11 Uhr Schreiben - Beatrix Schulte - E-Book

11 Uhr Schreiben E-Book

Beatrix Schulte

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Das gemeinsame Schreiben mit Gleichgesinnten ist pure Freude, weckt Lebensgeister und verführt zu kreativen Hochflügen. Seit vielen Jahren gibt die Autorin Schreibkurse für Anfänger und Fortgeschrittene, wobei ihr Fokus auf dem Freien, Impulsiven Schreiben liegt. Seit zwei Jahren hat der Zulauf an Online-Schreibkursen zugenommen. In diesem Buch werden viele dieser wunderbaren Texte vorgestellt und die dazu gehörigen Impulse zum Schreiben. Es soll dazu anregen, selbst eine Schreibgruppe zu gründen und sich dort gegenseitig im kreativen Prozess zu begleiten. Einführung ins Freie Schreiben Was Schriftsteller brauchen Was Schriftsteller nicht brauchen Impulse, Satzanfänge, Sinnbilder, Fragen für das Gestalten eines eigenen Schreibworkshops Texte aus den Schreibgruppen

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Seitenzahl: 105

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Beatrix Schulte

11 Uhr Schreiben

Die Freude am Schreiben in der Gruppe

© 2022 by Beatrix Schulte

www.meine-schreibbar.de

Lektorat: Klara Schulte

Cover + Satz: Beatrix Schulte

ISBN Softcover: 978-3-347-57618-6

ISBN Hardcover: 978-3-347-57619-3

ISBN E-Book: 978-3-347-57620-9

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Dieses Buch enthält Links zu Webseiten Dritter, für deren Inhalte keine Haftung übernommen wird.

Printed in EU.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Autorin:

Beatrix Schulte, M.A., geb. 1970, Philosophin, Autorin, Lektorin und Schreibtrainerin für Erwachsene und Kinder. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Freien Schreiben als eine Form der inneren Zentrierung. Auf ihrem Blog www.meine-schreibbar.de/stammtisch bietet sie Videos, Schreibtreffen, Buchclubs und Schreibkurse an.

Für euch, die ihr das Schreiben so liebt wie ich

Und bevor ich sterbe,

will ich meine Verse

aus der Seele singen.

José Martí

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Was Schriftsteller brauchen

• Erzählen

• Zuhören

• Lesen

• Gemeinschaft

• Schreiben unter Beobachtung: Focusmate

• Meine erste Sitzung bei Focusmate

• Kreativität eines Kindes

• Neue Ideen

• Genauigkeit

• Vertrauen

• Disziplin

• Raum

• Eine Prise Wahnsinn

• Lebendigkeit

• Sehnsucht

• Wahrhaftigkeit

Was Schriftsteller nicht brauchen

• Bewertungen

• Storytelling

• Marketingknowhow

• Vergleich mit anderen

• Ablehnung

• Kritik

• Erwartungsdruck

• Öffentliche Veranstaltungen

Impulse für Schreibgruppen

• Jeder kann schreiben

• Drauflos schreiben, ohne zu denken

• Texte bearbeiten

• Zwischen den Zeilen

• Freies Schreiben

• Schreiben nach Satzanfängen

• Schreiben nach Impulsen

• Kreatives Schreiben

• Schreiben nach Sinnbildern

• Schreiben über Orte

• Schreiben nach ersten Romansätzen

• Schreiben nach Buchtiteln

• Biographisches Schreiben

• Listen schreiben

• Poetisches Schreiben

• Rauhnacht-Schreiben

Texte aus den Schreibgruppen

Literatur zum Thema

Vorwort

Der Psychiater George E. Vaillant begleitet die Grant-Studie zur menschlichen Entwicklung, die schon über 75 Jahre läuft und seither über 20 Millionen US-Dollar kostete. Er formuliert ein Ergebnis das Glück betreffend in folgendem Satz:

„Glück ist gleich Liebe. Punkt.“

So viele Jahre an Forschung und Geld und mehr kommt nicht dabei heraus als ein Kalenderspruch? Er führt weiter aus, dass diejenigen glücklich sind, die etwas tun, was der Gemeinschaft nützt und die fähig sind, einfühlsame Verbindungen zu anderen Menschen einzugehen.

