Evangelisation – praktisch - Anton Schulte - E-Book

Evangelisation – praktisch E-Book

Anton Schulte

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Beschreibung

Evangelisation ist eine der permanenten Aufgaben jeder Gemeinde. Das entspricht einmal dem ihr aufgetragenen Missionsbefehl. Zum anderen ist ihre Existenz bedroht, wenn nicht neue Christen hinzugewonnen werden. Die entscheidende Frage lautet oft, wie sich Evangelisation, den Gegebenheiten und Bedürfnissen der eigenen Gemeinde entsprechend, verwirklichen lässt. Und eben diese praktischen Fragen des »Wie« versucht der Autor – selbst viele Jahrzehnte Evangelist und Leiter eines evangelistischen Werkes – in diesem Buch zu beantworten: • Worauf kommt es an, wenn man ein »Zeugnis« von Christus geben will? Was sagt man, und wie macht man es – im Gespräch mit der Nachbarin auf der Kellertreppe oder in einer evangelistischen Veranstaltung? • Wer ist ein Evangelist? Was sind die Kennzeichen seiner Berufung, wo liegen seine besonderen Aufgaben und Befähigungen? • Ein Evangelisationsabend unterscheidet sich in vielem von anderen kirchlichen Veranstaltungen. Worauf gilt es dabei besonders zu achten? • Die evangelistische Ansprache: Wo liegen – nach Inhalt und Form – ihre besonderen Akzente? • Der Ruf zur Entscheidung: Warum – und wenn ja, wie? • Die seelsorgerliche Aussprache: Hinführung zu Christus im Gespräch unter vier Augen. • Wie organisiert man eine Evangelisation? Mit Schemata und Organisationsplänen für Einsätze unterschiedlicher Größenordnung. • Die Massenmedien im Dienst der Ausbreitung des Evangeliums. Den einzelnen Kapiteln sind »Anmerkungen« zu Grundsatzfragen und theologische Überlegungen aus der Sicht des Evangelisten zugeordnet.

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Evangelisation praktisch

Mit Anmerkungen zu einer »Theologie der Evangelisation«

Anton Schulte

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Anton Schulte

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-069-8

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

Dieses eBook darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, eReader, etc.) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das eBook selbst, im von uns autorisierten eBook-Shop, gekauft hat. Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.

Das eBook Evangelisation – praktisch ist als Buch erstmals 1979 erschienen.

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Einführung Der Mensch an der Grenze

1. Kapitel Jesus Christus – das große Vorbild

2. Kapitel Der Christ als Zeuge

3. Kapitel Der Evangelist

4. Kapitel Die evangelistische Veranstaltung

5. Kapitel Der evangelistische Vortrag

6. Kapitel Der Ruf zur Entscheidung

7. Kapitel Das seelsorgerliche Gespräch

8. Kapitel Organisation als Voraussetzung für effektive missionarische Tätigkeit

9. Kapitel Die Nutzung der Medien in der evangelistischen Arbeit

10. Kapitel Mut zum Anfang

Unsere Empfehlungen

EinführungDer Mensch an der Grenze

Der Mensch ist nicht nur an die »Grenzen des Wachstums« gestoßen, er hat damit zwangsläufig auch die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten erkennen müssen. Er trifft in der Naturwissenschaft auf Vorgänge, die sich jeder Erklärbarkeit entziehen. Das Weltbild, das er auf Grund seiner Berechnungen und Messungen entworfen hatte, ist ins Wanken geraten. Das Ende der messbaren Welt und die Wirklichkeit sind nicht identisch.

Der Mensch selbst, der sich auf dem Weg zur Vollkommenheit wähnte (eine verbesserte Umwelt wird auch den Menschen bessern), gerät stattdessen in zunehmende Schwierigkeiten:

Das lässt den Menschen neu und verstärkt nach den Dingen und Kräften fragen, die außerhalb und jenseits seines Vorstellungsvermögens liegen. Denn wenn er sich auf die von ihm berechnete und ausgemessene Welt nicht mehr verlassen kann, dann kann sie auch nicht alles sein; dann ist keineswegs ausgemacht, dass dahinter wirklich »das Nichts« beginnt.

Der so erschütterte Mensch kann nicht mehr sicher sein, dass er selbst den Mittelpunkt der Welt darstellt. Deshalb fragt er – in einem Ausmaß, das wir uns vielleicht noch gar nicht richtig bewusst machen – nach Antworten, die ihm aus seinem Dilemma heraushelfen. Das schafft einen völlig neuen »Markt«, eine Öffnung für »Informationen über Gott«.

Der Mensch auf der Suche nach neuen Antworten erwartet diese keineswegs nur (oder auch nur vorrangig) vom Christentum. Er sucht sein Heil verstärkt bei Wahrsagern und Horoskopen. Er öffnet sich für fernöstliche Religionen, versucht es mit meditativer Versenkung, und vor allem junge Menschen laufen in erschreckender Zahl Sekten und den neuen Jugendreligionen in die Arme.

Für die christliche Gemeinde in der ganzen Welt ist das eine ungeheure Herausforderung. Sie kennt die Antwort, die die anderen verzweifelt suchen (auch wenn diese das nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen). Die Gemeinde hat diese Antwort manchmal als Mittel zur eigenen Erbauung missverstanden und stellt nun erschrocken fest, dass sich geistliches Leben auf diese Weise nicht konservieren lässt. Sie bemüht sich, die gute Nachricht Gottes unter die Menschen zu bringen, aber in vielen Fällen muss sie erkennen, dass ihre Möglichkeiten nicht ausreichen, um sicherzustellen, dass »alle sein Wort hören«.

Wenn es für die Kirche Jesu Christi in der ganzen Welt in den letzten Jahren ein gemeinsames Kennzeichen gibt, so ist es das neu erwachte Interesse an Evangelisation. Neben den Weltkongressen für Evangelisation in Berlin und Lausanne haben in fast allen Kontinenten und größeren Regionen der Welt Konferenzen zum Thema Evangelisation stattgefunden. Das eigentlich Neue daran ist nicht, dass man sich mit Evangelisation beschäftigt, das hat lebendige Kirche immer getan. Aber man erkennt heute stärker als früher die Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Man beschäftigt sich mit den Möglichkeiten des Einsatzes der Massenmedien, mit deren Hilfe große Räume in kurzer Zeit mit dem Evangelium bekanntgemacht werden können, zumindest als Vorbereitung für Evangelisation im herkömmlichen Stil. Man erkennt die Notwendigkeit der Koordination der einzelnen evangelistischen Anstrengungen von Gemeinden und Kirchen, um in einem bestimmten Zeitraum möglichst alle Menschen einer Region mit dem Evangelium zu erreichen.

Es geht nicht darum, zu kritisieren, was bisher geschah (oder nicht geschah). Wir sind dankbar für jede einzelne evangelistische Aktivität: vom Glaubensgespräch am Gartenzaun, über Straßenversammlungen und Gemeindeevangelisationen bis hin zur evangelistischen Großveranstaltung. Die Frage lautet: Was können wir zusätzlich, was können wir besser und effektiver tun? Denn unsere evangelistischen Anstrengungen halten mit der Not der Welt nicht Schritt. Wir geraten ins Hintertreffen und überlassen anderen das Feld. Das ist die große Herausforderung, der sich Evangelisation in unserer Zeit gegenübersieht.

