10. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2024 - Christoph-Maria Liegener (Hrsg.) - E-Book

10. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2024 E-Book

Christoph-Maria Liegener (Hrsg.)

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Beschreibung

Dies ist die Jubiläumsausgabe der Anthologie zum Bubenreuther Literaturwettbewerb. Es ist bereits der zehnte Jahrgang. Der Wettbewerb war von Anfang an auf Breite angelegt. Es wurde nicht für den Elfenbeinturm geschrieben, sondern für Gleichgesinnte, die einfach Spaß an Literatur haben. Natürlich musste dennoch eine gewisse Auswahl getroffen werden. Es blieben 232 hochinteressante Texte für die Anthologie.

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Seitenzahl: 354

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Vorwort

Die Siegertexte

Erster Platz:

Wolfgang Rinn

Zweiter Platz:

René Kanzler

Dritter Platz:

Christiane Portele

Weitere ausgewählte Werke

Helmut Blepp

Susanne Ulrike Maria Albrecht

Gerald Marten

Tim Tensfeld

Catharina Luisa Ilg

Werner Siepler

Gisela Baudy

Christian Baudy

Lisa Deutschmann

Katja Baumgärtner

Nob Shepherd

Stefanie Haertel

Eva Joan

Sabine Reifenstahl

Annekatrin Khosravi

Oliver Fahn

Helga Licher

Paula Reinhardt

Dominika Rauscher

Susanne E. Kopp

Stefan Landgraf

Marion Redzich

Jutta Gornik

Günther Pilarz

Karsten Wöstenberg

Samira Schogofa

Christian Knieps

Carsten Stephan

Philipp Ziegler

Herbert Glaser

Angelika Lichteneber

Gerwin Haybäck

Maximilian Wust

Franziska Bauer

Stefan Mettler

Manuel Otto Bendrin

Helge Maria Hassumer

Wolfgang Mebs

Martin Brunner

André Riedl

Ulrike Grömling

Eva Joan

Thorfalk Aschenbrenner

Anton Halser

Bianca Brepols

Jürgen Rösch-Brassovan

Nikolaus Luttenfeldner

Elisabeth Spanring

Valerie Zichy

Werner Stangl

Gabriele Nakhosteen

Janina Thomauske

Adam Glinski

Christine Glinski-Kaufmann

Stephie Abels

Manfred Possiel

Annemarie Aichele

Sven Palapies

Peter Biging

Claudia Kemmer

Kaia Rose

Rebecca Rieper

Kai Hölcke

Matthias Spiegel

Lieselotte Degenhardt

Olaf Ludmann

Robert Füllenbach

Claudia Paus

Claudia Dvoracek-Iby

Jürgen Artmann

Marion Redzich

Isabel Neumerkel

Detlef Siehl

Caroline Kühl

Hans Peter Flückiger

Rolf Blessing

Patrick Schild

Marco Lombardi

Michael Bernal Copano

Pavel Kolganov

Dario Schrittweise

Astrid Kohlmeier

Paul Fehlinger

Anita Adam

Johannes Wöstemeyer

Barbara Tischow

Jana Schultz

Lara J. Winter

Eva Heimen

Heinz Kröpfl

blumenleere

Alexander Willms

Kevin Michael Schott

Peter Jabulowski

Christiane Schmidt

Vevi Gold

Tanja Nova

June O'Leary

Nadine Buch

Karin Maria Finkler

René Gröger

Ingeborg Henrichs

Lina Wagner

Doreen Jaafar

Ingrid Reidel

Zafer Jäger

Ingrid Maestrati

Achim Sonntag

Jutta Berkenfeld

Irmgard Wackerzapp

Syntje Beck

Kristina Baumgarten

Frank Joussen

Maximilian Muck

Gerwine Ogbuagu

Bendix Litten

Anne Jansen

Kathinka Reusswig

Margot Euler

Morteza Pashapourahmadabadi

Heiner Brückner

Victoria Lubarski-Goldbeck

Evelyn Langhans

Maria Lehner

Christof Schaefer

Mo Haver

Irena Habalik

Fabian Gilles

Andreas Herkert-Rademacher

Clemens Schittko

Natalie Bock

Brigitte Pixner

Wolfgang W. Schüler

Erwin Macher

Christiane Schwarze

Mateusz Gawlik

Silke Groth

Ursula Brückner

Gerd Meyer-Anaya

Lea Ebnicher

Johannes Bruckmann

Andreas Köllner

Christoph Kneip

Stefan Kazianschütz

Jessica Rösler

Margit Heumann

Wolfgang Rödig

Monika Hürlimann

Zita Horn

Martin Nyenstad

Katharina Zanon

Bernd Watzka

Jochen Stüsser-Simpson

Mona Lisa Gnauck

Ulli Krebs

Simone Steger

Pascal Philipp

Alexander Klymchuk

Mandy Schirrmeister

Gernot Weise

Nele Bauerfeind

Petra Humpe

Ilona Daniela Weigel-Benning

Christian Wagner

Rene Gatterer

Kim Klerismo

D.M. Sienkiewicz

Sabine Ch. Sellmann

Dyrk-Olaf Schreiber

Velibor Baćo

A. M. Harwazinski

Sabine Brandl

Sarah Atzlesberger

Luitgard R. Kasper-Merbach

Silvia Eibel

Natascha Fröhlich

Patrizia Franziska Rottmüller

Elisabeth Grossfurtner

Karl Ehret

Barbara Thiel

Patricia Mallwitz-Schmitz

Tanna Künemund

Lisa Alix Brandau

Wolfgang ten Brink

Magda Lena Runer

Elenor Eden

Helge Bewernitz

Thomas Klosner

Maria Seyrlehner

Olga Johanna Cias

Caren Ohrhallinger

Ella Dombrowski

Michaela Schrimpf

Florian Waldner

Simone Kirschbaum

Lina Lev

Matthias G. Kausch

Josef Helmreich

Valentin Ladstätter

Ludmilla Pettke

Gerd Jenner

Frank Dietrich

Saskia Bannister

Jean Hannawald

Olga Schierhorn

Ralf Strittmatter

Tini Plume

Sonja Henkel

Martina Györik

Dagmar Dusil

Tom Stephan

Hannelore Futschek

Gabriele Pacher

Michael Köhler

Matthias Herrmann

Erich Wimmer

Johanna Sidonia Egger

Martina Windvogel

Andreas Kleingrothe

Nando Bluschke

Grethe Herzog

Elisabeth Bendl

Dirk Clausmeier

Didi Costaire

Amanda Wurm

Stefanie Maurer

Christiane Seebach

Mika Artus

Vorwort

Dies ist ein Jubiläum. Wir zählen bereits den zehnten Bubenreuther Literaturwettbewerb. Dass eine so lange Existenz möglich war, ist den vielen Teilnehmern zu geschuldet. Ihnen allen sei an dieser Stelle gedankt. Danken möchte ich an dieser Stelle auch all jenen, die mir zum Jubiläum gratuliert haben.

