Convict - Hayley Faiman - E-Book

Convict E-Book

Hayley Faiman

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Beschreibung

Rylan Schuldig. Ehemaliger Häftling. Schwerverbrecher. Kriminell. Worte, die mich jetzt beschreiben. Worte, die jeden anständigen Menschen von mir fernhalten. Eine schlechte Entscheidung, die tragische Folgen nicht nur für mein Leben hatte, sondern auch das Leben anderer zerstörte. Mein Fehler verfolgt mich, doch ich habe geschworen, mich zu ändern. Als ich Channing treffe, spüre ich nicht nur die sofortige Anziehung zwischen uns und den Wunsch, sie zu beschützen, sondern ich sehe einen Menschen, der wie ich mit seinen Dämonen lebt.  Channing  Schlampe. Flittchen. Hure. Ehe-Zerstörerin.  Worte, die mich jetzt widerspiegeln. Worte, die auf unbestimmte Zeit bleiben werden. Diese Worte lassen die Einwohner meiner Heimatstadt davon ausgehen, dass sie dazu berechtigt sind, sie mir gegenüber zu verwenden. Der Beweis dieser Worte wächst in mir. Meine Einsamkeit und mein verzweifelter Wunsch nach Liebe wurden von der falschen Person ausgenutzt.   Ich habe mich geirrt. Sie haben recht.  Doch Rylan, der heiße tätowierte Ex-Häftling, zieht mich nicht nur vom ersten Aufeinandertreffen an, er gibt mir zudem die Hoffnung, die Vergangenheit hinter mir lassen und nach vorne blicken zu können.  Channing und Rylan, zwei verlorene Seelen in unruhigen Gewässern und eine brennende, leidenschaftliche Liebe. 

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Hayley Faiman

Außergewöhnliche Helden Teil 1: Convict – Gemeinsam durch unruhige Gewässer

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von J.M. Meyer

© 2018 by Hayley Faiman unter dem Originaltitel „Convict (An Unfit Hero Novel, Book 1)

© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

© Coverfoto: Shutterstock.com

ISBN Print: 978-3-86495-564-8

ISBN eBook: 978-3-86495-565-5

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Autorin

Prolog

Rylan

Ich starre mein Abbild in der Edelstahlversion eines Spiegels an. Der einzige Spiegel, den ich in den nächsten fünf Jahren benutzen darf. Es sind erst ein paar Monate vergangen, aber ich sehe deutlich älter aus als dem Tag, an dem ich diesen Ort betreten habe. Ein Sträfling. Für den Rest meines Lebens werde ich diesen Titel mit mir herumtragen. Ein schwarzer Schandfleck auf meiner Seele. Einen, den ich verdient habe.

Fahrlässige Tötung.

In Wahrheit – Mord.

Ich bin ein Mörder.

Mein blondes Haar hängt mir vor den Augen. Meine hellbraunen Iriden starren mich an. Sie wirken genauso tot wie die Leben, die ich genommen habe. Fünf Jahre bei guter Führung. In fünf Jahren komme ich aus dieser Hölle heraus, aber was ist mit den Leben, die ich beendet habe? Sie sind für immer weg.

Meine bunten und schwarzen Tattoos, die meinen Körper bedecken, starren mich an. Ich hebe eine Hand und reibe mir das Gesicht. Meine Hand- und Fingertattoos sehen in diesem traurigen Etwas eines Spiegels ziemlich verzerrt aus. Ich sehe verzerrt aus, oder vielleicht ist das auch bloß die Art, wie ich momentan wirke. Vielleicht sieht mich die Welt so. Ich kann nicht erwarten, dass irgendwer mich anders wahrnimmt, als ich es selbst tue, oder?

„Lindsay, die Zeit ist um“, ruft der Wärter.

Ich stoße mich vom Waschbecken und der beschissenen Spiegelattrappe ab und kehre dem Badezimmer den Rücken. Ich gehe auf den Wärter zu und hebe das Kinn an, sobald ich in seinem Blickfeld auftauche. Seine wütenden Augen funkeln, als er auf mich herabschaut. Er hat mir die Zeit hier fast unerträglich gemacht. Wenn es mir egal wäre, was er über mich denkt, wäre ich vielleicht ein wenig beleidigt, wie sehr er mich in Wahrheit hasst, ohne auch nur das Geringste über den Mann zu wissen, der ich bin – oder zumindest versuche zu sein.

„Dreckskerl“, grunzt er.

Ich presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und ignoriere seine Worte. Er hat schließlich nicht Unrecht. Ich bin ein Dreckskerl gewesen. Ständig besoffen und high. Egoistisch. Jung, dumm und mit ausreichend Sperma gesegnet. Mit keinerlei Ambitionen. Mein einziges Ziel im Leben ist es gewesen, genug Dope zu verkaufen, um mit meiner eigenen Sucht klarzukommen, und zu ficken. Ich liebe es zu ficken, obwohl ich das Gefühl habe, dass es einfach zum Menschsein dazugehört.

Und das alles ist nicht schwer zu bewerkstelligen in einem kleinen Kuhkaff in Texas, in dem man einer der besten und bekanntesten Dealer ist – nicht, dass ich mich selbst loben will. Während ich dem Wachmann folge, denke ich über meine Vergangenheit nach. Ich könnte meiner beschissenen Kindheit die Schuld für all das geben. Aber ich kenne Leute, die in noch schlechteren Verhältnissen aufgewachsen sind und sich trotzdem noch auf freiem Fuß bewegen und saubere Luft atmen. Die nicht gemordet haben.

Ich habe zugelassen, dass ich zu einem Produkt meiner Umgebung wurde. Das ist einfacher gewesen, als hart zu arbeiten und aus dem Drecksloch herauszukommen, in dem ich gezeugt worden bin. Aber anstatt diese Scheiße zu durchschwimmen, wurde ich wie mein Vater. Ein Säufer und Junkie, nur dass mein Vater nie länger als ein paar Monate im Knast einsaß. Nicht so wie ich, der eine ganze Weile im Gefängnis einsitzen muss.

In fünf Jahren werde ich wieder frei sein. Bis dahin werde ich meine Zeit absitzen – stillschweigend. Ich werde meinen Kopf einziehen und dann als besserer Mensch daraus hervorgehen – hoffentlich, vielleicht, möglicherweise.

Zurück in meiner Zelle, setze ich mich auf die Kante meiner beschissenen Pritsche und nehme mir Papier und einen Bleisteift, den ich mir neulich gekauft habe. Ich überlege, einen Brief an meine Mom zu schreiben, denn vielleicht würde sie das Papier mal nicht dazu benutzen, um es zusammenzurollen und ihr Dope damit zu schnupfen. Obwohl ich diesen Scheiß stark bezweifele.

Ich werfe Stift und Zettel zur Seite und lege mich auf den Rücken. Ich starre die Decke an und frage mich, wie viele Männer wie ich hier schon gelegen haben.

Wie viele Männer haben sich ihr Leben im Alter von fünfundzwanzig Jahren so richtig versaut?

Wie viele Männer wurden entlassen, nur um wieder zur alten Scheiße zurückzukehren?

Werde ich überleben? Erfolg haben? Scheitern? Sterben?

Der Tod wäre eine gerechte Strafe für meine Taten, für den Schmerz, den ich einer ganzen gottverdammten Familie zugefügt habe.

Der Tod wäre ein zu gutes Ende. Zu einfach.

Ich verdiene es, zu leiden.

***

Channing

Drei Jahre später

Er beobachtet mich vom vorderen Bereich des Raumes aus und versteckt den Großteil seines Körpers hinter einem kleinen Podium. Ich beiße mir auf die Lippe, als er mich angrinst. Groß, dunkel, gutaussehend und mein Lehrer. Er ist älter als ich, aber nur fünf Jahre. Er ist sexy, verboten und ich sollte vor ihm weglaufen.

