101 Nacht -  - E-Book

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Beschreibung

Ein Juwel der arabischen Literatur!

Ein literarischer Sensationsfund: Die Arabistin Claudia Ott hat eine 800 Jahre alte Handschrift entdeckt – und damit ein gutes Dutzend funkelnagelneuer, bislang gänzlich unbekannter Schahrasad-Geschichten! Die betörende kleine Schwester von »1001 Nacht« feiert nun zweieinhalb Jahre nach dem Fund Weltpremiere. Eines der imposantesten Klassikerereignisse der letzten Jahrzehnte!

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Seitenzahl: 478

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Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.

Gott segne unseren Herrn und Gebieter Muhammad, seine Familie und seine Gefährten, und schenke ihnen Frieden.

Anfang des Buches mit der Geschichte von Hundertundeiner Nacht

Der Überlieferer dieser Geschichte erzählt:

Es war einmal ein König in Indien. Er herrschte mit Macht über sein Volk, genoss Ansehen unter seinen Zeitgenossen, lenkte die Geschicke seines Reiches wohl und war gerecht gegen seine Untertanen. Seine Gerechtigkeit beschirmte sie, und seine Güte umhüllte sie ganz.

DerKönighieltjedesJahreinenFesttagab,andemerdasVolkmitSpeisenundGetränkenbewirtete.WennnundasVolkdasEssenverzehrtunddenWeingetrunkenhatteundallesattgewordenwaren,zogsichderKönigfüreineWeileinseinenPalastzurück,umetwasspäterherrschaftlichgeschmücktwiedervorseinVolkzutreten,eineKroneaufdemHaupt,zurRechtenundzurLinkenseineDiener,undmitdenprächtigstenGewändernangetan.SozogerindenThronsaalein.ErließsichaufseinemKönigsthronnieder,undauchseineWesireundseinHofstaatdurftensichsetzen.NunpflegtederKönignacheinemSpiegelzufragen,unddieserwurdevorihngestellt.DerKönigbetrachtetedarinseinGesichtundfragte dann: ~ Kennt ihr irgendjemanden auf der Welt, der schöner ist als ich?

~ Aber nein, bei Gott! Einen solchen kennen wir nicht, pflegten sie zu antworten, und der König frohlockte und war zufrieden.

So verhielt es sich mit ihm, und so gefiel er sich selbst, bis eines Tages ein alter Scheich auf ihn zukam und ihn ansprach: ~ Hüte dich vor Eitelkeit, o König, solang noch Frauen Kinder kriegen. Ich habe alle Länder und Gegenden besucht, bin über Land gereist und über die Meere gefahren. In der Stadt Chorasân traf ich auf einen jungen Mann, einen von den Kaufmannssöhnen, der herzzerreißend schön ist und glänzt wie strahlendes Licht!

Er berichtet weiter:

~ Weißt du, was du da sagst, Alter?, ereiferte sich der König, als er das gehört hatte.

~ Ich sage nichts, als was ich selbst gesehen habe, mein Gebieter, entgegnete der Alte.

~ Wie kann ich es anfangen, fragte der König zurück, ~ diesen jungen Mann zu uns zu holen, um ihn mir ansehen und deinen Worten Glauben schenken zu können? Denn ich schwöre bei Gott, der allein würdig ist, verehrt zu werden: Ist er tatsächlich schöner als ich, wie du behauptest, so lasse ich dir Geld in Hülle und Fülle aushändigen und nehme dich zum Gesellschafter. Wenn es sich aber anders verhält, bekommst du meine Rache zu spüren!

~ Er wird nicht zu dir kommen, o König, gab der Alte zu bedenken, ~ außer für viel Geld, Geschenke und mit einer klugen List.

~ Das sollst du haben, entschied der König.

Und so befahl der König, die Schätze Indiens wie Perlen und Edelsteine, Moschus und Amber und alle anderen Kostbarkeiten, die für das Land Babel geeignet schienen, herbeizuschaffen. Nachdem das geschehen war, ließ er alles auf ein Schiff verladen, das eigens hierfür gebaut worden war, und Ausrüstung, Wegzehrung und Trinkwasser, so viel benötigt wurde, Matrosen und anderes mehr an Bord bringen. Sobald die Ladung vollständig war, bestieg der Scheich das Schiff und segelte mit seiner Mannschaft unter gutem Wind davon, bis Chorasân in Sicht kam. Sie fuhren in den Hafen ein und warfen die Anker aus. Der Scheich ging von Bord, lud seine Waren und Schätze ab und überließ das Schiff der Obhut eines seiner Männer. Dann mietete er Lasttiere, auf die er alles aufpackte, was er mitgebracht hatte, und zog in Richtung der Stadt Chorasân. Nachdem er in die Stadt gekommen war, mietete er eine Dachwohnung in einer Herberge. Dort bezog er Quartier und ruhte sich aus.

