Und freitags kommt der Austernwagen - Kerstin Chavent - E-Book

Und freitags kommt der Austernwagen E-Book

Kerstin Chavent

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Beschreibung

"Und freitags kommt der Austernwagen" ist eine Reise in Frankreichs Süden, in ein kleines Winzerdorf zwischen den Ausläufern der Cevennen und den Stränden von Sète. Menschen aus allen Himmelsrichtungen kommen hier zusammen. Sie treffen sich auf den Terrassen der Cafés, auf dem Markt, beim Boules-Spielen, zum Apéritif. Sie organisieren Ausstellungen, Konzerte und Feste. Vor allem aber essen sie zusammen. Ihre Rezepte, so bunt und vielfältig wie die mediterrane Landschaft, begleiten eine Erzählung die Appetit macht, mehr zu entdecken von einem Land, in dem die Liebe mehr als anderswo durch den Magen geht.

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Bereits erschienen

Krankheit heilt. Vom kreativen Denken und dem Gespräch mit sich selbst, Omega 2014

La maladie guérit. De la pensée créatrice à la communication avec soi, Quintessence 2014

Traverser le miroir. De la peur du cancer à la confiance en la vie, L’Harmattan 2016

Das Licht fließt dahin, wo es dunkel ist. Zuversicht für eine neue Zeit, Europa-Verlag 2017

Was wachsen will muss Schalen abwerfen. Die Enthüllung eines Krustentieres, BoD 2018

La feuille qui ne voulait pas tomber de l’arbre, BoD 2018

Die Waffen niederlegen. Die Botschaft der Krebszellen verstehen, Scorpio 2019

Für das einfache Leben

Inhalt

Im Herzen des Languedoc

Alles ist möglich

In einem kleinen Winzerdorf

In Vielfalt zusammen

Zu Tisch!

Gemeinsam gestalten

Lebens-kunst

Wahlverwandtschaften

Rezepte

Im Herzen des Languedoc

In einem kleinen Winzerdorf im Süden Frankreichs, umgeben von Weinfeldern und Olivenplantagen, geht der Alltag eigene Wege. Hier leben die Menschen nicht, weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Viele haben Lust am Gestalten. Sie warten nicht darauf, dass man ihnen etwas vorsetzt. Sie machen selbst.

Es sind Menschen aus allen Himmelsrichtungen, die hier zusammen leben, so verschieden wie die Umstände, über die sie hierher gekommen sind. Über sie webt sich von einem Dorf aus, das keine sechshundert Seelen zählt und in dem es außer einer Kirche, einem Rathaus, einer Burg, einer Weinkooperative, drei unabhängigen Winzern, zwei Bushaltestellen und einem Briefkasten nichts gibt, ein Netz von Verbindungen, dessen Fäden bis weit in die Welt hinaus reichen. Von hier aus beginnt eine Reise durch die Gepflogenheiten französischer Kultur und dem, was die Zugezogenen dazu beitragen. Es wird erkundet, gestaunt, gestolpert, in Fettnäpfchen getreten. Und es wird gekocht und zusammen gegessen.

Immer wieder geht die Kultur Frankreichs durch den Magen. Kaum irgendwo drückt sich Kreativität reichhaltiger und vielfältiger aus, als in der alltäglichen Küche und kaum etwas verbindet Menschen auf authentischere und freundschaftlichere Weise miteinander als das gemeinsame Essen. In einem Land, in dem in vielen Häusern zwei Mal am Tag gekocht wird, mangelt es nicht an Ideen. Nichts ist erfunden – außer die Rezepte, die diese Reise begleiten. Viele Male sind sie ausprobiert worden und immer wieder ein bisschen abgewandelt, je nach Jahreszeit, Marktangebot und Stimmung.

Kochen ist ein alchimistischer Prozess, in dessen Resultaten sich immer auch das wiederfindet, was den Zubereitenden gerade beseelt. Und so sollen die Rezepte, die das Erzählte begleiten, keine strikten Vorgaben sein, sondern vor allem dazu inspirieren, ein Stück von sich selbst mit anderen zu teilen. Hierbei darf und soll improvisiert werden. Es soll dazu angeregt werden, mit allen Sinnen hinzuspüren, zu tasten, zu schnippeln, zu rühren, zu dünsten, zu braten, zu backen – und dann gemeinsam zu Tisch zu gehen und zu genießen.

