1000 Tage an der Ostfront -  - E-Book

1000 Tage an der Ostfront E-Book

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Beschreibung

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um authentische Tagebuchaufzeichnungen. Es sind bewegende Schilderungen des Alltags im Krieg. Zuerst das siegreiche Vorrücken, die Großangriffe, dann das Überwintern auf offenem Feld vor Moskau, der Häuserkampf um Stalingrad und ab 1942 bereits der Rückzug, das verzweifelte Aufhalten der Front. Aber auch geradezu idyllische Situationen werden beschrieben, wenn z.B. im Sommer 1942 die Batterie ihre Zelte in einem Obstgarten hinter der Front aufbaut oder wenn man in einer sternklaren Nacht Wache schieben muss. Im Tagebuch wird man mit einem Einzelschicksal konfrontiert, das zum Teil unmenschliche Strapazen auf sich nehmen muss, ohne zu wissen, welches strategische Ziel hinter den Kampfhandlungen steckt. Das Anliegen dieses Buches ist es, die Aufzeichnungen durch historische Kommentare zum Kriegsgeschehen zu ergänzen, um so eine historische Einordnung zu ermöglichen.

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Impressum

1000 Tage an der Ostfront - Das Kriegstagebuch meines Vaters 1940 – 45

Angelika Ludwig

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2014 Angelika Ludwig

ISBN 978-3-8442-8538-3

Otto Reinhold Lemm

1000 Tage an der Ostfront

Das Kriegstagebuch meines Vaters 1940 – 45

Herausgegeben und kommentiert von

Angelika Ludwig

Eine vollständige B-Stellen Besetzung:

Der Chef, Wachtmeister Brandt, 2 Fernsprecher und 2 Funker

Inhalt

Vorwort

1. Die Einberufung

2. Grundausbildung in der Bülow Kaserne in Frankfurt

3. Krieg mit Russland

4. Vormarsch in Richtung Leningrad

5. Stellungskrieg vor Leningrad

6. Der Rückzug aus Leningrad in Richtung Moskau

7. Wintereinbruch

8. Der Rückzug vor Moskau

9. Weihnachten 1941

10. Die Sommeroffensive 1942

11. Vormarsch auf Stalingrad

12. Der erste Heimaturlaub

13. Zurück an die Front

14. Ablösung und Neuaufstellung der Abteilung in Frankfurt/Oder

15. Sommer 1943 an der Oder

16. Abstellung zur Kavallerie

17. Das dritte Weihnachten in Russland ( 1943 )

18. Abstellung zum Lehrgang für Staffelführer

19. Sonderauftrag und Heimaturlaub, April 1944

20. Zurück an die Front

21. Rückzug bis zum Bug

22. Verwundung

23. Im Lazarett

24. Entlassung als AVH nach Konstanz

25. Christbäume über Pforzheim

26. Vor der Entlassungskommission

27. Das Kriegsende in Predöhl in der Ostprignitz

Über das Buch

Vorwort

Es handelt sich bei dem vorliegenden Text um authentische Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters.

Er hat den Zweiten Weltkrieg als Kriegsteilnehmer an der Ostfront miterlebt und seine Erlebnisse aufgezeichnet.

Schon als Kind erfuhr ich viel über den 2. Weltkrieg durch die Erzählungen meines Vaters. Immer wenn er Zeit hatte, und merkwürdigerweise war das immer zu Weihnachten, erzählte mein Vater uns drei Geschwistern von seinen Kriegserlebnissen.

Das geschah in den fünfziger Jahren. Offenbar waren die Ereignisse meinem Vater noch sehr präsent, da er dabei war, seine handschriftlichen Aufzeichnungen, die er in Schulhefte geschrieben hatte, zu bearbeiten und mit der Schreibmaschine abzuschreiben.

Als Kind hörte ich gebannt zu, später, mit 15, 16 Jahren entwickelte ich eine kritische Haltung dazu und wollte nichts mehr davon wissen.

Mir erschien seine Sichtweise zu naiv und beschönigend, ja gar vertuschend. Ich warf ihm auch in Gesprächen vor, dass er keine kritische Haltung zu den Ereignissen bezogen hatte.

Erst sehr viel später, nach seinem Tode, Anfang 1993, bekam ich seine gebundenen Aufzeichnungen in die Hände und las sie das erste Mal vollständig durch.

Es waren bewegende Schilderungen, die mich zum Teil erschütterten. Mein Vater schildert unglaubliche Eindrücke des Alltags im Krieg. Zuerst das siegreiche Vorrücken, die Großangriffe, dann das Überwintern auf offenem Feld vor Moskau, den Häuserkampf um Stalingrad und ab 1942 bereits den Rückzug, das verzweifelte Aufhalten der Front.

Aber er beschreibt auch geradezu idyllische Situationen, wenn z.B. im Sommer 1942 die Batterie ihre Zelte in einem Obstgarten hinter der Front aufbaut.

In mir entstand der Wunsch, seine Aufzeichnungen zu veröffentlichen, wie er es eigentlich vorgesehen hatte. Ich habe seine Aufzeichnungen einmal gekürzt, um so stringenter die Geschehnisse des Krieges in den Mittelpunkt zu bringen, zum zweiten war es mir ein Bedürfnis, durch Kommentare zum historischen Kriegsgeschehen seine Aufzeichnungen zu ergänzen.

Im Tagebuch wird man mit einem Einzelschicksal konfrontiert, das zum Teil unmenschliche Strapazen auf sich nehmen musste, ohne zu wissen, welches strategische Ziel hinter den Kampfhandlungen steckte, abgesehen davon, dass man immer weiter voran sollte. Schon bald fragt er sich, was das Ganze für einen Sinn hat.

Nach der Kapitulation von Stalingrad im Januar 1943 allerdings, als es nur noch zurück ging und man die Front nicht mehr halten konnte, wurden die Soldaten zunehmend kritischer. Auch mein Vater hinterfragte sinnlose Befehle und sah die Schwächen der Führungsoffiziere. Er konstatierte den abnehmenden Kampfgeist der Truppe und musste doch ständig ums Überleben kämpfen.

Aber die militärische Disziplin verlangte die völlige Unterordnung unter den Befehl des Vorgesetzten. Das ging am Ende soweit, dass man im Grunde wusste, dass der Krieg bereits verloren war, aber nicht darüber reden durfte, wenn man nicht angezeigt werden wollte.

Am Ende des Krieges hatte mein Vater noch einmal Glück. Er wurde im September 1944, als sich seine Einheit kämpfend zurückzog, verwundet und kam in ein Lazarett in Niedersachsen, nach Gronau, wo er das Kriegsende erlebte

Erst kürzlich lief im Fernsehen der Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ mit großer Resonanz. Er zeigte uns, dass das Thema Zweiter Weltkrieg noch immer Interesse hervorruft und Fragen aufwirft.

Dieses Buch soll dazu beitragen, den nachfolgenden Generationen einen authentischen Eindruck vom Kriegsgeschehen zu vermitteln.

Mein Vater im 3. Kriegsjahr

1. Die Einberufung

Am 3. Dezember 1940 wurde mein Vater zur Wehrmacht einberufen. Der Einberufungsbefehl kam wie aus heiterem Himmel. Mit dem Ende des Frankreichfeldzuges hatte niemand mehr mit einer Einberufung gerechnet.

Zuerst versuchte er, dagegen etwas zu unternehmen. Aber es war natürlich nicht möglich. Sein Jahrgang, der Jahrgang 1911, war dran. So fügte er sich schließlich in sein Schicksal, wobei das Unbekannte eines neuen Lebensabschnitts ihn durchaus auch reizte.

Die Sammelstelle war in der Deutschlandhalle. Um 10 Uhr sollte er sich dort einfinden. Alles war für seinen Abschied vorbereitet.

Mach dir keine Sorgen, sagte ich zu meiner Frau, das Ganze wird doch nur eine ausgedehnte Herrenpartie. Der Führer wird schon wissen, warum er uns holt. Ihr war jedoch nicht zum Scherzen zumute.

Sieh mal, sagte ich, was ist schon alles geschehen, seit wir den Führer haben. Ein Ereignis folgt dem anderen.

Schon ein halbes Jahr nach seinem Machtantritt gab es Arbeit für alle. Dann folgte im März 1935 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Dann zogen deutsche Truppen ins Rheinland ein. Das Saarland wurde zurückgewonnen. Österreich wurde eingegliedert. Die Sudetendeutschen bekamen ihre langersehnte Freiheit. Hast du den Jubel vergessen?

Und Böhmen und Mähren, warf meine Frau ein, haben die auch gejubelt? Und die Polen und die Franzosen, haben die auch gejubelt?

Nein, sagte ich. da haben wir gejubelt. Die sind wie von einem Blitz getroffen worden. Da staunte sie. Der Führer lässt sich keinen Krieg aufzwingen. Er schlägt vorher zu. Und das mit gutem Erfolg.

Polen wollte Deutschland bestimmt nicht angreifen, sagte meine Frau und machte ein toternstes Gesicht. Sie war fest davon überzeugt.

Wenn du die Lage zurückverfolgst, versuchte ich sie aufzuklären, musst du doch zugeben, dass Polen sich den Wünschen Deutschlands widersetzt hat. Dem Führer lag das Wohl der Bürger Danzigs am Herzen und er verlangte einen Korridor durch Polen. Aber das hat Polen ihm verweigert.