Drei Tage später ging der Scheich hinunter auf den Markt der Parfümhändler, um den Laden des hübschen Jünglings aufzusuchen. Dessen Name war Sahr al-Basatîn, das bedeutet: «Blüte der Gärten», Sohn des Abdallah Ibn Abinnûr. Gleich nach seiner Ankunft begrüßte ihn der Vater des Jungen und nahm ihm gegenüber Platz. Der Junge aber blickte dem Scheich direkt ins Gesicht. Er saß neben seinem Vater auf einer Matte aus Brokat. Um seinen Kopf war ein roter Turban geschlungen. Sein Antlitz funkelte perlenhell, wie der Dichter sagt – wenn ihr den Segen sprecht über unseren Herrn Muhammad, Gott segne ihn und schenke ihm Frieden! – So sagt der Dichter:

Lässt die Wange seinen Turban leuchten? Oder färbt der rote

Turban sein Gesicht?

Wie der Vollmond sind die beiden, welcher stehen blieb im letzten

Abendlicht.

Wenn der Junge aufsteht, wie der Vollmond aufgeht, oder wenn er

lächelt oder spricht,

Richten Herzen, Augen und Gemüter sich auf ihn und achten alles

and’re nicht.

Nachdem der Scheich eine Weile dort gesessen hatte, bot er ihm einige der Schätze als Geschenk an. Der alte Mann und sein Sohn freuten sich darüber, denn so etwas hatten sie in ihrem Land noch nie gesehen.

~ Mein Bruder, fing der Scheich nun an, ~ du musst wissen, dass ich aus keinem anderen Grund aus Indien zu dir gekommen bin als aus Freude über deine Zuneigung und weil ich so viel Gutes über dich gehört habe.

~ Gott segne dich, entgegnete der junge Chorasâner, ~ und verhelfe uns dazu, dass wir es dir zu Genüge vergelten und dir dein Recht verschaffen. So Gott will, werde ich dir in mancher Angelegenheit von Nutzen sein können.

Daraufhin sagte der Chorasâner zu einem seinem Diener etwas, das der Inder nicht verstand, und der Diener verschwand für eine Weile. Dann kam er zurück und redete mit seinem Herrn.

~ Ich möchte dir einen Vorschlag machen und bitte dich, ihn anzunehmen, um deiner Ehre und Güte willen, wandte sich der Scheich aus Chorasân nun an den Scheich aus Indien. ~ Was hältst du davon, dass du bei mir wohnen bleibst und wir einen festen Vertrag und dauerhaften Bund schließen?

Der Scheich gab sein Einverständnis und ging mit ihm zu seinem Wohnhaus.

Als sie an der Haustür eintrafen, kam ein Mädchen von unvergleichlichem Wuchs und unübertrefflicher Schönheit zu ihnen heraus. Sie öffnete ihnen die Tür und küsste ihre Hände.

~ Mache alles für uns zurecht, wies ihr Herr sie an, und sie verschwand für eine Weile. Dann betrat der Inder das Haus. Er sah, dass es wohl gebaut war und schöne Zimmer hatte. In den Zimmern standen Betten aus Elfenbein und Ebenholz, mit glänzendem Gold beschlagen. Die Fußböden der Zimmer waren mit Teppichen ausgelegt. Die beiden nahmen auf erhöhten Sitzstufen Platz, und der Scheich, der Hausherr, befahl seinem Sohn, sich zu dem alten indischen Kaufmann zu setzen.

DannließerdasEssenauftragen,undsiespeistenzudritt.DreiTagelangbliebderScheichausIndiennunbeidemScheichausChorasân,aßundtrank,danachließihnderScheicheinHausbeziehen,dasdemseinengegenüberlag.ErrichteteesmitdemnötigenHausrateinundschlossFreundschaftmitihm.SoengverbandersichmitseinemFreund,dasserzweiMonatelangnichtmehralleinspeisenwollteundihmderAppetitdesanderenfehlte,wenndernichtmitihmaß.

