Melodie der Leidenschaft - Gwen Bristow - E-Book

Melodie der Leidenschaft E-Book

Gwen Bristow

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Beschreibung

"Es ist Gold, Jungs!" - Das große Epos aus der Pionierzeit Kaliforniens

Kalifornien, 1848. Auf Sutters Grund wird Gold gefunden! Diese Entdeckung lockt Abenteurer aus aller Welt an. Immer mehr Menschen lassen ihr gesamtes Hab und Gut zurück und machen sich auf den Weg in den Westen - voller Träume und Hoffnung auf ein besseres Leben. Ihre beschwerliche Reise ist geprägt von Liebe, Hass, Eifersucht und Angst. Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten treffen aufeinander. Doch sie alle eint ein Ziel: Gold ...

Minutiös und fesselnd berichtet Gwen Bristow von den Schicksalen der ersten Pioniere. Ihre Erzählung beginnt mit den Anfängen des kalifornischen Goldrauschs 1848 und reicht bis zur Aufnahme Kaliforniens als Bundesstaat in die Union 1850.

Von Bestsellerautorin Gwen Bristow sind außerdem folgende (Südstaaten-)Romane bei beHEARTBEAT lieferbar:

Die Louisiana-Trilogie: Tiefer Süden, Die noble Straße, Am Ufer des Ruhms.

Einzeltitel: Alles Gold der Erde. Celia Garth. Kalifornische Sinfonie. Morgen ist die Ewigkeit.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

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Weitere Titel der Autorin

Alles Gold der Erde

Celia Garth

Kalifornische Sinfonie

Morgen ist die Ewigkeit

Die Louisiana-Trilogie:

Tiefer Süden

Die noble Straße

Am Ufer des Ruhms

Über dieses Buch

„Es ist Gold, Jungs!“ – Das große Epos aus der Pionierzeit Kaliforniens

Kalifornien, 1848. Auf Sutters Grund wird Gold gefunden! Diese Entdeckung lockt Abenteurer aus aller Welt an. Immer mehr Menschen lassen ihr gesamtes Hab und Gut zurück und machen sich auf den Weg in den Westen – voller Träume und Hoffnung auf ein besseres Leben. Ihre beschwerliche Reise ist geprägt von Liebe, Hass, Eifersucht und Angst. Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten treffen aufeinander. Doch sie alle eint ein Ziel: Gold …

Minutiös und fesselnd berichtet Gwen Bristow von den Schicksalen der ersten Pioniere. Ihre Erzählung beginnt mit den Anfängen des kalifornischen Goldrauschs 1848 und reicht bis zur Aufnahme Kaliforniens als Bundesstaat in die Union 1850.

Über die Autorin

Gwen Bristow (1903 – 1980) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Ihr erster Roman wurde 1929 veröffentlicht. Ihr größter Erfolg ist nach wie vor der Western-Liebesroman Kalifornische Sinfonie, der 1950 erschien und vier Jahre später verfilmt wurde. Neben diesem Titel wurden auch ihre anderen Romane wie die Louisiana-Trilogie oder Alles Gold der Erde internationale Bestseller.

Gwen Bristow

Melodie der Leidenschaft

Aus dem amerikanischen Englisch von Karl-Otto und Friderike von Czernicki

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1980 by Gwen Bristow

Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Golden Dreams“

By arrangement with the Proprietor. All rights reserved.

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 1980 by Franz Schneekluth Verlag, München

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: allegro | Marzolino | Davor Ratkovic | sniegirova mariia | Dr.Margorius | David P. Smith

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-3292-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

»Goldmine entdeckt. In dem neuangelegten Abflusskanal der Sägemühle, die kürzlich von Captain Sutter an der American Fork errichtet wurde, ist Gold in erheblichen Mengen gefunden worden …«

Erschienen im ›Californian‹, San Francisco, Mittwoch, 15. März 1848 (Seite 2, Spalte 3).

Die erste Zeitungsmeldung über die Entdeckung bei Sutter’s Mill.

1

Eines Morgens im Frühjahr 1848 kam ein Mann in das Arbeitszimmer von Captain Joseph L. Folsom, Quartiermeister der US-Armee in San Francisco, und zeigte ihm eine Handvoll gelber Körnchen. Er wollte wissen, ob es Gold sei.

In der damaligen Zeit zahlte die Armee alles mit Gold- und Silbermünzen. Captain Folsom hatte jeden Tag mit Gold zu tun und konnte sehr wohl echtes Gold von etwas anderem, das nur so aussah, unterscheiden. Er untersuchte die auf seinem Schreibtisch liegenden Körnchen und schüttelte den Kopf.

Er sagte, er habe von Leuten gehört, die angeblich Gold in den Flüssen gefunden hätten. Aber dieses Zeug sei kein Gold; es handele sich um Glimmer.

Sein Urteil machte die Runde. Soldaten und Seeleute schrieben davon in ihren Briefen an die Menschen zu Hause, die Zeitungen der Vereinigten Staaten und des Auslands berichteten darüber. Aber die Körnchen waren Gold. Und als dies bewiesen wurde, lachten die Leute über Captain Folsom. Einige lachen noch heute über ihn.

Folsom hatte einen Fehler gemacht und wurde dadurch berühmt. Aber er war keineswegs der erste, dem ein solch entscheidender Irrtum unterlief. Im Jahre 300 n. Chr. hatte es einen Weisen namens Lactantius gegeben. Er war Lehrer des Sohnes von Kaiser Konstantin und einer der größten Gelehrten Europas. Er hatte geschrieben: »Wie kann jemand so töricht sein, zu glauben, dass es gegenüberliegende Pole gibt, wo die Menschen mit den Füßen nach oben und dem Kopf nach unten herumlaufen? Wo die Äste der Bäume nach unten wachsen und der Regen nach oben fällt?«

Auch Lactantius hatte sich geirrt: Er und Folsom wurden von Menschen widerlegt, die viel weniger gebildet waren als sie selbst. Lactantius’ Trugschluss wurde für alle Zeiten durch Kolumbus’ Fahrt um die Erdkugel richtiggestellt, und Folsom war, ohne es zu wissen, bereits durch eine zwar ungebildete, aber intelligente junge Frau namens Jenny Wimmer widerlegt worden.

Jenny Wimmer kam als Elizabeth Jane Cloud in Lumpkin, Georgia, auf die Welt. Es war eine bergige Gegend, und überall verstreut gab es kleine Goldablagerungen. In den Pausen während der landwirtschaftlichen Arbeit sammelten Jennys Nachbarn Sand vom Boden der Bäche und Flüsse und wuschen ihn in ihren Bratpfannen aus, um die Sand- von den Goldkörnchen zu trennen. Seit ihrer Kindheit hatte Jenny ihnen dabei zugesehen. Sie wusste, wie leicht es war, irgendetwas, das gelblich glänzte, mit Gold zu verwechseln.

Aber in der Gegend von Lumpkin war nicht viel vom Leben zu erwarten. Als Jenny einen jungen Mann aus dem Nachbarort Obadiah Bays heiratete, beschlossen die beiden, nach Missouri zu ziehen. Dort, so hofften sie, würde alles besser werden.

Sie verließen ihre Heimat im Jahre 1840. Nach Lexington, Missouri, waren es etwa tausend Meilen. Eine lange Fahrt, aber sie kamen hin.

Drei Jahre nach ihrer Hochzeit war Jenny Mutter von zwei Kindern. In jenem Herbst wurde die Siedlung von einer Seuche heimgesucht, die man ›Auszehrungsfieber‹ nannte und der ihr Mann zum Opfer fiel.

Auch die Frau ihres Nachbarn Peter Wimmer erlag dieser Krankheit. Im darauffolgenden Jahr heirateten Jenny und Peter.

In Missouri hörten Jenny und Peter viel über neues Land im Westen. Siedler, die in das gerade erschlossene Oregon ziehen wollten, stellten hier ihre Trecks zusammen. Und jetzt fing man an, auch noch über ein anderes Land mit Namen Kalifornien zu reden. Um dorthin zu gelangen, brauche man, wie es hieß, sich nur dem ›Oregon-Trail‹ bis Fort Hall (im heutigen Bundesstaat Idaho) anzuschließen und dann nach Süden abzubiegen.

Und so machten sich im Frühjahr 1846 vierzehn Familien, einschließlich der Wimmers, auf den Weg nach Kalifornien. Inzwischen hatten Jenny und Peter sieben Kinder – ihre, seine und gemeinsame.

In Kalifornien suchte der Großgrundbesitzer Johann Augustus Sutter einen Platz für eine Sägemühle, die er in der Nähe seines berühmten Stützpunktes, Sutter’s Fort, errichten wollte. Peter Wimmer arbeitete gerade dort, als Pfadfinder Sutter meldeten, sie hätten einen günstigen Platz für die Mühle gefunden – an einem Wildbach hoch oben in den Bergen, etwa fünfzig Kilometer von dem Fort entfernt. Sutter stellte einen Bautrupp zusammen. Er bot Peter einen Job als Zimmermann an; Jenny sollte für die Leute als Köchin tätig sein. Im August 1847 verließen Peter und Jenny mit ihren beiden jüngsten Kindern das Fort.