Stattdessen nahm Polen von Frankreich eine Rüstungsanleihe. Obwohl seit 1934 ein Wirtschaftsabkommen und ein Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Polen bestanden hat. Ja, als Pilsudski noch Staatschef in Polen war, kam es zwischen beiden Völkern zur Verständigung. Bei seinem Nachfolger Ryds Smigly kam es jedoch immer wieder zu Spannungen. Es waren nicht nur die deutschen Minderheiten allein, die diese Spannungen auslösten, viele Probleme bedurften einer Regelung. Zuletzt wurden unsere Landsleute in Polen wegen ihres Bekenntnisses zum Deutschtum verfolgt.

Da befahl der Führer am 1. September 1939: Ab 3.30 Uhr wird zurückgeschossen. Die Polen wollten es ja nicht anders haben.

Mit Frankreich war es dasselbe. Es hat uns provoziert! Dabei bekamen die Engländer in Dünkirchen ebenfalls eins aufs Haupt, weil sie glaubten, sie müssten sich einmischen.

Was kann uns denn schon passieren?

Aber war es denn nötig gewesen, mit Frankreich Krieg zu führen? wandte meine Frau ein. Unter fadenscheinigen Beschuldigungen zettelte der Führer einen Krieg mit Frankreich an und zwang es zur Kapitulation. Wäre es nicht besser gewesen, mit ihm in Frieden zu leben? Das wird Frankreich Deutschland nie vergessen.

Der Krieg ist zu unseren Gunsten entschieden. Viel kann da nicht mehr kommen. Ich nahm meine Frau bei den Schultern, blickte sie an und sagte: Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben. Schau, was hat man uns nach dem Weltkrieg alles angetan. Wir wurden geknechtet. Der Führer hat uns wieder befreit. Er zerschlug eine Fessel nach der anderen. Wir leben in einer großen Zeit.

Was hast du nur für einen festen Glauben, sagte meine Frau. Ich wünsche, du behältst recht.

Du wirst sehen, in vier Wochen bin ich wieder hier, sagte ich voller Überzeugung zu ihr.

Soweit die Einstellung meines Vaters zur Einberufung. Sein Weltbild spiegelt eindeutig die von den Nationalsozialisten vertretene Einstellung wieder. Eine Mehrheit der Deutschen empfand damals die Ergebnisse des Versailler Vertrages als Schande für die Deutschen. Dazu gehörte die Entmilitarisierung des Rheinlandes und die Abtretung des Saarlandes an Frankreich, sowie großer Gebiete im Osten an Polen, den sogenannten „Korridor“, der Ostpreußen und die deutschsprachige Freie Stadt Danzig von Ostpreußen trennte. Die Auflösung der Reichswehr bis auf 100000 Mann ohne schwere Artillerie, Panzer und Flugzeuge wurde als schwerer Schlag gegen den Nationalstolz angesehen.

Hitlers ganzes Taktieren zielte nun darauf ab, den Versailler Vertrag nach und nach auszuhöhlen.

Als er 1935 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht verkündete und 1936 in das entmilitarisierte Rheinland einmarschierte, mit der Begründung, die Grenze zu Frankreich besser zu schützen, hätten die alliierten Siegermächte auf seine Anti-Versailles Politik sofort militärisch reagieren müssen. Da nichts dergleichen geschah, verhalf ihm das „Rheinland- Abenteuer“ bei den deutschnational denkenden Kreisen zu Ansehen. Dazu kam, dass es mit dem Ausbau des Autobahnnetzes und der Vergrößerung des Heeres zu einem Aufschwung der Wirtschaft, ja zu einem regelrechten Wirtschaftswunder kam. Die Zahl der Arbeitslosen ging bis 1936 so rapide zurück, das damit auch jegliche Opposition gegen seine Politik zunichte gemacht wurde.

In der Folgezeit bediente er sich des erstarkten Heeres, um die Versailler Verträge Stück für Stück zu annullieren und seine Annexionswünsche durchzuführen. Der sogenannte „Anschluss“ Österreichs im März 1938 war im Grunde ein Putsch der österreichischen NSDAP. Großbritannien und Frankreich beließen es bei Protesten. Diese Tatenlosigkeit bestärkte Hitler in der Überzeugung, dass er gefahrlos mit seiner Offensive gegen die Tschechoslowakei beginnen konnte. NS-Gruppen unter den Sudetendeutschen wurden angewiesen, Sezessionsforderungen zu erheben.

Während der „Sudetenkrise“ drohte ein Krieg. Briten und Franzosen war sehr wohl bewusst, dass Ehre und Klugheit verlangten, die Zerschlagung der Tschechoslowakei zu verhindern. Doch sie konnten sich noch nicht zu dem Entschluss durchringen, ihren diplomatischen Protesten durch die Androhung von Gewalt Nachdruck zu verleihen. Hitler sah das als Feigheit an und sorgte dafür, dass die prodeutsche Separatistenpartei in der slowakischen Hälfte der Tschechoslowakei am 11. März 1939 ihre Loslösung von der Tschechei erklärte und das Deutsche Reich bat, die Rolle der Schutzmacht zu übernehmen. Am 15. März marschierten daraufhin deutsche Truppen in Prag ein.

Nun versuchte Hitler, Polen einzuschüchtern, zu dem das größte Stück des Gebietes gehörte, das vor 1918 deutsch gewesen war. Vor allem ging es ihm um den „Korridor“, der Ostpreußen und die deutschsprachige Freie Stadt Danzig vom Kerngebiet des Reiches trennte.

Als Vorwand zum Angriff auf Polen inszenierte die eigene SS einen Überfall polnischer Truppen auf die schlesische Grenzstadt Gleiwitz. Daraufhin fiel Hitler ohne Kriegserklärung in Polen ein. Am Abend des 1. September existierte die polnische Luftwaffe praktisch nicht mehr und bereits am 6. Oktober war in Polen jeglicher Widerstand zusammengebrochen.

Nun wandte sich Hitler mit seinen siegreichen Truppen westwärts, um sich für einen Feldzug gegen Briten und Franzosen bereitzumachen, mit denen er sich seit dem Ende des Ultimatums, das ihm die Verbündeten Polens bereits am 3. September gestellt hatten, im Kriegszustand befand.

Der tatsächliche Blitzkrieg gegen das unvorbereitete Frankreich dauerte nur vom 10. Mai bis zum 25. Juni 1940. Paris und Nordfrankreich wurden deutsches Besatzungsgebiet und 2 Millionen Franzosen gingen für unbestimmte Zeit in deutsche Gefangenschaft.

Die Schlacht um England sollte erst noch beginnen. Nachdem Großbritannien seine Truppen vom 26. Mai bis 4. Juni 1940 mit geringen Verlusten aus Dünkirchen wieder abgezogen hatte, entbrannte die Luftschlacht um England, die sich vom 10. Juli bis zum 30. Oktober hinzog und in der Schlacht um London vom 7. – 30. September kulminierte, ohne das es den deutschen Truppen möglich war, über den Kanal überzusetzen.

An der Deutschlandhalle wurden die Männer, die alle in meinem Alter waren, von ihren Frauen verabschiedet. Alle hatten einen Pappkarton bei sich. Die Männer waren zuversichtlich, wie ich.

Ein Wehrmachtsangehöriger ließ die Männer in 3 Reihen antreten, während die Frauen auf dem Bürgersteig standen und sie beobachteten. Dann begleiteten sie ihre Männer noch bis an die Tür. Nun erfolgte die Einteilung zu den verschiedenen Waffengattungen. Ich hatte das Glück und kam zur Artillerie, wenigstens nicht zur Infanterie.

Ein Wachtmeister und ein Unteroffizier wurden den zukünftigen Artilleristen als Unterführer zugeteilt und auf das Kommando: Rechts um, ohne Tritt marsch! ging es hinaus aus der Halle. Die Frauen liefen neben ihren Männern her, während sie zum Bahnhof Grunewald marschierten.

Von hier aus sollte es nach Frankfurt gehen. Kurz vor dem Bahnhof Grunewald ließ der Offizier nochmals halten, damit sich alle von ihren Frauen verabschieden konnten. Dann hieß es: Fertigmachen zum Abmarsch! Nun waren wir nicht mehr frei. Wir hatten zu gehorchen.

2. Grundausbildung in der Bülow Kaserne in Frankfurt

Der Dienst begann in der Früh um 6 Uhr und endete abends um 10 Uhr. Ein lauter Pfiff aus der Trillerpfeife des UvD (Unteroffizier vom Dienst) ließ uns frühmorgens sofort alle Müdigkeit vergessen. Wir fuhren hoch, wie von der Tarantel gestochen. Was dann kam, haben wir nicht im Entferntesten geahnt.

Alles ging ja so schnell und eine Tätigkeit folgte der anderen. So schnell hatte ich mich noch nie angezogen und gewaschen und rasiert und gefrühstückt.

Ehe wir uns versahen, hatten wir auch das Revier gereinigt und standen in Reih und Glied auf dem Appel Platz angetreten.

Der Hauptwachtmeister sprach einige Worte und gab den Dienst bekannt. Er holte sein dickes Buch heraus, denn da stand alles drin. Der dienstälteste Wachtmeister rückte mit uns ab. Es ging zum Geschützschuppen zum Geschützexerzieren, so wie alle Tage. Hinter dem Geschützschuppen jagte er uns manchmal über das Gelände.

Die eigentlichen Schleifer aber waren die untergeordneten Dienstgrade. Wir mussten antreten und wegtreten und laufen und uns hinlegen und wieder aufstehen und wieder laufen und antreten. Allmählich kamen wir ins Schwitzen, obwohl es Dezember war und die Temperatur einige Grade unter null lag. Wenn uns unsere Frauen gesehen hätten, die würden sagen: Siehst Du, ich hab‘s ja gleich gesagt. Nimm die Sache nicht auf die leichte Schulter.

