Der alte Schrank - Isolde Kurz - E-Book

Der alte Schrank E-Book

Isolde Kurz

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Beschreibung

Der alte Schrank ist ein spannendes Werk von Isolde Kurz. Auszug: Es war wie gesagt in den fernen Tagen meiner Jugend, daß ich einmal, von Florenz nach Venedig reisend, gezwungen war, in Ferrara zu nächtigen. Wie das zusammenhing, erinnere ich mich nicht, es mag wegen Störung des Bahnbetriebs oder ähnlichem gewesen sein, jedenfalls lag die Fahrtunterbrechung nicht in meiner Absicht, und da ich die Stadt nicht kannte, wußte ich nicht, wo am späten Abend unterkommen. Ein Lohndiener sagte mir schon am Bahnhof, daß es schwer sein würde, ein Zimmer zu finden, weil ich weiß nicht mehr welches Fest gefeiert wurde, das viele Auswärtige herbeigezogen habe. Auch war ein Teil der Mitreisenden ebenfalls in der Lage, nicht weiter zu können, und diese hatten, soweit sie nicht wie ich durch das Suchen nach ihrem Gepäck aufgehalten waren, vor mir den Vorsprung.

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Seitenzahl: 26

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Der alte Schrank

Der alte SchrankAnmerkungenImpressum

Der alte Schrank

Folgendes ist mir von einer Persönlichkeit, die ich wie mich selbst zu kennen glaube, zu freier Verfügung mitgeteilt worden:

Das Erlebnis, das ich erzählen will, wenn es ein Erlebnis genannt werden kann, liegt weit zurück in Jugendtagen. Damit es verständlicher erscheint, muß ich ein paar Worte voranschicken. Ich hatte von jeher, angeborenerweise, meine eigene Vorstellung von der Zeit. Ich konnte mir nie zu eigen machen, daß Vergangenes vergehen könne, ganz und gar nicht mehr sein. Schmerzen und Schrecknisse, die ihren Inhaber längst verloren hatten, waren für mich noch da und suchten nach einer neuen Seele, der sie sich mitteilen konnten. Oft befiel mich am guten Tage, wenn alle froh waren, eine unbeschreibliche Traurigkeit. Ein Schmerz wollte mich zerreißen, von dem ich doch wußte, persönlich geht er mich nichts an. Es gibt soviel herrenlos gewordenen Schmerz auf Erden. All die fürchterliche Grausamkeit früherer Jahrhunderte, die entsetzlichen Kriminalstrafen, die unschuldig Gefolterten und Hingerichteten, die unglückseligen Hexen: davon ist noch immer etwas übrig, das durch den Raum irrt, wenn auch die Opfer seit lange Staub sind. An den Durchschnittsmenschen mit der derben Haut und den kurzen Fühlern können sie nicht heran, sie suchen eine besondere Anlage, an die sie sich heften können. Wenn sie im Umherschweifen zufällig mir begegneten, so nahm ich sie willig auf, denn wie sollen sie jemals zur Ruhe kommen und schlafen gehen, wenn niemand sie anhören und ihnen sein eigenes Herz zur Sühne geben will!

In meiner Heimat findet man zuweilen in Wäldern und auf Kreuzwegen zusammengeknotete farbige Taschentüchlein, die die Neugier der Vorübergehenden anreizen. Laß liegen, sagen die Kindermädchen zu den Kleinen, die sie auseinanderzerren wollen. Laß liegen, man kann nicht wissen, was man da aufhebt. Hat schon manch einer davon die Kränke nach Haus gebracht, der frisch und rotbackig ausgegangen war. – So raffte ich schon von Kindheit an immer ab und zu ein Bündel herrenloser Schmerzen auf.

Zuweilen kamen auch jähe Schrecken von irgendwoher, aus dem leeren Raum, die die Blutwellen aufjagten. Ich meinte dann jedesmal, es seien Hilferufe meiner Lieben aus der Ferne die mich suchten. Aber die häufige Erfahrung, daß in jenen Stunden nichts geschehen war, das mich persönlich anging, ließ mich später vermuten, daß ich aus der unendlichen Weite zufällig Wellen aufgefangen hatte, die ganz anders wohin wollten und nur meine überempfindliche Aufnahmestelle mit berührt hatten. Diese Gabe ist so wenig beneidenswert wie das zweite Gesicht, sie kann schöne Lebenstage in ihr Gegenteil verwandeln.

Besonders hatten es bestimmte Räume auf sich, daß ich sie nicht betreten konnte, ohne von quälender Unruhe befallen zu werden. Und jetzt komme ich zu meiner Geschichte, die vielleicht keine ist.