An der Stelle, wo die Sägemühle errichtet werden sollte, bauten sich die Arbeiter mehrere Blockhäuser. Der Chef der Gruppe, Jim Marshall, hatte ein Blockhaus ganz für sich allein, was seiner Stellung entsprach.

Anfang des Jahres 1848 herrschte auf der Baustelle bereits reger Betrieb. Die Männer hatten einen Damm errichtet, einen Flutkanal angelegt, und ein großer Teil der eigentlichen Mühle stand ebenfalls schon. Dahinter hatten sie einen Graben ausgehoben, durch den das aus der Mühle kommende Wasser ablaufen konnte.

Eines Abends im Januar leiteten sie Wasser in diesen Graben, um ihn über Nacht zu vertiefen. Am nächsten Tag ging Jim Marshall hinaus, um nachzusehen, wie sich der Graben gehalten habe. Dabei entdeckte er einen kleinen, glänzenden Gegenstand, der in dem Graben unter der Wasseroberfläche lag. Er bückte sich und fischte ihn heraus.

Als er sich weiter umschaute, fand er noch mehr solcher Stückchen. Er trug sie in seinem Hut ins Haus und zeigte sie den anderen. Die Männer meinten, es sehe wie Gold aus. Aber war es wirklich Gold?

Einer der Männer, der in der Armee gedient hatte, besaß noch ein Fünfdollarstück, das ihm von seinem Sold übriggeblieben war. Er verglich es mit den Stückchen, die Jim gefunden hatte. Die Münze hatte eine etwas hellere Farbe, aber der Unterschied konnte von der Legierung herrühren. Wie konnten sie sich Gewissheit verschaffen?

Es gab im Lager nur eine einzige Person, die Goldstückchen gesehen hatte, die frisch aus der Erde gewonnen worden waren: Jenny Wimmer. Sie hatte nicht nur reines Gold gesehen, sondern wusste auch, wie diese Funde von den Frauen in den Küchen getestet worden waren. Ob Jenny die entscheidende Frage beantworten konnte? Sie konnte es und tat es auch. Jenny nahm Jims Metallstückchen mit und legte sie in Essig. Als sie sie wieder herausholte, waren sie unversehrt. Jetzt, sagte sie den Männern, werde sie einen noch härteren Test durchführen. Jenny brachte einen Kessel starker Seifenlauge, wie sie zur Reinigung der Arbeitskleidung verwendet wurde, zum Kochen.

Dann warf sie einige der Metallstückchen in den Bottich und ließ die Lauge den ganzen Tag und die ganze Nacht weiterkochen. Nichts außer Gold, sagte Jenny, könne eine solche Behandlung aushalten.

Beim Frühstück am nächsten Morgen goss Jenny unter den wachsamen Augen der Männer die Seifenlauge in ihre ›Kühlschüssel› – einen ausgehöhlten Baumstamm. Und tatsächlich: Auf dem Boden des Kessels lagen völlig unverändert die Nuggets.

»Es ist Gold, Jungs«, sagte Jenny.

Und nichts auf der Welt ist seither so geblieben, wie es einmal war.

2

Die Körner, die Jim gefunden hatte, waren tatsächlich Gold. Die Männer jauchzten und stürzten hinaus, um möglichst noch mehr Gold zu finden, das einfach so herumlag.

Sie arbeiteten weiter am Bau der Sägemühle, denn sie waren vernünftige Leute, die wussten, dass sie sich auf eine Dauerstellung mehr als auf Gold verlassen konnten. Aber in ihrer Freizeit sammelten sie weiter gelbe Körnchen und brachten sie zu Jenny. Jedes Mal erwiesen die Körnchen sich als echt.

Was Jim betraf, so wurde er immer aufgeregter. Er hatte seine ersten Nuggets am 24. Januar 1848 gefunden und danach, wie die anderen, ständig mehr. Jetzt vermochte er seine Ungeduld nicht länger zu zügeln. In der Nacht zum 28. Januar konnte Jim nicht schlafen. Am nächsten Morgen sprang er aufs Pferd und ritt bei strömendem Regen die fünfzig Kilometer nach Sutter’s Fort, um dem Boss von dem Gold zu erzählen, bevor es ein anderer tat, der sich vielleicht einen Gewinn davon versprach. Jim hatte das erste Gold entdeckt, und er wollte, dass Sutter dies auch wusste. Denn in diesem Teil der Welt war Sutter der König.

Johann Augustus Sutter war eine schillernde Persönlichkeit und vom Drang nach Größe förmlich besessen.

Er war in Deutschland geboren und von seinen Eltern als Kind in die Schweiz gebracht worden. Er sprach von sich selbst meistens als Schweizer – und er sprach oft von sich. Er erzählte von Abenteuern in vielen Ländern, von kühnen Heldentaten und von Begebenheiten, bei denen er nur mit knapper Not dem Tod entronnen war. Er redete gern. Einer seiner Freunde meinte einmal, er könne so gut reden, dass man ihm glaubte, was er sagte, auch wenn man genau wusste, dass er log.

Tatsache war, dass Sutter 1834 in der Schweiz Bankrott gemacht hatte und vor seinen Gläubigern fliehen musste; denn auf Schulden stand dort Gefängnis. Der damals Einunddreißigjährige entschloss sich deswegen, auszuwandern. Seine Frau Anna und die vier Kinder blieben zu Hause zurück. Um ihren Unterhalt hatte er sich nicht weiter gekümmert, denn Anna war eine Pfarrerstochter, und Sutter glaubte, der liebe Gott würde sich ihrer schon annehmen. Oder sollte es wenigstens tun.

Im Laufe desselben Jahres kam Sutter an Bord eines französischen Schiffes in New York an. Von New York ging er mit deutschen Händlern nach St. Louis. Zur damaligen Zeit waren die Gebiete jenseits des Mississippi ein legendäres Land. St. Louis, nahe dem Zusammenfluss von Mississippi und Missouri gelegen, war der Treffpunkt von Ost und West. Händler, Trapper und Grenzgänger aller Schattierungen erzählten von den Wundern, die jeden weiter westlich erwarteten. Sie sagten, dass der Gouverneur der mexikanischen Provinz Kalifornien weite Landstriche an Männer vergebe, die Ranches darauf gründen würden. Der größte Teil des Landes gehe zwar an Einheimische, aber manchmal sei es auch Außenseitern gelungen, Land zu erhalten. Jetzt führten sie auf ihren Gütern das Leben von Feudalherren.

Sutter beschloss, nach Kalifornien zu gehen.

Im Frühjahr 1838, als er fünfunddreißig Jahre alt war, schloss er sich einer Gruppe von Pelzjägern an und machte sich auf den Weg. Er musste merkwürdige Umwege einschlagen. Erst benutzte er den Oregon Trail bis nach Fort Vancouver, einer Handelsniederlassung der ›Hudson’s Bay Company‹ am Columbia River (im heutigen Bundesstaat Washington). Als die Gesellschaft ein Schiff nach Honolulu zur Ergänzung der Vorräte entsandte, fuhr Sutter mit.

In Honolulu machte er viele Bekanntschaften. Sutter hatte nie Schwierigkeiten, Menschen kennenzulernen. Einer seiner neuen Bekannten, ein Geschäftsmann, charterte ein Handelsschiff und beschäftigte Sutter an Bord. Die Brigg lief zuerst die russische Pelzstation in Sitka, Alaska, an und fuhr dann an der Küste entlang bis nach Monterey, der Hauptstadt Kaliforniens. Dort ging Sutter an Land.

Seine Freunde hatten ihn zwar gewarnt, dass Ausländer in Kalifornien von den dortigen Behörden nur selten Land bekämen. Aber Sutter hatte eine verbindliche Art.

Im Jahre 1839 erhielt er im Tal des Sacramento River elf spanische Quadratmeilen – annähernd fünfzigtausend Morgen. Hier, in einem von Axt und Pflug noch unberührten Gebiet, ging Sutter ans Werk, um seinen Traum zu verwirklichen.

Jetzt, neun Jahre später, war er Herr über ein großes; sich immer weiter ausdehnendes Reich. In der Mitte stand sein Fort, das er am Zusammenfluss zweier Flüsse errichtet hatte; auf diese Weise war er vor Überfällen geschützt und verfügte gleichzeitig über genügend Wasser für seine Ländereien. Seine Weizenfelder und Viehweiden erstreckten sich über viele Meilen. Als Landarbeiter beschäftigte er hauptsächlich Indianer, die von ihren eigenen Stammeshäuptlingen beaufsichtigt wurden. Die Häuptlinge wurden für ihre Mühen dadurch entlohnt, dass sie sich in bunte Gewänder kleiden konnten, wohlklingende Titel erhielten und alle Lebensmittel und Squaws bekamen, die sie nur wollten.