Ich sollte nicht auf meinem Stuhl umherrutschen und meine Beine etwas zu hoch übereinanderschlagen, damit mein Rock unterhalb des Schreibtisches mehr von meinem Oberschenkel preisgibt. Sein Blick wandert eine Etage tiefer, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Das hier ist so was von falsch. Die Art und Weise, wie er mich ansieht, die Dinge, die er zu mir sagt, wenn wir allein sind. Ich kann nicht damit aufhören, mich gut damit zu fühlen. Er will mich, er begehrt mich, und bald werden wir zusammen sein. So richtig.

Die Glocke läutet, die Schüler springen auf, schnappen sich ihre Rücksäcke und verlassen den Klassenraum für heute. Dies ist die letzte Schulstunde gewesen und kann ich es kaum erwarten, bis alle gegangen sind. Mittlerweile ist es für Mr. Bridges und mich schon so etwas wie eine Tradition geworden. Sobald das Klassenzimmer verwaist ist, sehe ich ihm zu, wie er zur Tür geht, den Schlüssel ins Schloss steckt, abschließt und sich dann zu mir umdreht.

„Du hast mich den ganzen Nachmittag über in Versuchung gebracht, Miss Shephard“, sagt er lächelnd.

Er sieht wie ein Wolf aus, und ich fühle mich wie Rotkäppchen, nur dass ich mich darauf freue, dass er mich endlich verschlingt. Ich kann es kaum erwarten, dass er es tut.

„Hast du deiner Frau von uns erzählt?“, frage ich ihn, als ich von meinem Schreibtisch aufstehe.

Seine Augen verfinstern sich, während er mich von der anderen Seite des Raumes aus ansieht. „Channing, du weißt, dass ich das nicht kann. Noch nicht. Du bist noch schulpflichtig. Wenn du deinen Abschluss in der Tasche hast, werden wir noch mal darüber sprechen. Sie hat mich an den Eiern, das weißt du.“

Ich beiße mir wieder auf die Lippe und senke den Blick. „Es tut mir leid“, wispere ich.

Er überwindet den Abstand zwischen uns und ich spüre seine Finger unter meinem Kinn. Er hebt meinen Kopf an, sein Blick sucht meinen. Er lächelt sanft, dann senkt er sein Gesicht näher zu meinem herab. Seine Lippen berühren meine, sie sind weich, genau wie seine Hände.

„Du weißt, was ich für dich empfinde, Channing. Du bist die Einzige, die mich versteht. Du bist die Einzige, die mich glücklich macht. Ich muss versuchen, mit ihr fertigzuwerden, und schon bald wird sie uns nicht mehr im Weg stehen und wir können zusammen sein.“ Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, und bevor ich etwas darauf erwidern kann, schiebt er auch schon seine Zunge in meinen Mund.

Er drängt mich so weit nach hinten, bis ich mit meinem Hintern auf seinem Schreibtisch lande. Langsam unterbricht er unseren Kuss, seine Lippen gleiten meinen Hals hinunter bis zum Ansatz meiner Brüste. Seine Finger greifen um meine Hüften und er dreht mich um. Er drückt seine Hand mittig auf meinen Rücken und schiebt mich so weit nach vorne, bis mein Hintern in der Luft ist. Ich höre, wie er sein Handy herausholt, denn das tut er immer. Er schaut es sich später gerne noch einmal an, und ich kann nicht leugnen, dass ich das liebe.

„Fuck“, stöhnt er, als er meinen Rock hochschiebt.

Ich trage diesen Rock nur für ihn, weil ich weiß, wie gerne er ihn an mir sieht. Seine Finger greifen in mein Höschen, bevor er es mir die Beine herunterzieht. Meine Oberschenkel zittern, als ich seinen Schwanz an meinem Eingang spüre. Er stößt in mich hinein.

Ich kneife die Augen zu und atme durch die Nase ein. Es brennt, als er in mich eindringt, aber ich weiß, dass er es so am liebsten mag. Er sagt, dass es sich so besser für ihn anfühlt. Ich will nichts mehr, als ihn glücklich machen. Was auch immer er will. Er bekommt es.

Er schlingt seine Hand um meinen Nacken und hält mich fest, sodass meine Wange gegen das harte Holz gepresst wird. Er fickt mich, meine Hüften knallen bei jedem Stoß gegen die Tischkante. Später werde ich bestimmt blaue Flecken haben und mit den Fingern über sie streichen, um mich an diesen perfekten Moment zu erinnern.

„Fuck“, stöhnt er, während er sich in mir versenkt und sich wieder zurückzieht.

Es dauert nicht lange, bis sich Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen ansammelt und mein Körper beginnt, es zu genießen, wie er mich ausfüllt, wie er sich in mir bewegt.

„Ja“, zische ich, als sich seine Finger enger um meinen Nacken schließen.

„Fuck, diese enge Pussy. So gut“, murmelt er, als seine Stöße weniger rhythmisch werden. „So eng. So gut“, keucht er.

Als er plötzlich stoppt, fühle ich, wie sein Sperma in mich strömt. Ich bin noch nicht einmal nahe dran, meinen eigenen Höhepunkt zu erreichen, doch später, wenn ich nach Hause gehe und mich selbst zum Kommen bringe, werde ich mich daran erinnern, wie sehr er es mag, wie ich mich anfühle. Wie sehr ich ihn antörne.

Er lässt meinen Nacken los und lehnt sich über meinen Rücken, seine Brust presst sich gegen mich, sein Gewicht ist schwer, aber das begrüße ich. Seine Lippen berühren die Stelle, wo mein Hals in meine Schulter übergeht. „Ich wünschte, wir könnten allein sein, zusammen, nicht so wie hier“, hauche ich ihm zu.

„Bald, Channing. Bald werden wir zusammen sein“, krächzt er, als er sich aus mir zurückzieht.

Ich rücke meinen Rock zurecht und ziehe das Höschen wieder über die Beine. Ich spüre, wie sich seine Erlösung in meinem Slip sammelt, und diese Tatsache färbt meine Wangen rosa. „Und du? Schläfst du auch mit ihr?“, frage ich ihn und meine mit ihr seine Frau.

Seine Augen verdunkeln sich ein weiteres Mal. Er steckt das Handy wieder in seine Hosentasche, bevor er eine Hand hebt und lächelnd meine Wange berührt.

„Natürlich nicht. Jetzt, da ich dich habe und wir das hier miteinander teilen, könnte ich mir nicht vorstellen, mit jemand anderem zu schlafen. Es gibt nur dich, Channing. Außerdem, warum sollte ich zu ihr gehen, wenn ich doch deine enge Muschi haben kann? Ihre fühlt sich bei weitem nicht so gut an wie deine.“ Er zwinkert mir zu.

Mein Gesicht brennt bei diesen Worten. Verlegenheit durchströmt mich, als er darüber spricht, wie ich mich untenrum anfühle. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während ich ihm weiter in die Augen sehe. Er haucht mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Geh nach Hause, Channing. Vielleicht können wir uns ja nach dem Footballspiel am Freitag treffen?“, fragt er.

Während ich einatme, verziehen sich meine Lippen zu einem breiten Lächeln, und ich nicke. „Ja“, sage ich seufzend.

Mit schwungvollen Schritten verlasse ich schnell das Klassenzimmer und freue mich schon jetzt auf Freitagabend und natürlich auf das, was noch kommen wird. Mr. Bridges und ich werden die schönste Zukunft aller Zeiten haben, das spüre ich bis tief in meine Knochen. Ich kann es kaum erwarten, meinen Abschluss zu machen, und dann können wir endlich zusammen sein.

Bald.

Es wird bald so weit sein, ich kann es praktisch schon

Kapitel 1

Rylan

Zwei Jahre später

Ich blinzele, als ich mich umschaue. Hier ist alles ein kleines bisschen heller als hinter den Toren. Ich bin frei. Obwohl ich es noch nicht so richtig fühle. Werde ich es jemals sein? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht. Ich denke, dass das Gefühl, beobachtet zu werden, ständig einen Blick über meine Schulter werfen zu müssen, nie wieder verschwinden wird.

