewesen, ich hoffe, es gefällt dir.

Bring bitte noch schlichte Kleidung mit – wir wollen ja nicht, dass du nach dem Abend wie eine Attraktion herumläufst.“

Auf der Rückseite: Heute. Abholung in 30 Minuten.

Meine Gedanken überschlugen sich. Dreißig Minuten? Wer war das? Brandon? Oder jemand anderes? Noch ehe ich mir die Fragen beantworten konnte, öffnete ich den Karton. Darin lag ordentlich zusammengelegt: ein knallrotes Korsett aus zarter Spitze, ein dazu passender Slip, eine Maske, ebenfalls aus Spitze, und ein bodenlanger Umhang, so dunkel wie die Nacht.

Ich schluckte. „Was zur Hölle … gehe ich auf einen Faschingsball?“ flüsterte ich.

Doch während ich die Teile in den Händen hielt, schob sich die Neugier unaufhaltsam in den Vordergrund. Mein Puls raste. Vielleicht war es wirklich Brandon? Eine Überraschung? Ich verschwendete keine Zeit. Im Badezimmer musterte ich mich im Spiegel, während ich mir die Haare aus dem Gesicht strich. Make-up? Hochstecken oder offenlassen? Fragen schossen mir durch den Kopf, aber ich hatte keine Wahl – die Uhr tickte, und der Abend hatte längst begonnen. Fertig. Meine Haare ließ ich offen, sie rahmten mein Gesicht in sanften Wellen. Für die Augen wählte ich ein dunkleres Make-up, dass ihr Grün intensiver strahlen ließ, als wären sie selbst zwei leuchtende Geheimnisse. Auf den Lippen derselbe Ton wie das Korsett – ein sattes, verführerisches Rot. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ungewohnt. Aber auch: Bombastisch. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, gemischt aus Unsicherheit und Stolz. So hatte ich mich noch nie gesehen. Da klingelte es an der Tür. Mein Herz schlug schneller. Nervosität mischte sich mit Aufregung. Ich griff nach meiner Tasche mit der Wechselwäsche – so, wie es in der Botschaft gestanden hatte – und schloss die Wohnungstür hinter mir. Vor dem Haus parkte eine schwarze Limousine. Ihre glänzende Oberfläche reflektierte das Straßenlicht, die Scheiben waren so dunkel getönt, dass ich nicht hineinsehen konnte. Ein Mann im makellosen schwarzen Anzug stand bereit, öffnete wortlos die Tür, und ich glitt hinein. Drinnen war es still, beinahe luxuriös gemütlich. Der Fahrer betätigte die Scheibe, die uns trennte, und sagte mit kühler Höflichkeit:

„Der Herr hat eine Auswahl an Getränken für Sie bereitgestellt. Bitte bedienen Sie sich, Miss.“

„Danke. Wo fahren wir eigentlich hin?“ fragte ich vorsichtig.

Sein Blick verriet nichts. „Miss, dies gehört nicht zu meinen Aufgaben.“ Mit diesen Worten ließ er die Scheibe wieder hinabgleiten.

Je länger wir fuhren, desto geheimnisvoller erschien mir das Ganze. Ich holte mein Handy hervor, in der Hoffnung, unseren Standort zu überprüfen – doch kein Empfang. Gar keiner. Die Uhr zeigte bereits eine halbe Stunde Fahrt an. Ungeduldig klopfte ich gegen die Scheibe. Der Fahrer öffnete sie erneut, als hätte er nur auf mein Zeichen gewartet. „Entschuldigung, können Sie mir sagen, wie lange wir noch fahren?“

„Miss, wir sind gleich da. Gedulden Sie sich bitte noch etwas.“ Wieder schloss er die Scheibe, und ich starrte kopfschüttelnd nach vorn.

„Danke für diese informative Auskunft …“ murmelte ich und verdrehte die Augen.