Innerhalb der Mauern des Forts gab es Lagerhäuser und Werkstätten sowie ein zweistöckiges Gebäude, in dem Sutter sein Hauptquartier eingerichtet hatte und seinen eigenen Harem hielt, der aus den begehrenswertesten Squaws bestand.

Hier, am Zusammenlauf der beiden Flüsse – Sutter hatte den einen ›El Rio de los Americanos‹ genannt, der andere war der Sacramento – endete oft die Reise von Leuten, die, wie die Wimmers, dem Oregon Trail bis Fort Hall gefolgt und dann südlich nach Kalifornien abgebogen waren. Beim Erreichen des Forts waren die Neuankömmlinge abgerissen, ausgemergelt und erschöpft. Sutter hieß sie willkommen. Er gab ihnen zu essen und zu trinken und bot ihnen Arbeit an – als Hufschmied, Zimmermann, Drescher, Kutscher, Gerber, im Kontor oder als Matrose auf seinem Flussboot. Ihre Siedlung dehnte sich im Umkreis des Forts aus. (Vielleicht aus einem Anflug von Heimweh heraus hatte Sutter dieser Siedlung den alten lateinischen Namen der Schweiz gegeben und sie ›New Helvetia‹ getauft. Heute heißt sie Sacramento und ist die Hauptstadt Kaliforniens.)

Als Folge des Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko (1846 – 1848) war Kalifornien von der amerikanischen Armee besetzt worden. Immer mehr Menschen trafen aus den Vereinigten Staaten ein. Sutter baute die Sägemühle, um aus dem Baumbestand der Wälder Bauholz zu machen, das er an die neuen Siedler für den Bau ihrer Häuser verkaufen konnte.

Und plötzlich tauchte Jim auf. Er schwitzte vor Aufregung, während er ein Bündel aufknotete und einen Haufen Goldkörner auf den Tisch schüttete.

Sutter verstand mehr von Naturwissenschaft als Jenny Wimmer. Er hatte eine Enzyklopädie. Er besaß außerdem verschiedene Tinkturen und Chemikalien, die er teils als Arzneien, teils in seinen Werkstätten verwendete. Dem Rat der Enzyklopädie folgend, legte er die Körner in Salpetersäure. Minderwertige Metalle hätten sich aufgelöst, aber diese Körnchen reagierten auf die Säure ebenso wenig wie vorher auf Jennys Seifenlauge. Das Buch erwähnte noch mehrere andere Tests. Sutter probierte sie alle aus, und jetzt standen auch ihm – wie Jim – die Schweißperlen auf der Stirn. Es war tatsächlich Gold.

Es war Gold, und Sutter hatte es bitter nötig. Er war wegen seiner Schulden aus der Schweiz geflohen, nur um weitere Schulden in Kalifornien zu machen. Er lag mit seinen Zahlungen weit im Rückstand. Die Russen hatten einen zweiten Handelsplatz für Pelze bei Fort Ross, in der Nähe der San Francisco Bay, und sie schickten in unregelmäßigen Abständen einen Schoner, der Weizen und andere Lebensmittel aufkaufen sollte. Da sich die Wirtschaftsinteressen der Russen auf Alaska konzentrierten, hatten sie Fort Ross zum Verkauf angeboten. Sutter hatte den Platz erworben, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen, wie er den Kaufpreis aufbringen würde. Die Russen schickten den Schoner auch weiterhin nach Süden, aber jetzt erhielten sie die Waren als Zinsen für Sutters Schulden. Er hatte nur sehr wenig angezahlt, und die Russen wurden ungeduldig. Von den Yankees in San Francisco hatte er Werkzeuge gekauft. Und die Yankees hatten noch weniger Verständnis für Käufer, die statt Bargeld nur freundliche Worte zu bieten hatten. Sutter befand sich also in einer verzweifelten Lage. Diese Körner konnten seine Rettung bedeuten.

Aber wenn es eine Goldmine war – wem gehörte sie dann? Das offene Land in Kalifornien war so weitläufig, dass die Grenzen der einzelnen Besitzungen nicht klar abgesteckt waren. Aber es war kaum von Bedeutung, ob die Stelle, wo Jim seine Entdeckung gemacht hatte, zu Sutters Land gehörte oder nicht. Eine Goldader kann – wie jede andere Erzader – viele Meilen über den Punkt ihrer Entdeckung hinaus verlaufen. Sutter beschloss, sich sofort einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

Am Tag, nachdem Jim ihm die Proben gebracht hatte, ging Sutter mit hinauf zur Sägemühle. Die Arbeiter waren noch am Bau tätig, aber in ihrer Freizeit suchten sie Gold. Und sie fanden welches.

Sutter dachte schnell nach.

Vor Jahren hatte die mexikanische Regierung ein Gesetz für den Bergbau erlassen. Nach einer offiziellen Meldung bei den Behörden, dass eine neue Mine gefunden worden war oder eine bereits stillgelegte, alte Mine neu in Betrieb genommen werden sollte, konnte jeder die Schürfrechte für sich beanspruchen. Wenn dieser Anspruch anerkannt war, konnte er die Mine entweder selbst ausbeuten oder dieses Recht an andere Leute abtreten – natürlich zu seinen eigenen Bedingungen. Da Kalifornien jetzt von der Armee der Vereinigten Staaten regiert wurde, waren bisher keine neuen Gesetze anstelle der alten erlassen worden. Gouverneur war im Augenblick Colonel Richard B. Mason. Wenn Sutter seinen Anspruch sofort geltend machte, würde er von Colonel Mason vielleicht anerkannt werden.

Aber Sutter wollte keine Unterbrechung im Aufbau seines Reiches hinnehmen. Wenn es sich herumsprach, dass die Männer bei der Sägemühle Hände voll Gold sammelten, würden seine anderen Arbeiter alles liegen- und stehenlassen und herkommen, um an dem plötzlichen Reichtum teilzuhaben. Sein riesiger Besitz würde bald zur Wildnis werden. Er würde kein mächtiger Herrscher sein, weil nichts mehr übrigbleiben würde, worüber er herrschen könnte.

Die Arbeiter bei der Sägemühle zeigten ihm voll Stolz das Gold, das sie im Bachbett gefunden oder aus den Felsspalten herausgekratzt hatten. Wie sie sagten, wollten sie von jetzt an alle Sonntage mit der Suche nach Gold verbringen.

Sutter hörte freundlich zu. Natürlich, natürlich. Er mache ihnen gar keinen Vorwurf, wenn sie alles Gold, dessen sie habhaft werden könnten, einsammelten. Sie hätten ein Recht darauf. Schließlich wäre es ihrer Arbeit zu verdanken, dass der Abflussgraben angelegt worden und dadurch das Gold zum Vorschein gekommen sei. Aber er warnte sie auch.

»Lasst uns Stillschweigen bewahren. Ihr wollt sicher nicht, dass die Leute zwischen hier und San Francisco in Scharen auftauchen und euch das Gold wegnehmen, auf das ihr Anspruch habt. Wir reden besser nicht davon. Keiner von uns.«

Die Männer nickten. Die Warnung hatte einen Sinn. Wenn sie nicht aufpassten, würde die ganze Gegend bald von Fremden überschwemmt.

»Haltet sechs Wochen den Mund«, meinte Sutter. »In dieser Zeit könnt ihr die Sägemühle fertigbauen und euren Lohn im Fort kassieren. Wenn ihr dann noch glaubt, dass es hier genug Gold gibt, um die Suche lohnend zu machen, kehrt ihr hierher zurück und bringt eure ganze Zeit mit der Goldsuche zu. Ihr könnt dann auch eure Freunde mitbringen.«

Die Männer waren einverstanden.

Sie versprachen, die Goldfunde sechs Wochen geheimzuhalten.

Sutter atmete auf. Diese Frist würde ausreichen, um seinen Anspruch geltend zu machen. Die Arbeiter hier bei der Mühle würden schon nicht reden, und im weiteren Umkreis würde niemand etwas von den Goldfunden erfahren.

Aber Sutter irrte sich.

Jenny Wimmer hatte einen kleinen Sohn.

3

Sutter ließ die Indianerhäuptlinge der Umgebung zusammenrufen und schloss mit ihnen einen ›Vertrag‹. Seit Jahrhunderten hatten die Vorfahren dieser Indianer gelbe Körner im Sand der Bachbetten gesehen, ihnen aber keine Bedeutung beigemessen. Als Gegenleistung für Waren, die sie zu schätzen wussten – Spiegel, Messer oder bunte Stoffe –, waren die Häuptlinge jetzt bereit, Sutter auf drei Jahre das Alleinrecht zum Sammeln dieser Körnchen einzuräumen. Und im Tausch für andere hübsche Dinge versprachen sie ihm außerdem, sie würden ihre Stammesangehörigen veranlassen, dem weißen ›Chief‹ noch mehr von den gelben Körnern zu bringen.