Der Wettbewerb hat sich von Anfang an für alle geöffnet. Es musste nicht unbedingt moderne Literatur sein. Im Gegenteil: Ich würde einige Gedichte von Goethe, Schiller oder Rilke vielen modernen Werken vorziehen. Es ist für mich nicht erkennbar, dass die Weiterentwicklung der Literatur die klassischen Werke in irgendeiner Weise überflügelt hätte. Wenn eines jener großen Genies der Vergangenheit heute eines seiner Meisterwerke einsenden würde, käme es auf den ersten Platz, auch wenn manche dann einwenden würden, dass es nicht mehr zeitgemäß sei. Manches ist zeitlos. Das Problem ist nur: Es gibt diese Giganten der Literatur nicht mehr. Es gibt andere, gute Schriftsteller, es gibt auch neue Meisterwerke, die begeistern können, aber vieles bleibt doch Mittelmaß.

Also sollte man nicht zu viel erwarten. Es wurden ganz normale Werke gesammelt, nicht nur Meisterwerke. Auch erste Schritte im Bereich der Literatur waren willkommen. Was von manchen als Kitsch bezeichnet werden würde, ist hier erlaubt. Romantische Bilder sind ebenso willkommen wie Liebesgeschichten. Verbote von zu oft gebrauchten Formulierungen gibt es hier nicht. Ich halte es mit Goethe: „Erlaubt ist, was gefällt.“ Sogar Herz und Schmerz dürfen sich reimen.

Das öffnet die Türen auch für Werke, die noch nicht perfekt sind. Nicht alles, was sich reimt, ist ein Gedicht. Hinzu kommt: Auch Reimen will gelernt sein. Natürlich kann man im Überschwang probieren, was geht. Lady Gaga beschreibt es in ihrem Song „Always Remember Us This Way“. Einfach probieren!

Was ist noch zu beachten? Ohne ein Gefühl für Metrik geht es nicht. Der Rhythmus muss stimmen. Wenn es gut werden soll, muss ferner auch der Inhalt passen und sprachliche Schönheit hinzukommen. Sprachliche Schönheit ist schwer zu erreichen. Wem sie nicht geschenkt wurde, kann sie am ehesten durch Übung lernen. Dazu muss man aber viel dichten und das bedeutet, dass auch viel Unvollkommenes produziert werden muss. Dem Leser dieser unvollkommenen Werke erschließt sich dann auch, was noch nicht vollkommen war.

Dazu bedarf es nicht immer der Kommentare. Diese sollen in erster Linie nicht der Kritik dienen, sondern Aspekte beleuchten, die mir auffielen und Erklärungen liefern, die der Leser nicht wissen kann, die aber unter Umständen nützlich sind. Die Absicht ist dabei, nicht negativ, sondern positiv zu wirken. Letztlich kann auch der Autor/ die Autorin hoffentlich davon profitieren.

Wie immer wurde auf eine durchgehende Lektorierung verzichtet. Einzelne Korrekturen gibt es schon, aber es wurde nicht systematisch korrigiert. Der Originaleindruck sollte erhalten bleiben. Daher finden sich auch in dieser Anthologie stärkere neben schwächeren Texten. So bekommt man einen Überblick über das Ganze. Die Verantwortung für die Texte bleibt bei den Autoren. Eine gewisse Auswahl war trotzdem nötig und ich habe sie mir nicht leicht gemacht. Es blieben 232 Texte.

Gern möchte ich wieder meiner Familie für die anhaltende Unterstützung danken.

Dr. Dr. Christoph-Maria Liegener

Die Siegertexte

Erster Platz:

Wolfgang Rinn

Am Ende

Es scheint als gingen Wege hier zu Ende,

wo Raum und Zeit zu einem großen Wort

sich finden, und an diesem einen Ort

ein Zeichen setzen wie vor einer Wende,

da Nacht dem Tage folgt und aus den Tiefen

dem Wartenden ein neues, helles Licht

wie nie zuvor aus jenem Dunkel bricht,

da Geister sind, die uns beim Namen riefen.

Wir alle gehen diesen Weg allein

durch Einsamkeit, verzagt und ganz verlassen,

die Brücke trägt, doch niemand kann es fassen,

wenn wir hinüber gehn ins andre Sein,

wo jene warten, die vorausgegangen,

um uns als ihresgleichen zu empfangen.

Kommentar: Das Gedicht ist eindrucksvoll. Die Form ein Sonett, die Sprache lyrisch, der Inhalt weise, so präsentiert sich das Gedicht. Die sorgsam ausgearbeiteten Formulierungen erinnern an Rilke. Sie überzeugen durch Behutsamkeit und Feinfühligkeit im Ausdruck und berühren grundlegende Fragen unserer menschlichen Existenz. Bei allem Fragen steht dennoch ein Text vor uns, der Mut macht. Man möchte ihn immer wieder lesen.

Der Autor hat sein Preisgeld dem Bubenreuther Literaturwettbewerb gespendet.

Zweiter Platz:

René Kanzler

Im Nebel

Im Nebel wandern wir umher.

Wir werden licht, sind nur Konturen.

Die Welt erscheint ergraut und leer.

Im Nebel folgt uns keiner mehr.

Wir hinterlassen keine Spuren.

Im Nebel schwindet jeder Halt,

denn hier beginnt das Taumelleben.

Was gestern noch als wertvoll galt,

verliert im Nebel die Gestalt.

Er nimmt uns alles, statt zu geben.

Im Nebel frag’ ich nach dem Ziel.

Du lachst und gibst mir zu verstehen:

„Die Frage ist doch viel zu viel.

Im Nebel, da ist alles Spiel.

Nun komm’ und lass uns weitergehen!“

Im Nebel greifst du sanft nach mir

und wieder lachst du ehrlich, heiter.

Egal wohin, ich folge dir.

Im Nebel, Liebste, wandern wir

gemeinsam weiter, immer weiter.

Kommentar: Interessante Reimstruktur (abaab). Die Thematik nimmt die Natur zum Anlass zu philosophieren. Der Nebel steht für eine besondere Art, eine Parallele zum Leben zu finden, mit Vor- und Nachteilen. Eine sichere Zuflucht gibt es jedenfalls: die Liebe.

Dritter Platz:

Christiane Portele

Sonne über Birkenau

Obwohl Mitte Oktober, ist es mild, die Sonne streichelt warm Rebekkas Gesicht. Ein leichtes Lüftchen sorgt für eine angenehme Kühle. Die Brise bewegt sachte die Blätter der Bäume. Es ist still. Friedlich. Ein Idyll.

Wäre sie nicht ausgerechnet dort, wo Gleise bis zu den Öfen führten. Wo Ärzte mit der Bewegung ihres Daumens über Tod und Leben der aus den Zügen Stolpernden entschieden. Dort, wo gemauerte Kaminskelette Baracken verkörpern, die für Millionen die letzte Station vor ihrer Ermordung bedeuteten.

Ein Vogel singt, eine Schnecke kreuzt ihren Weg. Eine Schafgarbe blüht, leuchtet weiß und strahlend vor dem blauen Himmel, ungeachtet der Tatsache, dass sich in der DNA ihrer Vorfahren die Asche der Vergasten befindet.