Gott hat uns heute Möglichkeiten und Freiheiten gegeben wie nie zuvor. Dieses Buch möchte einen Beitrag leisten, um sie effektiver, besser und gezielter zu nutzen. Dabei werden wir uns kirchengeschichtliche und eigene Erfahrungen ebenso zunutze machen können wie zeitgenössische Erkenntnisse. Vor allem aber müssen wir bei dem in die Schule gehen, der zugleich Inhalt und erster Bote des Evangeliums ist.

1. KapitelJesus Christus – das große Vorbild

Jesus Christus ist die Mitte jeder evangelistischen Tätigkeit. Die gute Nachricht, die es in der Evangelisation zu verbreiten gilt, ist Nachricht von ihm. Er selbst ist ihr Inhalt und ihre Erfüllung. Er hat das Heil, das darin angeboten wird, durch seinen Tod am Kreuz vollbracht. Und Gott der Vater hat es beglaubigt, indem er ihn von den Toten auferweckte.

Durch seinen hingebungsvollen Dienst hat uns Jesus gezeigt, wie man Evangelium glaubwürdig verkündigt. Er selbst war der Evangelist par excellence, sein Dienst ist Musterbeispiel für alle evangelistische Tätigkeit. Deshalb müssen wir uns in erster Linie daran orientieren, was Jesus verkündigt hat und auf welche Weise er dies tat.

Die Nachricht vom Reich Gottes

Jesus predigte die Botschaft vom Reich Gottes. Seine Zeitgenossen, Juden wie Heiden, wussten, was sie sich unter einer politischen Großmacht, einer Königsherrschaft oder einem Kaiserreich, vorzustellen hatten. Politische Systeme dieser Art waren ihnen vertraut, schließlich lebten sie alle im Machtbereich Roms.

Jesus griff dieses Bild auf, um den Machtbereich Gottes, den An-bruch seiner Königsherrschaft zu beschreiben. Menschen, die auf der Seite Gottes stehen, bezeichnete er als Bürger oder Kinder dieses Reiches. Und in der Bergpredigt machte er darauf aufmerksam, dass diese Leute sich in der Art, wie sie denken, leben und handeln, in ihrer Gesinnung wie in ihrem Verhalten grundsätzlich von ihrer Umgebung unterscheiden.

Über hundertmal taucht der Begriff »Reich Gottes« in den Reden Jesu auf; in vielen Gleichnissen wies Jesus auf die Bedeutung und Einzigartigkeit dieses Reiches hin. Besonders in der Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt bemühte er sich, den Jüngern die völlige Andersartigkeit göttlicher Königsherrschaft begreiflich zu machen.

Auf der einen Seite betonte er: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«1 und entzog es damit dem unmittelbaren Vergleich mit jedem irdischen Machtsystem; denn seine Wesensart ist von Gott bestimmt und insofern nicht irdisch.

Andererseits wies er die Jünger darauf hin: Dieses so andersartige Reich »ist mitten unter euch«2. Es manifestiert sich heute nicht im Rahmen irdisch geographischer Grenzen, sondern in Menschen: ) Reich Gottes ist überall da, wo ein Mensch sich für Jesus öffnet, sich ihm überlässt. Gott ist der Herr der Welt; sein »Reich« aber richtet er in dieser Phase der Heilsgeschichte in Menschen auf, die ihm erlauben, in ihrem Leben seine Macht zu entfalten.

Dieses Reich Gottes ist mit dem Kommen Jesu »angebrochen«3. Das hier verwendete griechische Wort erinnert an den Tagesanbruch, aber auch an eine geöffnete Tür: wir können sie durchschreiten; wir sind eingeladen, in den Machtbereich Gottes einzutreten.

Diese Einladung ist ein Angebot an Freiwillige; aber diese trifft sie mit der Bedeutung und Dringlichkeit, die Jesus dem Kommen des Reiches Gottes beimisst. Er schickte zunächst 12, dann 70 Jünger aus, um diese Nachricht unter dem Volk bekanntzumachen. Die gleiche Bedeutung und Dringlichkeit hat er für die Verkündigung seines Evangeliums durch die Gemeinde geltend gemacht.

Die Nachricht vom Reich ist Botschaft vom Heil

Wenn dieses Reich Gottes Reich ist, muss es in seiner letzten Ausprägung vollkommen sein, weil Gott vollkommen ist: Wer es betritt, empfängt das Heil, ja er wird heil.

Jesaja sagt voraus, wie sich das auswirkt: »Der Geist des Herrn ist bei mir, darum, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt zu predigen den Gefangenen, dass sie lossein sollen und den Blinden, dass sie sehend werden und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn« (Jes. 61, 1-2, zit. in Luk. 4, 18-19). Als Jesus in der Synagoge von Nazareth diesen Text las, fügte er hinzu: »Heute ist dies Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren« (Luk. 4, 21).

Bestätigung durch Zeichen

Jesus bestätigte und unterstrich seine Predigt durch Zeichen und Wunder. Auch ein Theologe wie Nikodemus musste anerkennen: »Meister, wir wissen, dass du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm« (Joh. 3, 2).

Hier sollten wir uns heute nicht in die falsche Richtung orientieren: Es gibt kein größeres Wunder, als wenn ein Mensch sich für Jesus öffnet, als ein neuer Mensch in dieses Reich Gottes hineingeboren wird und das empfangene neue Leben schon in dieser Welt zu entfalten beginnt.

Jesus selbst ist das Heil

Jesus hat nicht nur vom Heil geredet; durch seinen stellvertretenden Tod am Kreuz und durch seine Auferstehung, durch seine völlige Hingabe hat er dieses Heil geschaffen. Er selbst ist der Inhalt des Evangeliums. Sein Ausruf am Kreuz: »Es ist vollbracht!« (Joh. 19, 30) ist zugleich Siegesruf und erste Verkündigung der vollbrachten Erlösung.

Die Schar der Herausgerufenen

Jesus rief Menschen in seine Nachfolge. Sie sammelten sich zu einer Gruppe Herausgerufener, deren Mittelpunkt die 12 bildeten, die wir die Apostel nennen.

Sie stellten noch keine christliche Gemeinde dar, wie sie mit der Ausgießung des Heiligen Geistes und der Pfingstpredigt des Petrus beginnt. Ihre Gemeinschaft bildet vielmehr eine Vorform, die jedoch bereits wesentliche Kennzeichen der späteren Gemeinde aufweist:

1. Jesus ruft die Menschen nicht nur aus ihren alten Lebensumständen heraus, er verpflichtet sie zugleich auf eine verbindliche neue Gemeinschaft.

2. In dieser Gemeinschaft zählen nicht die fördernden Mitglieder, Reservisten und Mitläufer, sondern die Jünger, d. h. die wiederum selbst zum Dienst Beauftragten.