Sutter wusste, dass sich jeder Yankee über einen solchen ›Vertrag‹ hinwegsetzen würde, wenn dieser nicht von einer offiziellen Stelle beglaubigt worden war. Er musste sich seinen Anspruch vom Gouverneur von Kalifornien, Colonel Mason, bestätigen lassen. Zurück im Fort schrieb er einen Brief, der zum Stabsquartier des Colonels in der Hauptstadt Monterey, hundertvierzig Kilometer südlich von San Francisco, gebracht werden sollte.

Diese Mission übertrug er Charles Bennett, einem Angestellten. Bennett stammte aus den Vereinigten Staaten; er war zunächst nach Oregon gezogen und von dort zu Sutter’s Fort gelangt. Ein Bekannter, John Henry Brown, bezeichnete ihn als »aufrechten, anständigen und allseits geachteten Bürger«. Sutter gab Bennett neben dem Brief noch sechs Unzen Gold in einem Wildlederbeutel, wie ihn die Männer zur Aufbewahrung ihres Tabaks benutzten, mit auf den Weg. Außerdem erteilte er ihm genaue Anweisungen:

Bei der Übergabe des Briefes an Colonel Mason sollte Bennett sagen, sein Arbeitgeber, Mr. Sutter, wolle ungenutztes Land in der Nähe seines Forts kultivieren. Aus diesem Grund bitte er, ihm bestimmte Vorrechte einzuräumen. Und zwar ginge es dabei um die Weiderechte in der Umgebung der Sägemühle, das Recht auf die Wasserkraft für diese und andere Mühlen sowie um die Schürfrechte in diesem Gebiet.

Falls der Gouverneur fragte, welche Bodenschätze Sutter denn entdeckt habe, sollte Bennett erklären, man habe Spuren von Blei und Silber im Boden gefunden – was auch stimmte. Nur wenn Colonel Mason sagen sollte, dies reiche als Begründung nicht aus, sollte Bennett ihm das Gold in dem Lederbeutel zeigen. Sutter hoffte jedoch, dass sein Anspruch anerkannt werden würde, bevor Mason merkte, worum es in Wirklichkeit ging.

Bennett steckte den Lederbeutel in die Tasche und brach nach Monterey auf. Sutter verließ sich darauf, dass alles planmäßig verlaufen würde.

Es war jetzt Anfang Februar 1848.

Beim Fort ging die Arbeit wie gewohnt vonstatten. Sutters Boot fuhr flussabwärts und brachte Weizen und andere Produkte zu William Leidesdorff, dem Vertreter russischer Interessen in Kalifornien. Die Tatsache, dass sich Charles Bennett an Bord befand, fiel nicht besonders auf; Sutter schickte seine Angestellten oft mit geschäftlichen Aufträgen weg.

Ein paar Tage später entsandte Sutter seinen ersten Wagenführer mit der üblichen Lebensmittelladung zur Sägemühle mit dem Auftrag, die Ladung bei Jenny Wimmer abzuliefern, Der Fahrer hieß Jacob Wittmer. Wie Sutter war Jacob Schweizer, wie Sutter war er ein jovialer Mensch, und wie Sutter hörte er sich gern reden.

Die Luft in den Bergen war frisch, und Jacob freute sich auf das wärmende Küchenfeuer. Er ließ die Wagen an einer geschützten Stelle stehen, während seine indianischen Fuhrknechte die Ochsen ausspannten, und ging zu Fuß zu Jennys Blockhütte.

Vor der Hütte spielte Jennys kleiner Sohn, Martin Wimmer. Aufgrund Jacobs häufiger Besuche kannten beide sich gut. Martin lief auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Jacob blieb stehen und fragte in seiner freundlichen Art, ob alles gut voranginge. Martin stolzierte mit wichtiger Miene herum und sagte, die Männer hier seien dabei, ganze Beutel voll Gold zu sammeln.

Jacob lachte und meinte kopfschüttelnd, Martin müsse eigentlich wissen, was mit kleinen Kindern passiere, die lauter Lügen erzählten.

Der Junge rannte zur Blockhütte und rief Jenny heraus.

»Sag ihm, dass es stimmt, Mutter! Ich erzähle keine Lügen, nicht wahr, Mutter?«

Jenny starrte den Besucher an: Natürlich stimmte es. Die Leute sammelten tatsächlich Gold. Wenn Jacob es nicht glauben wolle, brauche er nur ins Haus zu kommen, und sie würde ihm den Beweis liefern. Hier sei zum Beispiel eine Probe des Goldes, das ihr Mann mitgebracht habe. Sie legte die Goldkörnchen in ein Tuch, knotete es zusammen und überreichte es Jacob: Er könne es mitnehmen. Damit sei wohl bewiesen, dass ihr Sohn keine Lügen auftische.

Völlig sprachlos nahm Jacob das Gold, während Jenny zu ihrer Arbeit zurückging. Martin, dessen Ehre wiederhergestellt war, plauderte munter weiter und erzählte Jacob alles über die jüngsten Ereignisse.

Als die Arbeiter hereinkamen, brauchten sie weder ja noch nein zu Martins Geschichte zu sagen. Hier stand Jacob und hatte Goldstaub in der Hand. Ihn zu bitten, über die Sache Stillschweigen zu bewahren, wäre zwecklos gewesen. Jacob war nicht imstande, über irgendetwas den Mund zu halten. Und schließlich hatte er Sutter ja auch kein Versprechen abgegeben.

Jacob blieb mehrere Tage, entlud die Fracht und verstaute die Lebensmittel. Dann fuhr er mit den leeren Wagen wieder zurück ins Tal. Als er die Siedlung New Helvetia erreichte, hielt er an, um sich im Laden von Smith und Brannan einen Drink zu genehmigen.

C. E. Smith und Samuel Brannan waren Führer einer Mormonensiedlung. Nach langen religiösen Verfolgungen in ihrem Heimatstaat New York hatten diese Mormonen und einige Anhänger anderer Glaubensrichtungen – insgesamt 238 Männer, Frauen und Kinder – ein Schiff gechartert und waren im Jahre 1846 in San Francisco eingetroffen. Brannan lebte in der Stadt, wo er es zu einem angesehenen Geschäftsmann gebracht hatte; Smith war nach Sutter’s Fort gekommen, um sich hier den gemeinsamen Geschäftsinteressen zu widmen. Der Laden war eine gutgehende Handelsniederlassung: Hier lieferten die Rancher ihre Häute und sonstigen Produkte ab und tauschten dafür Waren ein, die von den Handelsschiffen herangeschafft worden waren.

Als Jacob sich zu den anderen Männern an die Theke setzte und einen Drink bestellte, wollte Smith zuerst sein Geld sehen. Jacob war zwar ein netter Bursche, aber die Liebe zum Alkohol war sein Hauptfehler. Er behauptete immer, er hätte genug Geld, aber wenn es dann ans Zahlen ging, stellte sich heraus, dass er dazu außerstande war. So nahm Jacob das verknotete Tuch aus der Tasche und zeigte die Körner, die er von Jenny Wimmer erhalten hatte. Er sagte, das sei Gold. Er käme gerade von der Sägemühle herunter, und die Arbeiter dort oben sammelten das Gold beutelweise ein.

Die Umstehenden stießen sich gegenseitig an und murmelten:

»Hört euch den wieder an!«

Niemand glaubte Jacob auch nur ein Wort.

Denn im Gegensatz zu Martin war Jacob ein Lügner. Er war berühmt für seine ›Geschichten‹. Dabei hatte er nicht einmal Böses im Sinn, sondern ließ nur einfach seiner Phantasie freien Lauf.

Jacob bekam seinen Drink nicht. Während die Männer ringsum annahmen, er tische nur wieder eine seiner vielen Geschichten auf, wusste Jacob es besser. Er knotete das Tuch zu, steckte es in die Tasche und fuhr weiter zum Fort.

Hier redete er ebenfalls über die Goldfunde bei der Sägemühle. In höchster Aufregung berichtete er den anderen Arbeitern, was Martin ihm gesagt hatte: wie Jenny die Nuggets in ihrer Seifenlauge gekocht habe und welche anderen Tests die Männer noch ausprobiert hätten – wie sie zum Beispiel ein Goldkorn mit dem Hammer bearbeitet und beobachtet hätten, wie es mit jedem Schlag breiter und dünner geworden sei. Sutter hätte ihn gern zum Schweigen gebracht. Aber niemand auf der Welt hätte Jacobs Redefluss jetzt aufhalten können. Zunächst hörten ihm die Arbeiter im Fort – wie die Leute bei Smith – mit nachsichtigem Lächeln zu, das ihnen jedoch bald verging. Der Hufschmied, Levi Fifield, nahm ein Körnchen aus Jacobs Beutel, legte es auf seinen Amboss und schlug mit dem Hammer darauf. Staunend sahen die Leute zu, wie sich das Goldkorn ohne jeden Riss zu einem hauchdünnen, über einen Zentimeter großen Blättchen breitschlagen ließ.