Weitere fünfzehn Minuten später hielt die Limousine schließlich an. Ich spürte, wie mein Puls hochschnellte. Draußen öffnete der Fahrer die Tür und reichte mir galant seine Hand. Zögernd legte ich meine in seine und stieg aus. Mein Atem stockte. Vor mir erhob sich ein Anwesen, das beinahe unwirklich wirkte – riesig, mächtig, von einer geheimnisvollen Aura umgeben. Dunkel und erhaben zugleich, wie aus einer anderen Zeit. Kerzenständer säumten die große Treppe, die hinauf zum Eingang führte, hunderte Flammen flackerten im Wind. Es wirkte wie ein Märchenschloss, düster und doch unwiderstehlich. Ich wollte gerade nähertreten, da riss mich eine kalte Stimme aus meinen Gedanken:

„Miss, Ihr Handy bitte.“

Verblüfft sah ich den Fahrer an. „Wie bitte?“

„Ihr Handy, Miss. Das ist nur zu Ihrer Sicherheit.“

Etwas in seiner Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Mit klopfendem Herzen griff ich in meine Tasche und reichte ihm mein Handy. Es fühlte sich an, als würde ich ein Stück Sicherheit verlieren. Als sich meine Finger lösten, kroch die erste echte Angst in mir hoch. Wo zum Teufel bin ich da hineingeraten?

Meister

Freitagabend. Mein liebster Tag der Woche. Es ist der Tag, an dem die Türen sich nur für Auserwählte öffnen, an dem das Verbotene Gestalt annimmt. Meine besonderen, streng geheimen Festlichkeiten – verborgen vor den Augen der Welt.

„Felix, hast du alle Besorgungen erledigt, die ich veranlasst habe?“

„Natürlich. So wie immer.“

F e l i x – m e i n e r e c h t e H a n d, m e i n

Geschäftspartner, doch weit mehr als das. Seit unserer Kindheit sind wir unzertrennlich. Er ist wie ein Bruder für mich. Wir haben alles miteinander geteilt: Siege, Niederlagen, Sünden.

„Sir, der große Saal ist vorbereitet. Ebenso die Limousine und der Fahrer für Ihre heutige Auserwählte.“

„Sehr gut. Und das schwarze Zimmer?“

„Bereits hergerichtet, ganz nach Ihren Vorgaben.“

Ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen. „Ausgezeichnet.“

Mit Felix’ Hilfe habe ich mir ein Reich erschaffen. Heute besitze ich mehrere Anwesen, doch dieses hier – mein kleines Schloss aus dem 18. Jahrhundert – ist das Herzstück meiner Feste. Es trägt Geschichte in seinen Mauern, und ich habe es mit Bedacht erhalten. Geheimnisse haften an jedem Stein, flüstern in jedem Korridor. Manche Räume habe ich unverändert gelassen, um den Zauber vergangener Zeiten zu bewahren.

Andere habe ich verwandelt, neu erschaffen – angepasst an die Bedürfnisse meiner Gäste.

Der große Saal, der schon viele wilde Nächte gesehen hat. Die Gänge, die wie Labyrinthe durch das Anwesen führen. Und natürlich die besonderen Zimmer – jedes für einen eigenen Zweck, jedes für eine eigene Versuchung.

Felix nutzt sie ebenfalls, wenn er sich seinen Vergnügungen hingibt. Doch diese Nacht gehört mir. Und meiner heutigen Auserwählten.

Ich habe sie schon länger beobachtet, ohne dass sie es ahnte. Ihre Unschuld, ihre Unentschlossenheit im Alltag – und gleichzeitig dieser Funke, der verrät, dass sie nach mehr sucht. Genau deshalb habe ich sie ausgewählt. Heute wird sie ihre Schwelle überschreiten.

„Sir, wünschen Sie, dass die Musiker bereitstehen?“ fragte Felix.

Ich nickte. „Ein sanfter Auftakt. Streicher. Leise, zurückhaltend.“

Während er die Anweisungen weitergab, trat ich ans Fenster. Draußen flackerte das Licht unzähliger Kerzen, die entlang der

Treppenstufen aufgestellt waren. Ein Bild wie aus einem Märchen – nur, dass mein Märchen von Versuchung und Hingabe erzählte.