Es gibt niemanden, der auf der anderen Seite der Gefängnismauern auf mich wartet. Keine Tussi, die sich nach mir sehnt. Keine Eltern, die ihr Baby vermisst haben.

Niemanden.

Nichts.

Ich bemitleide mich nicht, nicht wirklich. Ich verdiene so viel Schlimmeres. Wenigstens atme ich noch. Ich bin am Leben, im Gegensatz zu den Menschen, die ich getötet habe. Ich schiebe die Hände in meine Hosentaschen und gehe in Richtung Parkplatz. Am Ende der Straße befindet sich eine Bushaltestelle, und dank des Staates Texas habe ich gerade ausreichend Kohle, um mir eine einfache Fahrkarte in meine Heimatstadt zu kaufen.

Vielleicht sollte ich nicht zurückkehren. Ich werde wahrscheinlich in denselben alten Scheiß abrutschen wie damals, aber ich muss dennoch versuchen, mich zu bessern. Ein besserer Mensch zu sein. Ich muss es versuchen.

Nicht für mich selbst.

Ich muss es für die beiden Leben versuchen, die ich genommen habe. Wenn das alles umsonst gewesen ist, dann sollte ich meinen Arsch einfach zurück in den Knast bewegen und dort für den Rest meiner Tage verrotten. Ich werde nicht länger zulassen, dass meine Vergangenheit – meine Kindheit – mich definiert. Ich bin besser als das, besser als meine Eltern. Das muss ich einfach sein.

Als ich zum Ticketschalter gehe, sitzt dort ein wettergegerbter Mann. Er wirkt ernst, als wäre er wütend auf die Welt, was ich ihm nicht übelnehmen kann. Es ist leicht, angepisst zu sein. So verdammt leicht.

„Wo willst du hin?“, bellt er mit heiserer, rauer Stimme.

Ich atme tief ein und lasse den Atem mit einem Seufzer wieder entweichen. „Burnet, Texas“, brumme ich.

Er beäugt mich misstrauisch, weil er genau zu wissen scheint, woher ich komme. Er sieht wahrscheinlich ein Dutzend entlassener Häftlinge pro Monat hier vorbeikommen. Ich bezweifele, dass er auch nur einem einzigen von uns traut, ich weiß, dass ich es nicht tun würde – nicht in einer Million Jahren.

„Wenn du Ärger machst, werden dich die Fahrer verdammt nochmal hierher zurückbefördern, Junge“, knurrt er und deutet auf die Gefängnismauern hinter mir.

Ich hebe mein Kinn und mache mir gar nicht erst die Mühe, mir die Worte des Mannes zu Herzen zu nehmen. Es gibt keinen Grund, sauer zu sein. Er schaut mich an, geradewegs, und urteilt über mich, wie er es auch sollte. Er weiß, dass ich ein Sträfling bin. Das ist es, was ich bin. Es gibt keine andere Möglichkeit, mich zu beschreiben. Mich etwas anderes als einen Mörder zu nennen. Ich werde für den Rest meines Lebens dieser befleckte Mann sein – für immer bekannt als Mörder und Verurteilter.

„Verstanden“, erwidere ich und nicke.

Seine blauen Augen verengen sich und er nickt ebenfalls, während er mir das Ticket überreicht. Ich bedanke mich bei ihm, gehe zu einer Bank, setze mich und strecke meine Beine aus. Seit fünf Jahren bin ich nicht mehr in meiner Heimatstadt gewesen. Habe nichts mehr von dem Kleinstadttratsch mitbekommen, nicht einmal die Ergebnisse eines High-School-Footballspiels gehört. Nichts.

Grinsend schaue ich auf meine Hände, die auf meinen Knien ruhen. Football. Ich vermisse es, die Bulldogs an einem Freitagabend spielen zu sehen. Doch noch mehr als das, vermisse ich die winzige Stadt, aus der ich eigentlich komme. Das ist nicht Burnet, obwohl ich dort zur Schule gegangen bin. Meine Stadt ist so winzig, dass sie nicht einmal eine eigene High School hat. Genau genommen gibt es dort gar keine Schulen. Wir wurden mit Bussen zum Unterricht gekarrt.

Gallup, Texas. Einwohner: vierhundertachtundsechzig. Dort habe ich mich immer zu Hause gefühlt. Wir haben eine Tankstelle und zwei Stoppschilder. Straßen, die allesamt unbefestigt und geschottert sind. Einen Wohnwagenpark, in dem ich selbstverständlich aufgewachsen bin, und einen Gemischtwarenladen. Das ist meine Stadt. Das ist alles, was es dort gibt. Einen Haufen unbefestigter Straßen und Häuser fernab der Hauptstraße.

Ich schließe meine Augen, während ich auf den Bus warte. Seufzend reibe ich mir mit der Hand über das Gesicht. Ich fühle die Anwesenheit einer anderen Person und schaue nach rechts. Es ist ein Mädchen. Jung, hübsch, zierlich. Sie schaut zu mir herüber und lächelt, ihre Wangen färben sich rosa.

„Hey“, sagt sie.

„Bist du wegen deines wöchentlichen Besuchs hier?“, erkundige ich mich und drehe meinen Kopf in Richtung Gefängnis.

Sie nickt und wendet sich mir noch etwas mehr zu. Ihre Körpersprache signalisiert Offenheit, der Stoff ihres hautengen Tops mit tiefem Rundhalsausschnitt spannt sich um ihre Brüste. Mein Blick bleibt an ihrem Dekolleté kleben. Verdammt, ich habe seit fünf Jahren keine echten Titten mehr gesehen. Fünf verdammt lange Jahre.

„Ich besuche meinen Mann. In Texas sind leider keine ehelichen Besuche erlaubt“, sagt sie und schmollt.

Ich lecke mir über die Unterlippe. „Nein? Wie lange sitzt er schon ein?“, frage ich sie.

Sie beugt sich vor und ermöglicht mir so einen perfekten Blick auf ihre Titten. „Sechs Jahre, aber er hat lebenslänglich bekommen“, haucht sie.

Ich stehe auf und räuspere mich. „Zu den Toiletten?“, biete ich ihr an. 

Wenn sie Bock auf einen Schwanz hat, bin ich mehr als bereit, ihn ihr zu geben. Ich gehe zur Herrentoilette, hole ein paar Münzen aus meiner Hosentasche, stecke sie in den Kondomautomaten und bin dankbar, dass es hier einen gibt.

Normalerweise vögele ich nie ungeschützt, aber heute würde ich definitiv eine Ausnahme machen, denn ich bin verdammt geil.

Kaum habe ich das Kondom aus der Verpackung genommen, fliegt auch schon die Tür auf und sie kommt herein. Als ich mich umdrehe, um sie anzuschauen, schließt sie ab und stolziert auf mich zu. Sie schiebt ihren Rock hoch und enthüllt ihr fehlendes Höschen.

„Es wird sehr schnell gehen“, warne ich sie, denn mein Schwanz ist schon so hart, dass er Nägel in Wände schlagen könnte.

Sie grinst. „Gut. Und sorg‘ dafür, dass es auch hart wird.“

Ich schlinge meine Hände um ihre Taille, hebe sie hoch und drücke sie mit dem Rücken gegen die Wand. Sie greift zwischen uns hindurch und öffnet wie ein verdammter Vollprofi den Reißverschluss meiner Hose. Ich schiebe sie meine Beine hinunter und hole schnell meinen Schwanz heraus. Dann spucke ich auf meine Finger, führe sie zu ihrer Muschi und lasse sie in ihre warme Hitze gleiten.

„O ja“, stöhnt sie und lässt ihren Kopf zurückfallen. Die Schlampe ist schon klitschnass, völlig triefend. „Fick mich, hart. Zeig mir, wie böse du bist“, fordert sie mich auf.

