20 Minuten Leselust - Band 2: 10 packende Krimis - Barbara Gothe - E-Book
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20 Minuten Leselust - Band 2: 10 packende Krimis E-Book

Barbara Gothe

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Beschreibung

Jetzt wird es spannend! „20 Minuten Leselust“ jetzt als eBook bei dotbooks. Das ist LESELUST: Ob im Wartezimmer Ihres Hausarztes, während der Pediküre oder bis der Lieferservice kommt – jeder dieser zehn packenden Kurzkrimis jagt Ihnen in weniger als 20 Minuten einen Schauer über den Rücken! In diesem Band muss ein Magier tief in die Trickkiste greifen, um die Unschuld seiner großen Liebe beweisen zu können. Eine Kommissarin soll einen Mord aufklären, in den ihr neuer Lover verstrickt ist, und eine ahnungslose Ehefrau wird nachts von den Anrufen der Geliebtes ihres Mannes gequält – doch irgendetwas geht da nicht mit rechten Dingen zu … Lassen Sie sich fesseln! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „20 Minuten Leselust“. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Das ist LESELUST: Ob im Wartezimmer Ihres Hausarztes, während der Pediküre oder bis der Lieferservice kommt – jeder dieser zehn packenden Kurzkrimis jagt Ihnen in weniger als 20 Minuten einen Schauer über den Rücken!

In diesem Band muss ein Magier tief in die Trickkiste greifen, um die Unschuld seiner großen Liebe beweisen zu können. Eine Kommissarin soll einen Mord aufklären, in den ihr neuer Lover verstrickt ist, und eine ahnungslose Ehefrau wird nachts von den Anrufen der Geliebtes ihres Mannes gequält – doch irgendetwas geht da nicht mit rechten Dingen zu … Lassen Sie sich fesseln!

Über die Herausgeberin:

Barbara Gothe, Jahrgang 1960, lebt in Reinbek vor den Toren Hamburgs und arbeitet seit vielen Jahren als Redakteurin und Herausgeberin.

Bei dotbooks brachte sie bereits die Geschichtensammlung Sternenstaub und Weihnachtswunder. Zauberhafte Adventsgeschichtensowie weitereLeselust-Bände heraus.

***

Originalausgabe April 2016

Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Titelbildgestaltung: © Tanja Winkler, Weichs

Titelbildabbildung: Ezio Gutzemberg - Fotolia.com

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95520-698-7

***

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Inhalt

Gefährliche Reise ins Gestern
Der Trick des Magiers
Der Hinker
Geliebter Mörder
Heiße Ware
In der Falle
Jeder ist zu allem fähig
Kein unbeschriebenes Blatt
Nächtlicher Anruf
Verlorene Töchter
Lesetipps

Alina Lenzer

Gefährliche Reise ins Gestern

Kurzkrimi

dotbooks.

Für Andrea Bruckmann bricht eine Welt zusammen: Ihr Mann Michael hat sie betrogen! Zwar scheint er den Seitensprung zu bereuen, aber kann sie ihm noch glauben? Überstürzt flieht sie aus der Verwirrung ihrer Gefühle, fährt nach Italien, dorthin, wo sie früher sehr glücklich gewesen war. Doch sie gerät in eine Falle …

***

Mit weichen Knien sank Andrea Bruckmann auf das frisch gemachte Bett, der Herzschlag schnell und schwer, wilder Aufruhr im Kopf. Zugleich fühlte sie sich sonderbar ruhig, wie losgelöst. Wie schnell es doch gehen kann, dachte sie fast verwundert: In der einen Minute kommt man in sein Schlafzimmer, macht summend das Bett, räumt herumliegende Sachen auf – und in der nächsten sitzt man mitten in den Scherben seiner Ehe, und die Möbel stehen um einen herum, fremd wie Menschen, die man früher vor langer Zeit mal gekannt hatte.  

Der Brief in ihrer Hand zitterte, aber nicht so sehr, dass sie die Worte nicht hätte lesen können, zum vierten Mal? Zum fünften?

»… traumhafte Nacht voller Leidenschaft, die alles erfüllte, wonach wir beide uns schon so lange gesehnt haben …«

Es gab keinen Spielraum für Deutungen: Michael hatte sie betrogen. Mit einer, die Nadine hieß und schwülstige Liebesbriefe auf Memo-Zettel schrieb, solche mit dem Briefkopf der Firma, bei der Michael arbeitete. Jetzt kam der Schmerz, die Wut. Und die Tränen. Andrea ließ den Brief fallen, drückte die Hände vors Gesicht.