Die Limousine musste inzwischen schon unterwegs sein. Ich stellte mir vor, wie sie auf dem Rücksitz saß, nervös und neugierig zugleich, unwissend, wohin die Fahrt sie führen würde. Ob sie bereits ahnte, dass sie nicht zufällig ausgewählt worden war? Dass hinter jedem Detail ein Plan steckte?

Ich atmete tief durch. Alles war vorbereitet. Der Saal, das schwarze Zimmer, das Spiel. Nun fehlte nur noch sie.

Und sie war schon auf dem Weg zu mir.

Nora

Die Kerzen flackerten im Wind, als ich die Stufen hinaufstieg. Jede einzelne Flamme warf ein kleines Licht auf den alten Stein, so, als wolle sie mir den Weg weisen – oder mich warnen. Meine Finger glitten nervös über den langen Umhang, der bei jedem Schritt hinter mir rauschte.

Das Anwesen wirkte noch gewaltiger, als ich es von unten gesehen hatte. Die hohen Mauern ragten dunkel in den Nachthimmel, Fenster wie wachsame Augen. Ein Märchenschloss, ja – aber nicht das aus Kindheitsträumen. Es war ein Schloss für Geheimnisse, für Dinge, die man im Verborgenen tut.

Am oberen Treppenabsatz wartete ein Mann. Sein Gesicht war von einer schlichten schwarzen Maske verdeckt, doch sein Blick – den ich trotz allem spürte – war eindringlich. Sein Körper war mächtig, der Anzug maßgeschneidert. Er musterte mich, als wollte er prüfen, ob ich die Richtige war.

„Willkommen, Miss“, sagte er mit tiefer Stimme. „Der Herr erwartet Sie bereits.“

Meine Kehle war trocken. Ohne mein Handy fühlte ich mich nackt, ausgeliefert. Doch gleichzeitig pochte mein Herz so wild, dass die Aufregung die Angst überdeckte. Ich nickte und folgte ihm.

Die schweren Flügeltüren der Eingangshalle öffneten sich knarrend, und ich trat in einen Saal, dessen Größe mich beinahe erdrückte. Schwarzer Marmor unter meinen Füßen, hoch oben Malereien, die Szenen von Verführung und Kampf zeigten. Kerzenständer warfen flackerndes Licht über die Wände, sodass sich Schatten bewegten wie lautlose Beobachter.

Und überall Menschen. Maskierte Gestalten, gekleidet in Samt, Spitze und Seide. Sie tranken aus Kristallgläsern, flüsterten, lachten – und manchmal, in dunkleren Ecken, berührten sie sich. Ein Wispern hing in der Luft, ein Raunen, das wie ein verbotenes Lied klang.

Leise Musik spielte, ein Streichquartett im Hintergrund. Der Rhythmus passte zum Schlagen meines Herzens, als hätte jemand die Musik genau dafür gewählt.

„Der Herr hat Ihnen den großen Saal als Empfang bereitet“, erklärte der Begleiter neben mir. „Doch dies ist nur der Beginn.“

Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass noch mehr auf mich wartete. Viel mehr.

Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Niemand sprach mich an, niemand fragte, wer ich war. Und doch spürte ich die Blicke auf mir – scharf, prüfend, begehrlich. Es war, als wäre ich schon längst Teil eines Spiels, dessen Regeln ich noch nicht verstand.

Die Schritte meines Begleiters hallten über den Boden, als er mich durch den Saal führte. Vorbei an den maskierten Gästen, vorbei an den funkelnden Augen hinter den Verkleidungen, vorbei an Szenen, die ich kaum glauben wollte.

Wir erreichten eine weitere Tür, schmaler als die anderen, fast unscheinbar. Der Mann legte die Hand an den Griff und sah mich an.

„Der Herr wird Sie im schwarzen Zimmer empfangen.“ Seine Stimme war leiser geworden, fast ehrfürchtig.

Ein Schauer lief mir über den Rücken.

Ich nickte, obwohl ich kaum wusste, ob ich mutig war oder einfach nur zu neugierig, um umzukehren.

Und dann öffnete er die Tür.

Langsam trat ich über die Schwelle.