Und wie uns die Ausbilder kritisierten: Wenn ich volle Deckung sage, dann legt sich alles blitzschnell hin. Ihr legt euch ja hin, als wenn ihr abends ins Bett geht. Lasst es euch mal von eurer Großmutter erklären, was Hinlegen heißt. Die kann es euch erklären.

Er rief einem zu, der sich nach einem trockenen Plätzchen umsah: Immer rinn in die Suppe! Sonst ist der Krieg ja vorbei, noch ehe sie richtig liegen. Wir grinsten über so viel Spott.

Ein Pfiff und wir standen wie angewurzelt da. Dieses Aufstehen galt aber nur einer kleinen Belehrung. Wenn ich marsch, marsch befehle, so unser Ausbilder, will ich nichts als Stiefelabsätze sehen. Verstanden? Wir riefen: Jawohl, Herr Wachtmeister.

Immer wieder jagte er uns über das Gelände. Immer wieder rief er: Volle Deckung!

Nach einer Weile ließ er uns antreten und wir durften marschieren.

Der Herr Oberwachtmeister übernahm wieder das Kommando. Ein Lied! befahl er.

Westerwald, rief jemand und wir stimmten an. Von einem Gesang konnte keine Rede sein, deshalb rief der Oberwachtmeister: Lauter singen!

Er marschierte mit uns kreuz und quer durch das Gelände, bis doch noch ein Gesang daraus wurde.

Wir waren munter wie nie zuvor und durchtrainiert. Alle Müdigkeit war weggeblasen, nun konnte der weitere Dienst folgen. So ging das fast alle Tage. Allmählich gewöhnten wir uns daran.

Heute folgte nach diesem Fußdienst ein Unterricht. Wir saßen im Unterrichtsraum wie in einem Kino, hintereinander und nebeneinander.

Ein anderer Wachtmeister stand nun am Rednerpult. Soldaten! Warum wir uns jetzt hier versammelt haben, soll euch bald klar werden. Ihr müsst nicht nur auf dem Kasernenhof und an den Geschützen ausgebildet werden, sondern genauso wichtig wie der praktische Dienst ist auch der theoretische Unterricht.

Ihr müsst ja die Rangabzeichen, die Waffengattungen und überhaupt den gesamten Aufbau der deutschen Wehrmacht kennenlernen. Ihr müsst wissen, welches die Aufgaben einer Gruppe sind, und welches die Aufgabe einer Armee ist.

Ihr müsst wissen, was alles zur Artillerie gehört. Wie sich eine Batterie im Gelände bewegt. Welches die Aufgabe der Kanoniere ist, und welches die Aufgabe der Fernsprecher und der Fahrer ist.

Wie ihr seht, ist das Wissen enorm, das ihr euch aneignen müsst. Hier heißt es aufpassen, seinen Kopf anstrengen und bei der Sache sein. Schlafmützen können wir nicht gebrauchen.

In den ersten sechs Wochen gibt es keinen Ausgang, weil ihr euch noch nicht als Soldaten benehmen könnt. Ihr würdet die deutsche Wehrmacht lächerlich machen. Jeder, der sich eines Vergehens schuldig macht, kann nicht nur, er muss sogar von einem Vorgesetzten verhaftet werden, der ihn dann sofort abführt, zur Kaserne bringt und eine Aburteilung beantragt. Das Überschreiten der Ausgehzeit wird ebenfalls mit Arrest bestraft.

In diesem Sinne sprach der Wachtmeister noch eine ganze Weile. Uns brummte schon der Kopf, vor lauter Belehrungen und Zurechtweisungen. Hier war es vorbei mit der Freiheit, hier herrschte der militärische Drill und der Zwang.

Wenn wir auch vorher dachten: Na, zu uns sollen sie erst mal kommen, wir sind doch keine neunzehn mehr. Nun wurde es uns erst bewusst, was es heißt, Soldat zu sein.

Der Wachtmeister sah nun auf die Uhr und sagte: Alles Aufstehen! Zum Mittagessen weggetreten! Wir gingen zunächst auf unsere Stuben und holten unser Essbesteck. Bald darauf tönte im Flur die Trillerpfeife des UvD. Alles stürmte hinaus auf den Korridor und es erfolgte ein zwangloses Antreten. Rechts um, ohne Tritt marsch! Kommandierte der UvD.

Es gab Kartoffeln, Soße, Gemüse und ein Stück Fleisch von einem Schweinebraten. Gut, dachte ich, damit kann man zufrieden sein.

Hier in der Kantine konnte man sich auch ein Glas Bier oder einen Sprudel kaufen. Es gab aber auch Rauchwaren, Kekse, Bonbons, Schokolade und noch vieles mehr.

Nach dem Essen ging jeder auf die Stube und legte sich auf sein Bett. Es war Mittagsruhe bis 13.30 Uhr. Wir hatten nun Gelegenheit miteinander zu sprechen.

Übereinstimmend stellten wir fest, dass es doch ein wenig anders war, als wir es uns vorgestellt hatten. Nicht ärgern, nur wundern, sagte ich. Alles hat seinen Anfang und sein Ende. Ich glaube, wir können uns noch auf allerhand gefasst machen, erwiderte darauf mein Nachbar. Er rauchte gemütlich eine Zigarette, was ich auch tat.

Ob wir alt sind oder jung, mischte sich ein anderer in unser Gespräch ein, wir sind alle auf Gnade oder Ungnade unseren Ausbildern ausgeliefert.

Alle anderen pflichteten ihm bei. Was die sagen, muss gemacht werden. Ob es uns nun passt oder nicht.

Na ja, dies ist nur der Anfang, mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Ich sagte das nur so vor mich hin, aber mein Kamerad über mir hörte es doch und fühlte sich beleidigt.

An Ungerechtigkeiten werde ich mich nie gewöhnen, sagte er in einem sehr lauten Ton.

Warum ungerecht, fragte ihn ein anderer. Du brauchst doch nur zu denken, das ist gerecht. Gerechtigkeit beim Barras, das ich nicht lache.

Ihr müsst die Sache von der sportlichen Seite sehen, sagte ich und wollte ihn beruhigen, dann ist es halb so schwer. Na klar, sagte nun einer aus der Ecke. Du kannst doch nicht gegen den Strom schwimmen. Alles horchte nun gespannt. Mit dir machen sie doch, was sie wollen, oder denkst du, du kannst Widerstand leisten? Bist ein Querulant! rief darauf einer.

Die Diskussion endete erst, als der UvD zum Antreten heraus pfiff.

Nun standen wir wieder auf dem Appelplatz. Nun war der Spieß gekommen und er nahm die Meldung vom diensthabenden Wachtmeister entgegen.

Danke! sagte der Spieß, nicht bevor er den Männern ins Gesicht sah. Er musterte sie alle, sein Blick wanderte von einem zum anderen. Erst dann sagte er: Rührt euch!

Erst jetzt nahm er sein Buch heraus, das bisher in seiner Feldbluse zwischen dem ersten und dem dritten Knopf steckte. Er schlug es auf. Es war seine Gedächtnisstütze.

Alles, was er uns mitzuteilen hatte, stand in diesem Buch. Nicht nur der gesamte Dienstplan, sondern auch Beschwerden, Wünsche, Anregungen.

Ob der Kanonier Meyer mit ungeputzten Stiefeln aufgefallen war, oder ob ein anderer mit dem Gewehr antraben musste. Jede Rüge oder jede Belobigung wurde hier vor versammelter Mannschaft bekanntgegeben. Erst dann strich der Spieß den Vorfall selbst.

Der ganze Ersatz, sagte der Spieß jetzt, als er mit der Durchgabe seiner Meldungen fertig war, Geschützdienst! Aufteilen in Züge und Gruppen, so dass jeder Ausbilder fünf Mann hat.

Oberwachtmeister Wohlert, rücken sie ab!

Der Oberwachtmeister ließ die Unterführer an dem rechten Flügel eintreten und rückte mit uns ab, zum Geschützschuppen.

Erst jetzt bildete er zwei Züge und ließ die vier Geschütze herausziehen. Nun standen wir vor ihnen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen sollten. Sofort wurden vier Geschützbedienungen gebildet und die Geschützführer erklärten den Männern die Tätigkeiten der einzelnen Kanoniere. Die Geschütze wurden feuerbereit gemacht und wieder fertig gemacht zum Abmarsch. Immer wieder erklärten es die Geschützführer und ließen es von den Umstehenden wiederholen.

Noch war alles für uns ein wenig unbekannt und geheimnisvoll, aber bald werden wir es auch beherrschen, so wie es unsere Vorgänger auch beherrscht haben.

Die Wachtmeister ergriffen zuweilen das Wort und alles horchte gespannt auf ihre Ausführungen.

Das hier, diese vier Geschütze, sind eine Batterie, so begann der Wachtmeister seine Ausführungen. Es sind leichte Feldhaubitzen und sie haben ein Kaliber von 10,5 cm.

Zu jedem Geschütz gehört eine Protze, an die das Geschütz gehängt wird. Das ganze wird dann von Pferden gezogen, wie ihr wohl schon gemerkt habt. Zu jedem Geschütz gehören vier Pferde. Alles bis hierher verstanden? Jawohl! riefen wir von allen Seiten.

Über weite Entfernungen werden die Geschütze von Pferden gezogen, in der Feuerstellung bewegen sie die Kanoniere selbst. Auch das leuchtete uns ein.

Wie ihr seht, ruht das Geschütz auf zwei Rädern, es wird von fünf Mann bedient. Jeder Kanonier hat seine bestimmte Tätigkeit, die er aus dem FF beherrschen muss.

Er teilte nun fünf Ausbilder ein, die die Funktion der fünf Kanoniere einnahmen. Dann erklärte er die Funktion jedes einzelnen.