Achtzehn Jahre Ehe. Zwei Kinder, Max und Anna, siebzehn und fünfzehn Jahre alt.

Ein getigerter Kater, Carlo, der ihnen zugelaufen war, kurz nachdem sie in das Haus hier gezogen waren. Ihr Haus, ihr eigenes kleines Haus, das Ergebnis nächtelanger Beratungen und Berechnungen, ihr Stolz, ihr gemütlicher, sicherer Hafen. Ja, von wegen.

Andrea schluchzte auf. Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen, Michael stürzte herein. »Andrea? Ich … oh.«

Hastig wandte sie sich ab, würgte das Weinen hinunter, wischte die Tränen vom Gesicht, stand auf. Sie bückte sich, hob das Sakko auf, das ihr entglitten war, als sie den Brief darin gefunden hatte, legte es achtlos aufs Bett und wollte an ihrem Mann vorbei aus dem Zimmer. Doch der hielt sie an den Schultern fest.

»Andrea, bitte! Es ist nicht so, wie du denkst!« Er war ganz blass geworden, und seine Stimme klang rau. »Du musst mir glauben!«

Mit einem Ruck machte sie sich los. Es tat weh, ihn anzusehen, Verlegenheit und Schuldbewusstsein in seinen Augen zu lesen. »Wohl kaum, nach dem da.«

Mit dem Kinn deutete sie auf den Memo-Zettel mit den verräterischen Zeilen auf dem Boden.

»Nein! Ich sage doch, es ist nicht so, wie du denkst!«, begehrte er auf.

Jetzt wandte sie sich ihm voll zu, sah ihn fest an. »Ist es nicht? Hast du mit dieser Frau geschlafen oder nicht?«, fragte sie direkt.

Sein Zögern war Antwort genug. Ohne ein weiteres Wort ließ sie ihn stehen und verließ das Schlafzimmer.

Auch das Wohnzimmer schien ihr plötzlich fremd. Hier schlief Carlo, ahnungslos zusammengerollt im Sonnenschein, der nun im Vorfrühling endlich wieder wärmer durch die großen Fenster fiel. Da stand die Couch mit der weichen Decke, in die sie sich noch gestern Abend beim Fernsehen gekuschelt hatte, zufrieden in Michaels Arm geschmiegt. Aus. Alles aus.

Michael kam hinter ihr her. »So hör doch! Bitte, Andrea, hör mir zu! Ja, es stimmt, ich habe mit Nadine geschlafen. Aber nur einmal, ein einziges Mal! Wirklich!« Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie wich zurück.

»Nicht.« Abwehrend hob sie beide Handflächen. »Lass mich in Ruhe. Ich will nichts davon hören. Warum bist du nicht in der Arbeit? Du warst doch schon auf dem Weg dorthin!«

Noch während sie das sagte, wurde ihr klar, was geschehen sein musste: Auf der Fahrt ins Büro hatte er sich wohl daran erinnert, dass er den Brief in seinem Sakko vergessen hatte, das heute in die Reinigung sollte. Er wusste, dass sie vorher stets alle Taschen ausräumte. Deshalb war er umgekehrt. Zu spät … Der Ausdruck in seinem Gesicht sagte ihr, dass ihre Vermutung richtig war.

»Geh«, stieß sie hervor. 

»Lass mich dir doch erklären!«, bat Michael nochmals. »Können wir nicht darüber reden, bitte?«

»Nein!«, sagte Andrea schrill. »Verschwinde endlich!« 

Er zögerte. Seufzte. »Wie du willst.«

Seine Schritte entfernten sich. Die Haustür klappte. Dann sprang der Wagen an.  Mit hängenden Schultern blieb Andrea stehen, hörte zu, wie sich das Motorengeräusch entfernte, leiser wurde. Als es schließlich ganz verklungen war, begannen ihre Tränen wieder zu fließen.

Was jetzt? Wie sollte es nun weitergehen? Konnte es überhaupt weitergehen?

Und die Kinder, was sollte sie nur den Kindern sagen! Wie würden die reagieren, wenn sie sich von Michael scheiden ließ? Denn dazu würde es nun natürlich kommen. Oder nicht?