Für mich und viele andere ist das Schreiben in einer Gruppe etwas, das wir lieben, ohne manchmal klar sagen zu können, warum. Franz Kafka sagt: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ Vielleicht ist es das, gemeinsames Schreiben bricht sich Bahn im oft zum Eis erstarrten Innenleben. So darf ich der Grant-Studie hinzufügen:

„Gemeinsames Schreiben ist gleich Liebe. Punkt.“

 

Wenn man eine Arbeit fertig stellt,

gehört sie den Menschen,

aber der Prozess gehört dem Künstler.

Pattie Smith

Einleitung

Dieses Buch ist Teil des NRW-Stipendiums „Auf geht`s“, für das ich sehr dankbar bin.

Im ersten Teil möchte ich euch einführen in das, was es braucht, um sein Leben voller Begeisterung dem Schreiben zu widmen und was es nicht braucht. Im zweiten Teil habe ich meine Ideen zu Schreibkursen gesammelt und für euch in Satzanfängen, Listen, Fragen zur Biographie und weiteren Impulsen eingeteilt, sodass ihr, wenn ihr eine eigene Schreibgruppe gründen wollt, frei daraus wählen könnt.

Meine Online-Schreibkurse, die je eine Stunde dauern, wurden mit dem Bildungszentrum Sorpesee (VHS) in der Coronazeit konzipiert für samstags und sonntags jeweils um 11 Uhr, daraus ist der Titel entstanden. Die vielfältigen Texte der Teilnehmer, die in dieser Zeit geschrieben wurden, findet ihr im dritten Teil des Buches. All denen, die dabei mitgemacht haben, gilt mein Dank. Ohne euch gäbe es keine Texte und keine neuen Schreibideen.

Mögen unsere gemeinsamen Schreibreisen Früchte tragen und für ein friedliches Miteinander sorgen, denn „obwohl unsere Kunst nicht, wie wir es uns wünschen würden, vor Kriegen, Entbehrungen, Neid, Gier, Verfall oder Tod bewahren kann, kann sie uns doch inmitten all dessen erwecken“ (Ray Bradbury).

Eure Beatrix Schulte

 

Je mehr der Schriftsteller liest, beobachtet, hört und lernt, je mehr er über Eindrücke nachsinnt, desto umfassender und vielseitiger wird seine Vorstellungswelt.

Enid Blyton

Was Schriftsteller brauchen

Erzählen

Ich erinnere mich noch gut an die Samstag Nachmittage meiner frühen Kindheit, wenn ich in der Küche abtrocknete und nebenan auf dem Schallplattenspieler mein Lieblingsmärchen lief. Es kam dafür nur eins in Frage: Schneeweißchen und Rosenrot, die beiden Mädchen, die den Rosenbäumchen im Garten glichen. Ob meine Mutter die Platte bewusst für mich kaufte, weil darin solche Sätze vorkamen, wie „sie waren so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen“, weiß ich nicht, und wenn, muss sie schnell entdeckt haben, dass das bei mir nicht fruchtete. Ich mochte besonders Schneeweißchen, die stille und sanfte und mir gefiel die Verbundenheit der Schwestern. „Die beiden Kinder hatten sich so lieb, dass sie sich immer an den Händen fassten, sooft sie zusammen ausgingen“ und sie wollten sich nicht verlassen, solange sie lebten. Ich liebte die Szene, wenn die Mutter nach getaner Arbeit vor dem Kamin aus dem „großen alten Buch“ vorlas, während die Töchter an der Spindel saßen.

Auch meine Mutter konnte wunderbar von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof erzählen und uns mit ihren spannenden Geschichten umgarnen. Sie gab uns dabei das Gefühl, ein Teil einer ganz besonderen Familie zu sein. Wenn sie erzählte, häkelte sie lange Decken oder stopfte Strümpfe. Für mich übte dabei das Nähkästchen einen besonderen Reiz aus. Dieses konnte man auseinanderziehen und gleichzeitig öffneten sich auf jeder Seite drei kleine Fächer. Darin lagen neben Nähgarn, glänzende Steinchen, Stoffreste und Nadeln. Diesen Krimskrams konnte ich auf dem Sofa ausbreiten, bewundern und neu ins Kästchen einordnen, während ich meiner Mutter zuhörte. Dass sie mir damals die beste Lektion im Schreiben erteilte, war mir nicht bewusst. Erzählen, zuhören und schreiben bedingen einander und nur zusammen führen sie zu in sich schlüssigen und spannenden Texten.