Der Scheich bot ihm inzwischen alles dar, was er aus Indien mitgebracht hatte. Eines Tages endlich sprach er ihn an: ~ Mein Bruder, warum schickst du nicht deinen Sohn mit mir nach Indien? Ich würde ihn mit dem König und den Kaufleuten bekannt machen. Er könnte in hohem Ansehen leben, wäre bei ihnen gut aufgehoben und würde zudem den Kaufmannsberuf erlernen. Er ist doch gewitzt genug für dieses Gewerbe und dazu geeignet.

~MeinHerr,entgegnetederChorasâner,~seineHochzeitstehtkurzbevor,underkannnichteheraufdieReisegehen,alsbisereinJahrmitderihmangetrautenFrau,seinerCousine,verbrachthat.So langekönnteichjamitdirfahren!

~ Ich warte lieber ein Jahr lang auf ihn, gab der indische Scheich zurück und blieb am Orte wohnen, bis die erwähnte Frist verstrichen war.

Danach wandte sich der Chorasâner an seinen Sohn: ~ Mein lieber Sohn, nimm es nun auf dich, mit diesem Scheich nach Indien zu reisen. Du wirst dir dort das Kaufmannsgewerbe ansehen, außerdem Städte, Könige und Kaufleute kennenlernen.

~ Gewiss, willigte sein Sohn ein.

Und der Kaufmann packte für seinen Sohn alles, was dieser für seine Reise benötigte, stattete auch den indischen Scheich angemessen aus, mietete genügend Last- und Reittiere, und so zogen sie zum Stadttor hinaus. Auf einem nahe gelegenen Rastplatz machten sie halt. Dort verabschiedete sich sein Vater von ihm und kehrte heim.

Als Gott den nächsten, guten Morgen dämmern ließ, rüstete sich der indische Scheich zum Aufbruch von dem Rastplatz. Dem jungen Mann aber war etwas eingefallen, das er in seinem Haus vergessen hatte.

~ Nicht so eilig, mein Herr, wandte er sich an den Scheich, ~ bitte warte noch diesen einen Tag, bis ich zu dir zurückkomme. Denn ich habe zu Hause etwas vergessen.

~ Einverstanden, mein Lieber, entgegnete der Scheich, und der junge Mann kehrte zu seinem Haus zurück. Er fand die Haustür offen und trat in sein Schlafgemach. Dort war kein Laut zu hören. Er schaute hinüber zu seinem Bett – und was sah er da? Seine Cousine, und neben ihr einen Mann, der bei ihr schlief.

Bei diesem Anblick verlor er den Verstand. Er legte die Hand fest um das Heft seines Schwertes und schnitt den beiden die Köpfe ab. Dann zog er sie aus dem Bett in die Mitte des Hauses. Dort setzte er den Kopf des Schwarzen auf die Brust des Mädchens und den Kopf des Mädchens auf die Brust des Schwarzen und erhob die Stimme zu den Versen:

So sind die Frauen! Ob sie gleich als keusch und züchtig gelten,

Und scheint es auch, als lebten sie nach heiligen Gesetzen –

Sie sind wie rohes Fleisch, um das hungrige Hunde streichen.

Bewachst du’s nicht, so teilen sie’s und reißen es in Fetzen!

Heut’ ist die Frau gar zutraulich und teilt mit dir ihr Leben,

Schon morgen wird ein and’rer sich an ihrer Hand ergötzen.

Es ist wie mit dem Haus, das du bewohnst: Sobald es leer steht,

Wird es nach dir ein anderer, den du nicht kennst, besetzen.

DannnahmderjungeMannseineSachen,verließdasHausundgingwiederhinauszudemindischenScheich.Dersahihnkommenundbemerktesofort,dasssichseinGesichtveränderthatte.ErfragteihnnachseinemBefinden,dochderjungeMannverbarg,wieihmzumutewar,underzählteihmnichts.NunalsobegabensichdiebeidenzumMeeresstrand,bestiegendasSchiffundsegeltenbeigünstigemWindab.DerjungeMannaberverändertesichvonTagzuTagmehr.