Die Autorin ist keine Spezialisten in Sachen Gastronomie. Bis ich vor zwanzig Jahren nach Frankreich kam, habe ich mich überwiegend von Käsebrot ernährt, um mich an manchem Wochenende in der guten Landküche meiner Mutter wieder aufpäppeln zu lassen. Was ich zubereite, muss möglichst einfach sein und einigermaßen schnell gehen.

Doch ich bin nicht allein. Ich teile meine Küche mit meinem Mann, der, wie viele Franzosen, ein hervorragender Koch ist. Er ist der Chef – am Herd, wohlgemerkt. Während es bei mir oft nicht länger als 20 Minuten dauert, bis ein Gericht auf den Weg geschickt ist, kann er Stunden am Herd verbringen. Von uns beiden hat er die Geduld, was auch daran liegen mag, dass er in seinem Leben außerhalb der Küche Goldschmied ist.

Zu unseren eigenen Kochideen gesellen sich hier die Rezepte derer, die unser Leben begleiten. Sie alle sind geprägt von den Zutaten und dem savoir-faire, die der Süden zu bieten hat. Es wurde darauf geachtet, dass alles, was man für die Zubereitung braucht, problemlos auch anderswo zu erhalten ist.

Es ist eine Küche, für die man keine langen Einkaufslisten braucht. Viele der Zutaten befinden sich in den Vorratsschränken derer, die Freude am Kochen haben: gutes Olivenöl, verschiedene möglichst naturbelassene Salz- und Pfeffersorten, frische Gewürze wie Kräuter der Provence, Thymian, Koriander, Kardamom, Kreuzkümmel, geriebene Orangenschale, Safran, Knoblauch, Ingwer- und Kurkumaknollen, gemahlene Mandeln, ... Alles andere ist möglichst frisch, möglichst naturbelassen, möglichst lokal und immer saisonal.

Damit geht die Reise los, hinein in la douce France, das sanfte Frankreich mit seinen mehr als sechs Ecken und Kanten, mit seiner Verschiedenartigkeit, seinen Widersprüchen und seinen Kuriositäten. Vor genau zwanzig Jahren habe ich es mir ausgesucht, hier zu leben. Im Burgund zunächst, dann im Languedoc, das heute Occitanie genannt wird. Hier nehme ich den Faden einer Erzählung auf, deren Protagonisten alle aus Fleisch und Blut sind. Im Fluss der Erzählung vermischen sich ihre und unsere Rezepte, so wie sie in freier Inspiration zu den jeweiligen Situationen passen. Alle zusammen erscheinen noch einmal im Anhang und wünschen bon voyage et bon appétit!

Alles ist möglich

Tapenade

Entkernte grüne und schwarze Oliven, Kapern, Anchovis, gemahlene Mandeln, 1 Knoblauchzehe, Saft einer Zitrone, Olivenöl und Pfeffer im Stabmixer zu einer streichbaren Paste verarbeiten.

An einem zu Ende gehenden Spätsommertag bläst der Mistral den Himmel blau. Kein Strandtag heute. Das Rauschen der hohen Palme am Ende des Gartens hört sich an, als würde es regnen. In Schwärmen ziehen die Urlauber in den Norden zurück. Kraniche, Wildgänse, Schwalben und Stare beginnen, sich auf den entgegengesetzten Weg vorzubereiten. Die halbe Welt war hier zu Gast: an den langen Sandstränden zwischen der Camargue und der Küste Kataloniens, zwischen den Ausläufern der Cevennen und den Pyrenäen und in den zerklüfteten Schluchten des Flusses Hérault, der dem Département seinen Namen gibt.

Ich bleibe. Wie in jedem Jahr genieße ich das Ende der Ferien. Als ich aus dem Norden hier angekommen bin, habe ich mir genau überlegt, ob ich in einem Land leben will, in dem man das Wort Gemütlichkeit nicht nur nicht aussprechen kann, sondern auch nicht versteht, was es bedeutet. Das Leben spielt sich die meiste Zeit draußen ab und das Interieur ist Nebensache. Die Häuser sind oft schlecht isoliert, die Bars und Cafés erstrahlen in grellem Neonlicht und die hübschen provenzalischen Holzstühle werden nach zehn Minuten höllisch unbequem.