Rebekka steht vor einer Steinplatte, eine weiße Rose in der Hand. Während sie die Inschrift liest, steigen die Tränen in ihre Augen, drängen nach draußen. Den ganzen Morgen schon brennen sie hinter ihren Lidern. Sie wollte sie nicht weinen, denn was bringen ihre Tränen den damals Gequälten? Keine Erleichterung, keine Rettung, keine Auferstehung!

Für einen kurzen Augenblick sieht Rebekka die Frauen in ihren blau-weiß gestreiften Anzügen, entmenschlicht durch das Brandzeichen auf ihrem Arm, die Schur ihrer Haare, ausgemergelt und erschöpft. Eine von ihnen hält einen Augenblick inne, hält ihr Gesicht in die Sonne und ein Lächeln, ein ganz kleines, feines, stiehlt sich für den Bruchteil einer Sekunde in ihre stumpfen Züge. Eine Träne rollt durch den Schmutz auf ihrer Wange und glitzert in der Sonne. Ein Diamant ihres Schmerzes.

Rebekka hört den Lärm der bellenden Hunde, die barschen Befehle der Wachmannschaft, eine Gewehrsalve. Sie riecht den Gestank der Exkremente und der Öfen. Reste menschlichen Lebens, das sich buchstäblich in Rauch aufgelöst hat.

Als sie die Augen öffnet – sie hat nicht gemerkt, dass sie sie geschlossen hatte – verschwimmt das Bild, verschwindet.

Eine Träne tropft auf die Rose in ihrer Hand. Bleibt dort hängen. Eine Perle ihres Mitgefühls. Rebekka legt Rose und Träne auf die Gedenktafel. Sie würde jetzt gerne beten. Aber sie kennt Gott nicht und weiß nicht, wie das geht. Sie wünscht, sie könnte ein Gebet sprechen für all die Geschundenen. Dann müsst ihr mit meiner Rose und meiner Träne vorliebnehmen, denkt sie.

Als sie sich zum Gehen wendet, wirbelt ein Windstoß durch ihre Haare und nimmt eine Träne mit sich fort. Ein Vogel zwitschert. Eine Schnecke kreuzt ihren Weg. Die Schafgarbe blüht weiß vor dem blauen Himmel.

Kommentar: Die kleine Geste sagt mehr als manche lange Rede. Die Träne des Opfers, ein Ausdruck des Gottvertrauens, findet sich wieder in der Träne der Heutigen, vergossen als stummes Gebet. Ein trauriger Text, der trotzdem eine versöhnliche Stimmung erzeugt.

Weitere ausgewählte Werke

Helmut Blepp

Ein Penner in Forbach

Ein Gesicht erzählt von gestern,

als die Falten noch versteckt.

Und es sagt, Jehovas Schwestern

wäre früh die Lust verreckt.

In dem Vollbart eine Kippe,

die oft ausgeht, selten brennt.

Und sie wippt auf seiner Lippe,

wenn er Passanten „Schweine“ nennt.

Sein Leben ist wie Tabakasche,

geschnippt in eine Rotweinflasche.

Die Weiber, Bürger und die Pfaffen

verachtet er aus tiefstem Grund.

Sie sollen sich zum Teufel schaffen!

Und die Kippe wippt im Mund.

Kommentar: Die Form erinnert an ein Sonett, hält dieses aber im Versmaß nicht streng durch. Das Bild des Bohemien kontrastiert diese vorschriftsmäßige Form und transportiert dabei umso klarer die Botschaft.

Susanne Ulrike Maria Albrecht

Nächstenliebe

Nächstenliebe, sanft und warm,

ist ein Geschenk in dieser Welt, die

an Barmherzigkeit so arm.

Mit offenen Armen und einem Lächeln im Gesicht,

zu helfen ist unsere menschliche Pflicht.

Einander zu verstehen, ohne Vorurteil und Groll,

die Herzen füllen mit Mitgefühl, das ist das Ziel.

Die Hand reichen, wenn jemand traurig ist,

gemeinsam tragen wir die Last und es

erstrahlt unser wahres Licht.

Einander stützen, wenn einer schwach,

mit Trost und Zuspruch gibt man ihm Kraft.

Uns vereinen, anstatt zu trennen,

in der Nächstenliebe werden wir uns erkennen.

Ob groß oder klein, jung oder alt,

Nächstenliebe kennt keine Gestalt.

Sie zeigt sich in Taten, nicht nur in Worten,

mit Respekt und Würde, ohne Grenzen und Pforten.

Lasst uns die Welt mit Liebe erfüllen

und jeden Menschen mit einem Funken Hoffnung umhüllen.

Denn Nächstenliebe ist der Schlüssel zum Glück,

das Band, das verbindet, für immer

von Augenblick zu Augenblick.

Kommentar: Die ausgiebige Reflexion über ein zentrales menschliches Thema wird gefühlvoll wiedergegeben. Der Fokus liegt nicht auf der Form, sondern auf dem Inhalt, und dieser spricht an.

Gerald Marten

Gefangen im Déjà-vu

Ist nicht jede Note

unzählig mal gespielt,

nicht jedes Schamgefühl

schon tausendmal gefühlt

Ist nicht jedes Wort

in Fülle schon verdichtet

und die ganze Welt

im Geiste hingerichtet

Ist nicht jeder Tag

unendlich mal verflucht

und des Lebens Sinn

genauso oft gesucht

Ist nicht jede Wut

auf alles schon beschrieben

und alles schon gehasst,

was es doch galt zu lieben

Wiederholung nur

alles schon gehört,

gestern erst erbrochen,

heut noch mal verzehrt

Liegt nicht schon jeder Traum

im Restmüll ausgeträumt.

Bleibt noch der Zukunft Raum,

nicht alles leer gereimt?

Kommentar: Von dauernden Déjà-vu-Erlebnissen ist es nicht mehr weit zum Taedium vitae, dem Lebensüberdruss. Diese Erscheinung ist gefährlich, liegt aber hier nicht vor, da mit Spaß gedichtet wurde.

Tim Tensfeld

kleiner nachtakt

lichtkegel küssen die jüngliche straßenhaut.

hier liegt alter regen – spielt mondspiegel, um gesicht zu bekommen.

nacht: jung. vom schlagen des kirchturms keine kerben getragen [bis hierhin].

vögel leben von den dächern abmontiert. wind. heulen.

wie sand durch finger. zerfließen der stunden.

heilig atmet der moment.

zu lautes wort – fortwehen der ewigkeit.

Catharina Luisa Ilg

Seelenglück

Ich will glücklich sein.

Wie kann ich glücklich sein?

Muss ich dafür Finne sein?

Mit den Nerven am Limit.

Mit der Bankkarte am Limit.

Trotzdem will ich glücklich sein.

Muss ich dafür Rentner sein?

Wie kann ich endlich glücklich sein?

Ich habe keine Freunde.

Nur die Worte sind meine Freunde.

In Tieren finde ich schnell Freunde.

Mit ihnen kann ich glücklich sein.

Aber gleich darauf

bin ich schon wieder allein.

So nimmt das Leben seinen Lauf.

Immer nur allein.

Kann nicht glücklich sein

Und will es dennoch sein!