Ich lächele, als ich registriere, was für eine perverse, kleine Bitch sie doch ist, aber ich will mich nicht beschweren. Ich krümme meine Finger in ihr und fühle die raue Stelle, von der ich weiß, dass sie sie in den Wahnsinn treiben wird. Sie öffnet ihre Augen und japst, als ich meinen Daumen gegen ihre Klitoris presse. Ihre Hüften zittern und ich genieße die Art, wie sie meine Hand durchnässt.

Sie ist verdammt nah dran, denn ich spüre, wie ihre Muschi zuckt, und ich weiß, dass sie ganz kurz davor steht, über die Klippe zu springen. Sie keucht, und als sie mich ansieht, sind ihre Augen weit aufgerissen. Ich lasse meine Finger aus ihrer Fotze gleiten und benetze meinen Schwanz, dem ich bereits ein Kondom übergezogen habe, mit ihrer Nässe. Ich lege beide Hände um ihre Hüften und dringe in sie ein. Es ist kein langsamer, sondern ein schneller, harter Stoß.

„Scheiße, das ist ein gottverdammtes Monster. Reiß mich nicht entzwei“, schreit sie.

Ich grinse, ziehe ihn wieder heraus und stoße dann wieder zu. Ihr Kopf prallt von der Tür ab, das ist mir scheißegal. Ich klinge wie ein Arschloch, aber verdammt, ich bin seit fünf Jahren in keiner Möse mehr gewesen. Sie japst, ihre Fingernägel graben sich in meine Schultern, während ich sie gegen eine schmutzige Toilettentür ficke.

Ich ficke sie kurz, hart und schnell. Sie stößt einen quietschenden Laut aus, als sich ihre Muschi um meinen Schwanz herum zusammenzieht. Mir kommt selbst ein Grunzen über die Lippen, als ich mich ein letztes Mal in sie hineinschraube und komme – hart. Ich habe keinen Zweifel daran, dass ich, wenn ich dieses Kondom nicht übergezogen hätte, sie bestimmt geschwängert hätte, so viel Sperma hatte ich in meinen Eiern. 

Ganz ehrlich, das Letzte, das ich gebrauchen kann, ist ein Baby. Schon gar nicht von einer Schlampe, die ich nicht kenne und dessen Alter lebenslänglich hinter Gittern sitzt. Fuck. 

„Verdammt, das war so gut, Baby“, schnurrt sie.

Ich ziehe meinen Schwanz aus ihr heraus, weiche einen Schritt zurück, ziehe das Kondom ab, verknote es und werfe es in den Müll. Dann ziehe ich wieder meine Jeans über die Hüften und schließe den Reißverschluss. Anschließend trete ich ans Waschbecken und wasche mir die Hände.

Die Kleine lehnt noch immer an der Toilettentür, ihr heftiger Atem erfüllt den Raum und hallt von den Wänden um uns herum wider. Nachdem ich mir die Hände abgetrocknet habe, drehe ich mich zu ihr um. Sie sucht meinen Blick, ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.

„Wann immer du ficken willst, komm einfach am Besuchstag hierher.“

„Ist das dein Ding? Frisch entlassene Häftlinge zu ficken?“ Ich denke schon.

Ihr Lächeln wird breiter, sie stößt sich von der Wand ab und kommt auf mich zu. Sie legt ihre Hände auf meine Brust und neigt den Kopf zurück. „Ich entlasse die Süßen gerne mit einem Lächeln wieder in die allgemeine Bevölkerung.“

Sie legt ihre Lippen auf meine, dann wendet sie sich ab und spaziert davon. Ich sehe ihr nach und schnaube, als die Tür hinter ihr zufällt. Eine wahrhaft verdammte Mutter Theresa. Kopfschüttelnd folge ich ihr.

Als ich wieder im Freien stehe, beobachte ich, wie der Bus einfährt. Ich schaue mich um, um zu checken, ob sie noch da ist, doch ich kann sie nirgends entdecken. Achselzuckend gehe ich zum wartenden Bus, in dessen Inneren es gewaltig stinkt. Na ja. Immer noch besser, als im Knast zu sitzen.

Ich schließe meine Augen, befriedigt von dem schnellen Fick, und versuche, mich so gut es eben geht zu entspannen. Ich habe eine lange Fahrt vor mir und da ich noch nicht weiß, was ich tun werde, wenn ich ankomme, habe ich eine verdammte Pause bitter nötig.

***

Channing

Ich atme ganz tief ein und versuche, mich nicht schon wieder zu übergeben. Obwohl ich nicht weiß, wie das funktionieren soll, denn ich habe alles, was in meinem Magen gewesen ist, bereits ausgekotzt. Ich neige den Kopf, mein langer blonder Zopf fällt mir über die Schulter, dann eile ich zur Tür des Motels.

Ich muss meine Hand gar nicht erst heben, um anzuklopfen, denn sie öffnet sich, kurz bevor ich sie erreiche. Der Mann steht nicht im Türrahmen, sondern nackt dahinter. Er knallt die Tür zu und schließt sie hinter mir ab. Ich bin nicht dazu in der Lage zu sprechen. Sein Mund kracht auf meinen, seine Zähne knallen mit voller Kraft gegen meine.

Ich lege meine Hände auf seine Brust und schiebe ihn von mir. „Oh, spielen wir etwa wieder dieses Vergewaltigungsspiel?“, fragt er feixend.

Ich trete einen großen Schritt zurück, stoße mit dem Rücken gegen seine Zimmertür und schüttele den Kopf. „Nein. Ich muss mit dir reden“, flehe ich ihn geradezu an.

Er seufzt und rauft sich mit einer Hand die Haare. „Wir werden kein Wort mehr darüber sprechen, Channing. Ich kann sie nicht verlassen. Nicht jetzt. Sie ist …“ Seine Worte reißen ab.

Normalerweise sagt er mir nie, was sie ist, aber ich weiß, dass da etwas ist. Er betont nur immer wieder, dass sie ihn an den Eiern hat. Ich habe ihm das geglaubt, als ich achtzehn und noch seine Schülerin gewesen bin. Doch nun, zwei Jahre später, kaufe ich ihm das nicht mehr ab. Er will nur uns? Ihn und mich? Und ich bin so dumm gewesen zu glauben, dass er sich für mich ändern würde. Dass wir glücklich bis ans Ende unserer Tage zusammenleben würden. Dass ich etwas Besonderes für ihn bin.

Im Laufe der letzten Tage ist mir klar geworden, dass es wahrscheinlich nie dazu kommen wird. Zumindest ist es das gewesen, was ich gedacht habe. Bis heute Morgen, als ich den Test gemacht habe. Jenen Test, der alles verändern wird. Ich werde endlich glücklich sein, ich kann es fühlen.

„Was ist mit ihr?“, hake ich nach.

Er schaut mir direkt in die Augen, seufzt, geht zum Bett und setzt sich auf die Kante. „Sie hat mich abgefüllt, woraufhin wir an ihrem Geburtstag miteinander geschlafen haben. Sie ist schwanger.“ 

Er lügt. Er hat sich diesen Fehltritt nicht erlaubt. Ich bin nicht dumm oder naiv genug, zu glauben, dass er uns beide nicht die ganze Zeit über gefickt hat. Keine Frau würde sich entspannt zurücklehnen und akzeptieren, über zwei Jahre hinweg keinen Sex mehr mit ihrem Mann zu haben. Auch wenn ich nicht glauben will, dass er auch noch weiterhin mit ihr geschlafen hat, weiß ich, dass er es getan hat.

„Du hast nie aufgehört, mit ihr zu vögeln, oder?“, flüstere ich.

Ich muss die Wahrheit hören. Selbst wenn ich sie bereits kenne, muss ich sie verdammt noch mal hören. Sein Blick ruht auf mir und die Wahrheit ist da, sie ist groß und leuchtend und schlägt mir in mein verdammtes Gesicht. Er schüttelt den Kopf.

„Wie weit ist sie?“, will ich wissen.

„Achte Woche“, murmelt er.