Zuerst wird das Geschütz von der Protze abgehoben. Die Fahrer verschwinden mit den Pferden an einen sicheren Ort, eben in die Protzenstellung.

Wir sahen gespannt zu und machten uns unsere Gedanken.

Die Geschützbedienung entriegelt die Holme, spreizt sie und setzt die Erdsporne ein. Dann wird das Geschütz waagerecht gestellt und ins Ziel gebracht.

Das zweite Geschütz ist das Grundgeschütz, es wird auf den Grundrichtungspunkt eingerichtet. Die anderen drei Geschütze werden mit diesem parallel gestellt.

Wieder fragte der Wachtmeister, ob das alles klar ist.

Wir beantworteten seine Frage mit: Jawohl, Herr Wachtmeister!

Er sah uns der Reihe nach an, als ob er sich davon überzeugen wollte, dass wir das auch wirklich verstanden hatten.

Nun kommt die Technik! Der K I, der Richtkanonier hat eine wichtige Aufgabe. Von ihm hängt es ab, ob der Schuss ins Ziel geht oder daneben. Geschossen wird nach der Karte mit einem großen Maßstab 1:100 000. Warum? Weil auf dieser Karte alle Symbole eingezeichnet sind.

Der Beobachter, ein Offizier oder ein Wachtmeister, es kann aber auch ein anderer sein, Hauptsache er ist zum Schießenden ausgebildet, schaut durch das Scherenfernrohr und erkundet das Gelände. Zuerst zeichnet er seinen eigenen Standpunkt ein, dann den Standpunkt der Batterie und dann den Teil der Front, den er mit Artilleriefeuer belegen will.

Er errechnet das Kommando, das er jetzt den Fernsprechern zuruft. Der Fernsprecher gibt es an die Feuerstellung durch, das die Richtkanoniere an den Geschützen einstellen.

Wieder fragte er, ob das bis dahin alles klar ist. Nun antworteten wir nur zögernd, jawohl!

Es kommt schon noch, fuhr der Wachtmeister fort. Man kann das alles nicht an einem Tag lernen, sonst könnte man euch ja schon sofort an die Front schicken.

Auf welche Entfernungen denn geschossen wird, wollte jemand wissen. Der Wachtmeister erklärte auch das.

Es kommt immer darauf an, welche Ziele wir bekämpfen, sagte er. Sind es Punktziele oder belegen wir einen Abschnitt mit Sperr- oder Störungsfeuer. Ob wir einen eigenen Angriff vorbereiten, oder ob wir einen Angriff des Feindes stoppen wollen. Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten. Dann kommt es immer auf das Gelände an.

Wir müssen uns so aufstellen, dass wir vom Feind nicht gesehen werden. Wir dürfen dem Feind kein Ziel bieten, sonst belegt er uns mit Artilleriefeuer.

Was machen wir dann? fragte der Wachtmeister, und sah uns fragend an. Wir machen Stellungswechsel, sagte einer und er lag damit gerade richtig.

Jawohl, sagte der Wachtmeister. Wir suchen uns eine günstigere Stellung und dann fängt alles wieder von vorn an. Aufstellen der Geschütze, einrichten und die Kommandos ausrechnen. Ebenso wie wir, hat auch der Feind seine Beobachter im Gelände.

Schießen können wir auf verschiedene Entfernungen. Je größer die Entfernung, desto unwahrscheinlicher ist die Treffsicherheit.

Zuerst müssen wir so nahe wie möglich an die Front heran. Die Entfernung wird dann von selbst größer, wenn wir den Feind schlagen. Es kann aber auch mal umgekehrt sein, dass er uns schlägt. Dann heißt es schleunigst ausweichen. Wir versuchen dann den Feind von der einen oder anderen Seite zu bekämpfen.

Unsere Geschütze schießen sowohl in der mittleren als auch in der oberen Winkelgruppe.

Das heißt: Je tiefer wir das Rohr stellen, desto kürzer ist die Entfernung und je höher wir das Rohr stellen, desto weiter ist die Entfernung, desto weiter geht der Schuss. Die Entfernung kann bis zu einem und zehn Kilometer sein. Es kann aber auch im direkten Beschuss Verwendung finden. Ihr seht, unsere Geschütze sind vielseitig.

Wenn plötzlich feindliche Panzer in der Feuerstellung auftauchen, dann heißt es: Jetzt oder nie! Dann kommt es ganz besonders auf die Geistesgegenwart der Kanoniere an, auf die Schnelligkeit und auf die absolute Beherrschung der Tätigkeiten eines jeden Mannes.

Die Ausbilder übernehmen jetzt ihre Gruppen, befahl der Spieß. Nun bekamen wir die Geschütze das erste Mal richtig erklärt. Erst bei Einbruch der Dunkelheit beendeten die Wachtmeister den Dienst.

Wir wurden nun auf die Stuben entlassen. Nach dem Essen sollte uns der Stubenälteste Unterricht über den Karabiner erteilen. Wir saßen alle um den Tisch herum und hatten das Gewehr vor uns.

Der Herr Oberkanonier ließ uns zuerst alle das Schloss herausnehmen. Das war gar nicht so einfach. Man musste den Trick zuerst einmal kennen. Dann übten wir das Laden und Sichern mit Übungsmunition. Es war ein Hantieren und Poltern und Klappern, denn jeder wollte es so schnell und so gründlich lernen, wie nur möglich.

Welche Teile könnt ihr am Gewehr erkennen? fragte nun der Oberkanonier. Wir hielten inne und sahen uns fragend an. Na, aus wie vielen Hauptteilen besteht das Gewehr? Nun reden sie doch schon, drängte der Stubenälteste einen Mann von uns, der schon etwas über das Gewehr wusste.

Sie wollen wissen, in wie viele Teile das Gewehr zerfällt, fragte er lächelnd. Es kommt darauf an, wie man es hinschmeißt. Wir brachen in schallendes Gelächter aus. Der Oberkanonier war der alleinige Blamierte.

Sehr witzig! sagte er. Den Mann will ich mir merken. Wie heißen Sie? Kanonier Wittig, Herr Oberkanonier. Sie heißen ab heute Witzig! Verstanden? Jawohl Herr Oberkanonier, antwortete der Kamerad Wittig.

Also Spaß beiseite! sagte der Oberkanonier. Nennen Sie die Hauptteile. Kamerad Wittig schüttelte die Antwort nur so aus dem Ärmel, wir konnten gar nicht folgen. So geht das natürlich nicht, schaltete sich der Oberkanonier ein. Er begann nun selbst das Gewehr zu erklären.

Als er eine Pause machte und das Zimmer verließ, nutzten wir die Gelegenheit und unterhielten uns recht angeregt. Wir wollten uns doch näher kennenlernen.

Da war zunächst der Hannes. Er fiel sofort auf, denn er war 1,85 m groß und kräftig und hatte eine derbe Aussprache. Er war von Beruf Waldarbeiter und wohnte in Nauen bei Berlin.

Der zweite war Lauterbach, der mir durch seine Freundlichkeit aufgefallen war. Durch seine schnellen Antworten erregte er oft Heiterkeit. Er war Bäckermeister und hatte in Berlin-Charlottenburg eine Bäckerei.

Neben ihm saß Erich Schubert. Ein kleiner ernster, aber sehr korrekter Mann. Im Zivilberuf war er bei der Tobis Klangfilm. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Seine Antworten kamen wohlüberlegt und er traf fast immer das Richtige.

Daneben saß Karl Weiß, ein gemütlicher Kamerad, mittelgroß und ein bisschen hager. Er war Buchhalter in einer Holzgroßhandlung in Velten. Statt zu antworten, schwieg er lieber, obwohl er die richtige Antwort stets parat hatte.

Der nächste war Kurt Both. Er war Rohrleger von Beruf und immer zu Späßen aufgelegt. Seine Heimat war Berlin.

Jetzt kam unser Kleiner, Herbert Helmfritz. Er war zehn Jahre jünger als wir, deshalb nannten wir ihn Kleiner, aber er war beileibe nicht klein, sondern einen Kopf größer als mach ein anderer. Er war stets vergnügt und hatte immer ein Lied auf den Lippen.

Der nächste war Eduard. Er war Händler in der Ackerhalle von Berlin. Seine Antworten waren meist zweideutig und erregten oft Heiterkeit

Kamerad Wittig nicht zu vergessen. Er war im Unterricht aufgefallen und er war auch auf der Stube die Hauptperson. Er kam aus dem Bezirk Kreuzberg. Er war ein offener und ehrlicher Charakter, half jedem, der an ihn herantrat. Wahrscheinlich fühlte er sich durch seine zehnjährige Tätigkeit in der SA uns ein wenig überlegen.

Die Nummer neun im Bunde war ich selbst. Ich kam ebenfalls aus Berlin, vom Bezirk Prenzlauer Berg. Von Beruf kaufmännischer Angestellter in einer hohen Behörde. Ich versuchte mich immer in der Mitte zu halten. Antwortete nur, wenn ich von der Richtigkeit meiner Antwort überzeugt war.

Das war die Belegschaft der Stube 23. Ein Oberkanonier und neun Mann. Jeder eine Persönlichkeit, die hier unter einen Hut gebracht werden sollte.

Hannes stand der Tür am nächsten und rief mit seiner lauten Stimme: Achtung! als der Oberkanonier eintrat.

Wir sprangen auf, schon wie alte Soldaten, nahmen stramme Haltung an und sahen den Oberkanonier an. Abendessen beenden! Der Dienst geht weiter. Wir staunten nicht schlecht.

Zuerst die Gewehre reinigen, dann Stiefel, Koppel und Patronentaschen putzen, befahl der Stubenälteste. Jeder, der da glaubt, mit seiner Sache fertig zu sein, zeigt sie mir vor.