Also wie kann ich glücklich sein?

Kommentar: Wie traurig! Das lyrische Ich erzählt von einer depressiven Phase, in der es feststeckt. Was ist der Hintergrund? Das bleibt ungeklärt. Das Bekenntnis selbst könnte immerhin Leidensgenossen trösten: Solamen est miseros socios habuisse malorum. (Geteiltes Leid ist halbes Leid.) Es könnte auch als ein aufrüttelnder Text gemeint sein. Vielleicht hat aber auch die Autorin Trost im Aufschreiben des Gedichts gefunden. Es geht vielleicht gar nicht um sie. Das lyrische Ich steht möglicherweise allgemein für den modernen Menschen. Dem lyrischen Ich kann man nur mitgeben: Glück wird einem nicht geschenkt, man muss es entdecken. Es ist überall um uns herum. Wir müssen es nur sehen! Wenn dem lyrischen Ich Worte und Tiere Freude machen, sollte es sich damit beschäftigen. Das kann doch sehr erfüllend sein. In der weiblich werdenden Welt liegt das Glück in den kleinen Dingen. Auch Religiosität kann helfen. Wichtig ist, das Positive in jeder Situation zu suchen und zu genießen, anstatt schon die Vergänglichkeit des Schönen vorwegzunehmen. Auf das Positive konzentrieren, das Negative nicht überbewerten! Das positive Denken strahlt dann aufs ganze Leben aus, macht es glücklich. Versuchen Sie es!

Noch ein warnender Hinweis: Glück kann man nicht einfordern. Es wird nicht gleichmäßig verteilt. Man hat keinen Anspruch darauf, auch wenn man meinen sollte, zu kurz gekommen zu sein. Wer andere um ihr Glück beneidet, entfernt sich vom Glück. Das kleine Glück entsteht aus der Zufriedenheit mit dem eigenen Schicksal. Der Geist, der glücklich ist, kennt keinen Neid. Seine Stärke ist die Bescheidenheit.

Werner Siepler

Spontane Dummheit

Er ist ein Mensch, schlau und intelligent,

sich doch vor mancher Entscheidung drückt.

So die Kunst des “Dummstellens“ bestens kennt,

diese Masche ihm meist perfekt glückt.

Dieser Mensch ein bequemes Leben liebt,

deshalb Unangenehmes meidet.

Stress und Ärger somit einen Korb gibt

und auch der Misserfolg ausscheidet.

Besonders clever er oft agiert,

nur ganz spontan die Dummheit zur Schau stellt.

Zwar dann für verrückt gehalten wird,

sich allerdings viel Ärger vom Hals hält.

Kommentar: Der Autor beobachtet in seinen Gedichten die Menschen und entdeckt dabei lustige Dinge. Hier sind es Menschen, die sich dumm stellen, obwohl sie es nicht sind. Interessant.

Gisela Baudy

Züge der Zeit

Wir sind schon immer

geworfen ins Licht

aufgefangen vom Leben.

Wir sind schon immer

gestorben ins Leben

in der Wiege der Zeit.

Sie unsere Spieler.

Wir ihre Lieder.

Atemzüge der Zeit.

Kommentar: Das Gedicht führt in die Philosophie. Es geht um nichts Geringeres als um unser Leben als Ganzes. Das muss natürlich rätselhaft bleiben.

Christian Baudy

Februar-Farben

Ein Goldstreifen am Horizont

stemmt sich gegen

den regenverhangenen Morgen.

Der hölzerne Frühlings-Schnitt

glänzt stapelweise am Wegesrand

und bespiegelt die Pfützen.

Ein fußnasser Reiher

begrüßt stoisch den

sonnigen Aufstieg des Tages.

Kommentar: Die Naturbeschreibung erweckt eine Stimmung, die den Leser nachdenklich zurücklässt. Manches könnte Metapher sein.

Lisa Deutschmann

Die Begegnung

Das Gesicht des Mannes, der auf mich zukommt, lässt eine Erinnerung in mir aufblitzen. Mein Herz beginnt zu rasen. Hastig sehe ich mich nach einem Versteck um. Ich will auf keinen Fall mit ihm reden. Da ruft er schon meinen Namen. Seine Stimme klingt genauso fordernd wie früher. Ich bleibe stehen, ohne es zu wollen. Er kommt mir entgegengehumpelt. Alt sieht er aus. Er muss mittlerweile über siebzig sein. Als er mich zur Begrüßung umarmen will, weiche ich stumm zurück.

„Bist du immer noch so schüchtern?“, fragt er belustigt.

Unsere Blicke treffen sich. Die Augen in seinem von Falten durchzogenen Gesicht sind jung geblieben. Meine Wangen brennen, und das Blut rauscht in meinen Ohren. Es kommt alles wieder hoch. Am liebsten würde ich ihm in seine Weichteile treten und vor allen Leuten anschreien, dass ich mich sehr wohl an damals erinnern kann. Dass ich mich jeden beschissenen Tag daran erinnere.

„Du, ich muss weiter“, sagt er in das Schweigen hinein. „Der Kleine wartet auf mich.“ Er tätschelt meinen Arm und humpelt an mir vorbei.

Der Kleine. Sein Enkel. Macht er das mit Jungs auch?, schießt es mir durch den Kopf. Ich spüre, wie mir übel wird. Eine Frau neben mir fragt, ob alles in Ordnung ist. Ich schüttle den Kopf und wanke in die entgegengesetzte Richtung davon.

Kommentar: Manchmal ist es besser, die Dinge nicht auszusprechen. Stattdessen sprechen hier die Gefühle und Gedanken der Erzählerin. So entsteht ein starker Eindruck.

Katja Baumgärtner

Die beiden Riesen

Ali saß da und weinte. Das Volk der Gnome hörte von Weitem sein Schluchzen. Es hörte sich wie ein Erdbeben an, das immer näherkam, je mehr Ali weinte. „Wir müssen unser Land verteidigen!“, schrien die Gnome. „Wir müssen nachschauen, was los ist!“ redeten sie durcheinander. Sie gingen mit Speeren, Lanzen, Knüppeln los. Keiner von ihnen wusste, was da so einen Krach machte. Sie liefen 1000 Kilometer bis sie ihr Ziel erreichten. Je mehr sie sich näherten, desto deutlicher wurde, dass jemand vor sich hin weinte. Es war unheimlich laut. Das Weinen war unerträglich. Der Erdboden bebte dabei. Es war so laut, dass sie den Riesen schon nicht mehr verstanden, so schallte und dröhnte es. Da sahen sie den Riesen auf der Wiese sitzen. „Herr Riese!“, wagte sich ein kräftiger Gnom zu sagen. Es war der Chef der Gruppe. Der Riese reagierte nicht. Da schrie der Boss: „Herr Riese!“ Der Riese hörte immer noch nichts. „Wir brauchen ein Sprachrohr, dass der Riese uns hört!“, redeten sich die Gnome zu, denn sie hatten große Angst.