Das Zimmer verschluckte mich beinahe. Dunkelheit, die nicht bedrohlich, sondern geheimnisvoll wirkte. Nur vereinzelte Kerzen brannten in schweren, eisernen Haltern, ihr Licht spiegelte sich auf den dunklen Wänden und tanzte über das Holz des Bodens.

Alles hier war in Schwarz gehalten. Die Vorhänge aus schwerem Samt, der die Fenster verhüllte, die Möbel, die in makelloser Ordnung standen – jedes Detail war bewusst gewählt. An den Wänden hingen Gemälde, doch nicht so prachtvoll und offen wie im Saal. Diese Bilder waren roher, leidenschaftlicher. Körper, ineinander verschlungen, Gesichter in Ekstase oder Qual, schwer zu unterscheiden.

In der Mitte des Raumes stand ein großes Bett, überzogen mit schwarzer Seide. Die Kissen waren so makellos aufgereiht, als hätte noch nie jemand darin gelegen, und doch roch der Raum nach Wärme, nach Haut, nach etwas, das ich nicht benennen konnte.

Am anderen Ende des Zimmers ein langer Tisch – darauf Gläser, eine Karaffe mit tiefrotem Wein und Schalen mit Früchten, die im Kerzenschein schimmerten. Daneben ein schwarzer Spiegel, hoch und schwer gerahmt. Mein Blick blieb daran hängen. Das Glas wirkte nicht wie ein gewöhnlicher Spiegel. Es reflektierte mich, aber dunkler, verzerrter, als würde es die Seite zeigen, die ich selbst kaum kannte.

Ich trat ein paar Schritte weiter, streifte mit den Fingern über den Stoff des Vorhangs, über die polierte Kante des Tisches. Meine Haut kribbelte, mein Herz schlug schneller. Ich spürte jede Kleinigkeit in diesem Raum – und gleichzeitig das, was fehlte.

Seine Anwesenheit.

Ich wusste, er würde hierherkommen. Alles in diesem Zimmer war für diesen einen Moment vorbereitet. Für ihn. Für mich. Für das, was zwischen uns geschehen sollte.

Ein Schauer lief mir über den Rücken, als mir klar wurde: Dies war kein Gästezimmer. Dies war ein Ort für Begegnungen, für Spiele, deren Regeln ich noch nicht verstand.

Ich atmete tief ein, legte meine Tasche auf den Stuhl neben dem Bett und ließ mich langsam nieder. Meine Hände waren feucht vor

Nervosität, doch meine Neugier war stärker.

Das schwarze Zimmer hatte mich bereits gefangen genommen.

Und noch war er nicht einmal hier.

Das Glas in meiner Hand war noch halb voll, als ich hinaus auf den Balkon trat. Die Luft war warm, schwer von Sommerduft, und für einen Moment vergaß ich, wo ich mich befand. Unter mir glommen Hunderte von Kerzen in den Gärten des Schlosses wie ein Meer aus Sternen. Ich nahm einen Schluck, ließ den Rotwein auf meiner Zunge zergehen, und mein Herzschlag beruhigte sich – wenn auch nur für Sekunden.

Dann spürte ich ihn.

Eine Präsenz, die stärker war als jede Stille. Ich drehte mich langsam um.

Er stand im Türrahmen. Groß, makellos im schwarzen Anzug, das halbe Gesicht von einer Maske bedeckt. Seine Augen aber waren unverhüllt, kalt und durchdringend. Und jetzt – voller Überraschung.

Er erstarrte. „Das… ist nicht sie.“

Sein Blick brannte sich in mich, wanderte über mein Gesicht, mein Korsett, die Maske, meinen Umhang. Kein Zweifel – er hatte jemand anderen erwartet.

„Sie sind nicht die Frau, die ich ausgewählt habe,“ sagte er schließlich, die Stimme tief, rau, mit einer Mischung aus Verärgerung und

Faszination.

Bevor ich etwas erwidern konnte, erklang eine weitere Stimme hinter ihm.