Darf dabei geraucht werden? fragte Kurt Both. Ausnahmsweise, ja, erwiderte der Stubenälteste. Am Schluss wird die Stube geputzt und Staub gewischt.

Nun nahm jeder sein Reinigungszeug und es begann ein Klappern mit der Kette, mit der wir den Lauf durchzogen. Am Ende der Kette wurden eine Anzahl Dochte befestigt, die mit Öl angefeuchtet wurden. Aber es wurde ja nicht nur der Lauf gereinigt, sondern das ganze Äußere durfte dabei nicht vergessen werden.

Als erster sprach Kamerad Wittig den Oberkanonier an. Na dann zeigen Sie doch mal ihr Gewehr her, sagte er zu ihm. Kamerad Wittig übergab es ihm in strammer Haltung. Der Oberkanonier betrachtete es von allen Seiten und sah auch durch den Lauf. Er drehte und wendete es, klappte die Visierklappe hoch und fragte: Gehört das auch zum Gewehr? Dabei zeigte er auf einen Rostfleck. Wittig bekam einen roten Kopf. Nein, Herr Oberkanonier! Er schlug dabei die Hacken zusammen, dass es krachte. Dann lassen Sie ihn verschwinden, weiterputzen!

Nun sah sich der Oberkanonier das Gewehr nochmals an. Hier am Schloss ist zu viel Öl, sauber abwischen! Der Lauf ist auch nicht ganz sauber, am Stock ist noch Rost und sehen Sie sich das Kolbenblech einmal an.

Er sah Kamerad Wittig scharf an und sagte: Kanonier Wittig, so geht das wirklich nicht. Wittig stand da, mit den Händen an der Hosennaht.

Der Oberkanonier gab ihm sein Gewehr zurück und er ging an seinen Platz und putzte weiter.

Uns allen war das Herz in die Hose gerutscht, nur Lauterbach lachte. Dann geben Sie ihres mal her, sagte der Oberkanonier. Lauterbach übergab sein Gewehr in strammer Haltung und trat an seine Seite. Glauben Sie, dass ich zaubern kann, fragte der Oberkanonier, oder dass ich andere Augen habe als Sie?

Als nächstes war mein Gewehr an der Reihe. Zuerst besah er es von außen, drehte und wendete es und besah es nochmals von allen Seiten. Soweit alles gut, sagte er. Nun sah er durch den Lauf und legte das Gewehr sofort wieder auf die Seite. Mit so einem Rostfleck im Lauf zeigen Sie mir das Gewehr? fragte der Oberkanonier. Sehen Sie sich das bloß an! Der Rost geht nicht weg, der war schon drin, als ich das Gewehr bekam, sagte ich. Ach, das geht alles weg! sagte der Oberkanonier und gab mir das Gewehr zurück. Auch ich putzte weiter.

Wir waren alle froh, als er sagte: Gewehre wegstellen!

Wir begannen jetzt mit dem Lederzeug. Wie die Schusterjungen saßen wir jetzt da und putzten. In der Stube roch es nach Schuhcreme.

Jetzt müsste man ein Bier haben, sagte Kurt Both. Brauchst es ja nur zu holen, gab ihm Hannes zur Antwort, die Kantine ist ja offen. Los! rief Kurt Both freudestrahlend, kommst du mit? Sie gingen also und kamen mit einem ganzen Arm voller Flaschen bald wieder zurück.

Jetzt wurde es erst richtig gemütlich. Wir stießen miteinander an und sagten: Auf gute Kameradschaft!

Um halb zehn kam der Stubenälteste. Ach, ihr habt es euch gemütlich gemacht. So ist es auch richtig, denn wer arbeitet, muss sich auch was leisten. Wir waren froh, dass er es so humorvoll aufnahm und fühlten uns in unserem Verhalten gestärkt.

Also jetzt die Stube saubermachen und Staub wischen, damit wieder Ordnung in den Laden kommt. Heute macht ihr es noch gemeinsam und ab morgen wird ein Stubendienst eingeteilt.

Jetzt schnell in den Waschraum, denn der UvD könnte sich die Hände oder die Füße zeigen lassen. Bitte beeilen, um zehn liegt alles in den Betten, ihr habt noch fünf Minuten Zeit.

Wir sahen uns an und verulkten uns gegenseitig. Das ist doch die Höhe! brachten wir im Waschraum unsere Entrüstung zum Ausdruck. Wir sind hier doch nicht in einem Mädchenpensionat. Zuerst die Händchen vorzeigen und dann die Füßchen und dann husch, husch ins Bettchen, ulkte Lauterbach am meisten.

Ja heißt es denn hier immer nur Maul halten und durchhalten und unterordnen, fragte Eduard und meldete sich auch einmal zu Wort.

Pünktlich um 10 Uhr lag alles in den Betten. Der Stubenälteste saß am Tisch, er hatte die Feldmütze aufgesetzt. Auf dem Korridor hörte man Schritte, der UvD trat ein. Er hatte den Stahlhelm auf und die Pistole am Koppel.

Der Oberkanonier stand auf, nahm stramme Haltung an und meldete: Stube 23 belegt mit einem Oberkanonier und neun Mann. Alles ordnungsgemäß in den Betten!

Nun ging auch der Stubenälteste zu Bett. Er löschte das Licht und es trat Ruhe ein.

Am nächsten Morgen vernahm ich dieselben Schritte wie am Abend vorher. Die Tür wurde aufgemacht und der UvD stand in unserer Stube. Laut und deutlich rief er: Aufstehen! Kaum war er alle Stuben durchgegangen, ertönte auf dem Korridor seine Trillerpfeife und er rief: Kaffeeholer raustreten! Es trat ein wenig Verwirrrung ein, weil wir uns nicht einig waren, wer den Kaffee holen sollte. Da griff der Stubenälteste ein, indem er sagte: Wittig holen Sie den Kaffee. Wittig schnappte sich die Kanne und verließ die Stube. Wir anderen eilten in den Waschraum. Einige begannen, sich zu rasieren. Es war ein ganz schöner Andrang, nicht jeder bekam sofort einen Platz. Ich war einer von den letzten, die fertig wurden, denn ich musste mich auch rasieren.

Als Wittig mit dem Kaffee kam, begannen wir zu frühstücken.

Wir waren noch gar nicht ganz fertig, da rief schon wieder eine Stimme: Raustreten zum Revier reinigen! Der Korridor wurde gefegt und es wurde Staub gewischt. Einige wurden eingeteilt, die Waschräume und die Toiletten zu säubern. Es war ein emsiges Treiben, wobei der UvD die Aufsicht und die Stubenältesten das Kommando hatten. Sie trieben die Leute an, schnauzten sie an und brüllten oft, dass sich die Balken bogen.

Nach diesem Zirkus war Antreten auf dem Appellplatz.

Der UvD meldete dem dienstältesten Wachtmeister und dieser meldete den Haufen dem Spieß. Nachdem der Spieß die Meldung entgegengenommen hatte, befahl er: Rührt Euch!

Nun konnten wir wieder bequem stehen.

Der Spieß nahm sein dickes Buch heraus und begann, sich mit uns zu unterhalten. Er ermahnte uns, Disziplin zu üben, uns an die Richtlinien zu halten und die Befehle gewissenhaft auszuführen und zwar sofort. Die Ausbilder sind Eure Vorgesetzten und ihre Befehle sind unverzüglich auszuführen, Befehlsverweigerung wird mit Arrest bestraft, erklärte er.

Wenn einer durchaus nicht will, es gibt Mittel und Wege genug, um den Widerstand eines Querulanten zu brechen. Das ist die eine Seite, sagte der Spieß. Wer seinen Dienst mit Freuden macht und sich nichts zuschulden kommen lässt, wer immer und überall seinen Mann steht und daran denkt, der Dienst mit der Waffe ist ein Ehrendienst, für den werden wir stets ein offenes Ohr haben..

In diesem Sinne sprach er noch eine Weile, bis er auf den eigentlichen Zweck des heutigen Tages zu sprechen kam.

Im Anschluss an diesen Frühappell ist Fußdienst für alle. Wir hatten es ja gewusst und so kam es für uns nicht von ungefähr.

Ich lasse jetzt wegtreten und in fünf Minuten ist alles wieder mit Gewehr und Stahlhelm hier auf dem Appellplatz. Will doch mal sehen, wer der Erste ist.

Wir brüllten: Jawohl! und rannten los. Alles rannte wie vom Teufel besessen die Treppen hoch auf die Stuben, den Stahlhelm auf den Kopf, das Gewehr gegriffen und dann ging es wieder auf den Appellplatz. Es mochten keine drei Minuten vergangen sein, als wir uns wieder auf dem Appellplatz einordneten.

Einer stand bereits vor der Front neben dem Spieß. Seht ihn euch an, sagte der Spieß, er war der Erste. Wie heißen Sie und wie alt sind Sie?

Der Kamerad antwortete: Kanonier Jäger, Herr Hauptwachtmeister, 33 Jahre alt.

Gut gemacht, Kamerad Jäger, treten Sie ein! Kanonier Jäger suchte sich seinen Platz.

Wachtmeister Wohlert, rücken Sie ab! befahl der Hauptwachtmeister. Wachtmeister Wohlert trat vor die Front. Sein erstes Kommando war: Ausbilder eintreten! Die Herren Ausbilder traten an den rechten Flügel. Dann sagte er ohne viel Aufhebens: Gewehr umhängen! Dann erst kam das Kommando: Stillgestanden!