Sie sprachen sich Mut zu. Mit dem Sprachrohr klappte es. Der Riese: „Was ist? Seht doch ich bin so groß! Ich habe keinen einzigen Freund, geschweige denn eine Frau. Ich mache extra einen Buckel, um nicht so groß zu sein!“ Er stockte. „Ihr habt Angst vor mir. Ich merke es Euch an!“ und schaute herunter auf sie, die vor Angst bibberten. Ali flüsterte, denn er verstand, dass er so laut sprach. „Arbeite doch bei uns als Wachmann! Du kannst den Norden bewachen. Du kannst über den Bäumen hinweg gucken und bis ans Ende der Welt schauen.“, schlug der Boss vor. Als sie mit Ali die Rückreise angetreten hatten, hörten sie erneut ein Gejammer. Dieses Mal hatten sie keine Angst mehr. Der Riese Ali war ja da. Sie gingen dem lauten Weinen auf die Spur. Da sahen sie eine Riesenfrau, etwas kleiner als Ali. Dieses Mal sprach der Riese Ali zu ihr. Er besprach es mit den Gnomen, so mit ihr zu reden: „Du bist zu groß, meinst du!“ sagte Ali sanft „Du meinst keinen Mann zu finden. Du machst extra einen Buckel, um kleiner zu erscheinen!“ Ihr Weinen hörte sofort auf. „Ja“, nickte sie schüchtern und unsicher. „Komm mit! Ich bin von nun an dein Partner, wenn du magst!“ und der Riese Ali streckte seine Hand ihr entgegen. „Ich bewache die Nordhälfte und du die Südhälfte des Landes der Gnome und beide standen von nun ab da und hielten Wache und reckten sich dabei, um alles überblicken zu können. In den Mittagspausen schmusten sie miteinander und gaben sich Küsschen. Sie nutzten von nun ab ihre volle Größe. Das Gnomenvolk war sehr zufrieden mit beiden, und es gab eine Riesenhochzeit mit extra vielen Kühen und Gäulen zum Essen für beide. Es griff sowieso keiner an, aber das Volk der Gnome fühlte sich sicherer denn je.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so lebt der Riese Ali mit seiner Frau und dem Gnomenvolk bis heute noch glücklich zusammen.

Nob Shepherd

Lichtausfall

Der globale Energieausfall verdunkelte die so beruhigend hellen Nächte der Millionenstädte. Angst und Schrecken vor der Dunkelheit breitete sich unter den Menschen aus.

Doch dann erblickten sie zum ersten Mal die Milchstraße. Das besondere Rot des Mars. Das Flimmern der fernen Fixsterne. Sie zeichneten mit den Fingern die Linien des Großen Wagen nach. Erkannten das Sternbild des Orion. Sprachen Wünsche aus, wenn verglühende Kometen als Sternschnuppen aufblitzten.

Und hörten nicht auf zu staunen.

Kommentar: Der Autor ordnet seinen Text der Gattung Mikro-SF-Stories zu. Es ist ihm gelungen, auf kleinstem Raum eine SF-Aussage unterzubringen.

Stefanie Haertel

Auf zu neuen Abenteuern!

Neue Gedanken sind wie Türen,

wenn man sie öffnet,

findet man eine unentdeckte Welt.

Traust du dich,

unbekannte Gedankenwege zu gehen,

in fremde Welten aufzubrechen?

Du bestimmst den Weg.

Ja, wir leben doch in Gedanken,

die wir selbst gestalten, selbst färben, selbst erschaffen.

Also, auf zu neuen Abenteuern!

Du trägst Kompass und Karte in dir!

Eva Joan

Rose

eine Rose sein

in der Kälte

der Härte zwischen

hohen Häusern aus Beton

ein hell scheinendes

Leuchtfeuer

inmitten der Furcht

der Hoffnungslosigkeit

eine Rose sein

in den Schatten der Nacht

wenn die Not unsagbar

der Mut verloren ist

eine Rose sein

mit seidenen Blütenblättern

tröstend in der Dunkelheit

auf deine Brust gelegt

Sabine Reifenstahl

Wer die Finsternis ruft …

Seelenverwandte! Das dachte ich zumindest beim Lesen ihrer Bücher. Sie beschrieb so lebendig, wie sich ihre Protagonisten fühlen, wie sie sich nach kurzer Verwirrung öffnen und bei jeder Berührung erbeben. Ein Spiel der Lust, das unweigerlich zum Happy End führt. In ihren Romanen.

Jetzt liegt die Autorin vor mir und erinnert stark an ihre Figuren im Moment der Erkenntnis. Ihre Augen quellen vor Angst weit genug heraus, um sie mit einem Teelöffel abzuschlagen. Ohne den Ballknebel würde sie um Gnade winseln. Dabei halte ich mich haarklein an ihre Erzählungen, in denen sie das Glück auf Erden für alle Beteiligten verspricht. Sie lässt ihre Hauptpersonen entführen, schlagen, vergewaltigen, sie zwingt ihnen Höhepunkte auf und nötigt sie zu absonderlichen Dingen. Dennoch erliegen die Opfer dem Charme ihrer Gegenspieler und retten sie sogar.

Gerettet werden will ich nicht; meine Vorlieben sind obsessiv. Seit ich zum ersten Mal in die Welt der düsteren Begierden eintauchte, komme ich nicht mehr davon los. Gleich einer Sucht lese ich Geschichten wie die von Lorena Dark. Oft mehrfach. Und versuche, ihre Fantasien nachzuleben.

Meine Gespielen wehren sich, drohen, betteln, resignieren, aber sie verlieben sich nicht in mich, wie die Schriftstellerinnen es versprechen. Obwohl ich genauso umwerfend aussehe wie ihre Romanhelden und ein leichtes Spiel habe beim Kennenlernen.

Lorena erweist sich als ausgewachsene Enttäuschung. Sie möchte nicht mit mir teilen, womit sie so unwiderstehlich lockt. Behauptet plötzlich, ihre Plots seien unrealistisch und reine Erfindung. Warum verkaufen sich ihre Hirngespinste dann wie geschnitten Brot? Ihre Figuren, je nach Pseudonym Zauberwesen, Männer, Frauen oder was sonst noch, werden misshandelt, unterdrückt und ausgenutzt. Und finden Gefallen daran. – Was stimmt also nicht mit ihr? Die Realität holt uns grausam ein, genau wie bei ihren Vorgängerinnen.

»Hast du wirklich geglaubt, sie wäre anders, Alex?« Minette lümmelt in ihrem Sessel und zwinkert mir amüsiert zu. Die langen Beine presst sie aneinander, um dem Laptop auf ihren Knien eine Auflage zu bieten. Das Klappern der Tastatur untermalt ihre Worte melodisch. »Diese Damen wissen nicht, wovon sie fabulieren. Mir wäre es zu langweilig, gefesselt dazuliegen und darauf zu warten, was mit mir geschieht. Deshalb berichte ich aus unserer Perspektive. Ist realistischer.«

Mag sein, ich ziehe jedoch Darstellungen aus Sicht der Gegenseite vor. Ein winziger Wermutstropfen, trotzdem bin ich gern mit Minette zusammen. Ihre ausgefallenen Vorlieben eroberten mein Herz mit der Gewalt einer Dampfwalze. Gemeinsam probierten wir sie aus, und sie begann, darüber zu schreiben. Dark Romance, wobei der romantische Teil ihrer Fantasie entspringt.