3. Sammlung und Sendung gehören zusammen. Wer zu Jesus kommt und sich ihm verpflichtet, wird mit einem neuen Auftrag in die Welt hinausgeschickt. Wer die gute Nachricht gehört hat, erhält den Auftrag, diese Nachricht weiterzusagen. Die Empfänger des Evangeliums werden zu seinen Boten. Die Sendung Christi geht auf die Glieder seiner Gemeinde über4: sie umfasst seinen hingebungsvollen Dienst ebenso wie die Verkündigung des Evangeliums.

ANMERKUNGEN

zur biblischen Grundlage evangelistischer Arbeit

Da ich Evangelist und kein Schultheologe bin, beschränke ich mich im Blick auf die »theologische Grundlage evangelistischer Arbeit« auf Anmerkungen und die Wiedergabe von Zitaten, die mir in diesem Zusammenhang als wichtig erscheinen. Das erlaubt es mir, offen als Evangelist zu sprechen.

Ich brauche die evangelistische Einseitigkeit nicht zu verbergen: mein Beitrag kommt aus dem Arbeitszimmer eines Evangelisten und aus der evangelistischen Praxis, nicht von einer theologischen Fakultät.

Ich bin mir bewusst, dass ich damit eine Polarisierung aufzeige und eingestehe, die vom Neuen Testament her keine Berechtigung hat. Nach Epheser 4, 11 sind Evangelisten und Theologen (Lehrer) in gleicher Weise berufen, der Gemeinde und damit einander zu dienen. Befragen wir die paulinischen Briefe, so erhalten wir die Antwort: Ihr braucht einander, arbeitet zusammen. Andererseits ist niemandem geholfen, wenn wir einfach so tun, als gäbe es den Graben zwischen Theologie und Evangelisation nicht. Nur wenn wir dieses Defizit eingestehen, werden wir Wege finden, um es zu überwinden.

Ich will gern zugeben, dass es uns Evangelisten nicht immer leicht fällt, bei den Lehrern anzuklopfen und um Rat zu fragen. Auch wir basteln gern allein und selbständig an unseren Arbeitsmodellen. Und der Unterschied zwischen der Höhenluft in einem theologischen Hörsaal und der Atmosphäre einer Straßenversammlung ist manchmal doch ziemlich groß. Man ist dann als Evangelist nicht so sicher, ob man im Hörsaal die richtige Antwort bekommt. Man braucht auch gar nicht zu verschweigen, dass Evangelisten – wie andere Leute – lieber Antworten geben (das gehört unmittelbar zu ihrem Auftrag), als Fragen zu stellen. Aber ich glaube, dass hier eine Wandlung eingesetzt hat. Viele Evangelisten merken heute, dass sie in der geistig-geistlichen Auseinandersetzung, in die sie hineingestellt sind, Hilfe brauchen, und dass diese Hilfe von den Theologen kommen muss. Diese Öffnung hat auch bereits zu ersten Gesprächsansätzen geführt.

Nun kann man aber den Evangelisten nicht die Gesamtschuld am Aufbrechen des Grabens zur Theologie zuschieben. Die Einseitigkeit, die man dem Evangelisten so gern nachsagt, findet sich (völlig legitim) auch bei den Lehrern. Sicher haben wir sie manchmal durch unsere Redeweise geärgert, die sie (nicht immer zu Recht) als »theologisch oberflächlich« empfanden. Umgekehrt mussten wir uns zwangsläufig an ihrer Praxisferne stoßen. Denn damit, dass man einem Evangelisten erklärt, dass er alles falsch machte (bis zu dem Schluss, dass Evangelisation – theologisch gesehen – eigentlich überhaupt nicht möglich sei), ist einem Evangelisten nun wirklich nicht geholfen. Nicht selten blieb unter dem theologischen Fallbeil von unserem evangelistischen Auftrag nur ein so kümmerlicher Torso übrig, dass uns letztlich nur eine Alternative blieb: entweder weiter zu evangelisieren – oder auf die Theologen zu hören. Bei einer solchen Entwicklung konnte keinem von uns wohl zumute sein. Und ich bin dankbar, dass sich Theologen, die an der Autorität der Heiligen Schrift festhalten, zunehmend für das Thema der Evangelisation zu interessieren beginnen.

Die Erarbeitung einer »Theologie der Evangelisation« ist eine Aufgabe, die heute im Dienst der Gemeinde dringend geleistet werden muss, wenn die Gemeinde in ihrer Gesamtheit ihrem evangelistischen Auftrag gerecht werden soll. Diese Aufgabe aber ist weder von den Evangelisten noch isoliert von den Lehrern zu leisten; sie erfordert, dass die Evangelisten die Hörsäle und die Theologen Evangelisationsveranstaltungen besuchen. Das setzt eine kontinuierliche Begegnung voraus. Der Platz dafür ist gegeben, um nicht zu sagen vorgeschrieben: es ist die christliche Gemeinde, der beide zum Dienst verpflichtet sind.

Ich ordne meine »Anmerkungen« den einzelnen Kapiteln des Buches zu; auch daran wird deutlich, dass ich von der Praxis ausgehe.

Die Zielsetzung dieses Buches erfordert, dass ich das biblische Fundament meiner eigenen evangelistischen Arbeit offenlege. Ich tue dies zugleich mit dem Wunsch, damit einen Beitrag zum Gespräch zwischen Evangelisation und Theologie im oben umrissenen Sinne zu leisten.

1 »Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dieser Welt« (Joh. 18, 36).

2 »Da er aber gefragt ward von den Pharisäern: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es mit Augen sehen kann; man wird auch nicht sagen: ›Siehe, hier! oder: da! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch( « (Luk. 17, 20-21).

3 »Nachdem aber Johannes gefangen gelegt war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!« (Mark. 1, 14-15).

4 »So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott!« (2. Kor. 5, 20). – Paulus sagt: »… dass ich möge kundmachen das Geheimnis des Evangeliums, dessen Bote ich bin« (Eph. 6, 19-20).

2. KapitelDer Christ als Zeuge

Wer ist ein Zeuge?

Im allgemeinen bringen wir das Wort »Zeuge« zunächst mit einer Gerichtsverhandlung in Verbindung. Nach unserem Sprachgebrauch ist der Zeuge ein Mensch, der einen bestimmten Vorfall (oder Teile desselben) mit eigenen Augen gesehen hat und deshalb aussagen kann, wie es sich zugetragen hat.

Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere Rolle spielt der Zeuge in der israelitischen Rechtsprechung. Ohne die Aussage von zwei Zeugen konnte damals kein Gerichtsurteil gefällt werden. Zeugen wurden gebraucht, wenn es galt, den wahren Sachverhalt herauszufinden oder zu bestätigen. Die ersten Christen, mit der israelitischen Tradition bestens vertraut, hatten die ihr eigene Bedeutung dieses Begriffs noch vor Augen und im Gedächtnis, als sie das Wort »Zeuge« mit einer neuen Zielrichtung zu gebrauchen begannen. (Vgl. Seite 28.)