Nun korrigierte er die Kameraden. Riemen anziehen! befahl er. Das Gewehr muss gerade hängen. Auf das Kommando: Richt euch! Gab es zunächst mal ein Schubsen und Drängeln, aber dann kam Ordnung in den Haufen. Der Wachtmeister stand am rechten Flügel und sah sich die Front an. Er korrigierte diejenigen, die ihren Bauch zu weit vorgeschoben hatten.

Augen gerade aus! Rechts um, im Gleichschritt Marsch! Kommandierte der Wachtmeister und der Zug kam in Bewegung.

Hinter dem Geschützschuppen, wo der Boden einigermaßen gerade ist, ließ er halten.

Ausbilder raustreten! befahl er. Alles andere nach vorn weggetreten! Dann ertönte seine Trillerpfeife. Sofort nahmen wir stramme Haltung ein und standen mit der Front zum Wachtmeister.

Wenn dieses Ding ertönt, steht alles wie angewurzelt im Stillgestanden. Verstanden? Wir brüllten: Jawohl, Herr Wachtmeister!

In Linie angetreten! War sein nächstes Kommando. Alle rannten durcheinander. Es gab wieder ein Schubsen und ein Schieben, weil der Flügelmann sich nicht vor ihm aufbaute. Erst als er das tat, konnte sich alles nach ihm ausrichten.

Nun nahm ein anderer Wachtmeister das Kommando. Marschieren und Singen, lautete die Devise des heutigen Dienstes, deshalb befahl der Wachtmeister: Rechts um, im Gleichschritt, Marsch! Nach kurzer Zeit rief er: Ein Lied!

Westerwald wurde vorgeschlagen. Und schon rief er: Drei, vier und es erklang das Lied, das wir schon einmal gesungen hatten. Als wir das Lied beendet hatten, stimmten wir ein neues an und so lernten wir Lieder, die vorher nur ein Teil von uns kannte. Dieser Dienst machte sicherlich allen Spaß.

Nach kurzer Zeit übernahm ein Unteroffizier das Kommando. Nach kurzer Zeit rief er: Abteilung Halt! Das klappt ja überhaupt nicht! rief er empört.

Nun ließ er anmarschieren und gleich darauf halten. Immer wieder übte er mit uns das Halten, aber es wollte nicht klappen. Er brachte ein wenig Verwirrung in den Haufen.

Wachtmeister Wohlert ließ den Unteroffizier ablösen und dieser atmete sichtlich erleichtert auf. Unser Stubenältester übernahm jetzt das Kommando. Er trat vor die Front, nahm Haltung an und es folgte das Kommando: Stillgestanden! Richt euch! Wir taten wie befohlen.

Nun trat er an den rechten Flügel und fragte: Das nennt ihr eine Richtung? Ein Sauhaufen ist das. Steht doch nicht so verkrampft da, stellt euch doch locker hin. Er ging nun von Mann zu Mann und stellte jeden richtig hin. Nehmen Sie den Kopf hoch, sagte er zu dem einen, halten Sie die Schultern gerade, zu einem anderen. Und Sie schauen einmal auf ihre Füße, Sie ziehen einmal den Bauch ein und die Brust raus. Er ging weiter und sagte: Sie verstecken sich ja vor ihrem Nebenmann, kommen Sie doch weiter vor, das Gewehr gerade halten, an die Fußspitze stellen. Sie recken ja den Hals so weit vor, kommen Sie doch selbst einen halben Schritt nach vorn.

Nun stellte sich der Oberkanonier vor die Front und zeigte, was Stillgestanden bedeutet.

Bei Stillgestanden! nimmt man die Hacken zusammen, die Stiefel bilden einen Winkel von nicht ganz 90 Grad. Der Körper wird aufgerichtet, die Mittelfinger der Hände berühren die Hosennaht, die Arme sind leicht angewinkelt. Der Bauch wird eingezogen, wobei die Brust sich von selbst heraushebt. Den Kopf hält man aufrecht und die Augen schauen gerade aus.

Bei Rührt euch! Wird der linke Fuß einen halben Schritt vor gestellt und der Körper nimmt eine lockere Haltung an.

Ist das jetzt jedem klar? fragte er. Wir riefen, wie aus einem Mund: Jawohl, Herr Oberkanonier.

Nun kommandierte er: Links um! Mein Nebenmann hatte bei der Wendung mich beinahe umgeworfen. Wie heißen Sie, fragte der Oberkanonier.

Meyer, sagte der Kamerad. Was für ein Meyer, fragte der Oberkanonier. Meyer mit Ypsilon, sagte der Kamerad. Will ich doch gar nicht wissen, schrie der Oberkanonier. Na, Sie haben mich doch gefragt, wie ich heiße, erwiderte mein Nebenmann ganz trocken und naiv.

Nun fragte der Oberkanonier einen anderen: Wie heißen Sie? Und wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort: Kanonier Hellwig, Herr Oberkanonier.

Jawohl, so lautet die Antwort. Haben Sie das verstanden, Herr Meyer mit Ypsilon. Jawohl, sagte Kamerad Meyer. Und wie heißen Sie nun wirklich? Kanonier Meyer, Herr Oberkanonier.

Er lernt es, er lernt es, er hat es schon gelernt, rief der Oberkanonier freudestrahlend.

Selbst die anderen Ausbilder und die Wachtmeister konnten sich das Lachen nicht verkneifen.

In den Unterrichtsraum abrücken! befahl Wachtmeister Wohlert.

Diesmal trat der andere Wachtmeister an das Rednerpult. Er sprach vom Aufbau der Wehrmacht, an deren Spitze der Führer stand. Er erläuterte die drei Wehrmachtsteile: Heer, Marine und Luftwaffe.

Dann erläuterte er den Aufbau des Heeres. Er sprach von der Gruppe, dem Zug, der Kompanie, dem Bataillon und dem Regiment.

Bei uns ist die Geschützbedienung die kleinste Einheit. Sie besteht aus dem Geschützführer und der Bedienung von fünf Mann. Weiter gibt es bei uns die Fernsprecher und die Fahrer.

Ein Zug sind jeweils zwei Geschütze mit den dazu gehörenden Männern. Dann kommt die Batterie, sie gleicht der Kompanie.

Allerdings sieht bei uns die Batterie ein wenig anders aus, weil wir mehr Fahrzeuge haben und weil unsere Fahrzeuge ein wenig anders aussehen, als die der Infanterie.

Denn zum einen müssen wir die Geschütze befördern und zum andern haben wir eine Menge Spezialfahrzeuge für Munition, für den I-Trupp, für den Sattler und für die anderen Handwerker. Außerdem gehören zu einer Batterie eine Menge Reitpferde und für die Geschütze eine Menge Zugpferde. Vom Unteroffizier aufwärts steht jedem ein Reitpferd zu.

Ihr könnt euch wohl jetzt vorstellen, wie eine Batterie auf dem Marsch aussieht.

Die nächste Einheit ist die Abteilung, sie gleicht dem Bataillon. Abteilungen sind meistens selbständige Einheiten, sie operieren selbständig.

Ein Artillerieregiment besteht aus zwei Abteilungen leichter und einer Abteilung schwerer Artillerie. Die schwere Artillerie ist motorisiert, weil sie als bespannte zu schwer ist.

Zu einer Division gehören außerdem Pioniere, eine Nachrichtenabteilung, Versorgungsbetriebe, Panzerabwehr, Sanitätspersonal, Kolonnen für den Nachschub, der Quartiermacher und der Führungsstab. Ihr seht also, recht umfangreich.

Jede Einheit hat ihren Führer und jeder ist dem nächst Höheren unterstellt. So geht das hinauf, bis zur obersten Spitze, dem OKH (Oberkommando des Heeres) und dem OKW (Oberkommando der Wehrmacht), an deren Spitze der Führer steht. Der Wachtmeister sprach sehr eindringlich und überzeugend.

Wir sind die zweite Batterie der ersten Ersatzabteilung des Regiments 257. Hier werden nur Kanoniere ausgebildet. Unsere Abteilung ist die leichte Artillerie. Die Geschütze sind die leichten Feldhaubitzen 10,5 cm. Es gibt auch schwere Feldhaubitzen, Kaliber 15 cm. Sie werden von Zugmaschinen gezogen und ihre Bedienung besteht aus acht Mann.

Dieser Dienst wurde kurz vor 12 Uhr beendet. Wir wurden auf die Stuben entlassen und machten uns für das Mittagessen fertig. Nach dem Essen auf der Stube hatten wir ein wenig Zeit, die Ereignisse zu reflektieren.

Ein Pfiff aus der Trillerpfeife schreckte uns aus unserem Nachdenken auf. Auf dem Appellplatz erfuhren wir den Dienst für den Nachmittag, der wieder aus Geschützdienst bestand. Alle vier Geschütze wurden herausgezogen und wir wurden gleichmäßig auf die Geschütze verteilt.

Zunächst einmal wurden die Funktionen der einzelnen Kanoniere im Einsatz erklärt. Immer wieder wurde die Funktion des KI besprochen. Wir mussten durch den Richtkreis sehen, sahen das Fadenkreuz und die Einteilung und dabei wurden dann allerhand Fragen gestellt.

Unteroffizier Eckert, bei dem ich eingeteilt war, und der den Frankreichfeldzug mitgemacht hatte, erzählte von seinen Erfahrungen. Mein erster Einsatz war die Beschießung Antwerpens, erzählte er, da sind wir zur rechten Zeit herangekommen. Ich war als Obergefreiter und Richtkanonier am zweiten Geschütz. Wir standen so dicht an der Stadt, die zur Festung erklärt worden war, dass wir mit der vierten Ladung geschossen haben. Zuerst schossen wir 15 Schuss, das war um die Mittagszeit. Am Nachmittag schossen wir hintereinander nochmals mehrere Salven hinein und dann schossen wir Störungsfeuer die ganze Nacht. Das war ermüdend, denn wir hatten keinen Schlaf.