Zuhören

Wenn ich ein Problem nicht hatte, dann Freundinnen in meiner Schulzeit zu finden, was nichts damit zu tun hatte, dass ich so beliebt war, sondern eher, dass ich so anpassungsfähig war. Ich stand sowohl in der Grundschulzeit als auch auf dem Gymnasium zwischen zwei Freundinnen, die sich darum stritten, wer meine beste Freundin sei. Mit wem ich morgens in die Grundschule ging, hing davon ab, ob ich rechts die Straße runter ging mit der einen oder links hoch mit der anderen. Meine Mutter meinte, ich wäre links hoch versichert, weil ihr die rechts runter nicht gefiel. Ich ging abwechselnd beide Wege.

Auf dem Gymnasium bekam ich während des Unterrichts viele dieser bis in die hinterste Ecke vollgekritzelten Papierschnipsel. Während also unter dem Tisch im wahrsten Sinne des Wortes die Post abging, wusste ich über dem Tisch nicht, wie ich auf die dringliche Frage auf dem Zettel antworten sollte, ob die Absenderin meine beste Freundin sei. „Du erinnerst mich an Momo, du hörst genauso gut zu“, versicherte mir eine Mitschülerin, die auf dem Flur von einem Schulraum in den nächsten unbedingt mein Ohr brauchte. Dass ich anderen bei ihren Lebensbeichten gut zuhören konnte, hatte nichts mit Empathie zu tun, sondern weil ich mich selbst meistens nichts zu sagen traute und es gewohnt war, von mir abzulenken. Ich war für andere da, mich gab es so gut wie nicht. Ich war nicht wichtig genug. Ich fühlte mich unsicher und gab alles, damit die Freundin sich sicher und wohl bei mir fühlte. Später lernte ich, mich nicht mehr in den Erzählungen der anderen zu verlieren, sondern mich auch einzubringen und zu behaupten. Was ich daraus für das Schreiben gelernt habe, war, wirklich zuzuhören, und zwar auch das, was nicht gesagt wurde. Das ist wichtig für den Figurenaufbau in Kurzgeschichten. Dem Schreiber sollte klar sein, was seine Figuren verschweigen, was sie nicht erzählen.

Lesen

Für mich sind Bücher seit Enid Blytons Hanni und Nanni und Hermann Hesses Steppenwolf eine Selbstverständlichkeit. Als ich in meine jetzige Eigentumswohnung zog, war es mir wichtig, endlich ein geschreinertes Buchregal zu bekommen, damit ich meine Bücher nicht mehr vorgefertigten Regalen anpassen musste. Entweder waren die Regalfächer zu hoch und meine Bücher verschwanden darin oder sie waren nicht tief genug und die Bücher standen heraus. Endlich sollte das Regal an meine Bücher angepasst werden und nicht umgekehrt. Jedes Mal, wenn mein Blick auf dieses geschreinerte Regal fällt, erfreue ich mich an dieser bunten Vielfalt, diesen perfekt sitzenden Fächern für hohe, tiefe, kleine, große Bücher. Dieses Regal erfreut sich einer munteren Lebendigkeit, denn sobald neue dazukommen, müssen andere weichen oder sie werden neu sortiert. Krimis, Fotobände, Biographien, Schreibbücher, Gedichte, Kinderbücher, Reiseliteratur, Spirituelle Bücher, Geschichtsbücher und Philosophische Werke gehören für mich zusammen, so finde ich sie leichter.

Wenn mich jemand fragt, ob ich die alle gelesen habe, muss ich wirklich lachen. Das Fünffache habe ich gelesen, aber ich bin nicht bereit, alle zu verwahren. Langfristig finden bei mir nur die Bücher einen Platz, von denen ich mich nicht trennen will. Wer mit 10 Jahren schon begeistert liest, wird mit 52 Jahren eine Menge angesammelt haben und ich muss sie besitzen, mit ihnen arbeiten können, darin anstreichen, sie mir aneignen. Und um kurz den Schlenker zu E-Books zu machen, ich brauche das Ritual, das Buch aufzuschlagen und umzublättern, das Anstreichen, wenn mir etwas wichtig erscheint oder eine Formulierung oder ein Bild genial ist. Wenn ich es später nochmal aufschlage, weiß ich sofort wieder, warum es noch in meinem Schrank steht. Ich lese, um mir Wörter, andere Lebensweisen einzuverleiben und meine eigene Schreibfähigkeit zu trainieren. Lesen ist die Grundnahrung der Schriftsteller. Durch das Lesen schulen wir nicht nur unsere Vorstellungskraft, wir lernen neue Welten zu erschaffen.