Vor seiner Himmelfahrt wies Jesus den Jüngern mit dem später vielzitierten Satz: »Ihr werdet meine Zeugen sein«1 ihre künftige Aufgabe zu. Auch hier liegt eine Verbindung zur israelitischen Bedeutung des Wortes zumindest nahe. Denn die Jünger waren von Anfang an um ihn, sie konnten die wesentlichen Aussagen seiner Verkündigung und die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben als Augenzeugen bestätigen. Und in diesem Sinne haben sie ihre Aufgabe offensichtlich auch verstanden; Petrus macht sich zu ihrem Sprecher, wenn er in der Pfingstpredigt sagt: »Diesen Jesus hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen« (Apg. 2, 32). Petrus beruft sich auf die übrigen Jünger, die mit ihrer Zeugenaussage die Wahrheit dieses Ereignisses bestätigen können. Er tut das noch einmal vor Cornelius: »Wir sind Zeugen alles des, was er getan hat im jüdischen Land und zu Jerusalem2.«

Christen – damals wie heute – können durch ihre Aussage Sachverhalte, die Gott und sein Evangelium betreffen, bestätigen. Sie reden von dem, was sie selbst gehört, gesehen oder erlebt haben.

Aufgabe für alle Gemeindeglieder

Für die Christen von Jerusalem ergab sich bald die Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass sie ihren Herrn richtig verstanden hatten. Als die erste Verfolgung über die Gemeinde in Jerusalem hereinbrach, blieben die Apostel zwar in der Stadt zurück, die Gemeindeglieder aber zogen hinaus und »evangelisierten3«. Als Augenzeugen bestätigten sie die Lehre, den Tod und die Auferstehung des Jesus von Nazareth. Die Ausbreitung des Evangeliums in Judäa und Samarien erfolgte also in erster Linie durch einfache Gemeindeglieder.

In späteren Erweckungsbewegungen lassen sich parallele Entwicklungen beobachten. Zwar spielten einzelne Evangelisten darin eine besondere Rolle, aber die eigentliche Verbreitung des Evangeliums über ganze Stadt- und Landgebiete geschah durch schlichte Christen, die als »Augenzeugen« davon berichteten, was sie unter der Predigt und in den Evangelisationsversammlungen mit Gott erlebt hatten.

Wenn es um die Weitergabe der frohen Botschaft, um die Bestätigung der Gottessohnschaft Jesu Christi und der Wirksamkeit seines Evangeliums geht, so sind nicht nur Pastoren und Prediger, sondern alle Glieder der christlichen Gemeinde gefragt. Sie alle haben verbindliche Aussagen darüber zu machen, was sie mit Gott erfahren haben. Dazu braucht man weder einen schwarzen Anzug noch eine Kanzel; denn die Gelegenheit dazu ergibt sich bei der Begegnung auf der Kellertreppe ebenso wie beim Gespräch am Gartenzaun, am Arbeitsplatz, in einem Hauskreis oder in einer evangelistischen Veranstaltung.

Aus den Berichten der Apostelgeschichte geht hervor, dass in der Jerusalemer Gemeinde die Amtsträger (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer) im Blick auf die Evangelisation mit allen Gemeindegliedern harmonisch zusammenarbeiteten4.

Damals erreichten die Christen alle gesellschaftlichen Schichten: Arme und Reiche, Gebildete und Ungebildete. Wenn es uns heute gelingen soll, unser Land mit dem Evangelium zu durchdringen, so wird das nicht zuletzt davon abhängen, ob die einzelnen Christen in den Gesellschaftsbereichen, denen sie angehören oder zu denen sie Zutritt haben, die Glaubwürdigkeit Jesu Christi und seines Evangeliums durch ihr Wort und durch ihr Leben bestätigen.

Der Begriff »Zeugnis ablegen« ist missverständlich

Gegenüber Menschen, denen der biblische Zusammenhang nicht vertraut ist, empfiehlt es sich, auf die Verwendung von Ausdrücken wie »Zeugnis ablegen« oder »Zeugnis geben« zu verzichten. Das gilt für das persönliche Gespräch ebenso wie für eine evangelistische Veranstaltung. Ist in einer solchen ein »Zeugnis« vorgesehen, so wird man besser sagen: »Nun wird ein junger Mann davon berichten, was er mit Gott erlebt hat.« Bei unseren nichtchristlichen Zeitgenossen löst der Begriff »Zeugnis« eher Gedankenverbindungen mit Schul- und Führungszeugnissen aus.

Die starke Wirkung des persönlich Erlebten

Von persönlichen Erfahrungen geht in der Regel eine starke Wirkung aus – beim Gespräch im Eisenbahnabteil ebenso wie in einer Großveranstaltung. Das persönliche Erlebnis wirkt elementar und unmittelbar; hier begegnet dem Zuhörer nicht Theorie, sondern Praxis.

Auch Paulus berichtet in bestimmten Krisensituationen (Apg. 22, 6ff.; Apg. 26, 12ff.) von seiner entscheidenden Begegnung mit Christus auf der Straße nach Damaskus. Und er erzählt seinen Zuhörern, welche Veränderungen das in seinem Leben (dem Leben eines jüdischen Gelehrten) zur Folge hatte.

Man darf den Erfahrungsbericht aber auch nicht überbewerten (etwa in Richtung auf eine reine Erfahrbarkeitstheologie). Alle menschlichen Erfahrungen müssen am Maßstab der Heiligen Schrift geprüft werden. Aber zum Schriftbeweis gehört ergänzend die Bestätigung durch die Erfahrung. Gerade dann, wenn eine Predigt unseren Hörern zu theoretisch, trocken oder gar langweilig erscheint, wirkt ein praktisches Beispiel wie ein frischer Luftzug. Hier bildet der zwanglos vorgetragene Erlebnisbericht eine wichtige Ergänzung.

Wahrheit und Glaubwürdigkeit

Jeder Christ kann bestätigen, dass das Evangelium erfahrbar ist. Allerdings muss sein Bericht dazu nicht nur wahr, sondern auch glaubwürdig sein. Nicht alles, was ein Christ mit Gott erlebt, eignet sich dazu, weitererzählt zu werden. Ein Zeugnis (eine Bestätigung der Erfahrbarkeit Jesu Christi und seines Evangeliums anderen gegenüber) ist keine öffentliche Beichte. Was wir an persönlicher Schuld zu bekennen haben, gehört, vor allem was die Schilderung von Einzelheiten angeht, in das direkte Gespräch mit Gott oder einem Seelsorger. Aber auch wenn wir das beachten, ist nicht jeder Bericht ohne weiteres glaubwürdig und verständlich.

Oft fällt es uns schwer, die rechten Worte zu finden, um eine bestimmte Sache zutreffend zu beschreiben. Und gerade bei der Weitergabe geistlicher Erlebnisse ist die Gefahr des Missverständnisses groß.

Es ist noch relativ einfach, wenn wir unsere Erfahrungen mit Gott anderen Christen mitteilen wollen. Bei ihnen können wir ein gewisses Verständnis voraussetzen. Wir verfügen mit ihnen über einen gemeinsamen christlichen Wortschatz und über gemeinsame Bibelkenntnis. Auch da, wo wir uns nicht eindeutig ausdrücken, werden unsere Zuhörer aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen den Sinn erfassen und richtig ergänzen, was vielleicht ungesagt blieb. Vermutlich werden sie uns auch dann richtig verstehen, wenn das eine oder andere in unserer Rede nicht klar wurde.