Es fühlt sich an, als würde bei seinen Worten ein Messer in meinem Magen herumwüten. Achte Woche. Es ist also nicht ihr Geburtstag gewesen, sondern meiner. Ihr Geburtstag ist vor sechs Monaten gewesen. Er hat sie an meinem Geburtstag gefickt. Nachdem er sich von mir verabschiedet hat, hat er sie gevögelt. Ich zucke mit den Schultern, während ich versuche, meine Tränen zurückzuhalten.

„Wir können uns immer noch sehen. Es muss sich nichts ändern, wir müssen uns nicht ändern. Alles, was nun passiert, ist, dass sich unsere Pläne ein wenig verschieben“, sagt er schnell.

Kopfschüttelnd lege ich eine Hand auf meinen eigenen Bauch. „Ich bin auch in der achten Woche schwanger, James.“ Seine Augen weiten sich und ein Ausdruck des Entsetzens zeichnet sich in seinem Gesicht ab.

„Nein“, haucht er. „Du musst dich darum kümmern, Channing. Jennifer darf es nicht erfahren. Das darf nicht passieren“, fleht er.

„Mich darum kümmern?“, frage ich mit einem Stirnrunzeln. „Du willst das Kind mit deiner Frau behalten, aber unseres nicht? Wir haben dieses Baby aus Liebe gezeugt, James. Wie kannst du nur so etwas in den Raum werfen?“, frage ich.

„Liebe?“, spuckt er mir entgegen, als er aufsteht.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er zu seinen Klamotten geht und sich schnell anzieht. Er sieht wütend aus, stinksauer um genau zu sein, und ich bin verdammt verwirrt. Er ist noch nie sauer auf mich gewesen, noch nie, und das erschreckt mich gerade zu Tode. Was ist denn sein Problem? Wir sind seit über zwei Jahren zusammen. Wir sind verliebt. Warum stellt dieses Baby eine solche Last für ihn dar?

„Du warst nichts weiter als ein heißer, junger Arsch, den ich nebenbei ficken konnte. Ich werde Jennifer nie verlassen, du dumme kleine Schlampe. Wage es ja nicht, Unterhalt für diesen kleinen Bastard von mir zu verlangen. Ich werde alles abstreiten und dir keinen verdammten Cent zahlen.“

Mit zusammengekniffenen Augen strecke ich meinen Rücken durch und gehe einen Schritt auf ihn zu. „Der Vaterschaftstest wird nicht lügen, James. Du bist der Vater. Warum bist du so verdammt grausam zu mir?“, will ich wissen.

Er grinst. „Du bist so dumm. So verdammt ahnungslos. Du hast echt geglaubt, dass ich sie verlasse. Dass ich mich einen Dreck um dich schere? Niemals. Du warst nichts weiter als ein williges Loch zum Ficken. Das war‘s. Komm darüber hinweg, Channing. Ich könnte jede meiner Studentinnen ficken, und das tue ich auch. Du bist nichts Besonderes“, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Kapitel 2

Rylan

Als ich aus dem Bus steige, atme ich tief ein und inhaliere die frische Luft des texanischen Hill Country ein. Sie fühlt sich anders an als an dem Tag, an dem ich in Handschellen abgeführt wurde. Sie wirkt irgendwie sauberer. Frischer. Heller. Oder vielleicht liegt das auch bloß an mir selbst. Vielleicht bin ich derjenige, der frischer und heller ist? Ich weiß, dass ich nicht sauberer bin, nicht im Geringsten. Ich bin verdammt schmutzig und werde es immer sein.

Auf dem Weg zum örtlichen Café nehme ich meine Umgebung wahr. Nichts hat sich verändert, rein gar nichts. Alles sieht noch genauso aus wie vor fünf Jahren. Als ich eintrete, reihe ich mich in die Schlange ein und bestelle meinen ersten Kaffee in Freiheit.

„Habt ihr ein Telefon, das ich benutzen könnte?“, frage ich den kleinen Teenager hinter dem Tresen.

Ihr Gesicht wird rot und sie kichert. „Wir dürfen unsere Kunden nicht telefonieren lassen“, flüstert sie.

Als ich mich umschaue, stelle ich fest, dass der Laden total verwaist ist. Ich lehne mich über den Tresen und lege meine Handflächen flach darauf ab. „Ich werde es niemandem verraten, wenn du es auch nicht tust, Puppe.“ Ich zwinkere ihr zu. Ihr Gesicht wird noch eine Nuance röter und sie kommt ins Straucheln.

„Hier, du kannst mein Handy benutzen“, wispert sie und ich registriere, wie sie mit ihren Augen meinen Körper abcheckt. Ich zwinkere ihr noch einmal zu, nehme das Telefon, schnappe mir meinen Kaffee und entferne mich von ihr, um ein bisschen Privatsphäre zu haben.

Während ich die Nummer wähle, bin ich verdammt überrascht, dass ich sie überhaupt noch auswendig weiß. Ich warte, bis es klingelt, und freue mich schon auf den Moment, wenn die Person am anderen Ende der Leitung abnimmt.

„Hallo?“, grunzt er.

Ich schüttele den Kopf und räuspere mich. „Wyatt?“

„Scheiße, bist du das, Ry?“

Er klingt verdammt überrascht, von mir zu hören. Warum sollte er auch nicht? Ich habe seit Jahren nicht mehr mit meinem Cousin gesprochen. Als Kinder sind wir wie Pech und Schwefel gewesen. Er hat großes Glück gehabt, denn sein Vater hat sein Leben geändert und es zum Besseren gewendet, während meine Eltern weiterhin in ihrem eigenen Dreckloch ertrinken.

„Ich bin draußen. Wollte wissen, ob ich eine Weile bei dir bleiben kann? Ich will nämlich nicht wirklich nach Hause“, frage ich ihn rau.

Dreißig Jahre alt und obdachlos. Sicher, ich würde in den Wohnwagenpark zurückkehren können, in dem ich aufgewachsen bin, doch das würde bedeuten, mich wieder mit dem beschissenen Umfeld umgeben zu müssen, das aus mir den Mann gemacht hat, der ins Gefängnis gekommen ist. Ich will nicht mehr dieser Mann sein, nie wieder.

„Bei mir zu Hause kannst du aber nichts verkaufen oder deinen Scheiß durchziehen, Ry. Ernsthaft, ich werde das nicht dulden, und du musst dir einen richtigen Job suchen.“

Er muss über diesen Moment nachgedacht haben, über mich, und etwas Warmes breitet sich in meiner Brust aus. Ich hebe die Hand, die den Kaffeebecher hält, und reibe mir unbeholfen die Brust. Verdammt. Ich räuspere mich und stoße einen Seufzer aus. „Ich bin nicht mehr dieser Mann, Wy. Ich habe mich verändert. Ich will ein besserer Mensch sein, es besser machen“, lasse ich ihn wissen.

Vielleicht sollte es mir peinlich sein, das zuzugeben. Ist es aber nicht. Ich habe es versaut und zwar so richtig. Ich bin ein Arsch, aber keiner dieser Ärsche, der keine Reue für den Schmerz empfinden kann, den ich verursacht habe. Das Leben hat mir eine zweite Chance gegeben, und ich habe vor, sie bei den gottverdammten Hörnern zu packen und zu nutzen.

„Wo bist du?“, will er wissen.

Ich räuspere mich erneut und versuche, den Knoten, der sich in meiner Kehle gebildet hat, zu lösen. Dann erzähle ich ihm, wo ich bin, und beende das Gespräch. Ich gehe zum Tresen und gebe das Handy mit einem Lächeln und einem Danke an das kichernde Schulmädchen zurück. Ich flirte nicht mehr mit ihr, denn sie ist jung genug, um mein Kind sein zu können, und so ein Wichser bin ich nicht.

Ich entscheide mich, nach draußen zu gehen, setze mich an einen Tisch und genieße die frische Brise und den Sonnenschein, während ich auf Wyatt warte. Ich beobachte die vorbeifahrenden Autos, denke an nichts Bestimmtes, koste einfach meine Freiheit aus. Diesen ganzen Scheiß habe ich immer als selbstverständlich betrachtet. Das passiert mir nie wieder.

