Der Reisesack - Isolde Kurz - E-Book

Der Reisesack E-Book

Isolde Kurz

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Beschreibung

Begleiten Sie den Protagonisten auf seiner Reise mit dem Zug. Eine spannende kleine Erzählung. Reinlesen: Es war ein gegenseitiges Erstaunen, als er zum ersten Male die Eisenbahn sah und die Eisenbahn ihn. Er bestand nämlich beinahe ganz aus einer sauberen, altväterischen Straminarbeit. Nur oben lief ein eiserner Bügel mit Ledergriff, der aber seiner Pflicht, den Reisesack zu verschließen, wegen hohen Alters nur noch unvollkommen nachkam. Seine Vorderseite nahm ein Wappenschild in ihrer ganzen Höhe und Breite ein. Auf dem Rücken dagegen war er völlig grün, wie die schönste Frühlingswiese, mit einem Rosenbouquet in der Mitte.

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Seitenzahl: 18

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Der Reisesack

Der ReisesackAnmerkungenImpressum

Der Reisesack

Es war ein gegenseitiges Erstaunen, als er zum ersten Male die Eisenbahn sah und die Eisenbahn ihn. Er bestand nämlich beinahe ganz aus einer sauberen, altväterischen Straminarbeit. Nur oben lief ein eiserner Bügel mit Ledergriff, der aber seiner Pflicht, den Reisesack zu verschließen, wegen hohen Alters nur noch unvollkommen nachkam. Seine Vorderseite nahm ein Wappenschild in ihrer ganzen Höhe und Breite ein. Auf dem Rücken dagegen war er völlig grün, wie die schönste Frühlingswiese, mit einem Rosenbouquet in der Mitte.

Seine Anfänge lagen weit zurück in der Dämmerung der Zeiten.

Eine Ahnfrau hatte ihn als Braut gestickt und mit zarten, weißen Händen das Wappen ihres Erwählten hinein gewirkt, ein sehr einfaches, weil uraltes Freiherrnwappen: drei rothe Schrägbalken im weißen oder, um es heraldisch zu sagen, im silbernen Feld und ein das Wappenschild überragender Helm mit zwei rothen und einer silbernen Feder.

Der Reisesack war gerade zu rechter Zeit fertig geworden, um ein feudales Liebesglück auf die Hochzeitsreise zu begleiten. Damals hatte er sich mit der Welt im Einklang gefühlt; ehrfurchtsvolle Dienerhände schnallten ihn auf den Reisewagen und holten ihn bei der Ankunft vorsichtig wieder herunter; die Gegenstände, die er enthielt, und seine ganze Umgebung paßten zu ihm; wohin er kam, da fand er sich von den Gegenden und den Baulichkeiten, von breiten Treppen, langen Corridoren, von waffenblinkenden Rittersälen, von feierlichen Vorzimmern, vom Wiehern edler Rosse, von den gestickten Hofuniformen der Herren und starrenden Seidenroben der Damen, und nicht zum wenigsten von den Menschen selber angemuthet. Zeit der Jugend und des Glanzes, deren er den ganzen Rest seines Lebens hindurch mit Wehmuth gedachte!

Dann kamen auch für ihn die Tage, von denen es heißt: »sie gefallen mir nicht.« Er lernte gemeinsam mit seinen Herrn die Wandelbarkeit des Glückes kennen. Vorbei das vornehme Reisen in eigener freiherrlicher Carosse mit dem lustigen Pferdewechsel an den Poststationen. Er mußte es lernen, im gemeinen Postwagen zu fahren neben den Mantelsäcken bürgerlicher Passagiere und sich von groben Postillonshänden hin- und herschieben zu lassen. Das dauerte wieder ein Menschenalter; doch da er nicht gar zu oft auf Reisen ging, blieb wenigstens noch in seiner Erscheinung die angeborene Distinction haften.