Als sie nun bei der Stadt des Königs, der indischen Hauptstadt, eintrafen, kamen Boote zu ihrem Empfang herausgefahren. Die Menschen strömten in ihren festlichsten Kleidern auf die Straßen, und auf einem riesengroßen Elefanten zog der König aus seinem Palast. Zu seiner Rechten und Linken flatterten Fahnen aus bunter Seide, und an den Spitzen der Elefantenstoßzähne glitzerte jeweils ein roter Rubin. Der indische Scheich und der junge Mann bestiegen ein hübsches Boot, ließen sich zum König hinüberrudern und entboten ihm ihren Gruß.

Sowie der König den jungen Mann erblickte, wandte er sich an den Scheich. ~ Wo ist denn nun die Schönheit und Anmut des jungen Mannes, die du uns angepriesen hast?, fragte er ihn.

~ Mein Gebieter, entschuldigte sich der Scheich, ~ der junge Mann war auf der Reise unpässlich. Darum hat sich seine Hautfarbe verändert, und seine schönen Eigenschaften sind nicht gut zu erkennen.

Der König ordnete an, dass der junge Mann im Gästehaus untergebracht und für seinen Unterhalt gesorgt würde, bis er sich erholt hätte und die Strapazen der Reise von ihm abgefallen wären. Dieses Gästehaus trug den Namen Haus der Herrschaft und stand direkt gegenüber dem Königspalast.

Der Scheich, der die Regierungsgeschäfte führte, kam täglich zu dem jungen Mann, musterte ihn und brachte ihm Arzneien und Lebensmittel, so viel er benötigte. Doch der junge Mann erschien immer stärker verändert und verwandelt.

Es wird erzählt:

EinesTagesdachtederjungeMannwiedereinmalanseineCousineundwasmitihrgeschehenwarundwurdevondiesenGedankensobetrübt,dasserfastgestorbenwäre.VorlauterUnruhesprangeraufundbegann,imHaushinundherzulaufen,immervoneinerEckezuranderen.DabeientdeckteereinekleineTür.EröffnetesieundsaheineTreppevorsich. Erstieghinauf.ObenfandereineKuppel,dieaufmarmornenMauernruhte.DieKuppelbesaßvierLuken,durchdiederWindsanftinallenRichtungenein-undausströmenkonnte.DieFlügelihrerLädenwarenausSandelholzundElfenbeingefertigtundmitgoldenenundsilbernenNägelnbeschlagen.ErstießeinenderLädenauf.VondortauskonnteeraufeinenGartenunmittelbarnebendemKönigspalastblicken.ErsahdarinBäumeundFrüchte,kleineTeicheundStandbilder,dieausihrenMündernWasserspien.InderMittedesGartenssahereinenmächtigenBaummitwiegendenÄsten.Währendersoschaute,wurdeamRandedesGartensplötzlichein Tor geöffnet, und vierzig mondgleiche Mädchen kamen heraus.

Unter ihnen war ein Mädchen wie die Sonne. Sie trug eine mit Perlen und Edelsteinen besetzte Krone auf dem Kopf und war mit einem aus puren Goldfäden gewebten Gewand angetan. Die Mädchen um sie herum musizierten auf Fingerzimbeln, Lauten und Leiern. Sie zogen weiter bis zur Mitte des Gartens, da rief das Mädchen den anderen Mädchen etwas zu, und plötzlich sprangen sie alle vor ihr davon, und eine jede suchte sich ein Versteck. Was aber tat das Mädchen? Sie trat unter den Baum, stampfte mit ihrem Fuß auf die Erde, und siehe da! Dort war mit einem Mal eine Platte zu sehen, die hob sich und gab die Öffnung eines unterirdischen Ganges frei.

Aus diesem Gang trat jetzt ein schwarzer Sklave mit aufgeworfenen Lippen und blitzenden Augen. Er packte mit seiner Hand das Mädchen, zog sie zu sich heran und schimpfte: ~ Du böses Mädchen! Du lässt mich hier allein, bis ich fast sterbe, und vergnügst dich derweil bei deinen Ess- und Trinkgelagen, anstatt dich um mich zu kümmern!

~ Mein Herr, beschwichtigte sie ihn, ~ ich war mit nichts anderem beschäftigt als damit, den König abzulenken. Ich plane ja gerade eine List, mittels deren ich den König töten kann, um anschließend allein mit dir zu leben. Nichts anderes ist meine Absicht. Es ist mir nur noch nicht geglückt.

~ Gut gemacht, lobte er sie und lächelte sie an.

Nun legte sich das Mädchen auf den Rücken, und der Sklave nahm Besitz von ihr, genau wie ein Mann von seiner Ehefrau Besitz ergreift.