Gemeinschaft

Jede aus gleichen Interessen entstandene Gemeinschaft liefert uns das Gefühl der Zugehörigkeit und des Angenommenseins. Schriftsteller brauchen sie, da das Schreiben an sich einsam genug ist. Entweder wir treffen uns in einem Café, in einer Schreibwerkstatt oder seit der Pandemie bevorzugt online im eigenen Wohnzimmer. Für mich und die Teilnehmer, die ich begleiten durfte, birgt das Online-Schreiben viele Vorteile. Wir schreiben konzentrierter, weil wir in unserer gewohnten Umgebung sind und von nichts abgelenkt werden. Wir sind uns trotz der körperlichen Distanz nahe, weil wir uns gegenseitig unsere innersten Gedanken in den entstehenden Texten offenbaren. Wir fühlen uns zufrieden und tragen diesen Frieden in die Familien, zu den Freunden und Kollegen. „Der Künstler erschafft nicht nur Kunst, sondern wird auch durch sie erschaffen“, so Virginia Woolf.

Schreiben unter Beobachtung: Focusmate

Neben der Arbeit in Gruppen gibt es die Einzelarbeit an seinem Projekt unter der wachsamen Beobachtung eines Verbündeten. Die Online-Plattform „Focusmate“ wurde mir vor einem Jahr auf einem Literatur-Festival WortWortWort, ein digitales Projekt der Universität Bochum, empfohlen. Einen Rechenschaftspartner für das Schreiben zu haben, schien mir auf Anhieb eine fabelhafte Idee. Aus der ganzen Welt tragen sich Menschen, die Dinge zu erledigen haben und dies nicht allein tun wollen, in einen Kalender für eine bestimmte Uhrzeit (50 oder 25 Minuten) ein und werden mit jemand anderen verbunden. Zu Beginn der gemeinsamen Sitzung sagen sich die beiden, was sie erledigen oder erreichen wollen und gehen es in Stille (lautlos) an. Nach genau 50 Minuten ertönt ein Gong und beide berichten kurz, inwieweit sie ihre Aufgaben erledigt haben.

Dieses Arbeiten unter wohlwollender Beobachtung von Gleichgesinnten ist für mich das größte und bemerkenswert einfachste Juwel dieser Zeit. Es trägt dazu bei, dass ich mein Buch konsequent und mehrere Stunden am Tag schreibe und überarbeite. Es gibt mir an jedem Tag eine Struktur, eine Routine, an der ich mich festhalten kann, während ich während der einzelnen Stunden völlig abtauche. Neben vielen bekannten Gesichtern, die sich im Laufe der Zeit zusammenfinden, begegne ich in der Woche Partnern aus der ganzen Welt. Das gemeinsame Verabreden und die Verbindung mit der anderen Person, die gerade ebenfalls konzentriert arbeitet, sind für mich motivierend und inspirierend.

Speziell beim Schreiben wird dadurch der Widerstand, an den Schreibtisch zu gehen, überwunden. Wir geben nicht auf, bevor die 50 Minuten um sind. Wir finden keine Worte für eine wichtige Szene? Wir bleiben dran. Wir schreiben zu sachlich und gefühllos und unsere Texte klingen wie eine verrostete Schubkarre? Wir verziehen das Gesicht, bleiben aber dran. Wir finden den roten Faden nicht bei dem Absatz? Wir stellen so lange um, bis es passt. Falls der Fluchtimpuls kommt, schaut man auf den Partner, hier gerade George aus Washington, beobachtet ihn, wie er aus dem Fenster blickt, sich das Kinn reibt und plötzlich losschreibt. Ich blicke wieder auf meinen Text und bleibe an einer Formulierung hängen und bearbeite sie so lange, bis sie passt. So wie George.

Meine erste Sitzung bei Focusmate