Sprechen wir dagegen mit Nachbarn, Arbeitskollegen oder im Rahmen einer evangelistischen Veranstaltung, so können wir diese Übereinstimmung nicht voraussetzen. Vielleicht haben wir es mit Menschen zu tun, die dem Christentum skeptisch gegenüberstehen und unseren Bericht kritisch aufnehmen. Auch im Blick auf Bibelkenntnis und den Umgang mit christlicher Sprache müssen wir mit unterschiedlichen Voraussetzungen rechnen. Eine Aussage vor solcher Öffentlichkeit bedarf deshalb besonders der betenden und gedanklichen Vorbereitung.

Die Einstellung auf den Hörer

Zunächst muss ich mich auf die Situation des Menschen einstellen, den ich ansprechen will. Das wird mir am besten gelingen, wenn ich über diesen Menschen mit Gott spreche; denn dann beginne ich, seine Situation aus Gottes Perspektive zu sehen.

Diese Erkenntnis der Wirklichkeit meines Nächsten gilt es dann gedanklich umzusetzen; dazu muss ich meinen Verstand gebrauchen. Ich mache mir den kulturellen, religiösen und sozialen Hintergrund meiner Zuhörer klar. Ich versuche herauszufinden, wo ich mit ihrem Interesse rechnen kann, wo sie mich verstehen können und wo ich sie vermutlich überfordere. Petrus gibt uns dazu in seiner Pfingstpredigt (Apg. 2, 14-36) ein treffendes Beispiel. Er spricht seine jüdischen Zuhörer zunächst auf ihre eigene Geschichte an. Und Paulus beweist mit seiner Ansprache auf dem Areopag in Athen (Apg. 17, 22-31ff.), dass er sich vorher gründlich mit der Götterwelt der Athener und mit den griechischen Philosophen befasst hat.

Im Gespräch mit Gott und im Nachdenken über meine Zuhörer entsteht ein Konzept für meinen Bericht. Beten und Arbeiten bilden dabei eine Einheit; beides hilft mir zur Klärung, mit welchen Gedanken, Begriffen und Bildern ich meinen Zuhörern gegenüber ausdrücken kann, was ich sagen will.

Der Christ im »Zeugenstand«

Der Christ, der aufgefordert ist, »von seinem Glauben Rechenschaft abzulegen«5, redet von sich selbst. Er macht eine verbindliche Aussage über das Wirken Gottes in seinem Leben, die außer ihm niemand machen kann. Deshalb spricht er, obwohl er von sich selbst redet, letztlich doch von Gott. Er berichtet subjektiv – aus seiner eigenen Sicht – davon, was es bedeutet, wenn Jesus Christus einem Menschen seine Sünde abgenommen hat und sein Leben jetzt kontinuierlich verändert und umgestaltet.

Alle Menschen, die Jesus Christus ihr Leben anvertraut haben, haben das letztlich nach dem gleichen Prinzip von Buße, Umkehr und Glauben getan. Trotzdem ergeben sich durch die unterschiedlichen Lebensumstände, durch Alter, Vorverständnisse, Temperament und Veranlagung sehr individuelle Erfahrungen. Wenn zehn Menschen erzählen, wie sie dazu gekommen sind, an Jesus Christus zu glauben, so ergeben sich wahrscheinlich zehn äußerlich stark voneinander abweichende Berichte.

Trotzdem können die folgenden Hinweise, die im wesentlichen einem Schulungsprogramm von »Campus für Christus« entnommen sind, dem einzelnen Christen bei der Vorbereitung eines solchen »Rechenschaftsberichts« gute Dienste leisten.

Drei wichtige Punkte

1. Wie verlief mein Leben, bevor ich Christus kennenlernte?

a) Was muss der Zuhörer über meine Herkunft, meinen nationalen und religiösen Hintergrund wissen, um meine spätere Entwicklung verstehen zu können?

b) Welche Ziele verfolgte ich zu jener Zeit?

c) Zu welchen Ergebnissen kam ich dabei? Führte das zu Fehlern und Enttäuschungen?

d) Wie wurde mir deutlich, dass mit diesen Zielen die eigentliche Erfüllung meines Lebens nicht zu erreichen war?

2. Wie hat Jesus Christus mein Leben verändert?

a) Wie hat sich durch die Entscheidung für Jesus Christus mein Verhältnis zu Gott verändert?

b) Wie hat sich mein Verhältnis zur Sünde gewandelt?

c) Wie bin ich dazu gekommen, bei mir selbst Schuld und Sünde zu erkennen?

d) Welche praktischen Konsequenzen haben sich daraus für meine Lebensführung ergeben?

e) Welcher gedankliche Prozess hat stattgefunden, als ich zu glauben begann? Durch welche Bibelworte und Beispiele kam ich zur Gewissheit des Glaubens?

3. Wie vollzieht sich Veränderung praktisch, und was bedeutet das für einzelne Lebensbereiche?

a) Was hat sich jetzt in meinem Leben im Vergleich zu dem, was ich unter 1 berichtet habe, verändert?

b) Wo hat Gott Befreiung und Überwindung geschenkt?

c) Wo ist durch das Evangelium ein Prozess der Neuorientierung in Gang gekommen, und wie äußert sich das in der Praxis?

Beispiel: Zeugnis ohne direkte Bekehrungserfahrung

»Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der man so regelmäßig betete, wie man sich die Hände wusch. Wenigstens einmal am Tag las mein Vater nach einer Mahlzeit der gesamten Familie aus der Bibel vor, und dann redete er mit Gott in einer Weise, dass ich schon als kleines Kind den Eindruck hatte, Gott müsse bei uns im Raum sein, ich könne ihn nur nicht sehen.

Wenn meine Eltern Probleme hatten, sprachen sie darüber mit Gott. Oft habe ich dann miterlebt, dass sie ihm dankten, weil die Probleme beseitigt waren, oder sie die Schwierigkeiten überwunden hatten. So habe ich schon als kleines Kind Gott für die wichtigste Persönlichkeit gehalten. Ich war der Meinung, dass man mit ihm über Dinge reden könne, die man keinem Menschen anvertrauen würde. So hat sich mein Glaube an dem Glauben meiner Eltern entzündet, wie eine Kerze an der anderen angezündet wird.

Schon bevor ich das kleine Einmaleins lernte, war ich davon überzeugt, dass ich die Gebote Gottes übertreten hatte, also vor Gott ein Sünder war; gleichzeitig war mir klar, dass Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz meine Sünde vergeben hatte. Zu einer Zeit, in der andere Kinder Märchen auswendig lernten, beschäftigte ich mich mit den Geschichten der Bibel; die darin beschriebenen Personen waren für mich so real wie die Menschen in meiner Umgebung.