Fifield und die anderen waren fassungslos. Jetzt hatte sich tatsächlich einmal eine von Jacobs phantastischen Geschichten als reine Wahrheit erwiesen.

Fifield war ebenfalls Mormone. Drüben in den Vereinigten Staaten galten die Mormonen bei Leuten, die sie ablehnten, als unamerikanisch. Um ihren Patriotismus zu beweisen, hatten die Glaubensältesten ein Mormonenbataillon aufgestellt und es der Armee im Krieg gegen Mexiko zur Verfügung gestellt. Nach dem Marsch an die Pazifikküste unter dem Befehl von Colonel Philip St. George Cooke von der regulären Armee war das Mormonenbataillon in Los Angeles und San Diego eingesetzt worden. Als es aufgelöst wurde, wollten die Soldaten sich in der Mormonensiedlung am großen Salzsee im heutigen Bundesstaat Utah niederlassen. Aber es war schon zu spät im Jahr, um noch das Gebirge zu überqueren, und so mussten sie sich Arbeit für den Winter suchen. Viele von ihnen, auch der Hufschmied Fifield, hatten Jobs in Sutter’s Fort gefunden.

Fifield und zwei andere ehemalige Angehörige des Mormonenbataillons, Wilford Hudson und Sidney Willis, kündigten an diesem Tag ihre Stellungen. Sie begaben sich zum Laden von Smith und Brannan, um Vorräte einzukaufen, und machten sich dann im Eiltempo auf den Weg zum goldenen Berg.

Als sie am 27. Februar die Sägemühle erreichten, war Jim Marshall über ihr Erscheinen wenig begeistert. Jim glaubte, alles Gold in der Nähe der Sägemühle gehöre ihm. Als Hudson mit dem Messer ein Nugget aus dem Boden kratzte, das fast eine halbe Unze wog, riss Jim die Geduld.

Einer der Männer sagte, er habe sogar die Pistole gezogen und den Neuankömmlingen befohlen, sich zum Teufel zu scheren.

Fifield und seine Partner nahmen die Sache nicht weiter tragisch. Nun gut, dann würden sie sich eben nach einer eigenen Fundstelle umsehen.

Sie beschlossen, den Berg in Richtung auf das Fort hinunterzugehen und dabei zwei Gruppen zu bilden: Auf diese Weise verdoppelten sich ihre Chancen, Gold zu finden. Willis und Hudson wollten dem Fluss folgen, während Fifield den Karrenweg übernahm. Ihn begleitete noch ein anderer Mann, Henry Bigler, den sie im alten Bataillon kennengelernt hatten. (Und Bigler führte ein Tagebuch; dank seiner Aufzeichnungen kennen wir das Datum, an dem Marshall das Gold fand, sowie andere Einzelheiten, die sonst wohl in Vergessenheit geraten wären.)

Die vier Männer vereinbarten, sich bei einer Getreidemühle wiederzutreffen, die von anderen ehemaligen Bataillonsangehörigen für Sutter gebaut worden war. Sie überließen Jim seiner schlechten Laune und machten sich auf den Weg – die ersten Menschen in der Geschichte, die in einem Gebiet, das später unter dem Namen ›Kaliforniens Hauptader‹ bekannt werden sollte, systematisch auf Goldsuche gingen.

Ihre Nachgiebigkeit machte sich bezahlt. Willis und Hudson, die der südlichen Abzweigung des El Rio de los Americanos gefolgt waren, gelangten zwischen der Säge- und der Getreidemühle an eine Stelle, wo der Fluss eine scharfe Biegung machte. Im Laufe der Jahrhunderte hatte die Strömung hier eine mächtige Sandbank aufgetürmt, die wie eine große Bratpfanne mit Stiel aussah. So wie der Fluss den Sand angeschwemmt hatte, hatte er auch das Gold angespült und beides miteinander vermengt. Es war eine der reichsten Lagerstätten, die je im ›Land des Goldes‹ gefunden wurde.

Willis und Hudson kannten den Wert ihrer Entdeckung noch nicht; sie wussten lediglich, dass sie auf eine Kiesablagerung gestoßen waren, in der hie und da Goldkörner aufblitzten. Großzügiger als Jim Marshall, erzählten sie hiervon nicht nur ihren Partnern, sondern auch ihren Freunden im Fort, als sie sich dort mit Proviant versorgten.

Viele dieser Freunde hegten Zweifel. Aber Woche für Woche stieg in Smith’ Laden der Umsatz an Schaufeln und Pfannen und gesalzenem Rindfleisch, und ein Mann nach dem anderen verließ seinen Job und ging hinaus, um sich persönlich von den Goldfunden zu überzeugen. Die Sandbank wurde allmählich zu einem richtiggehenden Lager, in dem reges Treiben herrschte. Der Streifen, der wie ein Pfannenstiel aussah, war häufig überschwemmt. Viele glaubten deshalb, das Lager läge auf einer Insel. Und da die meisten der hier tätigen Goldwäscher Mormonen waren, wurde dieser Platz als ›Mormon Island‹ berühmt.

Im Februar 1848 hatten erst wenige Menschen dieses Märchen vom Gold gehört, und noch niemand ahnte, wie sagenhaft die ganze Geschichte war. Dennoch hatte der große Exodus bereits begonnen. Mit seiner rundlichen, kleinen Hand hatte Martin Wimmer eine neue Seite im Buch der Geschichte aufgeschlagen.

Während all dies im Gang war, hatte Charles Bennett mit Colonel Mason in Monterey gesprochen und war dann nach San Francisco zurückgekommen.

San Francisco hatte in jener Zeit knapp neunhundert Einwohner. Unter ihnen – als ob ihn ein boshaftes Schicksal hierhergeführt hätte, damit er seine besondere Rolle während des Goldrausches spielen könne – befand sich ein Mann namens Isaac Humphreys.

Eigentlich war nichts Bemerkenswertes an Isaac Humphreys – abgesehen davon, dass Isaac, wie Jenny, zufällig ebenfalls unter den Goldsuchern von Lumpkin, Georgia, aufgewachsen war.

Es ist nicht erwiesen, dass Isaac und Jenny sich überhaupt gekannt hatten. Aber beide verstanden etwas von Gold, und beide waren just in dem Augenblick zur Stelle, als sie gebraucht wurden.

4

Charles Bennett hatte Colonel Mason Sutters Ersuchen vorgetragen. Der Gouverneur hatte nein gesagt, und seine ablehnende Entscheidung auch begründet. Er sagte, Kalifornien befinde sich im Augenblick gerade in einem Zwischenstadium – es unterstehe einerseits nicht mehr den mexikanischen Gesetzen, andererseits aber noch nicht den Gesetzen der Vereinigten Staaten. Die Kämpfe seien zwar beendet, aber offiziell werde der Krieg erst dann vorbei sein, wenn ein Friedensvertrag zwischen beiden Ländern geschlossen und ratifiziert worden sei. Dann werde der Kongress in Kalifornien eine Zivilregierung einsetzen. In der Zwischenzeit, sagte Colonel Mason, hätten er und seine Truppen den Auftrag, hier für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er werde ein Antwortschreiben verfassen, das Bennett Sutter überbringen solle.

In diesem Brief stand, was Mason auch bereits im Gespräch mit Bennett geäußert hatte: Es sei ohne Belang, um welche Bodenschätze es sich handele, der Gouverneur sei in keinem Fall befugt, irgendjemandem die Schürfrechte einzuräumen oder Grund und Boden zur Verfügung zu stellen. Das ganze Land stehe allen gleichermaßen offen.

Bennett zeigte keine Reaktion und blieb ruhig. Um sich zu vergewissern, dass er richtig verstanden hatte, fragte er:

»Heißt dies, dass jedermann, der in den unbewohnten Gebieten von Kalifornien nach Bodenschätzen graben will, dies tun darf?«

»Ja, das ist richtig.«

Jetzt wusste Bennett Bescheid. Das Gold in der Erde gehörte nicht Sutter. Auch nicht Jim Marshall. Es gehörte jedem, der es aufhob. Seine Mission war beendet, und er konnte nun selbst nach Gold suchen.

Aber ein Mann, der in diese wilde Bergwelt hinaufwollte, brauchte Stiefel, Decken, Pickel, Schaufel, ein Gewehr und Verpflegung für einige Wochen. Eine solche Ausrüstung würde mehr Geld kosten, als Bennett besaß. Er brauchte einen Partner, der ihn mit allem Notwendigen versorgte.