Ihr neuester Roman handelt von einer Autorin namens Lenora Dark, die von einem Pärchen entführt wird, um ihre Werke nachzuspielen.

Zu dick aufgetragen? Ich nenne es Ironie des Lebens. Wer die Finsternis ruft, dem erscheint sie womöglich.

Kommentar: Faszinierendes Spiel zwischen Autorin und Leser(in). Dass hierbei sexualisierte Gewalt eine Rolle spielt, ist riskant, fügt sich aber in die gewählte Thematik „Dark Romance“ ein.

Annekatrin Khosravi

Begleiterscheinungen

Der Kies knirschte unter Richards schweren Arbeitsstiefeln, als sie in der Mittagssonne vor das Haus traten. Der Fotograph wartete bereits und Richard lief auf ihn zu und quetschte ihm zur Begrüßung die Hand. Elisabeth stand noch immer auf dem Schotterweg, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie setzte ein gefasstes Gesicht auf und zwang sich ins Hier und Jetzt. Gott gib mir Kraft- richtete sie ihre Worte im Stillen an den Allmächtigen und folgte dabei den Anweisungen des Fotografen. Sie stand jetzt nah an Richards Seite, spürte den rauen Stoff seiner Jacke durch ihre Bluse.

Sittsam faltete sie die von der Arbeit gezeichneten Hände vor dem Rock ineinander und senkte den Blick. Die Steine vor ihren Augen tanzten in der Mittagsglut und sie starrte angestrengt darauf, bis sie Benjamins Gesichtszüge in ihnen erkennen konnte. Mein lieber Sohn. Der Gedanke zerrte an dem schwarzen Loch in ihr und Schwere walzte durch ihre Brust bis zur Kehle, um dort stecken zu bleiben. Der lautlose Schrei hallte in der flirrenden Stille. Der Fotograf dirigierte weiter, wies sie an, in das Objektiv zu blicken und ihre Wangen erröteten. Ob er ihrer Schlechtigkeit gewahr wurde hinter dem Verdunkelungsvorhang, ihr die düsteren Gedanken ansah, die sie beständig heimsuchten? Vor zwei Jahren hatte alles begonnen, als lasterhafte Schatten auf die Bühne ihres Denkens stolzierten. Sie kamen als Dämonen und brachten die Bilder zu ihr. Vor zwei Jahren, als Richard Benjamin, dessen 19. Geburtstag sich jährte, fast totgeschlagen hatte, während sie mit weißen Knöcheln die Kante des Eichenholztisches umklammerte und mit Gott um die Wahrheit rang, bis ihre Finger krampften. Jeder Hieb mit dem Lederriemen, der auf die reine, unverhüllte Haut ihres Sohnes niederbrannte, riss an dem Band, dass zwischen ihrem und seinem Herzen gespannt war, riss und riss, so dass Elisabeth sicher war, gleich würde ihr Brustkorb sich öffnen und das Organ aus ihr herausgleiten. Das Ziehen und Zerren wurde stärker bis zur Unerträglichkeit und als Benjamin, der die Schläge sonst schweigend ertrug, seinen Schmerz mit einem klagenden Schluchzen aus sich herausbrechen ließ, stieg ihr die bittere Galle in den Magen. Nur Tage später fand Benjamin sie am Abend in der Küche, schloss sie eigentümlich ungestüm und lange in die Arme und ihr war nach Weinen zumute. Sein Haar hatte sie wie Vogelfedern an der Nase gekitzelt und sie dankte Gott in diesem Moment für ihren Sohn, denn sie hatte ihn sehr lieb. Am nächsten Tag rannte sie noch vor dem Morgengrauen mit bebenden Füßen und getrieben von einem bösen Nachttraum in die Kammer der Jungen. Die verlassene Pritsche, die Kuhle in der Matratze und das Vergissmeinnicht auf dem Kissen sprachen mit ihr, erzählten von einem, der nicht mehr wiederkommt, von Sehnsucht und von Einsamkeit.

Wie Elisabeth da so stand, mit geweiteten Augen, liefen die Teile ihrer Selbst auseinander nur um sich gleich darauf wieder neu zusammenzusetzen. Stücke ihrer Seele brachen und platzten aus der alten Elisabeth und schufen Platz, für das Unaussprechliche und die Neue. Wie Rinnsale flossen die grotesken Bilder in all ihrer Grausamkeit an diesem Morgen und fanden den Weg in ihr Bewusstsein. Wie sie den schlafenden Richard mit einem Kissen am Atmen hindert. Wie sie beherrscht den im Fieber Krampfenden betrachtet, jedes Winden und Stöhnen stoisch in sich aufnehmend. Wie sie in seinem Bauch wühlt wie in den offenen Schlachtschweinen, lustvoll an den Gedärmen zerrend. In diesen Momenten gehörte sie Luzifer allein.

Kommentar: Der Erzählstil ist eindrucksvoll, die Thematik ergreifend. Mit der zeitlichen Abfolge hatte ich Schwierigkeiten. Alles in allem ist das Prosastück bemerkenswert.

Oliver Fahn

Inspiration

Noch in der Gegenwart munkeln die Leute, die hier die Gräber ihrer Angehörigen besuchen. Sie unterhalten sich oft nur hinter vorgehaltener Hand über den betagten Mann, der einen Hut mit auffallend breiter Krempe bis tief in die Stirn hineingezogen trug. Seine Schläfen waren ergraut und am Hals sammelte sich im Laufe vieler Jahre überschüssige Haut. Ausgestattet mit den üblichen Anzeichen eines fortschreitenden Alterungsprozesses, wurde er Woche für Woche auf diesem Friedhof gesichtet. Er gehörte zur Atmosphäre wie die ruhenden Toten, die Steinmetze, die Steine mit Inschriften beschlugen und die Besucher, die jene Inschriften zumeist erst nach Jahren vom reichlichen Schmutz befreiten.

Niemand wusste genau, wer dieser Mann war, der in gebückter Haltung, stets mit wankendem Gang, gelegentlich einen Krückstock mitführte und nie in Begleitung kam. Manchmal verweilte er, so wenigstens mein Eindruck, vor ihm völlig unbekannten Gräbern. Da wurden Köpfe zusammengesteckt, gemutmaßt und beratschlagt, wem denn die Worte galten, die er andächtig vor sich hinmurmelte.

Er schlenderte häufig ziellos durch die Grabreihen und hob dabei kaum seine Füße. Seine Schritte schienen dabei so behutsam gesetzt, als wolle er in keiner Weise jemanden erschrecken, hinter dessen Rücken er vorbeiging.

Es kam der Tag, an dem der schweifende Gast ausblieb. Wo war er abgeblieben, wohin verschwunden? In welchem Bezirk des Friedhofs ich auch fahndete, er war verschollen.