Es wird erzählt:

Als der junge Mann das sah, sprach er zu sich selbst: ~ O weh, o weh! Wie kann es sein, dass ich um meiner Cousine willen betrübt bin, wo diese hier die Konkubine des Königs ist und er sie nach Belieben genießen kann? Wie steht es dagegen mit mir? Ich komme ja nicht einmal auf ein Zehntel eines Zehntels seiner Schönheit und Anmut oder seines hohen Ranges, seiner Macht und seines Vermögens! Nein, überlegte der junge Mann weiter, ~ von nun an werde ich meine Seele nie wieder mit Grübeleien quälen.

Damit schloss er die Luke wieder, stieg ins Haus hinunter und setzte sich zum Essen und zum Trinken. ~ Bring mir alles, was Freude macht!, befahl er dem Scheich, ~ denn was mein Herz bedrückt hat, ist verflogen.

Und der Scheich ging sofort daran, ihm alles zu besorgen, was er sich wünschte. Zehn Tage später war der Jüngling wieder so schön und anmutig, strahlend und vollkommen wie zuvor. Als der Scheich sah, dass er sich erholt hatte und auch sein Gemüt wieder fröhlich geworden war, machte ihn dies überaus glücklich, und er begab sich sogleich zum König und erstattete ihm Bericht.

Er berichtet weiter:

Der König ordnete an, dass der Festtag, den er jedes Jahr zu begehen pflegte, wie gewohnt gefeiert würde. Dabei sollte der Jüngling neben ihm auf dem Thron sitzen, damit er seine Schönheit und Anmut eingehend betrachten könnte. Er nahm also den jungen Chorasâner an der Hand, wies ihm den Platz neben sich auf dem Thron zu, ließ eine Krone bringen, die er ihm aufs Haupt setzte, und legte ihm einen Kranz um die Stirn. Dann befahl der König, dass der indische Spiegel herbeigebracht würde. Der Spiegel wurde auf einem Wagen hereingefahren und vor ihm aufgestellt. Der König betrachtete darin sein Gesicht und blickte dann zum Antlitz des Jünglings hinüber und zu dessen Spiegelbild. Dann ließ er seinen Hofstaat zusammenrufen. ~ Sagt mir die Wahrheit und nichts als die Wahrheit!, befahl er ihnen. ~ Wer von uns beiden ist schöner: ich oder dieser junge Mann?

~ Bei Gott, antworteten sie, ~ wir haben in dieser unserer Zeit keinen Schöneren gesehen als ihn.

~ Recht habt ihr, ihr habt die Wahrheit gesprochen, entgegnete der König, ließ den Spiegel an seinen Aufbewahrungsort zurückbringen und für das Volk das Essen auffahren.

Nachdem sie gespeist hatten, schickte er die Leute fort, und alle trollten sich. Nur der junge Mann blieb in einem Winkel des Palasts zurück. Der König aber legte die Hand fest um das Heft seines Schwerts und stürzte sich auf den jungen Chorasâner, um ihn in zwei Hälften zu spalten.

~ Mein Fürst, sagte da der junge Mann. ~ Warum denn das? Ich habe doch gar nichts verbrochen!

Und der König fragte zurück: ~ Was war der Grund dafür, dass du so verändert aussahst, als du in meinem Land ankamst?

~ Majestät, entgegnete jener, ~ ich hatte das und das erlebt. Und er erzählte ihm die Geschichte mit seiner Cousine und beschrieb ihm genau, wie er sie und den Schwarzen getötet hatte, und dass es das gewesen war, was sein Äußeres verändert hatte. Danach berichtete er ihm, was er im königlichen Garten beobachtet hatte, wie nämlich das Mädchen mit dem Schwarzen über die Ermordung des Königs sprach und wie der Schwarze sich von ihr nahm, was sich ein Mann von seiner Ehefrau zu nehmen pflegt. ~ Als ichdas sah, schloss er seinen Bericht, ~ habe ich meine Grübeleien aufgegeben und bin zu Speis und Trank zurückgekehrt und wieder gesund und schön geworden.

Als der König seine Rede gehört hatte, wandte er sich ihm zu. ~ Wer bezeugt mir, dass es stimmt, was du sagst?, fragte er ihn. ~ Und wie kann ich es einrichten, es mit eigenen Augen zu sehen?