Mit meinem ersten französischen Ehemann bin ich nach ein paar Jahren im Burgund auf einem alten, versteckten Weingut zwischen Aniane und Puéchabon angekommen. Nachdem die Wogen seiner ozeanischen Liebe auf meine mexikanische Freundin übergeschwappt waren, hatte ich in Hamburg eine Stelle als Lehrerin zur sofortigen Verbeamtung angenommen. In dem Moment, als mein Vertrag im Büro meines Schulleiters auf meine Unterschrift wartete, riss ich das Steuer wieder herum und fuhr zu Beginn der Sommerferien mit wehenden Fahnen zurück in den Süden.

Die Palme hoch über meinem Kopf rauscht, als flüsterte sie mir Geschichten aus alten Zeiten zu. Es ist viel passiert, seit ich alleine ein kleines Winzerhaus in Aniane bezogen hatte, ohne zu wissen, von was ich meine Miete bezahlen sollte. Nur eines wusste ich: Mit diesem Schritt, mit dem ich wieder einmal alle Sicherheiten hinter mir gelassen hatte, wurde alles möglich. Ich hatte nichts mehr zu verlieren.

Zu diesem Zeitpunkt zählte man in Aniane 2.000 Einwohner und siebenunddreißig verschiedene Nationalitäten. Das vereinfachte das Einleben. Denn an die gens du cru, die Einheimischen, kommt man als Zugezogener nur schwer heran. Selbst die, die aus dem Nachbarort kommen, bleiben oft ein Leben lang Fremde. Das ist nicht verwunderlich für Menschen, für die eine Fahrt auf die andere Seite Montpelliers einer Reise ins Ausland gleichkommt.

Ich war nicht nur nicht von hier, sondern entstammte zudem einer Nation, gegen die man im letzten Jahrhundert zwei Mal Krieg geführt hatte. Man begegnete mir mit höflicher Distanz und beschäftigte sich ansonsten mit seiner eigenen Familie. Mit den Nordlichtern, die seit den sechziger Jahren die verfallenden Häuser in den Dorfkernen kaufen, die lange keiner haben wollte, kann man hier ohnehin nicht viel anfangen. Man hat gute Geschäfte mit den Amateuren alter Steine gemacht, die ein Vielfaches von dem zahlten, was sie selbst bereit gewesen wären zu investieren. Ein bisschen jedoch nehmen es die Einheimischen übel, dass sie heute nicht selbst in den hübsch renovierten Mauern leben, sondern Bleichgesichter, die dem Charme von flirrender Sommerhitze, zirpenden Insekten und Lavendelfeldern verfallen sind.

Ratatouille

Auberginen halbieren, in Streifen schneiden und in einem großen Topf in Olivenöl anbraten. Gegebenenfalls etwas Wasser hinzugeben. Zucchini und Schalotten in Scheiben schneiden und anbraten. Zu den Auberginen in den Topf geben. Tomaten halbieren und in Stücke schneiden, anbraten und dann, wenn sie einen Teil ihrer Flüssigkeit verloren haben, zu dem restlichen Gemüse geben. Mit frischem Knoblauch, Salz, Pfeffer, Kräutern der Provence, geriebener Zitronenschale und Honig würzen. Bei kleiner Hitze köcheln lassen, bis alle Flüssigkeit eingekocht ist. Mit frisch geschnittenem Basilikum garnieren.

Es fällt auf beiden Seiten nicht immer leicht, sich mit den neuen Nachbarn anzufreunden und vielen Zugezogenen weht eine steife Brise ins Gesicht, wenn es darum geht, die Sprache ihrer Wahlheimat zu erlernen. Während man in Spanien schon dafür gelobt wird, wenn man nur ein hola-que-tal einigermaßen dahinstümpert, braucht es in Frankreich ein jahrelanges zähes Training, bis man vom Kellner verstanden wird, wenn man auch nur einen einfachen Café au lait trinken will.