Ich kann also nicht sagen, wann ich begonnen habe, an Jesus Christus zu glauben; denn ich bin mir nicht bewusst, je ein Leben ohne ihn geführt zu haben. Aber ich kann davon berichten, wie Jesus Christus mein Leben verändert hat. Durch den Umgang mit der Bibel wurde mir zunehmend konkrete Sünde als Fehlverhalten gegenüber Gott bewusst. Als ich älter wurde, begriff ich, dass bestimmte Dinge in meinem Leben vor Gott Sünde und Schuld waren. Ich lernte es auch, ihm diese zu bekennen und seine Vergebung anzunehmen.

Dann kam eine Zeit, in der ich das nicht mehr wollte. Alles in mir bäumte sich gegen den Willen Gottes auf. Meine gleichaltrigen Schulkameraden taten Dinge, ohne Gewissensbisse zu haben. Ich tat sie auch, aber mein Gewissen plagte mich. Ich hielt mich für einen benachteiligten Menschen. Gott wurde mir mit seinem Wort zur Last, die Bibel ein unbequemes Buch; denn sie machte mich darauf aufmerksam, dass ich Dinge in meinem Leben duldete und tat, die vor Gott nicht recht waren. Ich fühlte mich elend, und die Menschen in meiner Umgebung merkten das.

Dann kam der Augenblick, wo ich so nicht weitermachen konnte und wollte. Ich war ausgebrannt. Alles war öde und leer, zum Verzweifeln. In dieser Krise traf ich eine Entscheidung. Ich kannte Jesus Christus zwar, aber ich gehorchte ihm nicht mehr. Damals betete ich: ›Herr, jetzt will ich mich nicht mehr mit anderen Menschen vergleichen, die nicht an dich glauben oder dir nicht gehorchen; ich will tun, was du sagst. Die Bibel soll wieder der Maßstab meines Lebens sein.‹

Diese Entscheidung zum Gehorsam löste bei mir große Freude aus; sie hatte auch eine Aufwallung meines Gefühls zur Folge. Ich meinte, alle müssten mir das ansehen. Jetzt machte es mir wieder Freude, mit Jesus zu reden, in der Bibel zu lesen und nach ihren Anweisungen zu handeln.

Solche Stunden der Entscheidung erlebte ich den darauffolgenden Jahren noch mehrmals. Je älter ich werde, um so deutlicher er-kenne ich, wieviel Schlechtes und Böses in mir steckt und hervor-brechen kann. Ich weiß aber auch, dass Gottes Kraft stärker ist als die Sünde in mir. Ich habe erfahren, dass tägliche Vergebung eine Wirklichkeit ist, die es ermöglicht, frohen Herzens in die Zukunft zu schauen.«

Man merkt deutlich, dass ein Mensch mit dieser Erfahrung über das Leben vor seiner Bekehrung nicht viel berichten kann. Um so mehr hat er darüber zu sagen, wie Jesus Christus sein Leben verändert, weil diese Erfahrung praktisch schon in seiner Kindheit eingesetzt hat.

Der Bericht des Augenzeugen hat Grenzen, und es ist wichtig, dass wir sie beachten. Er kann und soll nur über das berichten, was er wirklich gesehen bzw. erfahren hat; denn nur da können wir »von der Hoffnung, die in uns ist« (vgl. Fußnote 5), Rechenschaft ablegen.

ANMERKUNGEN zur biblischen Grundlage evangelistischer Arbeit

Bekenntnis, Bekennen

Wir verwenden dieses Wort heute in einer doppelten Bedeutung. Wir sprechen einmal davon, dass wir unseren »Glauben bekennen«, dass wir zu Dritten zeugnishaft über Jesus Christus reden. Und wir sprechen auf der anderen Seite vom »Bekennen der Schuld«, von Sündenbekenntnis, das nicht nach außen, sondern eher nach innen gerichtet ist; es beschränkt sich auf das unmittelbare Gespräch mit Gott oder auf die Aus-sprache mit einem Seelsorger.

Die für uns ungewohnte Doppelbedeutung »bekennen – preisen« ergibt sich bereits aus dem AT. Das griech. exhomologeo steht in der Septuaginta (der griech. Übersetzung des AT) für das hebr. jadah, das »preisen, geloben« bedeutet. Damit wird jedes Bekenntnis zu Jesus Christus – in gewisser Weise – zu einem Lobpreis Gottes. Ein Gedanke, über den es sich nachzudenken lohnt.

Noch ungewohnter erscheint uns der Lobpreis in Verbindung mit dem Schuldbekenntnis. Aber das hängt vielleicht damit zusammen, dass wir die Nähe zu Gottes Handeln, wie sie im alten Israel lebendig war, verloren haben. In Israel war der Lobpreis Gottes immer auf ganz bestimmtes voraufgegangenes Handeln Gottes bezogen (also auch auf das Heilshandeln Gottes in der Sündenvergebung).

Weil Gott in Jesus Christus im Blick auf die Vergebung meiner Schuld bereits gehandelt hat, ist mein Schuldbekenntnis nicht mehr etwas Katastrophales, sondern es gewinnt den Charakter eines Lobpreises des Gottes, der mit meiner Schuld bereits fertig ist; nur ich bin noch nicht damit fertig.

»In Anerkenntnis eines zu Recht ergehenden Gerichts (bekennt der Mensch) … seine Vergebung, und er kleidet diese Aussage in das Gewand eines lobpreisenden Bekenntnisses zu Gott« (G. v. Rath).

Wer Jesus Christus seine Sünde bekennt, gibt zugleich »Gott die Ehre«.

Erst im späten Judentum erhält diese Art des Sündenbekenntnisses den Charakter des Beichtgebets.

Zeuge, Zeugnis

Im NT erfährt der Begriff eine Bedeutungswandlung bzw. -ausweitung. Der Tatsachenzeuge wird zum Wahrheitszeugen; d. h. er bestätigt nicht mehr nur nachweisbare historische Fakten, sondern vor allem auch Wahrheiten, die sich nur dem Glaubenden erschließen.

So tritt Jesus als Zeuge für sich selbst auf: »Wenn ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe» (Joh. 8, 14ff.). Die Pharisäer lehnen dieses Zeugnis ab. Aber Jesus »ist der treue Zeuge« (Offb. 1, 5).

Paulus, der an vielen Stellen an der traditionellen, dem Rechtsleben verhafteten Bedeutung des Begriffes festhält, gibt andererseits dem Wort martyrion einen neuen Inhalt, wenn er es 1. Kor. 1, 6 im Sinne von »das Zeugnis des Christus« verwendet. Er gebraucht martyrion im Sinne von Evangelium. Analog spricht er 1. Kor. 2, 1 davon, dass er den Korinthern »das Zeugnis Gottes verkündigt«. Auch Lukas verwendet den Begriff »Zeuge sein« im Blick auf Paulus im Sinne von Christus-Verkündigung (Apg. 23, 11).

Bei Johannes, der die Wortgruppe am häufigsten gebraucht, wird diese Ausweitung des Begriffs ebenfalls deutlich. Es geht durchaus noch um Augenzeugenschaft, darüber hinaus aber eben auch um »die Selbstmitteilung Gottes in Jesus, die Glauben fordert und die sich nur in der Annahme erschließt« (L. Coenen, ThBL). – »Wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen …« (1. Joh. 1, 2). Und: »Wir haben gesehen und bezeugen …« (1. Joh. 4, 14).