~ Komm mit mir in das Haus, in dem du mir Quartier gegeben hast, o König, schlug der junge Mann vor. ~ Steige mit mir hinauf in die kleine Kammer unter der Kuppel und öffne den Laden, dann kannst du es mit deinen eigenen Augen sehen.

Der König erhob sich unverzüglich, rief einen Ruhetag aus und ergriff die Hand des jungen Mannes. ~ Geh vor mir her, wies er ihn an, und dieser führte ihn zu dem Haus und begann dort mit ihm zu sprechen und Neuigkeiten mit ihm auszutauschen. Sie waren gerade in ihr Gespräch vertieft, als sie plötzlich ein lautes Geräusch vernahmen. Der König schaute hin, und siehe da! Soeben hatte sich das Gartentor geöffnet, und das Mädchen kam heraus in Begleitung der gewohnten Anzahl ihrer Dienerinnen. Sie bewegten sich in die Mitte des Gartens und huben an zu musizieren und zu tanzen. Den König packte die Eifersucht. ~ Du wolltest mir doch zeigen, was meine Frauen treiben, sagte er zu dem jungen Mann und fuhr fort: ~ Könige können alles ertragen außer drei Dingen: Wenn ihre Herrschaft verspottet wird, wenn sie mit ihren Frauen streiten müssen und wenn ihre Geheimnisse verraten werden.

~ Nicht so voreilig, Majestät!, beruhigte ihn der junge Mann. ~ Hab noch ein wenig Geduld.

Während sie so miteinander sprachen, hatten sich die Dienerinnen im Garten verteilt und versteckt. Das Mädchen aber war unter den bewussten Baum getreten und stampfte nun mit ihrem Fuß auf die Erde. Da hob sich die Platte, und der Schwarze kam heraus, ergriff das Mädchen an beiden Händen und schalt sie heftig, weil sie so lange fort gewesen sei. Sie entschuldigte sich mit derselben Erklärung wie beim ersten Mal. Dann befriedigte er seine Lust an ihr, und der König konnte alles sehen.

~ Nun, was meinst du dazu, o König?, sagte jetzt der junge Mann.

~ Schon gut, erwiderte der König, ~ ich will nichts Schlechtes mehr von dir denken.

Daraufhin kehrte der König in seinen Palast zurück, rief das Mädchen und ihre Dienerinnen zu sich und schlug ihnen samt und sonders die Köpfe ab. Dann ließ er den Schwarzen herbeiholen und tötete auch ihn. Er nahm dessen Kopf und den des Mädchens und stellte beide Köpfe vor sich in eine Schale. Nun ließ er nach dem jungen Mann aus Chorasân schicken.

Als der hereinkam und die zwei Köpfe sah, fragte er: ~ Was ist denn das, Majestät?

~ Der Kopf des Schwarzen und der Kopf des Mädchens, antwortete er und stimmte die Verse an:

Der Frauenschoß ist einem Pferdesattel gleich:

Er ist nur dein Besitz, solang du bist der Reiter.

Sobald du absteigst und dich einen Schritt entfernst,

Steigt flugs ein and’rer auf und reitet weiter.

Von nun an hielt sich der König von allen Frauen fern.

Der junge Mann blieb noch eine Zeit lang bei ihm, so lange, bis ihn das Heimweh nach seiner Familie befiel. Er teilte es dem König mit, und der ließ ein geräumiges Schiff für ihn bauen und es mit allen Handelswaren Indiens, Schätzen und Geld beladen. Dann nahm er von ihm Abschied, und der junge Mann reiste ab zu seinem Vater und seiner Mutter.

Der König lebte eine Weile so für sich allein, dann kehrte er zu den Frauen zurück, doch verbrachte er mit jedem Mädchen nur eine Nacht und tötete sie am darauffolgenden Morgen. Das ging so lange, bis er sich auch die Töchter der Wesire, Notabeln und seines Hofstaats nahm.

Nun hatte der Großwesir zwei Töchter. Die ältere hieß Schahrasad, die jüngere Danisad. ~ Wesir, sprach der König zu ihm, ~ gib mir deine Tochter zur Frau.

~ Jawohl, mein Gebieter, erwiderte der Großwesir, ~ sie ist deine Magd, zusammen mit ihrer Schwester. Heute Nacht bringe ich sie zu dir.