Anfänger verzweifeln daran, ihre Zunge in die entsprechenden Richtungen zu drehen und Akzente und Nasale einigermaßen korrekt durch die Lippen zu pressen. Auf der anderen Seite mühen sich viele Einheimische redlich, möglichst nicht zu verstehen, was der andere will. Mit abwesender Miene knallt mancher Kellner dem verunsicherten Frankophilen das vermeintlich Gewünschte so kühl vor die Nase, dass auch dem Hartnäckigsten die Lust vergeht auszurechnen, wie viel Trinkgeld er korrekterweise auf dem Tisch hinterlässt.

Dennoch: in Frankreich begegnet dem, der sich nicht abschrecken lässt, viel Freundlichkeit. Wenn man einmal begriffen hat, dass sich hinter mancher Kühle Unsicherheit verbirgt und dass ein Nein nicht unbedingt Nein bedeutet, sondern peut-être, vielleicht, dann kann man anfangen, sich einzuleben.

Ich habe mir dafür den Hérault ausgesucht. Seit ein paar Jahren gehört er nicht mehr zum Languedoc, sondern zur Occitanie. Anstatt ehemals fünf sind nun dreizehn Départements unter einem Verwaltungsdach vereint. Die ursprüngliche Idee war, dass die Dinge dadurch einfacher und günstiger werden. Das Resultat ist das Gegenteil. Die meisten Abgeordneten müssen nun von weit her zu den Versammlungen in die Landeshauptstadt Montpellier reisen. Hier war man jedoch auf die erhöhte Anzahl nicht vorbereitet: das brandneue Rathaus, eine von weitem an einen Bunker erinnernde, zeitgenössische Konstruktion aus Beton, Stahl und Glas, bietet für die Menge an Abgeordneten nicht genügend Platz. So muss jedes Mal ein Saal im Palais des Sports angemietet, hergerichtet – und vor allem finanziert werden.

Ob Languedoc oder Occitanie – von allen anderen Regionen Frankreichs ist hier die Arbeitslosenquote am höchsten. Sie ist dennoch heiß begehrt. La misère est moins pénible au soleil – in der Sonne ist das Armsein weniger beschwerlich, sang Charles Aznavour.

Das Leben hier ist günstiger als in der Provence und an der Côte d’Azur, und man hat dieselbe Sonne, dieselben Zikaden und dasselbe Meer. Man steht nicht stundenlang im Stau, um an den Strand zu kommen, bekommt noch kostenlose Park- und Liegeplätze und abgesehen von einem Sonntagnachmittag in Palavas-les-Flots findet man immer ein Eckchen Sand, das man sich nicht mit anderen teilen muss.

Tomatentarte

Aus 200 g Mehl, ½ Glas Olivenöl, Wasser und Salz einen formbaren Teig zubereiten. Ausrollen und auf einem geölten Backblech ausbreiten. Mit Senf bestreichen und geriebenen Käse darüber geben. In möglichst dünne Scheiben geschnittene Tomaten darauf anordnen. Mit Oregano, Salz und Pfeffer würzen. Im vorgeheizten Ofen bei etwa 180° backen.

Obwohl die meisten Urlauber alle auf einmal im Juli und August den Hérault besuchen, ist die Gegend das ganze Jahr über eine Reise wert. Besucher, die außerhalb der Sommermonate zwischen Oktober und April kommen, sollten jedoch bedenken, dass der Äquator nicht an der französischspanischen Grenze beginnt. Es kann hier empfindlich kühl werden! Wer im März in kurzen Hosen, flatternden Sommerkleidchen und Zehensandalen kommt, der riskiert, sich sein Leben lang daran zu erinnern.

Ja: Man kann hier potentiell das ganze Jahr über draußen zu Mittag essen, ohne sich in Decken und Daunenjacken zu hüllen. Doch wenn Mistral, Tramontane oder der Grec, die aus dem Norden kommenden Winde, einen durchpusten, dann träumt mancher von der Zentralheizung, die viele Häuser und erst recht die Cafés und Bars hier nicht haben. Da helfen nur ein kräftiger Fußmarsch oder ein kräftiger Rotwein.

Bis in den März hinein kann es schneien. So geschah es im letzten Frühjahr kurz nach der Mandelblüte. Während zwanzig Zentimeter Neuschnee sich innerhalb weniger Stunden sanft über unseren Garten legten, fielen Mimose und Pampelmusenbaum vor Schreck alle Blätter ab. Meinen Friseurtermin im zwei Kilometer entfernten Nachbarort musste ich absagen, da der Verkehr vollkommen zusammengebrochen war. Viele Autos blieben auf der Straße stecken und wurden von ihren Besitzern am Straßenrand zurückgelassen, um am nächsten Tag, als alles weggeschmolzen war, wieder eingesammelt zu werden.