Bekamen Sie denn keinen Beschuss aus der Stadt heraus oder aus der Luft? Wollte jemand wissen. Stellt euch das nicht so einfach vor, sagte der Unteroffizier Eckert. Wir bekamen schon einige Treffer in die Feuerstellung, dabei wurden zwei Mann verwundet. Aber deshalb durften wir nicht die Nerven verlieren. Wir hatten Tag und Nacht den Stahlhelm auf. Später, als unsere Truppen in die Stadt eindrangen und wir Ruhe hatten, da wurde es gemütlich. Was haben wir da alles getrunken und gefressen. Wenn ich daran denke, wird mir heute noch übel.

Uns machte dieser Dienst Spaß. Man sah doch gleich, ein Vorgesetzter, der etwas mitgemacht hatte, war viel kameradschaftlicher, als einer, der noch nicht draußen gewesen war.

Den Unterricht vergaß der Unteroffizier keineswegs. Während des Gesprächs nahm er den Verschluss heraus und besprach die einzelnen Teile mit uns.

Er lachte und scherzte mit uns, sprach den einen oder anderen mit Du an und steckte sich sogar eine Zigarette an. Darf geraucht werden? fragte sofort ein Kamerad. Bitte, wenn es euch Spaß macht, ich habe nichts dagegen. Also steckten sich fast alle Kameraden Zigaretten an. Als das die andern Gruppen sahen, rauchten sie auch.

Herr Unteroffizier Eckert, fragte ich, wie ist es eigentlich im Krieg? Sind die Strapazen eigentlich groß, ist das Leben oft in Gefahr? Ich meine, Sie haben doch den Frankreichfeldzug mitgemacht.

Also hört einmal her, begann der Unteroffizier seine Ausführungen, ihr müsst zuerst einmal ausgebildet werden. Ihr müsst euch von dem bequemen Leben lossagen. Ihr braucht nicht jede Nacht ein Bett, ihr könnt auch mal unbequem schlafen. Ihr müsst sportlich durchtrainiert sein. Der Dienst in der Kaserne ist nicht umsonst hart, er muss hart sein. Der Krieg ist nichts für laue und weiche Männer. Deshalb nehmt die Sache ernst mit der Ausbildung. Schmeißt euch lieber einmal öfter in den Dreck als einmal zu wenig. Gewiss ist das Leben manchmal in Gefahr, die besteht überall, aber man denkt nicht immer daran, denn das könnte euer Verhängnis sein.

Man bewegt sich draußen genau so, wie hier in der Kaserne. Man denkt nicht dauernd, mir könnte etwas passieren. Wir sind doch nicht die ersten, die in ein Gebiet vorstoßen, in dem noch bis vor kurzem der Feind saß oder noch sitzt, sondern das Gebiet, in das wir in Feuerstellung gehen, ist ja feindfrei. Vor uns liegt ja die Infanterie, wir schießen über sie hinweg. Mit Spannung hörten die Kameraden den Ausführungen des Unteroffiziers zu. Seine Ausführungen stimmten mich und wie es schien viele Kameraden optimistisch.

Feuerkommando! ruft der Fernsprecher und wir eilen an die Geschütze. Es klang fast ein wenig sportlich. Ja was haben sie denn vorher gemacht? fragte ich deshalb. Vorher, ja was haben wir da gemacht? Wir waren alle gespannt. Ach ja, vorher haben wir Karten gespielt. Was sollten wir denn sonst machen, wenn keine Feuerkommandos kommen. Es war ein richtiges Zigeunerleben. Wir brauchten keine Quartiere, sondern wir schliefen auf den Fahrzeugen oder daneben auf der Erde. Oder im Deckungsloch in der Feuerstellung neben den Geschützen. An Gefahren dachte man einfach nicht. Wenn keine Feuerkommandos kamen, hatten wir Pause.

Haben denn die Fernsprecher immer Leitung gelegt von ihrer Beobachtung zur Feuerstellung? fragte ein Kamerad. Wer ist denn da vorne und rechnet die Kommandos aus? Und wo liegt denn der Beobachter.

Das sind ja so viele Fragen auf einmal. Also zuerst einmal: Die Fernsprecher sind nicht immer im Einsatz, denn bei dem ständigen Vormarsch lohnt es sich nicht, eine Leitung zu legen. Dann schießen wir mit Funk. Zweitens: Die Beobachtung liegt meist bei der Infanterie oder kurz dahinter. Der Vorgeschobene Beobachter geht mit der Infanterie vor und unterstützt den Vormarsch mit der Artillerie. So soll es sein, rein theoretisch.

Drittens: Es wird nach der Karte geschossen, das macht der Beobachtungs-Offizier. Er muss errechnen, wie groß die Entfernung ist und um wie viel das Ziel von der Grundrichtung abweicht.

Alles nur für den Stellungskrieg. Beim Vormarsch fällt das natürlich weg. Denn wir müssten zuerst mit unseren Geschützen in Stellung gehen und so viel Zeit haben wir nicht.

Wir sahen uns einander an und wussten selbst nicht, was wir dazu sagen sollten.

Außerdem, sagte der Unteroffizier, ein jeder soll sich nur um seine Aufgaben kümmern. Was die anderen tun, geht ihn nichts an. Wir Kanoniere gehören zu den Geschützen, die Fernsprecher zu ihren Leitungen und der B-Offizier hat seine speziellen Aufgaben.

Wie ich schon sagte, wenn ein Feuerkommando kommt, eilen wir an die Geschütze und sonst haben wir Feuerpause.

Wir hatten Gesprächsstoff genug und diskutierten in der freien Zeit, wenn wir in der Stube in den Betten lagen.

So vergingen die Tage, einer nach dem andern. Mal war der Dienst streng, mal war er erträglich. Abwechslung hatten wir genug, zwischen dem Wecken und dem Zubettgehen. Wir hatten uns allmählich an das Leben gewöhnt und lernten uns näher kennen.

Vor allem die Ausbilder lernten wir kennen. Wir wussten, vor wem wir uns besonders vorsehen mussten und wer freundlich zu uns war.

An den Sonntagen machten wir einen Marsch von zwei Stunden außerhalb der Kaserne. Wir gingen durch den verschneiten Winterwald und mussten singen. Oft kam auch der Hauptmann mit, dann war es besonders eindrucksvoll. Ja, solche Märsche waren schon gut.

Anders war es dagegen, wenn wir beim Fußdienst schwitzten. Unsere Ausbilder konnten uns das Leben ganz schön zur Hölle machen. Manchmal lagen wir dabei mehr im Dreck als alles andere. Das Schlimme war dabei, dass wir unsere Sachen wieder selbst saubermachen mussten.

Hier herrschte die Devise: DER UNTEROFFIZIER HAT IMMER RECHT!

Danach zu handeln war zuerst nicht leicht, aber mit der Zeit gewöhnten wir uns auch daran.

Es wurde Weihnachten. Wir waren aber noch nicht so weit, dass wir uns außerhalb der Kaserne frei bewegen konnten. Das hieß: Wir hatten keinen Ausgang.

Aber dafür durften uns unsere Frauen besuchen, die davon auch regen Gebrauch machten. Sie waren auf unserer Stube und der Stubenälteste verzichtete sogar darauf, mit dabei zu sein. Es war wunderbar, nicht nur die Kameraden zu kennen, sondern jetzt kannten wir auch deren Frauen. Mittags aßen wir gemeinsam mit ihnen in der Kantine.

An den Nachmittagen und an den Abenden war hier Musik und Tanz. Es herrschte ein regelrechter Hochbetrieb.

Meine Frau war eine der Glücklichen, die in der Nähe der Kaserne ein Quartier bekommen hatte. So konnte sie an den beiden Feiertagen bei mir sein. Die kleine Waltraud, die gerade zwei Jahre alt war, hatte sie natürlich mitgebracht. Sie gewann bald die Herzen aller Kameraden.

Mai 1941, meine Mutter mit Waltraud

Mitte Januar war unsere Grundausbildung beendet und es kam die Vereidigung. Hierbei ging es nochmals streng militärisch zu. Wir wurden verpflichtet, jederzeit für diesen Eid das Leben einzusetzen. Erst jetzt waren wir die Waffenträger der Nation!

Wir empfingen jetzt eine Ausgehuniform und eine Schirmmütze. Wir sahen aus wie die Sonntagssoldaten und hatten ab sofort Ausgang. War das herrlich! Jetzt durften wir uns frei bewegen.

Lauterbach, Schubert und ich, wir schlossen uns zusammen und gingen schon am ersten Sonntag in die Stadt.

Zuerst gingen wir in ein Kino und anschließend in ein Café. Lange genug hatten wir die Freiheit entbehrt, jetzt wollten wir es ausnutzen.

Am 1. Februar, als die neuen Rekruten kamen, war unsere Ausbildung nun wirklich beendet.

Abstellung nach Frankreich

Ich war gar nicht besonders überrascht, als ich am 13. 2. 41 mit zwei anderen Kameraden zur schweren Artillerie abgestellt wurde. Wir wurden neu eingekleidet und mit noch sechs anderen, aus den beiden anderen Batterien, in Marsch gesetzt.

Ein Wachtmeister brachte uns zum Bahnhof und übergab uns einem Leutnant. Zunächst wartete er mit uns, denn es sollten noch mehr kommen. Wir waren jetzt 40 Mann. In der Zwischenzeit unterhielten wir uns und machten uns bekannt. Ich stand mit Kurt Both aus meiner Stube und Fritz Tofanke zusammen, der im Zivilberuf Vertreter für Knöpfe war.