Bennett legte Sutters sechs Unzen Goldstaub aus dem Lederbeutel in eine Schnupftabakdose, die einen festschließenden Deckel hatte. Er suchte mehrere Lokale auf und zeigte das Gold den Leuten, die er dort antraf. Aber alle schüttelten den Kopf. Sie glaubten nicht, dass es Gold war. Und selbst wenn es sich um Gold handelte – wie sollten sie wissen, ob genug davon in der Erde vorhanden war, um so viel Mühe und Kosten zu rechtfertigen.

Bennett ging also zurück nach San Francisco, wo das Boot, das ihn hergebracht hatte, gerade die Vorräte verlud, die Sutter für das Fort bestellt hatte.

Gleichzeitig ritt ein Kurier nach San Francisco mit einem von Colonel Mason unterzeichneten und vom 12. Februar 1848 datierten Brief: Darin stand, dass das alte mexikanische Bergbaugesetz nicht mehr in Kraft sei. Der Kurier hatte auch eine englische und spanische Version des Briefes bei sich. Er übergab die Texte den Zeitungen Californian und Star zur Veröffentlichung.

Beide Gazetten kamen dem Wunsch nach. Dies war nur eine von vielen Ordern, die von Zeit zu Zeit durch die Militärregierung erlassen wurden, und erregte kein besonderes Interesse. Auch Charles Bennett erregte wenig Interesse mit den gelben Körnchen in seiner Schnupftabaksdose, die er im ›City Hotel‹ jetzt herumzeigte.

Das ›City Hotel‹ sollte noch berühmt werden. Es war ein zweistöckiges Gebäude aus braunen Lehmziegeln, das drei Seiten eines Innenhofs umschloss. Im Südwesten grenzte das Hotel an die Clay und die Kearney Street mit Blick auf die Plaza. Die meisten Armeeoffiziere wohnten dort, und führende Geschäftsleute hatten ihre Kontore in den Räumen neben dem Eingang. Hier in der Eingangshalle oder an der Bar trafen sich die Bürger und unterhielten sich über die neuesten Nachrichten. Als sie Bennetts Geschichte hörten, setzten sie ein zweifelndes, verständnisinniges Lächeln auf.

Im Rückblick auf die geschichtliche Entwicklung mag es so aussehen, als wären sie aus bloßem Eigensinn gegen alles Neue eingestellt gewesen. Aber sie hatten ihre Gründe.

Erstens hatten sie schon früher einmal eine ähnliche Geschichte gehört, die sich nachher als trügerisch erweisen sollte. Sechs Jahre zuvor hatte ein Mann namens Francisco Lopez, der auf einer Ranch bei Los Angeles arbeitete, ein paar wildwachsende Zwiebeln aus der Erde gezogen, um damit sein Mittagessen anzureichern. In der Erde, die an den Wurzeln hing, hatte er goldene Körnchen entdeckt. Er zeigte sie seinen Freunden, die Story machte die Runde, und kurz darauf erschienen die Leute in Massen bei der Ranch, um wilde Zwiebeln aus der Erde zu ziehen. Ein paar Wochen später aber wanderten sie enttäuscht wieder nach Hause.

Die Körnchen an den Zwiebelwurzeln waren zwar Gold; aber es gab nicht genug davon auf der Ranch und in der näheren Umgebung, dass Zeitaufwand und Mühe sich gelohnt hätten. Wer von dem damaligen Fiasko gehört hatte, ließ sich von Bennetts Schilderungen nicht beeindrucken.

Ein weiterer und noch wichtigerer Grund für das Desinteresse dieser Leute war ihr Wohlstand.

Als Sutter die ersten Goldkörnchen sah, die ihm Jim Marshall brachte, geriet er völlig außer sich: Schließlich war er hoch verschuldet. Diesen Männern in San Francisco ging es jedoch auch so gut. Ihre Stadt blühte und gedieh wie nur wenige andere Städte auf der Welt.

Im Laufe des Sommers – bevor Jim Marshall Gold entdeckte – hatten die Einwohner von San Francisco eine Volkszählung durchgeführt. Im Frühjahr darauf – als sich Charles Bennett nach einem Partner umsah – hatten sie die Zählung wiederholt. Sie stellten fest, dass die Einwohnerzahl der Stadt sich binnen neun Monaten mehr als verdoppelt hatte.

San Francisco war eine kulturell hochstehende Gemeinde. Obwohl sie weniger als neunhundert Einwohner hatte, erschienen dort zwei Zeitungen. Und zu den ersten Auktionen, die in der Stadt abgehalten wurden, gehörte eine Bücherauktion. Die Volkszählung hatte man durchgeführt, weil man ein Schulhaus plante und wissen wollte, wie viele Knaben und Mädchen schulpflichtigen Alters in San Francisco lebten. Als Lehrer war Thomas Douglas, ein Absolvent der Universität Yale, vorgesehen.

Die Schule wurde am 3. April 1848 eröffnet. Bis dahin bestand bereits eine Sonntagsschule, deren Unterricht jeden Sonntag im Büro des Friedensrichters (nach mexikanischer Sitte noch immer Alcalde genannt) abgehalten wurde. Sie stand unter Leitung von Mrs. Sarah Gillespie. Die Gillespies waren New Yorker; sie hatten sieben Jahre in China gelebt, wo Mr. Gillespie im Pazifikhandel tätig gewesen war. In Macao bei Kanton hatte er ein Lagerhaus mit orientalischen Waren unterhalten, die von den großen Handelsschiffen in die westliche Welt gebracht werden sollten.

Als San Francisco sich zu einem Zentrum des pazifischen Geschäftslebens entwickelte, hatten die Gillespies sich entschlossen, wieder unter ihresgleichen zu leben.

Sie trafen am 3. Februar 1848 an Bord der Brigg Eagle in San Francisco ein. Die Zeitungen Californian und Star veröffentlichten bald verlockende Angebotslisten von Waren, die Mr. und Mrs. Gillespie zu offerieren hatten: Seidenstoffe, Tee, Schießpulver, Feuerwerkskörper, Gewürze, Lackarbeiten, Samtpantoffeln, ›Moskitonetze aus Grasleinen für die Betten‹ und tausend andere exotische Erzeugnisse. Außerdem hatten sie drei chinesische Angestellte – zwei Männer und eine Frau – mitgebracht: Es waren die ersten Chinesen, die sich in San Francisco niederließen.

In diesem Frühjahr des Jahres 1848 waren die führenden Geschäftsleute der Stadt, wie Charles Gillespie, im Pazifikhandel tätig oder verkauften Proviant an die im Pazifik verkehrenden Schiffe. Aber es gab nicht nur Kaufleute in San Francisco. In der ersten Volkszählung sind fünfunddreißig Berufe aufgeführt, die von den Einwohnern ausgeübt wurden. Jedermann fand eine Tätigkeit, auch die Frauen. Sie konnten als Köchinnen und Weißnäherinnen in den Pensionen arbeiten. Und die Zeitungen brachten oft mehr Anzeigen als Nachrichten.

Die Einwohner einer solchen Stadt waren jedenfalls nicht so schnell davon zu überzeugen, dass es plötzlich eine Goldschwemme gäbe. Trotzdem fand Bennett hier und da einen Mann, der ihm aufmerksam zuhörte.

Und einer von diesen war John Henry Brown, ein erfahrener Pionier.

In England geboren, hatte er als Schiffsjunge auf einem Postschiff angeheuert, dessen Kapitän sein Onkel war. Offenbar war dieser nicht besonders nachsichtig mit ihm umgesprungen, denn John Henry lief davon und fand ein anderes Schiff, das ihn nach Havanna mitnahm. Irgendwie arbeitete er sich bis Philadelphia durch und wandte sich dann nach Westen. Nach ein paar abenteuerlichen Jahren als Pelzhändler unter den Indianern zwischen Ohio und Oregon hatte er sich, jetzt siebenunddreißig Jahre alt, als Gastwirt in Kalifornien niedergelassen.

John Henry Brown hatte das ›City Hotel‹ von dessen Besitzer William Leidesdorff gepachtet. Beider Verhältnis war jedoch getrübt. Deshalb baute Brown mit einem neuen Partner, Robert A. Parker, gerade ein neues Hotel, das den Namen ›Parker House‹ tragen sollte. Aber er war im ›City Hotel‹, als er Bennett kennenlernte und sich die Goldkörnchen in der Schnupftabaksdose ansah. Obwohl er nur wenig von frisch geschürftem Gold verstand, war Brown ein guter Menschenkenner, und er glaubte, was Bennett ihm erzählte.