In den Schriften des NT ist der Begriff des martyros, des Märtyrers, noch nicht so eng mit dem um seines Glaubens willen verfolgten »Blutzeugen« verknüpft wie in späteren Zeiten. Zwar kann es sein, dass dem Christuszeugen Leiden und Tod nicht erspart werden (vgl. Stephanus, Apg. 7, 54-59), aber das eigentliche Charakteristikum des Zeugen liegt mehr in der unverfälschten und unverkürzten Weitergabe der Christusbotschaft.

Rechenschaft ablegen

Wir verstehen unter »Zeugnis geben« in der Regel eine Aktivität, die auf eigene Initiative zurückgeht. Sie erfordert, dass wir auf Menschen zugehen und sie ansprechen. Allerdings kann das nicht auf der Basis von Aktivismus und Betriebsamkeit, sondern nur unter der Führung des Heiligen Geistes geschehen (vgl. »Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Stehe auf und gehe gen Süden auf die Straße, die von Jerusalem geht hinab nach Gaza«; Apg. 8, 26).

Das NT kennt noch eine andere Form des Zeugnisses. Die Aktivität des Zeugen konzentriert sich dabei darauf, als Christ ein glaubwürdiges Leben zu führen. Das wird von seiner Umgebung nicht unbeachtet bleiben. Petrus fordert die Empfänger seines Briefes auf, dann jederzeit bereit zu sein, auf Fragen, die unser Verhalten bei anderen Menschen auslöst, Antwort zu geben: »Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist« (1. Petr. 15-16).

Etwas Ähnliches bringt Paulus zum Ausdruck, wenn er die Epheser auffordert, »an den Beinen gestiefelt (zu sein), als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens« (Eph. 6, 15). Er fordert nicht, dass Christen dauernd unterwegs und in Betrieb, wohl aber, dass sie stets zum Dienst bereit sein sollen.

Es ist gut, wenn wir uns daran orientieren, dass das NT beide Möglichkeiten aufzeigt. Sicher ist die Gefahr, dass wir aus Bequemlichkeit und mangelnder Bereitschaft Möglichkeiten, die frohe Botschaft weiterzugeben, versäumen, größer; aber es gibt leere christliche Betriebsamkeit, und es gibt geistlich aktive Wartepositionen. Bereitschaft bedeutet, dass wir Gott bitten, uns zu zeigen, was er von Situation zu Situation von uns erwartet.

1 »Ihr werdet aber die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde« (Apg. 1, 8).

2 »Und wie Gott angefangen hat in Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, und diesen Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat wohlgetan und gesund gemacht alle, die vom Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm. Wir sind Zeugen alles dessen, was er getan hat im jüdischen Land und zu Jerusalem« (Apg. 10, 37-39).

3 »Es erhob sich aber an jenem Tage eine große Verfolgung über die Gemeinde zu Jerusalem; und sie zerstreuten sich alle in die Länder Judäa und Samarien, außer den Aposteln … Die nun zerstreut waren, zogen umher und predigten das Wort« (Apg. 8, 1. 4).

4 »Da sie (die Gemeinde) das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott. Und da sie gebetet hatten, erbebte die Stätte, da sie versammelt waren; und sie wurden alle des Heiligen Geistes voll und redeten das Wort Gottes mit Freimut« (Apg. 4, 24. 31).

5 »Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Grund fordert, der Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht; und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, dass sie euren Wandel in Christus geschmäht haben« (1. Petr. 3, 15-16).

3. KapitelDer Evangelist

Wir verwenden das Wort »Evangelist« heute einmal für die Verfasser der ersten vier Bücher des Neuen Testaments. Das entspricht einer Entwicklung, nach der man von einem gewissen Zeitpunkt an begann, die schriftlichen Berichte über das Leben, Wirken und die Predigt Jesu als »Evangelien« zu bezeichnen. Im Neuen Testament selbst ist der Evangelist Träger eines Amtes in der christlichen Gemeinde mit einer ganz bestimmten Aufgabe. Da alle Gemeindeglieder zum missionarischen Dienst herangezogen werden (alle »evangelisieren«1), handelt es sich hier um einen ausgewählten Personenkreis, dem die evangelistische Verkündigung in besonderer Weise anvertraut ist.

Im Neuen Testament werden nur zwei Männer ausdrücklich als Evangelisten (euangelistaes) bezeichnet: Philippus2 und Timotheus3. Dabei tritt Timotheus stärker als Gemeindeleiter in Erscheinung, lediglich bei Philippus finden wir die Tätigkeit des Evangelisten ausführlicher beschrieben. Deshalb ist er die entscheidende neutestamentliche Bezugsperson, wenn wir über Amt und Aufgaben des Evangelisten nachdenken.

Berufung

Der Evangelist wird zu seiner Aufgabe von Gott berufen; dabei kann sich der spezifisch evangelistische Auftrag aus anderen Aufgabenstellungen heraus ergeben.

Philippus wird in der Apostelgeschichte zunächst in völlig anderem Zusammenhang erwähnt. Er war einer der sieben Männer, die in der Gemeinde von Jerusalem zur Entlastung der Apostel eingesetzt wurden (vgl. Apg. 6, 1-7). Philippus hatte also zunächst die Essensverteilung zu überwachen, eine praktische, sicher nicht immer leichte Aufgabe. Lukas hebt diesen Bezug zur Praxis nicht hervor, aber es ist eine Tatsache, dass auch heute viele Männer im vollzeitlichen evangelistischen Dienst stehen, die aus praktischen Berufen kommen.

Die Qualifikation, die bei der Berufung der Diakone in Jerusalem gefordert wird, kann generell auch für einen Evangelisten gelten: ein guter Ruf, Erfülltsein mit dem Heiligen Geist und Weisheit (Apg. 6, 3). Gemeint ist hier offensichtlich göttliche Weisheit, die sich dadurch auszeichnet, dass sie »lauter, friedsam, gelinde« ist und sich etwas sagen lässt.4

Bewährung

Dann hören wir von Philippus zunächst nichts: keine großen Versammlungen, keine beeindruckenden Bekehrungsstatistiken. Offensichtlich tut Philippus die ihm aufgetragene praktische Arbeit. Er muss sich bewähren.

Zwischen dem Augenblick der Berufung und dem konkreten Einsatz liegt für den Evangelisten fast immer ein kurzer oder längerer Zeitraum. Philippus erhielt in dieser Zeit seine theologische und praktische Ausbildung in der Jerusalemer Gemeinde; eine andere Ausbildungsstätte stand gar nicht zur Verfügung.

Eine solche Wartezeit erscheint dem, der sie durchmachen muss, oft lang und mühsam. Er sieht nur auf das, was er so gerne tun möchte und noch nicht tun darf; es fällt ihm schwer, die Zeit des Lernens als einmalige Gelegenheit und die Zeit der Bewährung als notwendig zu erkennen. Mancher, der zum evangelistischen oder volksmissionarischen Dienst berufen ist, gerät hier in Schwierigkeiten. Er meint, es müsse sofort losgehen. Er betrachtet die Zeit der Ausbildung als unumgängliches Übel, vielleicht sogar als Zeit-verschwendung. Ich selbst habe als junger Mann in dieser Situation gelernt, dass Gott viel mehr Zeit hat als Anton Schulte. Seine Uhr geht auch in dieser Beziehung anders als die unseren.