Aber jetzt, in diesem Augenblick, ist Sommer. Ich sitze in dem Garten, in dem Mimose und Pampelmuse sich wieder erholt haben und die Palme über mir rauscht:

Souviens-toi

. Erinnere dich.

Ja, ich erinnere mich. Ich bin wieder in Aniane. Allein mit meinen Kisten. Olivia, eine Freundin der ersten Stunde, hatte mir das Haus warmgehalten, das sie damals gemietet hatte, während ich in Hamburg mit meiner Vernunft rang. Sie war gerade dabei, mit einem ebenso begabten wie mittellosen Künstler in ein eigenes Haus umzuziehen. Den Mietvertrag konnte ich nur unterschreiben, weil die Agentur nicht genug Deutsch konnte um zu verstehen, dass mein Arbeitsvertrag von der Hamburger Schulbehörde bereits abgelaufen war. Es war das erste Mal, dass ich allein ein Haus bezog. Ich machte es mir gemütlich, hängte überall Lichterketten auf, und wartete, dass Michel, ein scheuer Bergsteiger und Höhlenforscher, der unten im Dorf wohnte, sich in mich verliebte.

Ich strich durch die Weinberge und die Garrigue, die trockene, steinige Landschaft aus Olivenbäumen, Wacholder, Steineichen, Ginster, Zedern und Buchsbäumen, und versuchte, über die Runden zu kommen. Irgendwie fand ich genug Arbeit. Ich war nicht wählerisch: ich übersetzte und unterrichtete Deutsch, Spanisch und Französisch für alle.

Französische Verwaltungsbeamte bereitete ich darauf vor, auf ihrer Karriereleiter eine höhere Stufe zu erklimmen und ihre Kenntnisse in ihrer Muttersprache zu vertiefen. Dabei kam mir zugute, worüber sich meine Freundin Odile seit unserer Studienzeit lustig macht: Gewissenhaft hatte ich für unser Examen die französische Grammatik von A bis Z durchgearbeitet und auswendig gelernt. Doch ganz wohl war mir bei der Sache mit den Beamten nicht. Auf die Frage, woher denn mon petit accent käme, antwortete ich wahrheitsgetreu, meine Mutter sei Deutsche.

Cathys Weißkohlsalat

Weißkohl in feine Streifen schneiden und mit gebratenen Schinkenwürfeln, Gambas, Surimi, Apfelspalten, Pampelmusenstücken, Walnüssen und Reis vermischen. Mit Olivenöl und Zitronensaft beträufeln, mit Pfeffer, Gomasio und frischem Koriander würzen.

Um unter die Leute zu kommen, ging ich auf den Markt. Hier findet man alles: Seifen, Tischdecken, Oliven, Öle, eingelegten Knoblauch, Honig, Kräuter, Berge von frischem Obst und Gemüse und Spezialitäten wie die Fougasses - ein ebenso kalorienreicher wie köstlicher Teig mit Oliven, Anchovis, Speck oder Zwiebeln – kleine, runde und mit Kräutern bestäubte Ziegenkäse, am Morgen geangelten Fisch und Fleisch in Stücken, an denen man das Tier, von dem es kommt, noch erkennt.

Sehr geschätzt werden die Abats, die Innereien, von denen ich nicht einmal wusste, dass man sie essen kann. Eine der ersten Spezialitäten, die ich auf einem burgundischen Markt probierte, war Kuheuter. Delikatessen wie Ochsenmäulchen, Hirnpaté und Andouillettes - aufgerollte Schweinedärme - sind im Land der Gastronomie äußerst beliebt.

Wenn in Aniane Markttag ist, werden diese Spezialitäten, die dem einen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen und dem anderen den Magen umdrehen, über die Lautsprecher verkündet, die im ganzen Dorf installiert sind. Dann wissen Interessierte, was zum Mittagessen auf den Tisch kommt.