Einige Tage danach, als ich wieder einmal den Friedhof besuchte, erfuhr ich, dass der Sarg hinter dem ein Trauerzug trottete, der Sarg des Greises war. Etwa ein Dutzend Gäste folgten ihm. Dass sie von weither angereist waren, hatte ich aus ihren Gesprächen aufgeschnappt. Gegen meinen Willen machte mich der Tod des mir namenlosen Mannes arg betroffen.

Der Pfarrer predigte lobende Worte zu Ehren des Verstorbenen. An dessen Gästen machte ich eine Pracht an Farben aus, wie sie auf Friedhöfen selten vorkommt.

Irgendwann habe der Mann aus unerfindlichen Gründen damit begonnen, den örtlichen Friedhof zu durchstreifen. Anfangs hätten die Besuche in ihm seine Endlichkeit wachgerufen, verlas der Pfarrer seine Notizen in blechernen Tönen durchs Mikrofon. Eine Endlichkeit, die seiner Berufsgruppe ins Gedächtnis gebracht werden müsse, eine Vergänglichkeit, die von Schriftstellern wie ihm, deren noch angedachte Werke tausend weitere Jahre zu füllen verstünden, geflissentlich verdrängt wird. Die plötzliche Konfrontation mit dem eigenen Sterben durch die überall präsenten Todesdaten auf Urnen und Grabklötzen beruhigte ihn. Sein Spätwerk handelt von Vergänglichkeit. Er hat sein Vermächtnis dem Friedhof zu verdanken.

Abschließend applaudierten die ihn offensichtlich liebenden Besucher, dass mir bereits vom Zuhören meine Handflächen glühten.

Nun liegt er dort, der reiche Arme, der arme Reiche. Ehrlicherweise habe ich den Stuttgarter Erfolgsautor, seit er zugezogen ist, als Herumtreiber verkannt. Ich bin ein Banause. Amen.

Helga Licher

Mach einen Knicks…

„Kind, mach einen Knicks, wenn du der Tante Hedwig die Hand gibst“, sagte meine Mutter, und schaute meine Schwester und mich mahnend an. Wir gehorchten und taten das, was man von gut erzogenen, braven Kindern erwartete. Die Worte meiner Mutter klingen mir noch heute in den Ohren, wenn ich an den Besuch von der Tante und dem Onkel denke.

„Und du machst einen Diener…“

Mama war unerbittlich und schob meinen kleinen Bruder zum Onkel hinüber.

Onkel Josef lächelte gütig und strich ihm wohlwollend über den Kopf. Tante Hedwig nickte zustimmend und tätschelte meinem Bruder die Wange.

Meine Geschwister und ich hätten diese Verwandtenbesuche gerne vermieden, wenn da nicht Schnuppi gewesen wäre.

Schnuppi war ein kleiner Hund. Genauer gesagt ein Jack Russel Terrier, und Onkel Josefs ganzer Stolz. Schnuppi durfte durch unseren Rosengarten toben, er durfte unsere Hühner jagen und auf Mamas Sessel seinen Mittagsschlaf machen. Onkel Josef lachte nur und steckte dem Hund kleine Kuchenstücke zu. Er tat das stets sehr unauffällig, aber meine Mutter hatte seine Aktion natürlich sofort bemerkt und rügte sein Verhalten.

„Wie soll ich den Kindern gutes Benehmen beibringen, wenn du kein gutes Vorbild bist.“

So, oder so ähnlich liefen die Nachmittage ab, wenn Tante Hedwig und Onkel Josef uns zur Kaffeezeit besuchten.

Dass wir still auf unseren Stühlen sitzen mussten, wussten wir ja, aber dass wir den Mund halten mussten, wenn Erwachsene sich unterhalten, fiel uns schon sehr schwer.

Dabei hatten wir doch so viel zu erzählen.

„Ihr bleibt sitzen, bis alle aufgegessen haben…“

Das konnte manchmal ganz schön lange dauern.

Ja, ein Kind zu sein, war früher manchmal ganz schön kompliziert.

Ganz anders war es, wenn wir bei Oma und Opa zu Besuch waren.

Dort durften wir all das machen, was in unserem Elternhaus verboten war. Oma nahm uns ganz fest in den Arm, wenn wir ihr entgegenliefen. Wir durften die Hühner mit Kuchenkrümeln füttern und unser Butterbrot draußen auf dem Rasen zwischen den Apfelbäumen essen. Die Bäume boten uns Schatten, und die Hühner und Schafe liefen frei umher, als wären sie ein Teil der Familie. Opa brachte uns oft zum Lachen, wenn er Geschichten von früher erzählte.

So verging die Zeit. Ich wurde älter, und irgendwann startete ich in ein neues Leben. In ein selbstständiges Leben…

Heute, wenn ich an meine Kindheit denke, wird mir bewusst, dass die guten Umgangsformen, die ich von meinen Eltern gelernt habe, weit mehr waren als einfache Regeln des Anstandes. Sie haben mir gezeigt, wie man mit Respekt und Höflichkeit durchs Leben geht. Die Werte, die mir vermittelt wurden, haben mir geholfen, mich in verschiedenen Situationen angemessen zu verhalten.

Mit diesem Wissen habe ich in meinem Leben bereits viele Herausforderungen gemeistert. Und ich wünsche mir, dass alle Menschen in diesem Sinne eine Möglichkeit finden, um eine bessere Zukunft zu gestalten.

Kommentar: Hier werden Kindheitserinnerungen erzählt, wie sie die meisten von uns aus unserer eigenen Vergangenheit kennen. Mir ging es beim Lesen so, dass ich die ganze Zeit auf eine Pointe wartete. Die kam leider nicht, aber auch so habe ich es genossen.

Paula Reinhardt

Birkenbaumtrauervogel

Raureifherz in Flammen geworfen

nie Feuer gefangen unversehrt geblieben

nun lasten dunkle Erde, welke Kränze und die

verlogenen Lobeshymnen deiner Freundfeinde

schwer auf deinem harten Eichenbett.

Von verschwendeter Zeit ohne Rückkaufswert

hat dir der Birkenbaumtrauervogel gesungen

bevor er den Ast verließ und weiterflog

da Todesstarre dich fest umklammerte

warst du zum Zuhören verurteilt.

Wolltest Gefühle nie zugelassen

ersetztest den toten Hund genauso schnell

wie jede abgelegte Gespielin

sprangst auf den Loopingjet Zerstreuung

um im Rausch die innere Leere zu vergessen.

Und doch ist es mir gelungen

deinem Hartkokon aus Selbstgefälligkeit

einige Haarrisse beizubringen

während du dich verzweifelt gegen die

Ansteckungsgefahr Liebe gewehrt hast.