Ein paar Augenblicke später fährt ein Pick-up vor. Ich muss grinsen, weil ich weiß, dass es Wyatt ist. Er steigt aus seinem übergroßen Ford F-250 und ich schüttele den Kopf.

Seine dunklen Augen begegnen meinen, und ich bemerke, wie seine Lippe zuckt. Er ist breiter als damals, als ich ihn vor sieben Jahren zum letzten Mal gesehen habe. Aber verdammt, er ist ein Wahnsinnsanblick für meine verwundeten Augen.

„Musst du irgendetwas kompensieren, um diesen Monstertruck zu rechtfertigen?“, witzele ich und deute mit einem Kopfnicken zu seinem Schritt.

Wyatt schlingt seine Arme um mich und klopft mir mit der Hand auf den Rücken. „Halt die Fresse, du Schwanzlutscher. Verdammt, bin ich froh, dich zu sehen.“ Er tritt einen Schritt zurück und scannt mich von oben bis unten. „Du bist größer geworden und machst einen verdammt fitten Eindruck. Verflucht, du siehst gut aus, Cousin.“

„Ich fühle mich auch ziemlich gut“, gebe ich zu.

„Hast du eine Tasche oder so etwas?“, fragt er und schaut auf den Boden.

Ich schiebe meine Hände in die Hosentaschen und zucke mit den Schultern. „Ich habe nichts, Mann. Und ich bezweifele, dass Mom irgendetwas von meinen Sachen im Wohnwagen aufbewahrt hat.“

Ich weigere mich, mir das Mitleid in seinen Augen reinzuziehen, und richte meinen Blick stattdessen auf meine Füße, mit denen ich Steinchen zur Seite kicke.

„Ich habe meinen Chef angerufen. Wir brauchen einen Hilfsarbeiter, falls du dir nicht zu schade dafür bist, einen harten Job zu machen. Du musst zwar einen Pinkel-Test abgeben, dafür wird aber niemand mit der Wimper zucken, was deine Vergangenheit angeht“, brummt er.

Mein Kopf schießt hoch, mir klappt der Mund auf und meine Augen weiten sich. „Willst du mich verarschen?“

Er schüttelt den Kopf. „Das würde ich nie tun, Cousin. Ich leihe dir die Kohle für ein gutes Paar Stiefel und das Nötigste, was du für den Job brauchst, wie Jeans und Hemden. Außerdem zahlen sie eine Tagespauschale, da wir etwa eine Stunde von zu Hause entfernt arbeiten werden. Wir können eine Fahrgemeinschaft bilden und uns die Spritkosten teilen“, bietet er an.

„Wie? Warum?“, stottere ich und bin unfähig, einen zusammenhängenden Satz zu bilden.

Er hebt seine Hand, legt seine Finger auf meine Schulter und drückt zu. „Ich erinnere mich noch an den Jungen, der du mal warst. Ich weiß noch, dass du nie so werden wolltest wie sie. Irgendwann bist du abgerutscht, aber Rylan, du warst nie wie sie, nicht wirklich. Das ist deine zweite Chance, und wenn du bereit bist, dafür zu arbeiten, dann will ich dich unterstützen. Ich werde dir nicht den Arsch retten, aber ich lebe allein und verdiene gutes Geld. Ich bin also in der Lage, dir zumindest ein wenig unter die Arme zu greifen. Nicht nur, weil du zur Familie gehörst, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass du besser sein willst als sie“, sagt er und meint damit meine Eltern.

„Klingt gut“, erwidere ich und hebe mein Kinn.

Wyatt grinst und schüttelt wieder seinen Kopf. „Jetzt steig in den verdammten Truck. Dann wollen wir dich mal nach Hause bringen“, sagt er und lächelt.

***

Channing

Ich wische mir die Hände an der Schürze ab, bevor ich einen Block aus der Tasche hole und zum nächsten Tisch gehe. Ich erstarre, als ich näher komme. Da sitzt sie: Jennifer Bridges. Sie weiß nicht, wer ich bin. Sie weiß nicht, dass ihr Mann und ich zwei Jahre lang eine Affäre gehabt haben. Sie weiß nicht, dass die Babys, die wir beide austragen, Geschwister sind. Zumindest habe ich gedacht, sie weiß es nicht.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, frage ich, nachdem ich tief durchgeatmet habe.

Sie sieht zu mir auf, ihr kurzes, dunkles Haar fällt ihr fast über die Schultern, als sie den Kopf zurücklegt. „Ich nehme ein Wasser und vielleicht ein kleines Glas Milch? Ich bin schwanger und Milch beruhigt meinen Magen“, erklärt sie mir.

Ich spüre, wie sich meiner bei ihren Worten zusammenzieht. Natürlich weiß ich, dass sie schwanger ist, doch sie das sagen zu hören, löst etwas in mir aus. Ich lächele und wende mich ab, um ihr die Getränke zu holen. Stirnrunzelnd befülle ich das Glas mit Milch und frage mich, ob ich eigentlich alles falsch mache. Ich habe überhaupt keine Milch mehr getrunken, seit ich erfahren habe, dass ich schwanger bin. Es sei denn, Eiscreme zählt dazu. Ich habe mich in Eiscreme ertränkt, nachdem James mir vorgeschlagen hatte, unser Baby abtreiben zu lassen.

Als ich zu ihrem Tisch zurückkehre, hat sich eine weitere Frau zu ihr gesellt. Sie unterhalten sich, als ich auf die beiden zugehe. „Ist James nicht der glücklichste Mann auf Erden?“, fragt die Frau mit einem zwinkernden Kichern.

„O mein Gott, zuerst war er überrascht, aber gestern Abend kam er mit Stramplern und einem Teddybären nach Hause. Er ist so aufgeregt und sagt immer, es sei ihm egal, was es wird, aber ich weiß, dass er sich einen Jungen wünscht.“ Ich gerate ins Stolpern, fange mich aber sofort wieder, und stelle die Getränke ab.

„Einen süßen Tee“, bestellt die andere Frau. Mit einem angedeuteten Nicken eile ich davon, denn ich will nichts mehr davon hören, wie fantastisch dieses Arschloch doch ist.

Ich bringe ihr schnell den Tee, dann nehme ich ihre Essensbestellungen auf. Zum Glück ordern sie nichts allzu Spezielles oder Kompliziertes, sodass ich ihren Tisch schnell wieder verlassen kann. Ich checke noch eben die anderen Tische, bevor ich in die Küche gehe und erneut tief durchatme.

„Ich habe gehört, dass du dich selbst in Schwierigkeiten gebracht hast“, meint Lulamae und lässt die Blase ihres Kaugummis platzen.

Ich schaue sie an und nicke, während die Tränen meine Augen fluten.

Sie schüttelt den Kopf. „Es ist schwer, ein hübsches Mädchen in einer kleinen Stadt wie dieser zu sein. Ich war auch mal in deiner Situation, habe aber schließlich einen tollen Mann gefunden. Musste dafür jedoch mit vielen Fröschen schlafen, um den Prinzen zu bekommen“, sagt sie.

„Das spielt keine Rolle. Ich stecke da allein drin.“ Ich zucke mit den Schultern. „Keine Frösche mehr. Nie wieder“, sage ich, als Clarence, der Koch mich zu sich herwinkt, um mir zu sagen, dass meine Bestellung die nächste ist.

Lulamae lacht und schüttelt wieder ihren Kopf. „Verlass dich nicht darauf, Süße. Du bist hübsch und jung. Ob du nun einen Braten in der Röhre hast oder nicht, irgendein Mann wird schon in dich hinein wollen.“ Sie zwinkert mir zu.

Ich gehe nicht auf ihre Aussage ein, sondern schnappe mir stattdessen die beiden Teller von der Theke. Ich trage sie hinaus und gehe langsam auf den Tisch zu. Ich atme mal wieder tief ein und hoffe und bete, dass ich ohne Probleme dort ankomme und anschließend weit weglaufen kann.