Wann immer es etwas Wichtiges mitzuteilen gibt – eine entlaufene Katze, ein Todesfall oder die Ankunft der Marktfrau mit den Ochsenmäulchen – erklingt nach einem vielversprechenden Knistern immer die gleiche Pasodoblemelodie und dann:

Attention, attention: la mairie communique!

Das Rathaus teilt mit!

Niemandem, der auch nur in der Nähe des Dorfzentrums wohnt, können diese Informationen entgehen, und auch niemandem, der zu diesem Zeitpunkt zufällig mit einem Bewohner Anianes telefoniert.

Wer es irgend einrichten kann, begibt sich auf den donnerstäglichen Markt. Er ist nicht sehr groß, doch es gibt alles, was man braucht. Hier will man genau sehen, hören, riechen und betasten, was auf den Teller kommt. Denn in Frankreich wird noch richtig gekocht, nicht nur warmgemacht. Ein „Abendbrot“ nur mit Baguette und Käse gibt es nicht. Und nach der Zubereitung kommt der Genuss. Man verbringt freilich viel Zeit in der Küche – doch noch viel mehr am Esstisch.

Auberginencrumble

Auberginen waschen, in Scheiben schneiden und mit ein paar feingeschnittenen Schalotten in reichlich Olivenöl anbraten. Frische reife Tomaten in Stücke schneiden und so lange anbraten, bis sie einen Großteil ihrer Flüssigkeit verloren haben. Mit etwas Bikarbonat entsäuern. Alles miteinander vermischen und mit Salz, Cayennepfeffer, frischem Basilikum würzen. Aus Mehl, Olivenöl, geriebenem Parmesan, Salz, Pfeffer und Kräutern der Provence einen krümeligen Teig zubereiten und auf der Masse verteilen. Für etwa 30 Minuten bei 180° in den Ofen.

Das gemeinsame Essen ist das Mark der französischen Gesellschaft. In den Wohnzimmern mögen die Polstergarnituren fehlen – ein Esstisch für mindestens sechs Personen findet sich immer.

Eine abendliche Verabredung sieht meistens so aus, dass man sich gegenseitig zu sich nach Hause einlädt. Nicht auf ein Glas Wein und ein paar Erdnussflips, sondern für eine komplette Mahlzeit, die immer mehrere Gänge umfasst. Besonders beliebt sind, ganz aktuell, die etwas weniger aufwändigen apéritifs dinatoires – verlängerte Aperitifs mit Oliven, Tapenaden, Kräckern, Quiches und salzigen Tartes und Cakes.

Wenn man nach dem Aperitif vom Tisch aufsteht, ist man satt. Man muss nicht unendlich lange an einem Platz kleben bleiben, im schlimmsten Fall auf einem der unbequemen provenzalischen Holzstühle, und um ein Uhr nachts darauf warten, dass das Dessert endlich serviert wird, damit man nach Hause gehen kann, ohne unhöflich zu wirken.

Ein ausgiebiges französisches Mahl kann zur Qual werden. Es geht mit einem amuse-gueule los: kleinen Appetithäppchen, die so lecker sind, dass ich meistens schon satt bin, bevor es überhaupt losgeht. Danach kommt die Vorspeise. Im Winter werden gerne Leckereien wie Foie gras serviert, gestopfte Enten- oder Gänseleber, die man wie die Froschschenkel nur genießen kann, wenn man nicht darüber nachdenkt, wie sie gemacht werden. Gerne werden auch Schnecken mit Petersilien-Aioli oder Trüffelbutter angeboten. Jemand sagte einmal, die Franzosen müssten ein besonders mutiges Volk sein: Sie haben herausgefunden, dass man Schnecken essen kann.

Danach kommt die Hauptspeise. Dann der Salat. Dann eine Auswahl von Käsesorten und zu allem gibt es Brot. Dann kommt das Dessert. Und dann wird meistens gefragt

Café ou tisane?

Kaffee oder Kräutertee?

Das bedeutet, dass der Abend, auch wenn es schon weit nach Mitternacht sein kann, noch nicht zu Ende ist. Und so kommt es vor, dass ich von Zeiten träume, in denen ein Topf in die Mitte des Tisches gestellt wurde und jeder sich selbst bediente. Hier wird alles hintereinander serviert und getrennt voneinander gegessen. Auch zu einem petit dîner entre amis unter der Woche.