Allerdings konnte Brown nicht selbst auf Goldsuche gehen. Das im Bau befindliche ›Parker House‹ nahm seine ganze Zeit und Kraft in Anspruch. Bauholz für das Hotel wurde in den Wäldern auf der anderen Seite der Bucht geschlagen. Die meisten Holzfäller dort waren Seeleute, die heimlich abgemustert hatten und in den Wäldern arbeiteten, weil sie hier gute Unterschlupfmöglichkeiten fanden. Wie in allen anderen Häfen der damaligen Zeit waren auch in San Francisco berufsmäßige Matrosenfänger am Werk, die gegen Bezahlung entlaufene Seeleute aufspürten und auf ihre Schiffe zurückschleppten. Gegen solche Gepflogenheiten boten Holzfällerlager einen guten Schutz. Wenn sich ihnen ein Fänger näherte, hielten alle Mann zusammen und brachten ihn um. Das hatte sich als wirksame Abschreckung bewährt.

In gewissen Abständen fuhr Brown den Holzfällern Proviant hinüber und nahm auf seinem Boot das Holz mit zurück, das sie in der Zwischenzeit geschlagen hatten. Um die Männer bei Laune zu halten, brachte er jedes Mal auch ein Fass Schnaps mit. Selbstverständlich betranken sich alle und kehrten erst dann wieder an die Arbeit zurück, wenn das Fass geleert war. Der Bau des Hotels in der Stadt war weniger aufreibend, denn die meisten Zimmerleute waren Mormonen – ein zuverlässiges Völkchen, das nie einen Tropfen Alkohol zu sich nahm. Aber sie verlangten hohe Löhne und erhielten sie auch, da Arbeitskräfte überall gebraucht wurden.

Durch Zahlung hoher Löhne, Ausdauer und reichliche Schnapslieferungen brachten Brown und Parker ihren Hotelneubau allmählich voran, aber mehr konnten sie nicht tun.

Sie mussten die Goldsuche jemand anderem überlassen.

Brown dachte zunächst an George McDougal, einen Makler, der Grundstücke in der Stadt aufkaufte und wartete, bis die Preise gestiegen waren. Wie Brown später schrieb, glaubte jedoch McDougal, es handele sich um ein abgekartetes Spiel, bei dem man ihm das Geld aus der Tasche ziehen wolle, und lehnte ab. Als Brown nun überlegte, was zu tun sei, fiel ihm ein Mann namens Isaac Humphreys ein, der nach eigener Aussage früher einmal in Georgia als Goldgräber gearbeitet hatte. Brown machte Humphreys ausfindig und brachte ihn ins ›City Hotel‹. Er stellte ihn Bennett vor und bat diesen, die Schnupftabaksdose zu öffnen.

Dieses Gespräch sollte ungeahnte Folgen haben.

Nahe der Ecke der Montgomery und der Sacramento Street lag eine Schreinerei. Hier wurden Möbel, Karren, Schubkarren und all das hergestellt, was ein Kunde gerade bestellte. In der letzten Februarwoche des Jahres 1848 kam ein Mann in den Laden; er sagte, er heiße Isaac Humphreys und suche einen Schreiner namens Spencer, dessen Arbeiten er früher einmal gesehen habe. Ob man diesen kenne?

Ja, man kannte ihn, er sei ein guter Schreiner. Spencer wohne im Hause eines gewissen William Foster, der ebenfalls in der Schreinerei tätig sei.

Humphreys suchte die beiden auf.

William Foster verstand sich auf sein Handwerk. Er hatte ein hübsches Mädchen namens Sally Murphy geheiratet (eine von drei Schwestern, deren gutes Aussehen und gesunder Menschenverstand in den Aufzeichnungen damaliger Einwohner von Kalifornien immer wieder rühmend erwähnt werden). Spencer und Foster begrüßten den neuen Kunden und fragten nach seinem Begehr. Während sie ihm mit wachsendem Erstaunen zuhörten, beschrieb Humphreys ein Gerät, das ihnen völlig neu war.

Humphreys sagte, er würde dableiben und die Arbeit selbst anleiten. Sie meinten, sie würden das Ding schon herstellen, wozu auch immer es gut sein sollte.

In wenigen Tagen war das Gerät fertig. Für die Schreiner war es ein höchst merkwürdiger Gegenstand, aber er sollte noch binnen Jahresfrist Hunderte von Menschen reich machen. Denn Isaac Humphreys wusste nicht nur, woran man Gold erkennen konnte, sondern auch, wie man es von der Erde trennte, in die es eingeschlossen war.

Die neue Konstruktion war ein Schwingtrog für die Goldwäsche und beruhte auf der Tatsache, dass Gold schwer ist. Legt man einen Klumpen goldhaltiger Erde in einen Wasserbehälter und rührt um, lösen sich die Nuggets aus der Erde und sinken auf den Grund: Darin bestand das ganze Geheimnis.

Sämtliche in jenem ersten Jahr der Goldsuche verwendeten Schwingtröge waren mehr oder weniger Nachahmungen von Isaacs Modell. Man zimmerte einen etwa einen Meter langen und fünfzig Zentimeter breiten Kasten mit etwa vierzig Zentimeter hohen Seitenwänden und montierte ihn wie eine Kinderwiege auf gebogene Kufen. Das eine Ende des Kastens war zu, das andere blieb offen. Die Kufen unter dem geschlossenen Ende standen etwas höher als die unter dem offenen, sodass Wasser herunterrinnen und durch die Öffnung ablaufen konnte. Quer über den Kastenboden waren – im Abstand von etwa fünf bis sieben Zentimetern – hölzerne Querriegel genagelt. In den höheren Teil des Kastens wurde ein kleinerer, etwa vierzig Zentimeter breiter und zehn Zentimeter tiefer Kasten eingefügt. Dieser kleinere Kasten hatte einen Blechboden, in den etwa einen Zentimeter große Löcher eingestanzt waren.

Die Goldsucher stellten diesen Schwingtrog zwischen Berghang und Bach auf.

Arbeiteten zwei Männer zusammen, grub der eine die Erde vom Hang ab und brachte sie mit Schubkarre oder Eimer zum Schwingtrog, während der andere Wasser aus dem Bach heranholte. Eine Schaufel voll Erde wurde in den oberen Kasten gegeben. Dann goss der eine Mann langsam Wasser darauf; sein Partner schaukelte die ›Wiege‹ sanft hin und her – so wie eine Mutter ihr Baby.

Die Schaukelbewegung verwandelte die Erde zu Schlamm, der durch die Löcher des Holzbodens tropfte, wo die Querriegel waren, und dann hinunter zum offenen Ende rann. Unterwegs sanken die im Schlamm vorhandenen Goldteilchen ab und verfingen sich an den Querriegeln.

Dies war die Grundidee. Viele Schwingtröge waren jedoch nichts anderes als ausgehöhlte Holzklötze. Einige wurden von Leuten hergestellt, die nie einen Schwingtrog gesehen hatten und sich nur vom Hörensagen leiten ließen. Dennoch wurden während des ersten ergiebigen Sommers große Mengen Gold in diesen Trögen aus der Erde gewaschen.

Ständig wurde das wichtige Werkzeug von den Goldsuchern, die mehr und mehr Erfahrungen gesammelt hatten, vergrößert und verbessert, und aus dem Schwingtrog entwickelte sich der ›Lange Tom‹, ein zwei Mal drei Meter großes Ungetüm. Das Prinzip blieb jedoch das Gleiche.

Bennett und Humphreys nahmen ihren Schwingtrog mit zu Sutter’s Fort. Nachdem Bennett Sutter über seine Reise berichtet hatte, begab er sich mit seinem Partner zur Sägemühle hinauf. Einige der Bauarbeiter hatten zwar ihren Arbeitsplatz verlassen, um nach Gold zu suchen, aber die übrigen hatten die Mühle fast fertiggestellt. (Sie wurde am 11. März 1848 in Betrieb genommen und arbeitete tatsächlich mehrere Wochen.) Inzwischen hatten Bennett und Humphreys sowie die Mormonen aus dem Fort sich auf die Suche nach einer eigenen Goldgrube begeben. So eine Stelle war damals nicht schwer zu finden.

Dieser erste Schwingtrog brachte den beiden Glück. John Henry Brown schrieb, dass Bennett, als er ein Schiff zur Heimreise nach Oregon bestieg, etwa vierzehnhundert Unzen Gold mit sich geführt habe. (Im Jahre 1848 bedeutete das einen Gegenwert von ungefähr 20.000 Dollar; heute wären es über 400.000 Dollar.) Brown hat seinen Bericht vielleicht ein wenig ausgeschmückt; ziehen wir jedoch verbürgte Nachrichten über andere Männer heran, die in jenem ersten Sommer ihr Glück machten, so scheinen diese Zahlenangaben nicht allzu sehr übertrieben gewesen zu sein.