Wir stiegen in einen leeren Wagen und fuhren zunächst einmal. Wohin es ging, das wussten wir nicht. Immer mehr Kameraden stießen zu uns, so dass ein weiterer Wagen angehängt werden musste. Auf manchen Bahnhöfen rangierten wir lange und wir wurden zu einem ganzen Zug zusammengestellt.

Wir waren längst an Berlin vorbei und rollten unentwegt nach Westen. Wir fuhren Tag und Nacht. So fuhren wir am dritten Tag über die Grenze nach Frankreich. Was sollte man dazu sagen? In Lille war unsere Fahrt beendet. Wir waren ganz überrascht, als es auf einmal hieß: Alles aussteigen!

Es war dunkel, als wir ausstiegen. Die Bahnhöfe waren nur spärlich beleuchtet, wegen der Fliegertätigkeit, denn wir befanden uns ja in Feindesland. Das erschwerte die Sache beträchtlich. Kommandos ertönten durch die Dunkelheit, mit denen wir jedoch wenig anfangen konnten. Schließlich wurden wir doch noch zu bereitstehenden Autos gebracht, die mit uns weiterfuhren.

Bezeichneten wir die Fahrt mit der Bahn schon als unbequem, so war diese Rüttelei ungeheuerlich. Jeder saß auf seinem Gepäck, das bei der Fahrerei uns unterm Hintern wegrutschte. Wir stießen mit den Köpfen zusammen, einer hielt sich an dem andern fest und fluchte, wenn er einen Stoß bekam. Ein Viehtransport konnte nicht schlimmer sein.

Weit über eine Stunde dauerte diese Fahrerei. Als die LKWs anhielten, sprangen wir runter und standen bis an die Knöchel in einer zähen, klebrigen Masse, die uns am Gehen hinderte. Die ersten hatten ihr Gepäck hinuntergeworfen und sie hatten nun die Bescherung.

Eilig traten wir ins Haus ein und sahen an uns hinunter. Die Stiefel waren richtige Dreckklumpen und ein Teil des Gepäcks war ebenfalls lehmverschmiert. So hatten wir uns Frankreich nicht vorgestellt.

Es herrschte ein unfreundlicher und barscher Ton. Wir wurden in die Stuben verteilt, immer 30 Mann in einen Raum. Hier standen selbstgezimmerte Betten, teils dreifach übereinander. Als Matratze diente ein Strohsack und als Kopfkissen ebenfalls ein kleiner Strohsack. Ich beeilte mich, um ein Bett in der untersten Etage zu bekommen. Wir empfingen Bettzeug und begannen mit dem Bettenbau. Beeilung, Beeilung, hörte man den UvD rufen. Aber es dauerte noch eine Weile, bis endlich Ruhe eintrat.

Am nächsten Morgen war um sieben Uhr Antreten! Der Stamm stand rechts und wir, die Neuen, standen auf dem linken Flügel. Der Spieß musterte uns mit kritischem Blick. Er war jung und sah gut aus, sein Käppi hatte er etwas schräg aufgesetzt. Er trug das EK II. Auch die anderen, Wachtmeister und Unteroffiziere und die Obergefreiten, die vor der Front standen, hatten durchweg Auszeichnungen.

Der Spieß verkündete für uns: Fußdienst! Der Stamm dagegen hatte Innendienst.

Nun ging es wieder von vorn los. Antreten und Wendungen, Marschieren und Halten. Dabei sparten die Ausbilder nicht mit derben Ausdrücken. Bei der geringsten Kleinigkeit ließen sie uns hinlegen. Dann riefen sie: Fliegerdeckung! Wenn wir uns einfach fallen ließen, brüllten sie: Das nennt ihr Fliegerdeckung? Da steht keiner mehr auf, wenn euch ein Flugzeug mit einem MG beschießt. Bei Fliegerdeckung sucht sich jeder eine Deckung, damit er nicht gesehen wird.

Weiter ging es: Im Laufschritt, Marsch - Marsch! Wir liefen in der Formation. Dann kommandierte er: Kehrt, Marsch - Marsch! und ein paarmal: Hinlegen! und wieder Auf, Marsch-Marsch! Uns wurde auch ohne Mäntel ganz schön warm.

Ihr werdet noch ganz schön laufen, wenn es erst kracht. Man sah richtig die Schadenfreude im Gesicht der Ausbilder.

Nach zwei Stunden dieses grausamen Spiels, ließ der Wachtmeister zunächst 10 Minuten Pause machen. Wir saßen da und waren sogar zu müde, um zu rauchen oder ein Gespräch anzufangen. Die Trillerpfeife scheuchte uns wieder auf. Alles in Linie angetreten, Marsch! lautete das Kommando.

Wir marschierten nun und sangen dabei. Der Wachtmeister übte mit uns hauptsächlich das Halten. Wenn es gar nicht klappen wollte, jagte er uns einfach über den Acker.

Kurz vor zwölf marschierten wir in unsere Unterkunft. Wegtreten und Essen empfangen! lautete das Kommando.

Auch hier gab es eine Mittagspause, die wir zum Teil nutzten, um unsere Uniform zu bürsten und die Stiefel zu putzen. Alles sah grauenhaft aus, denn der Fußdienst heute Vormittag war nicht von Pappe. Um 14 Uhr war Antreten in sauberen Sachen.

Beim Appell um 14 Uhr fiel mehr als die Hälfte auf. Wie konnte es auch anders sein, irgendetwas fanden sie bei jedem von uns.

Nachmittags war Geschützexerzieren in sauberem, weißem Drillichzeug. Wir ahnten schon, was das für uns bedeutet. Für uns, die wir von der leichten bespannten Artillerie kamen, waren das ganz schöne Strapazen. Das erste Mal zeigte man uns die Tätigkeiten und dann wurde auf Tempo gedrückt. Dazu kam dann der aufgeweichte Boden, die Wasserpfützen. Wir sahen bald aus wie die Schweine.

Alles was wir bisher gelernt hatten, war für die Katz. Hier begannen wir wieder von vorn.

Hier gehörten zu einer Geschützbedienung acht Mann. Hier musste das Rohr vorgezogen werden, denn die Geschütze wurden zweilastig gefahren, sie mussten erst zusammengesetzt werden. Die Endsporne waren lose und die Holme, waren die schwer! Zu – gleich! Das war das Kommando der Artillerie und so erklang auch die Stimme des Leutnants, der das Geschützexerzieren leitete.

Mussten die Geschütze bewegt werden und wollte es gar nicht gehen, befahl er: Kanoniere in die Räder! Dann ging es auf Biegen oder Brechen. Entweder das Geschütz kam aus dem Dreck oder die schweren Eisenräder zerbrachen. Musste das Geschütz im Ganzen vorgezogen werden, befahl er: Langtaue einhängen!

Der Leutnant trieb uns zu immer größerer Eile an. Alle vier Geschütze standen auf dem Hof. An zwei Geschützen standen die Besatzungen vom Stamm und an den andern beiden standen wir, die Neuen. Der Leutnant hatte die Stoppuhr in der Hand. Und auf einen Pfiff ging es los. Jeder wollte als erster fertig werden.

Die Bedienung, die als letzte fertig wurde, jagte er extra durch die Pfützen und sie mussten sich ein paarmal in den Dreck werfen. Es war aber kaum ein Unterschied festzustellen, wir waren alle von oben bis unten mit Lehm verschmiert.

Wir mussten mit dem Geschütz in Stellung gehen, dazu gehört das Abprotzen, das Rohr vorziehen, die Holme spreizen, die Erdsporne einsetzen und das Geschütz feuerbereit machen. Immer war dabei volle Kraftanstrengung notwendig. Immer mussten wir voll bei der Sache sein. Und als wir dann fertig waren, kam das Kommando: Abprotzen! Alles wurde dann in Windeseile abgebaut. Das Rohr wurde wieder an die Zugmaschine gehängt und abmarschbereit gemacht. Das ging bis zur völligen Erschöpfung.

Am Abend war dann Geschütz reinigen und nach Dienstschluss wuschen wir unser schönes weißes Drillichzeug und putzten die Stiefel.

Todmüde sanken wir dann auf unser Lager, aber auch hier hatten wir oft keine Ruhe, denn unsere Stubenältesten, die ja unsere Ausbilder waren, holten die Männer aus den Betten, wenn sie Sachen herumliegen sahen. Ordnung muss sein, sagten sie, und wer sie nicht kennt, der lernt sie noch kennen.

Am nächsten Morgen war dann Antreten in sauberen Sachen. Wir hatten keine ruhige Minute. Wir putzten bis zum Schlafengehen und fingen am frühen Morgen wieder an.

Aber als eine Woche vorbei war, als es Sonnabend war, da hielt es uns nicht in der Unterkunft, denn da wollten wir das Leben in Frankreich kennen lernen.

In kleinen Gruppen machten wir uns auf den Weg. Wir hatten fast eine halbe Stunde zu tippeln, bis wir in Arras ankamen. Wir gingen in eine Wirtschaft, wo es besonders laut und lustig war. Wir wollten die Strapazen vergessen, wollten einmal so tun, als ob es das Militär gar nicht gibt. Und wenn es die ganze Löhnung kostet, jetzt wurde getrunken, gejubelt und auf gute Kameradschaft angestoßen.

Wir tranken französischen Wein, französischen Kognak, rauchten französische Zigaretten und scherzten dabei mit französischen Mädchen. Immer wieder stimmten wir ganz unmilitärische Lieder an. Der Wirt ermunterte uns dabei und wir zogen auch ihn durch den Kakao. Es war ja so lustig und gar nicht teuer.