Führung

Die Anweisung zum konkreten Einsatz erhält Philippus dann von Gott selbst: »Der Engel des Herrn redete zu ihm«.5

Dass Philippus seinen Auftrag durch einen Engel empfing, sollte niemanden veranlassen, auf eine gleiche oder ähnliche Erfahrung zu warten. Gott ist in der Wahl seiner Mittel souverän. Er bedient sich von Fall zu Fall der Möglichkeit, die er für richtig hält. In der ganzen Bibel sind uns nicht zwei Wunder Gottes berichtet, die einander völlig gleichen.

Gott behandelt uns individuell, unserer eigenen Art entsprechend. Er beruft uns ja auch nicht dazu, einen anderen Evangelisten zu kopieren, sondern unseren Auftrag unserer eigenen Art gemäß wahrzunehmen.

Wie Gott uns führen wird, ist seine Sache. Gewiss ist, dass er es tut. Er kann sich dazu eines Engels bedienen (Apg. 8, 26, s. Fußnote 5), er kann uns die entsprechende Weisung durch den Heiligen Geist direkt6 oder durch einen von Gott beauftragten Christen mitteilen7; er kann dazu ein Wort der Bibel oder einen Gemeindebeschluss benutzen8. Immer aber ist der Evangelist ein von Gott Beauftragter, der sich dessen auch bewusst ist.

Oft setzt Gott einem Evangelisten sehr konkrete Ziele. Philippus z. B. erhält die Anweisung, einen bestimmten geographischen Ort aufzusuchen. So darf jeder Evangelist damit rechnen, dass Gott ihm seinen Platz anweist.

Manchmal mögen die von Gott gesteckten Ziele menschlich gesehen als sinnlos erscheinen. Philippus wurde aus einem Erweckungsgebiet herausgeholt und an eine einsame Straße gestellt. Aber die Richtigkeit dieser Führung bestätigt sich. Philippus ist im richtigen Moment am richtigen Platz.

Die Platzanweisung Gottes bezieht sich nicht nur auf den Ort, sondern auch auf die Zeit. Dass Philippus ein »Geführter« war, bestätigt sich darin, dass sein Handeln mit dem Heilshandeln Gottes (dem kairos) auch zeitlich zusammenfällt.

Auch heute erhalten Evangelisten manchmal sog. »undankbare« Aufgaben. Menschlich gesehen bieten sie wenig Aussicht auf Erfolg. Aber Gott bestimmt die Zeit und den Ort, wo er handeln will. In den Biographien bedeutender Erweckungsprediger finden wir das wiederholt bestätigt.

Evangelisten brauchen die Ergänzung

Um Gemeinde zu bauen und die Christen auf ihre verschiedenen Aufgaben vorzubereiten, hat Gott »etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern«.9

Die volksmissionarische Aufgabe darf nie für sich allein gesehen werden. Wer damit betraut ist, braucht seelsorgerliche Begleitung und rechte Lehre als Fundament für seinen Dienst.

Der Evangelist muss in der Gemeinde verwurzelt sein. Philippus geht aus der Gemeinde in Jerusalem hervor; er muss sich bewähren, wird in seinem Dienst bestätigt. Nach dem missionarischen Einsatz kehrt er in die Gemeinde zurück und berichtet über das, was er erlebt hat.10

Ein Evangelist, der die innergemeindlichen Dienste, wie sie Seelsorger (Hirten) und Lehrer ausüben, nicht an sich geschehen lässt, wird in seinem evangelistischen Dienst an Vollmacht verlieren. Wer im Gottesdienst, in der Bibel- und Gebetsstunde fehlt, sich nichts sagen lässt und dem Gemeindealltag fernbleibt, nimmt Schaden. Es genügt nicht, an den Gemeindeveranstaltungen nur dann teilzunehmen, wenn man selbst zu sprechen hat. Wer sich darauf beschränkt, gerät in Gefahr, in die Gemeinden, die ihn zum Dienst rufen, Spannungen hineinzutragen, weil er selbst sich dem Alltagsleben einer Gemeinde entfremdet hat. Ich selbst habe in den 25 Jahren meiner Zugehörigkeit zur Gemeinde kaum eine Bi-belstunde versäumt, wenn ich zu Hause war.

Der Evangelist empfängt die Vollmacht zum Dienst aus seiner Berufung durch Gott. Aber sie bedarf der Bewährung und Vertiefung durch persönliches Bibelstudium, durch das Gespräch mit Gott und durch die verbindliche Zugehörigkeit zu einer Ortsgemeinde. Diese bietet ihm, der zwangsläufig viel unterwegs ist, die entscheidende Möglichkeit zur Korrektur; denn sie steht ihm unbefangener gegenüber als Familienangehörige oder Mitarbeiter.

Eifer und Hingabe

Ohne Eifer und Hingabe fällt im Grunde jede göttliche Berufung in sich zusammen. Beim evangelistischen und volksmissionarischen Dienst, der nicht nur Aktivität, sondern – auch in schwierigen Situationen – immer neu Angriffigkeit (um nicht zu sagen Aggressivität) erfordert, wirkt sich dies besonders nachdrücklich aus.

Philippus erhält von Gott eine eindeutige Anweisung: »Steh auf und geh hin11.« Ebenso prompt ist seine Reaktion: »Er ging hin12.« Später heißt es sogar von ihm: »Er lief13.«

Damit wird Philippus zum Vorbild für jeden Evangelisten. Er wird berufen, und nach längerer Wartezeit kommt er zum Einsatz. Auf Befehl Gottes setzt er sich in Marsch, ja er rennt. Darin kommen sein Eifer und die Hingabe an seinen Herrn und seinen Auftrag zum Ausdruck.

Gott nimmt Berufungen nach seinen eigenen Maßstäben vor. Für ihn ist nicht entscheidend, welche Fähigkeiten der Mann seiner Wahl mitbringt und was er alles weiß. Er schaut unsere Herzen an und sucht Bereitschaft und Hingabe. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass er seine Leute so prägen kann, wie er sie haben will.

Begabung zum Dienst

Wir sind immer wieder besorgt im Blick auf unsere Fähigkeiten; wir halten sie für zu gering, für die gestellten Aufgaben nicht ausreichend. Und vielleicht sind wir wirklich aus krummem Holz geschnitzt. Selbstverständlich gibt es natürliche Veranlagungen, die einem Evangelisten zugute kommen können: Kontaktfähigkeit, Menschenkenntnis, Redegewandtheit, um nur einige zu nennen. Wenn ein Evangelist diese Begabungen besitzt, wird Gott sie nutzen. Gerade bei solchen natürlichen Begabungen aber steht ein Evangelist zeitlebens in der Gefahr, ihre Bedeutung zu überschätzen, oder sie selbstgefällig zu missbrauchen.