Aber damit greifen wir der Erzählung vor. Als Bennett und Humphreys mit ihrem Schwingtrog in die Berge gingen, wollte noch immer niemand den märchenhaft anmutenden Berichten über die Goldfunde rechten Glauben schenken. Trotzdem waren einige hellhörig geworden. Auch kamen im Laufe der nächsten Wochen ständig mehr Männer aus den Bergen herunter und hatten weitere Goldproben bei sich. Wieder andere berichteten von Bodenschätzen, die in Kalifornien entdeckt worden seien. Eine Quecksilbermine nahe der heutigen Stadt Santa Clara war schon von den Mexikanern betrieben worden.

Schließlich entschloss sich Benjamin R. Buckelew, der Herausgeber des Californian, diese Berichte zu erwähnen. Er hielt sie nicht für so wichtig, um ihnen viel Raum zu widmen, sondern brachte sie zusammen mit anderen Kurznachrichten: Neben der Information, dass die Quecksilbermine gute Erträge abwerfe, erfuhren die Leser des Blattes, nördlich der Bucht von San Francisco sei man auf Kupfer- und Kohlevorkommen gestoßen. Der Rest der Seite enthielt Vermischtes. Am Schluss, mehr beiläufig, stand noch eine kleine Notiz zum Thema Gold. Unter der Überschrift ›Goldmine entdeckt‹ hieß es:

»In dem neuangelegten Abflusskanal der Sägemühle, die kürzlich von Captain Sutter an der American Fork errichtet wurde, ist Gold in erheblichen Mengen gefunden worden. Jemand brachte Gold im Wert von dreißig Dollar, das er in kurzer Zeit gesammelt hatte, nach New Helvetia. Kalifornien ist zweifellos reich an Bodenschätzen und bietet mit wissenschaftlichen Methoden vorgehenden Unternehmern große Chancen. Gold ist fast in jedem Teil des Landes gefunden worden.«

Damit wurde am 15. März 1848 Jim Marshalls Entdeckung zum ersten Mal offiziell erwähnt.

Sieben Exemplare dieser Ausgabe des Californian existieren noch heute – sechs in den Vereinigten Staaten, eins in Kanada. Wären sie verkäuflich, würden sie wahrscheinlich nahezu eine Million Dollar einbringen.

Wer das Blatt am Erscheinungstag kaufte, zahlte zwölfeinhalb Cents dafür.

5

Während der Monate März und April verließ eine Anzahl von Männern San Francisco und stieg hinauf in die Berge. Aber es waren nicht viele, und die wenigsten von ihnen verrieten, dass sie nach Gold suchen wollten. Damit man sie nicht auslachte, falls sie mit leeren Händen zurückkommen sollten, erklärten sie, auf die Jagd gehen, in den Häutehandel einsteigen zu wollen oder irgendwelche Geschäfte mit Leuten vorzuhaben, die sich zufällig in der Nähe von Sutter’s Fort aufhielten.

Aber eine so bedeutsame Tatsache konnte nicht lange unter der Oberfläche schwelen. Irgendwann musste es zur Explosion kommen.

Die Explosion ereignete sich am Donnerstag, dem 11. Mai 1848. Die Einwohner von San Francisco gingen ihrer gewohnten Arbeit nach, als sie draußen auf der Straße einen Tumult hörten. Männer in ihren Werkstätten, Kinder beim Unterricht im Schulhaus, Hausfrauen auf dem Markt – sie alle ließen ihre Werkzeuge, Bücher und Einkaufskörbe fallen und strömten zusammen, um zu sehen, was eigentlich los war. Und das Schauspiel, das sich ihnen bot, war seltsam genug.

Der Mormonenführer Sam Brannan rannte die Straße entlang. Mit der Hand hielt er eine Glasflasche hoch, in der sich früher einmal Chinin befunden hatte und die jetzt voll glänzender Stückchen war. Im Laufen schwenkte er die Flasche hin und her und schrie aus vollem Halse: »Gold – Gold! Gold vom American River!«

Sam Brannan war ein kräftiger Kerl von neunundzwanzig Jahren. Er machte einen solchen Radau, dass die Leute hinter ihm herliefen und ihm zuriefen, er solle stehenbleiben und ihnen das Gold zeigen, und wieder andere rannten hinter diesen her und wollten wissen, was die ganze Aufregung zu bedeuten habe. Die Menge wurde immer größer und der Lärm immer lauter.

Endlich blieb Sam Brannan erschöpft stehen. Alle scharten sich um ihn. Er zeigte den Leuten seine Flasche mit dem Gold. Staunend hörten sie zu, als Sam tief Atem holte und ihnen erzählte, woher das Gold stamme und wie man dorthin kommen könne.

Man hat sich lange gefragt, was Sam Brannan wohl zu diesem Spektakel veranlasst haben mochte. Gerüchte über Goldfunde gab es schließlich schon seit Wochen. Warum machte er plötzlich so viel Aufhebens davon? Einige neigten zu der Ansicht, er habe sich nicht immer an das Alkoholverbot der Mormonen gehalten und sei an diesem Tag betrunken gewesen. Andere wiederum meinten, Brannan und sein Partner Smith hätten ihren Laden in New Helvetia gerade frisch mit Bohnen und Salzfleisch, Pickeln, Schaufeln und Pfannen, Stiefeln und Hemden und anderen Waren bevorratet, die von Männern, die in die Berge gingen, gebraucht würden. Dieses dramatische Schauspiel habe also lediglich dem Zweck gedient, seinen Umsatz zu steigern.

Was auch immer der Grund gewesen sein mag – das Ereignis schlug wie eine Bombe ein. An jenem Tag begann von San Francisco aus der Goldrausch um sich zu greifen. Zimmerleute, die aus dem halbfertigen ›Parker House‹ herausgerannt waren, gingen nicht einmal zurück, um ihre Werkzeuge mitzunehmen. Die Sägen und Hämmer blieben liegen, wo sie gerade hingefallen waren, und sie lagen noch immer da, als die Männer mit Beuteln voller Gold aus den Bergen wieder zurückkamen.

George Eggleston, Gemüsehändler auf dem Markt, hängte ein Schild an seinen Stand mit der Aufschrift: ›Bin auf Goldsuche gegangen, bitte bedienen Sie sich‹ und machte sich auf den Weg zu den Goldfeldern. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wurde jeder, der irgendein Boot besaß, von anderen bedrängt und gefragt, was er für die Überfahrt an das Ostufer der Bucht von San Francisco verlange. In der Stadt gab es nicht genug Boote. Innerhalb einer Woche standen Männer, Frauen und Kinder – einige davon noch im Säuglingsalter auf dem Arm ihrer Mütter – dicht gedrängt am Strand und warteten auf die Möglichkeit zur Überfahrt.

Familien, die über Wagen verfügten, fuhren um die Bucht herum zur Meerenge von Carquinez, einer drei Kilometer breiten Wasserstraße, die es zu überqueren galt, bevor sie ins Goldland weiterkonnten. Hier, am Südufer der Meerenge, setzten sie mit einer Fähre auf die Nordseite über.

Die Fähre, ein großer, flacher Kahn, gehörte Robert Semple, einem über zwei Meter großen Riesen aus Kentucky. Zusammen mit anderen Bodenspekulanten hatte Semple eine Siedlung namens Benicia auf der Nordseite geplant. Da er Grundstücke in der Stadt verkaufen wollte, benutzte er sein Boot, um eventuelle Käufer überzusetzen. Jetzt wurde er auf einmal reich, und zwar auf eine Art und Weise, die er nicht vorhergesehen hatte.

Ein Kaufmann aus San Francisco, Charles L. Rose (dessen Geschäftshaus großspurig ›The New York Store‹ hieß), hatte die Wasserstraße zwei oder drei Tage vor Sam Brannans Auftritt überquert. An jenem Tag war er der einzige Passagier auf der Fähre gewesen. Zwei Wochen später, bei seiner Rückkehr, war die Fähre bei der Überfahrt in Richtung San Francisco fast leer, aber am Südufer begegnete er zweihundert Wagen und fünfhundert Menschen, die nach Norden übersetzen und in die Berge gehen wollten.

Semple hatte niemanden, der ihm beim Fährbetrieb hätte helfen können. Seine Angestellten waren weggelaufen, um Gold zu schürfen. Er hielt den Fährbetrieb Tag und Nacht aufrecht und legte nur Pausen ein, wenn er schlafen musste. Bei jeder Überfahrt beförderte er zwei Pferde- oder Ochsengespanne und die Besatzung der Wagen. Wenn er noch etwas freien Platz hatte, nahm er auch Einzelreisende mit wenig Gepäck mit. Ganz gleich, um wie viel er seine Fährpreise erhöhte – die Leute kamen.

Die Bevölkerung war wie von einer Epidemie ergriffen. Und eines Tages gab ein Mann dieser Krankheit auch einen Namen. Rein zufällig benutzte er einen Ausdruck, der sich nach und nach überall auf der Welt durchsetzen sollte. Er nannte die Infektionskrankheit ›Goldfieber‹.

Benjamin Buckelew, seit einigen Monaten Herausgeber des Californian