Dominika Rauscher

Auszeit

Ich hatte mir eine Auszeit genommen und fuhr allein auf eine Nordseeinsel. In einem mittelpreisigen Hotel untergekommen, fand ich mich am nächsten Morgen schon früh im Frühstücksraum ein. Bei meiner letzten Tasse Kaffee begann ich, das Treiben um mich herum zu beobachten. Mein Blick blieb am Nachbartisch, der für vier Personen gedeckt war, hängen. Bislang saß dort allein eine ca. fünfzigjährige schlanke Frau in Sportkleidung und mit neckischem aschblondem Pferdeschwanz vor einem O-Saft und köpfte gerade ein Ei. In dem Moment näherten sich ihrem Tisch zwei Frauen, auch in ihren Fünfzigern, die man aufgrund ihrer Körpergröße und Aufmachung für Zwillingsschwestern hätte halten können, korpulent, in formlose Jeans und Sweatshirts gehüllt mit identischen Turnschuhen, die eine aber über dem ebenmäßigen Gesicht das dünne aschblonde Haar zu einer Kurzhaarfrisur geschnitten, die andere mit hüftlangem mittelblondem glattem Haar. „Na Silke, schon am frühen Morgen gejoggt?“, rief die Kurzhaarige der Sportlichen zu. „Ja, und ihr, habt ihr gut in eurem Doppelzimmer genächtigt?“ „Ja, bei dem Blick vom Balkon aufs Meer und dem sanften Meeresrauschen im Hintergrund“, erwiderte die Langhaarige, die sich als Doris herausstellte, während ich ihre Freundin im Geiste wegen ihres zackigen Auftretens nur noch den „Dragoner“ nannte. „Wo nur Andrea bleibt“, sagte Silke. „Muss sich wohl noch schön machen“, lästerte der Dragoner. Da tauchte auch schon eine große schlanke Frau mit figurnah geschnittenem weißem Blüschen, perfekt geschminkt und mit gestylter Kurzhaarfrisur auf, ebenfalls in den Fünfzigern. „Na, du Schlafmütze!“, rief der Dragoner. „Von wegen Schlafmütze!“, sagte Andrea, die elegante Erscheinung. „Bin schon seit über einer Stunde auf, lege halt im Gegensatz zu euch Wert auf einen ästhetischen Anblick!“ Den Verlauf des weiteren Gesprächs bekam ich nicht mehr mit, nur dass man sehr uneins über die Gestaltung des Vormittags war. Anscheinend einigte man sich darauf, Mitbringsel für die zu Hause Gebliebenen zu kaufen.

Später im Städtchen sah ich das Quartett vor einem Andenkenkitschladen wieder. Es wurde heftig diskutiert. Das „Zwillingspärchen“ war mit riesigen Tüten beladen. Der Dragoner führte das große Wort und verkündete, dass sie und ihr Pendant die Einkäufe ins Hotel tragen wollten und dann zur Strandpromenade gehen würden. Von Andrea schnappte ich auf, dass sie nun endlich in die hochwertigen Geschäfte gehen könne, was sie umgehend auch tat. Und die sportliche Silke schlug meine Richtung ein, wandte sich dann aber in Richtung des Strandabschnittes, an dem man der Sportart Strandsegeln nachgehen konnte. Ich wiederum verzog mich mit meiner Kladde in die Dünen und schrieb diese kleine Skizze nieder. Und dann überließ ich mich nur noch meinen Träumen, die, den Wolken gleich, kamen und gingen.

Susanne E. Kopp

Der alte Mantel

Der Wald schloss sich bedrohlich und gleichzeitig liebevoll umarmend um sie. Hanna blickte nach rechts und nach links. Rascheln. Hanna drehte sich um. Zwei große, glänzende Augen blickten sie an. Der Glanz, der von ihnen ausging, war von einer ganz besonderen Art. In Hanna tobte es. Sie wusste nicht recht, was sie als nächstes machen sollte. Fliehen oder sich der Situation stellen. Ruhe bewahren oder aktiv einen Ausweg suchen. Was war richtig? Was konnte jetzt helfen?

Weiter blickten sich zwei Augenpaare an. Leises gleichmäßiges Atmen. Kein Laut von den beiden, der irgendetwas anzeigte, was demnächst passieren wird.

Hanna bewegte sich langsam wie von einer anderen Kraft geführt und die Hand glitt in ihre Jackentasche. Ein leises Rascheln der alten Daunen. Kurz dachte sie daran, wie viele Geschichten dieser Mantel wohl erzählen könnte. Wo er überall gewesen ist, wer ihn getragen hatte aus der Familie und wen er vor Kälte und Wind und Wetter geschützt hatte.

Sie spürte, wie ein trauriges Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. Das Bild ihrer Mutter kam ihr in den Sinn. Das Bild, das jahrelang in ihrem kleinen Wohnzimmer hing. Ihre Mutter, der Mantel und der Arm ihres Vaters neben dem Arm der Mutter. Keine Umarmung. Sie fragte sich als kleines Mädchen oft, ob es nur der Aufnahme geschuldet war, dass besagter Arm nicht um die Mutter gelegt war und dass in diesem Moment wohl nur der alte Mantel wärmte und nicht mehr. Die geborgte Wärme der Gänse, die die menschliche des Vaters auf Dauer ersetzen musste. Oder war es nur just dem Moment geschuldet?

Hanna wurde in ihren Gedanken kurz unterbrochen, als sie die kleinen Spitzen spürte, die glatte Fläche beim Anfassen und Drehen. Sie nahm beherzt die Bucheckern aus der Tasche, die sie gesammelt hatte und streckte sie mutig dem Gegenüber entgegen. Die Augen weiteten sich, dann wurden sie weich. Ein warmer Blick. Er hatte sie erkannt und ließ die Waffe sinken.

Der alte Mantel raschelte, als er den Arm um sie legte.

Stefan Landgraf

Wir hätten es nicht geglaubt

Wir waren Zeugen von düsterer Verdammnis, erblickten das Leid

unvorstellbar, unerzählbar.

Worte zu ermessen, was sie taten, ließen verfaulen Zunge, Mund und Schlund

Unaussprechlich, undenkbar – eigentlich, nur eigentlich

Und doch vermochten ihre bestialisch braun verseuchten Gehirne

Hass, Abscheu und Verachtung

in Handeln zu verwandeln.

Wir hätten es nicht geglaubt,

hätten wir es nicht gesehen,

gesehen und gehört.

Gehört haben wir sie

Immer

Mal ein leises Wimmern, verzweifelt, flehend, zitternd

Mal erreichten Schrei unser Ohr, durchdringend wie ein Armbrustbolzen

abgeschossen aus nächster Nähe

Menschliche Töne, zerreißender als Drachenklauen.

Wir hätten es nicht geglaubt,

hätten wir es nicht gehört,

gehört und gerochen.

Gerochen haben wir das Gas

das Gas im Atem ihrer vom Hunger ausgezerrten Leiber, das Gas der Fäulnis ihrer Körper, achtlos aufeinandergeworfen wie Bauschutt,

den Nekrophagen anheimgestellt, gleichgültig wie Styropor,

das Gas der Kammern.

Wir hätten es nicht geglaubt,

hätten wir es nicht gerochen,

gerochen und gefühlt.

Gefühlt, als wir an der Reihe waren

nach den Christusmördern,

den Debilen,

den Unzüchtigen,

den Rassenverseuchern,

den unnützen Essern.

Wir fühlten die Ketten, kalt und unnachgiebig,

die Schläge, Tritte und Hiebe,

den Frost, der durch alle Ritzen in die Baracken drang,

die Stiche der Nadeln für Blutabnahmen.

Wir hätten es nicht geglaubt,

wären wir nicht gestorben.