„Sir…“

Der Mann der mich in das Zimmer brachte trat ins Licht des Balkons. Auch er trug einen Anzug, elegant wie immer, sein Gesicht teilweise von einer Maske bedeckt. Doch in seinen Augen blitzte etwas auf – ein Funken Unsicherheit.

„Fuchs,“ die Stimme des Mannes war nun scharf wie ein Messer, „erkläre mir, weshalb sie hier steht – und nicht die Person, die ich angewiesen habe?“

Mein Herz raste. Ich verstand kein Wort, doch ich spürte die Spannung zwischen ihnen wie Strom in der Luft.

Der Mann mit dem Namen Fuchs senkte leicht den Kopf. „Sir, die Schachtel wurde, wie befohlen, ausgeliefert. An die Adresse, die Sie mir gegeben haben.“

Ein bitteres Lächeln zog über die Lippen des

Mannes. „Dann erkläre mir, warum vor mir eine Fremde steht.“

Fuchs atmete tief durch, und seine Stimme war fest, als er sprach: „Es muss ein Missverständnis gegeben haben, Sir. Ich werde herausfinden, wie es dazu kam – und ich verspreche Ihnen, ich werde es sofort aufklären.“

Der Herr schwieg. Er starrte mich nur an, als versuche er in meinem Innersten die Antwort zu finden.

„Interessant,“ murmelte er schließlich. „Sehr interessant.“

Die Kerzen draußen flackerten stärker, als hätte selbst der Wind gespürt, dass in dieser Nacht etwas anders verlaufen würde, als geplant.

Meister

Ich betrachtete sie. Jede ihrer Bewegungen, jeden Atemzug. Sie stand da, ein Glas in der Hand, die Lippen noch vom Wein gerötet, die Augen unsicher und doch voller Neugier. Nicht die Frau, die ich erwartet hatte. Und dennoch … faszinierend.

„Wie ist dein Name?“ fragte ich, meine Stimme leise, doch unmissverständlich.

„N… Nora,“ stammelte sie.

Ich ließ das Wort einen Moment in mir nachhallen, schmeckte es beinahe auf der Zunge. Dann schüttelte ich kaum merklich den Kopf. „Nein,“ sagte ich langsam, „für mich bist du meine Kleine.“

Sie runzelte leicht die Stirn, doch sie widersprach nicht. Ich sah, wie ihre Finger sich fester um den Stiel des Glases klammerten, und ich wusste, dass sie sich fragte, ob sie bleiben sollte – oder fliehen.

„Du bist überrascht, nicht wahr?“ Ich trat näher, so nah, dass ich den Duft ihrer Haut wahrnehmen konnte. Eine Mischung aus ihrer Lotion und dem Wein, den sie eben getrunken hatte. „Du bist hier, ohne zu wissen, warum. Ohne zu wissen, wohin es dich führen wird.“

Ihre Kehle bewegte sich, als sie schwer schluckte. „Es… es war nicht meine

Entscheidung.“

Ein amüsiertes Lächeln zuckte über meine Lippen. „Und doch bist du hier, Kleine. Du hättest den Karton schließen können. Du hättest den Zettel zerreißen können. Stattdessen stehst du jetzt vor mir. Ganz genau hier.“

Ich hob meine Hand, berührte sacht den Rand ihrer Maske. Meine Fingerspitzen strichen kaum spürbar darüber. „Diese Maske verbirgt nicht viel, weißt du? Deine Augen verraten dich. Sie verraten, dass du Angst hast… aber auch, dass du neugierig bist. Dass du wissen willst, was passieren könnte.“

Nora – nein, meine Kleine – atmete schneller. Ihr Blick wich meinem nicht aus, auch wenn er zitterte.

„Ich nenne dich nicht bei deinem Namen,“ flüsterte ich, „weil ich dich nicht als das sehe, was du draußen bist. Hier, in meinen Mauern, bist du jemand anderes. Du bist… meine

Kleine.“

Ich trat noch näher, so dicht, dass nur der Sommerwind zwischen uns zu existieren schien. „Und jetzt wirst du lernen, was es bedeutet, in meiner Welt einen Schritt zu machen.“

Ich war gerade dabei, ihre Maske mit den Fingerspitzen zu berühren, als ein leises, aber bestimmtes Klopfen an der Tür erklang.