„Glaubst du, dass er sich endlich von der kleinen Hure getrennt hat, mit der er sich nebenbei getroffen hat?“, fragt Jennifers Freundin und nimmt einen Schluck von ihrem Tee.

Ich lasse einen der Teller mit einem Aufprall auf ihren Tisch fallen. Die Augen beider Frauen richten sich auf mich, und ich weiß, dass ich kreidebleich bin. Zweifelsohne bin ich mir sicher, dass ich genauso krank aussehe, wie ich mich gerade fühle. „Entschuldigung“, murmele ich. Ich schiebe die Teller vor die Frauen und frage sie, ob sie noch etwas brauchen.

„Nein“, sagt Jennifer scharf.

Ich schaue zu ihr hinunter und runzele leicht die Stirn. Ihre Hand schlingt sich schnell um meine und sie drückt fest zu. Ich erstarre, bin unfähig, mich zu bewegen. „Bleib mir bloß vom Leib. Ich weiß, dass du es warst, die meine Familie zerstört hat, du kleine Hure“, zischt sie.

Ich höre ihre Freundin kichern, als ich mich aus ihrem Griff losreiße. Ich weiche ein paar Schritte zurück und streiche mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. Ohne etwas darauf zu erwidern, eile ich in den hinteren Teil des Restaurants, zu den Toiletten.

Ich schließe mich in eine der beiden Kabinen ein, vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und weine. Sie hat nicht Unrecht, aber sie hat auch nicht recht. Ich habe ihre Familie zerstört. Ich habe mich aber nicht an James rangeschmissen. Er hat mich angebaggert. Und dann hat er mich verlassen, als ich ihn am meisten gebraucht habe.

Sie dagegen hat ihn. Sie hat seine Liebe, seine Unterstützung, alles von ihm. Ich habe nichts. Nichts, außer diesem Baby, das er mir gemacht hat. Er hat mein Herz in Millionen Stücke zerrissen. Er hat mich zu seinem eigenen Vergnügen benutzt, weil er genau wusste, dass er sie nie für mich verlassen wird. Er wusste, dass er mich manipulieren konnte.

Und er macht das Gleiche jetzt bestimmt mit einer anderen, darauf wette ich. Ein Mann wie er wird niemals mit so etwas aufhören. Doch wie kommt es, dass ich ihn noch immer liebe? Dass ich ihn noch immer will und denke, dass ich ihn brauche? Warum tut es so verdammt weh?

„Süße?“, ruft Lulamae.

„Fast fertig“, sage ich und versuche, meine Stimme stark klingen zu lassen. Wohlwissend, dass sie zittert.

„Ich habe gerade all deine Tische gecheckt. Nimm dir ruhig eine Minute. Ich habe gehört, was die Schlampe zu dir gesagt hat. Nimm dir Zeit“, flüstert sie.

Lulamae und ich stehen uns nicht wirklich nahe, aber ich respektiere und mag sie. Heute liebe ich sie sogar. Ich schließe kurz die Lider. Dann öffne ich die Kabinentür und gehe zum Spiegel. Ich spritze mir etwas Wasser ins Gesicht und trockne mich mit einem Papierhandtuch ab.

Meine blauen Iriden treffen auf mein Spiegelbild und sie sehen so verdammt traurig aus, aber darüber hinaus auch verängstigt und untröstlich. Ich muss James endlich hinter mir lassen. Ich muss mich auf das Leben konzentrieren, das in mir heranwächst. Das ist, was wichtig ist. Das ist alles, was zählt. Dieses Baby. Nichts anderes.

Ich schüttele mich, drehe mich zur Tür und gehe hoch erhobenen Hauptes an die Arbeit zurück. Als ich wieder zurück bin, bin ich dankbar dafür, dass die beiden Schlampen weg sind. Ich gehe zu ihrem Tisch und verdrehe die Augen, als ich bemerke, dass sie mir nicht einmal einen Penny Trinkgeld gegeben haben.

Eine Nachricht.

In der Mitte des Tisches liegt ein gefalteter Zettel. Ich nehme ihn an mich und versuche, ihn zu entfalten. Ich sollte das nicht tun. Ich sollte ihn einfach in den Müll werfen, aber ich bin zu neugierig.

Tun Sie sich selbst einen Gefallen.

Verlassen Sie die Stadt.

-J

Ich zerknülle das Papier in meiner Faust und werfe es zurück auf den Tisch. Die Hilfskraft kommt dazu und ich lächele. „Danke, Braydon.“ Als ich mich von ihm entferne, lasse ich Jennifer und James hinter mir. Ich muss mich jetzt auf meinen Job konzentrieren, dann kann ich mich heute Abend in einem billigen Becher Eiscreme ertränken und heulen.

Kapitel 3

Rylan

„Fuck“, ächze ich.

Löcher per Hand graben. Wer hätte gedacht, dass der Job das Graben von Löchern per Hand beinhalten würde? Ich stöhne, drücke die Schaufel in den Boden und hebe eine weitere Ladung Erde aus. Ich beschwere mich nicht, nicht wirklich. Ich würde lieber das hier tun als irgendetwas im Knast. 

Wyatt ist ein Elektrikergeselle. Er klettert auf Strommasten und hantiert mit Elektrizität. Mein offizieller Arbeitstitel lautet Erdarbeiter, aber ich bin nichts weiter als ein verdammter Lakai. Ein dreißigjähriger Lakai, und ehrlich gesagt macht mir das überhaupt nichts aus. Vielleicht werde ich auch eines Tages auf einem Mast sitzen wie Wyatt. Es ist nämlich verdammt faszinierend, ihm bei der Arbeit zuzusehen.

Mit dem Handrücken wische ich mir die Schweißperlen von der Stirn. „Bist du bald fertig damit, du Arschloch?“, fragt Wyatt und kommt auf mich zu.

Ich bin überrascht, ihn am Boden zu sehen. Als ich das letzte Mal aus meinem Loch aufgeblickt habe, ist er fünfundvierzig Fuß über mir in der Luft gewesen. „Bald.“ Ich grinse.

Er schüttelt den Kopf und klopft mir, nachdem er sich zu mir ins Loch heruntergebeugt hat, mit der Hand auf die Schulter. „Mach das fertig und dann gehen wir zum Mittagessen“, sagt er.

„Mittagessen?“

Die ganze Woche über haben wir das gegessen, was wir in unseren Lunchpaketen mitgebracht haben. Und das macht mir nichts aus. Es erspart mir, noch mehr Geld von Wyatt leihen zu müssen. Und da heute Freitag ist, werde ich meinen ersten Gehaltsscheck bekommen.

Wyatt hat mir bereits gesagt, dass ich die Hälfte für die Rückzahlung verwenden kann und die andere Hälfte, um bis zur nächsten Woche durchzuhalten. Nicht, dass der Scheck üppig ausfallen wird. Okay, mir werden zehn Überstunden ausgezahlt, aber bei zwölf Dollar pro Stunde, macht das den Kohl nicht fett.

Doch selbst zwölf Dollar pro Stunde knüppelharter Arbeit sind besser als Drogen zu nehmen und zu dealen. Sie geben mir eine Chance, Wyatt gibt mir eine Chance, und ich werde sie verdammt noch mal nicht verschwenden.

„Freitags gehen wir immer in einen Diner, oder irgendwo in der Nähe essen. Heute befindet sich einer in der Nähe“, lässt er mich wissen. „Mach das hier fertig und dann komm zum Truck. Der Vorarbeiter fährt.“

Ich nicke und wende ich mich wieder meinem Loch zu. Ich arbeite ein wenig schneller und härter, weil ich weiß, dass drei andere Jungs auf mich warten, und versuche, rasch fertig zu werden. Sobald das Loch die richtige Tiefe hat, bringe ich mein Werkzeug zu Wyatts Truck und schließe es weg. Dann gehe ich zum Truck des Vorarbeiters.

„Vielleicht ist heute diese hübsche, blonde Kellnerin Channing da“, sagt einer der Arbeiter.