Und als die Nacht hereingebrochen war, führte der Wesir seine Tochter in den Königspalast. Der König vereinigte sich mit Schahrasad und verbrachte mit ihr die Nacht, wobei er sein Begehren an ihr stillte. Dann schickte er sich an, sie zu töten.

Sie aber sagte zu ihm: ~ Mein Fürst! Wenn du mich bis zur nächsten Nacht am Leben lässt, erzähle ich dir eine Geschichte, die du ganz bestimmt noch nie gehört hast.

~ Kennst du etwa die Überlieferungen unseres Propheten und die Berichte aus den Geschichtswerken auswendig?, erkundigte er sich.

~ Ja, so ist es, o König, entgegnete sie.

Da stand der König auf, versiegelte das Gemach, in dem sie war, und ging hinaus zu seinem Regierungssitz.

Die erste Nacht

Es wird erzählt:

Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.

Da rief Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!

~ Einverstanden, mein Gebieter!, erwiderte sie.

Die Geschichte vom Kaufmannssohn und dem Alten

Und dannbegann sie zu erzählen:

~ Die Leute behaupten, o König, dass es einmal einen Kaufmann gab, der Geld in Hülle und Fülle und ein gewaltiges Vermögen besaß. Er hatte einen Sohn, den musste man für das schönste Geschöpf Gottes halten. Sein Vater unterrichtete ihn in Literatur und Geschichte und lehrte ihn alles, was man Kaufmannssöhnen beibringen konnte.

Als nun des Kaufmanns Lebenszeit vollendet und seine Sterbestunde eingetreten war, rief er seinen Sohn zu sich und sprach zu ihm: «Mein Söhnchen, ich muss sterben, daran führt kein Weg vorbei. Aber ich will dir als mein Testament noch einen guten Rat erteilen. Also nimm ihn von mir an und verstoße nicht dagegen.»

«Ja, mein lieber Vater», erwiderte der Sohn.

«Mache niemals Geschäfte mit geliehenem Geld», ermahnte der Vater ihn, «und zwar weder als Gläubiger noch als Schuldner!»

«Ja», versprach der ihm.

Es wird erzählt:

Hernach lebte der Mann noch eine kleine Weile – so lange, wie es Gott gefiel –, dann verschied er, Gott sei ihm gnädig. Der Sohn aber nahm das ganze Vermögenseines Vaters an sich. Es ergab zusammengezählt eine Summe von zweitausend Dinar. «Ich will das Geschäft meines Vaters übernehmen», sprach er zu sich selbst. «Ich werde kaufen und verkaufen, nehmen und geben und weder etwas auf Kredit verkaufen noch Anschaffungen tätigen von geliehenem Geld.»

So lebte ereine Zeit lang. Eines Tages aber, als er gerade in seinem Laden war, kamen Makler auf ihn zu und sprachen ihn an: «Junger Mann, aus zweitausend Dinar können zwölftausend werden, wenn du es willst.»

«Und wie soll das gehen?», fragte er zurück.

«Du brauchst dich um nichts zu kümmern», sagten sie. «Du musst nur die laufenden Kosten bezahlen.» Und sie drängten ihn so lange, bis er schließlich einwilligte und den guten Rat seines Vaters vergaß. Sogleich schafften die Makler die Waren heran; er gab einem jeden von ihnen einen Dinar als Arbeitslohn, und die Lagerräume füllten sich mit Waren.

So fuhren sie unablässig fort, bis der Muezzin zum Nachmittagsgebet rief und der junge Mann die gesamten zweitausend Dinar für die Maklerdienste ausgegeben hatte. Den Rest des Tages saß er da, ohne irgendetwas zu kaufen oder zu verkaufen. Das bedrückte ihn, und er begann sich ernstlich Sorgen zu machen. Auf dem Nachhauseweg fiel ihm das Testament seines Vaters wieder ein. Voll Reue sprach er zu sich selbst: «Was soll ich jetzt bloß tun? Wenn einer von den Eigentümern der Waren kommt, muss ich die Ware des einen verkaufen, um das Geld dem anderen auszahlen zu können. So verliere ich das Geld der Leute, und noch dazu zerrinnt mein eigenes Vermögen zwischen ihnen!»

Er berichtet weiter:

Während er so über seinen Geschäften grübelnd vor seiner Haustür saß, kam ein alter Mann vorbei. Es war einer der Freunde seines Vaters.

«Was ist dir denn zugestoßen, mein Söhnchen?», fragte er, nachdem er ihn gegrüßt hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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