Ein unwilliges Knurren entwich mir. Ich hasste es, wenn man mich störte.

„Herein,“ sagte ich knapp, ohne den Blick von meiner Kleinen zu nehmen.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Fuchs – trat ein. Sein Auftreten war so kontrolliert wie immer, doch ich erkannte sofort, dass er sich angespannt hielt. Er ging direkt auf mich zu, verneigte sich leicht und beugte sich dann so dicht an mein Ohr, dass nur ich seine Worte hören konnte.

„Sir,“ flüsterte er, „ich habe den Fehler gefunden. Es liegt daran, dass die eigentlich Auserwählten falschen Angaben bei der

Bewerbung für den Job hinterlegt hat. Dadurch kam es zur Verwechslung.“

Ein kurzer, kalter Atemzug verließ meine Lippen. Ich richtete mich langsam auf, ließ meinen Blick zu Nora zurückgleiten, die uns beobachtete, sichtlich unsicher, ob sie Teil dieses Gesprächs war oder nicht.

„Also war es kein Zufall,“ murmelte ich, kaum hörbar.

„Nein, Sir,“ antwortete Fuchs tonlos. „Ich übernehme die volle Verantwortung. Ich verspreche Ihnen, ich werde das Missgeschick sofort aufklären.“

Einen Moment lang schwieg ich. Dann drehte ich meinen Kopf leicht, sah Fuchs mit einem Blick an, der ihn für einen Herzschlag erstarren ließ. „Ein Missgeschick, Fuchs, ist ein Wort, das ich in meinem Haus nicht dulde. Und doch… dieses hier könnte sich als wertvoll erweisen.“ „Verstanden, Sir,“ flüsterte er.

Ich ließ die Worte wirken, genoss für einen Augenblick, wie die Stille den Raum füllte. Dann wandte ich mich wieder meiner Kleinen zu. Sie stand noch immer da, mit dem Glas in der Hand, ihre grünen Augen weit, ihr Atem unruhig.

Und ich wusste: Auch, wenn sie nicht die Richtige war – sie war interessant. Vielleicht interessanter, als ich es erwartet hätte.

„Lassen Sie uns das Missgeschick doch nutzen,“ sagte ich leise, mehr zu mir selbst als zu Fuchs. „Manchmal führt der Zufall die besseren Geschichten herbei.“

Fuchs verneigte sich knapp, bevor er wortlos den Raum verließ. Die Tür schloss sich leise hinter ihm, und das leise Echo seiner Schritte verlor sich im Flur.

Die Stille, die blieb, war schwerer als zuvor. Nur das leise Flackern der Kerzen und der ferne Sommerwind begleiteten uns. Ich konnte sehen, wie Nora langsam wieder zu Atem kam, wie ihre Finger den Stiel ihres Glases etwas lockerten. Sie hob den Kopf, ihre Stimme noch unsicher, aber nun nicht mehr schweigend.

„Wie… wie ist dein Name?“ fragte sie leise. „Wer bist du?“

Ich ließ mir Zeit mit der Antwort, trat ein Stück näher, bis die Dunkelheit zwischen uns dichter wurde. Ein feines Lächeln umspielte meine Lippen.

„Du kannst mich nennen, wie du möchtest,“ sagte ich ruhig. „Ich habe viele Namen. Jeder sieht in mir etwas Anderes, und jeder gibt mir einen anderen Titel. Für den einen bin ich ein Gastgeber, für den anderen ein Herr, ein Feind oder ein Freund. Für dich…“ Ich neigte leicht den Kopf. „… für dich werde ich der sein, den du in mir sehen willst.“

Ihre Lippen öffneten sich leicht, als wollte sie eine weitere Frage stellen, doch mein Blick hielt sie fest. Ich sah ihr direkt in die Augen, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als gäbe es nichts Anderes im Raum außer diesem Grün, das mich fesselte.

„Deine Augen,“ murmelte ich, „sie verraten mehr, als du selbst ahnst.“