„Channing?“, wiederhole ich, während ich mich anschnalle.

Wyatt und der Vorarbeiter sitzen vorne, da sie am größten sind, der Lehrling und ich sitzen auf dem Rücksitz. Der Vorarbeiter lacht und lenkt den Truck in Richtung Stadt. Wyatt dreht sich zu mir um und sieht mich an, wobei er mit den Augen rollt.

„Channing Shephard. Ein hübsches Mädchen, allerdings blutjung.“

Der Truck hält vor einem kleinen Restaurant und ich lese den Namen. „Crazy Lucy´s?“, frage ich. Die verrückte Lucy?

„Jepp, das hier war früher das Gallup Diner, erinnerst du dich noch?“

Ich schaue rüber und nicke. Scheiße, ja, ich erinnere mich. Meine Mom hat hier einen Sommer lang gearbeitet. Sie hat den Koch gefickt, der ihr den Job besorgt hat. Zumindest ist es ihr Job gewesen, bis man sie dabei erwischt hat, wie sie sich während ihrer Pause in den Waschräumen einen Schuss gesetzt hat.

„Ich erinnere mich“, murmele ich.

Wir steigen aus dem Truck und gehen zum Eingang des Diners. Wir sind alle dreckig, durchgeschwitzt und stinken sicher bis zum Himmel. „Wo immer ihr wollt, Jungs“, ruft eine ältere Frau, die hinter der Kasse steht, uns zu.

„Hier drüben“, sagt der Lehrling und wackelt mit den Augenbrauen.

Ich verdrehe die Augen und schaue zu Wyatt, der meinen Blick erwidert. Wir gehen zu einem Tisch in der Mitte des Lokals und nehmen Platz. Ich schnappe mir die Menükarte und fange an, sie zu lesen.

„Was wollt ihr trinken?“, erkundigt sich eine süße Stimme.

Als ich von der Karte aufblicke, bin ich wie erstarrt. Fassungslos von dem Anblick, der sich mir bietet. Sie ist absolut gottverdammt hübsch. Sie ist nicht nur irgendein attraktives, junges Mädchen. Sie ist atemberaubend schön. Sie sollte nicht in diesem Drecksloch arbeiten, sie sollte modeln oder so.

Als ich auf ihr Namensschild schaue, lese ich ihren Namen: Channing. Sie gehört nicht hierher. Ihr langes, blondes Haar ist zu einem Zopf zusammengeflochten und liegt über ihrer Schulter, ihre Augen haben dunkle Ringe, aber sie haben die Farbe eines texanischen Himmels. Ich kann den Rest ihres Körpers nicht abchecken, denn ich bin völlig von ihrem hübschen Gesicht geflasht.

Ich höre, wie die anderen ihre Bestellungen aufgeben und stöhne fast laut auf, als diese blauen Augen mich anschauen. „Eistee, Süße.“ Ich grinse.

Ihre Wangen färben sich rosa und sie legt kurz den Kopf schief, bevor sie sich umdreht und davon eilt. Ich mustere ihren Arsch, während sie geht. Er steckt in einer verdammt engen Jens, die wiederrum in einem Paar abgenutzter, brauner Stiefel steckt. Gottverdammt. Fucking verflucht. Perfekt.

„Vergiss es“, warnt Wyatt mich.

Ich nehme den Blick von Channings Hintern und sehe zu ihm hinüber, wobei ich fragend die Augenbrauen hebe. „Sie ist noch nicht mal einundzwanzig“, sagt er. „Außerdem eilt ihr ein gewisser Ruf voraus. Es ist besser, wenn du dich von ihr fernhältst“, brummt er.

Ich schnaube. „Ich habe auch einen gewissen Ruf, Cousin“, weise ich ihn auf die Tatsache hin.

Wyatt schüttelt den Kopf. „Glaub mir, bei ihr geht es um ein ganzes, verdammtes Drama, das von ihrem ein Meter fünfzig großen, heißen Körper ausgeht, und von dem du nichts wissen willst.“

Ich antworte nicht, stattdessen schweige ich mich den Rest des Mittagessens aus. Die anderen Männer quatschen miteinander, der Lehrling sieht Channing bei der Arbeit zu. Auch ich beobachte sie, wenn ich die Gelegenheit dazu habe, und frage mich, wie schlimm der Klatsch über sie wohl ist. Was hat meinen Cousin dazu veranlasst, mich vor ihr zu warnen?

Ich schüttele den Kopf. Warum zum Teufel interessiert mich das überhaupt? Vielleicht liegt es nur daran, weil ich meinen eigenen Haufen Drama mit mir herumschleppe? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich hinter diesen herrlich blauen, texanischen Himmelsaugen eine deutliche Traurigkeit lauern sehe.

***

Channing

Es kostet mich alles, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Ich kenne die drei Männer, die jeden Freitag hier im Diner vorbeikommen. Sie tragen immer ihre Arbeitskleidung, sind schmutzig, verschwitzt und allesamt süß. Aber dieser Neue? Er ist so viel mehr als das. Er ist wie kein anderer Mann, den ich je gesehen habe.

„Dieser Kerl bedeutet Ärger“, meint Lulamae.

Ich halte kurz inne und drehe mich zu ihr um. „Ach ja?“, frage ich.

Ich weiß nicht, warum ich das überhaupt wissen will. Er bedeutet Ärger. Er trägt ein langärmeliges Shirt, aber sein ganzer Hals und seine Hände sind tätowiert. Ich kann mir vorstellen, dass sich noch weitere Tattoos unter seinen Klamotten befinden. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur an die ganze Tinte denke, mit der sein Körper übersät sein muss.

James hatte keine Tätowierungen und ich habe mich nie zu Männern hingezogen gefühlt, die welche haben. Aber dieser Mann? Sie stehen ihm gut, wirklich sehr, sehr gut. Sein langes, blondes Haar hängt bis in die Stirn. Er hätte schon vor ein paar Wochen einen Haarschnitt nötig gehabt, aber wenn er es abschneiden würde, würde ich wahrscheinlich heulen. Es steht ihm nämlich ausgezeichnet. Ich beiße mir auf die Lippe, als er sich die Haare aus der Stirn streicht, bevor er einen Bissen von seinem Burger nimmt.

„Sein Vater sah damals genauso aus wie er. Und jetzt?“ Sie schüttelt den Kopf. „Drogen, Alkohol und die Jagd nach jedem Rockzipfel fordern ihren Tribut von einem Mann. Er sieht nicht mehr so gut aus. Ich kann die Anziehungskraft aber völlig verstehen.“

„Du hast dich mit seinem Dad getroffen?“, frage ich grinsend.

Lulamae runzelt die Stirn. „Sei nicht so frech“, blafft sie. Ich kichere, als sie davon stolziert.

Ich stelle die Rechnung für die vier Mitarbeiter des Energieversorgers zusammen und lege sie auf ihren Tisch. „Bezahlt, wann immer ihr wollt.“ Ich lächele.

Sie sagen nichts, aber als ich einen Schritt zurücktrete, fangen meine Augen den Blick des neuen Mannes ein. Er beobachtet mich, nein, das ist nicht richtig ausgedrückt, er verschlingt mich regelrecht. Ich sollte weit weglaufen. Ich bin schwanger mit dem Kind eines anderen Mannes. Ich muss mich auf dieses Kind konzentrieren. Ich sollte diesen Mann nicht einmal ansehen, geschweige denn mich fragen, wie sich sein Haar wohl anfühlt oder wo die Tattoos auf seinem Körper wohl enden.

„Danke“, erwidert einer der Männer.

Ich schaue ihn an, gerade noch rechtzeitig, damit er mir zuzwinkern kann. Lächelnd drehe ich mich um und lasse die Männer wieder allein. Ich muss meinen Scheiß auf die Reihe kriegen. Für mich gibt es keine Verabredungen, keinen Spaß und keine Flirts mit Männern. Nicht mehr. Dieser Teil meines Lebens ist für immer vorbei. Warum rafft mein Körper das nicht?