Den ganzen Vormittag über drehten sich die Gedanken in ihrem Kopf zu quälenden Fragen, auf die sie keine Antworten wusste, vor deren Antworten sie sich fürchtete.

Irgendwann, kurz vor Mittag, zerriss etwas in ihr. Kurz entschlossen holte sie eine Reisetasche aus dem Flurschrank, packte im Schlafzimmer hastig ein paar Sachen ein. Der Text auf den Zetteln, die sie ein paar Minuten später Anna und Max auf ihre Schreibtische legte, kostete sie mehr Überlegung. Aber schließlich war auch das geschafft, und sie nahm Jacke, Handtasche und Autoschlüssel und verließ das Haus.

München lag bereits ein ganzes Stück hinter ihr, als sie sich fragte, warum sie nicht einmal daran gedacht hatte, Doro anzurufen …

***

Michael dagegen dachte sofort an Doro, als er am späten Nachmittag heimkam. Den ganzen Tag hatte er gegrübelt, wie er Andrea diese dumme Sache erklären sollte, sie dazu bringen konnte, ihn wenigstens anzuhören. Dass sie nicht da sein könnte, wenn er heimkam, war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Doch statt seiner Frau empfing ihn seine Tochter, mit einem Kochlöffel in der Hand, von dem Tomatensauce auf die Bodenfliesen tropfte.

»Hallo, Paps. Weißt du, wohin Mama abgehauen ist?«

»Abgehauen?«, stotterte Michael verwirrt. »Was meinst du mit abgehauen?«

»Na, eben weg!«, erklärte Anna und kehrte zurück an den Herd, wo in einem Topf wild blubbernd Spaghettisauce kochte. »Sie hat bloß geschrieben, sie brauche mal eine Auszeit!«

Michaels Herz tat einen erschrockenen Sprung. »Eine Auszeit …?«

»Genau«, ertönte hinter ihm Max’ Stimme. Der Siebzehnjährige schwenkte einen kleinen Zettel. »Sie schreibt, sie möchte mal allein sein, weil sie nachdenken muss, aber da steht nicht, wo!«

»Und nicht, wann sie zurückkommt«, fuhr Anna fort. »Hoffentlich bleibt sie nicht so lange; meine grüne Bluse ist in der Wäsche, aber ich brauche sie Dienstag.«

»Dann wäschst du sie am besten selbst«, sagte Michael und deutete auf die roten Flecken am Boden. »Und wisch die Schweinerei da weg, bevor einer darauf ausrutscht!«

Damit verließ er eilig die Küche. Schreck, Ärger und Schuldbewusstsein machten ihm die Brust eng. Eine Auszeit, was hatte das zu bedeuten? Ein kurzer Blick auf seinen Schreibtisch zeigte ihm, dass er selbst keinen Zettel von Andrea bekommen hatte …

Er zog sorgfältig die Tür hinter sich zu, ehe er zum Hörer griff und Dorothea, Andreas beste Freundin anrief. 

»Bei mir? Nein, ist sie nicht. Heißt das, du weißt nicht, wo sie ist?«, fragte die sofort zurück. Und holte prompt die ganze Geschichte aus Michael heraus.

»Na, prächtig. Kein Wunder, dass sie weg ist«, sagte sie schließlich trocken. »Ist ja auch echt ein Ding, was du dir da geleistet hast.«

»Ich weiß«, gab er unglücklich zu. »Und es tut mir ja auch schrecklich leid. Es war doch nur dieses eine Mal beim Betriebsfest. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber dann … Ich wollte es Andrea erklären, aber sie hat einfach nicht zugehört. Und jetzt ist sie weg, und ich weiß nicht, wohin!«

»Papa! Wenn du Spaghetti willst, die sind fertig!«, kam Annas Stimme von unten. »Papa?«

»Ja, ja, bin gleich da!«, rief Michael zurück und wandte sich wieder an Doro. »Hast du vielleicht eine Idee, wo Andrea sein könnte? Bitte, Doro! Ich will doch nur eine Chance, mit ihr zu reden!«

»Italien«, vermutete Dorothea sofort. »Wahrscheinlich fährt sie nach Pontremoli.«

»Pontremoli!«, wiederholte Michael verdutzt. »Ist das nicht der Ort, wo ihre Großmutter herkommt?«

»Genau. Sie hat mir mal erzählt, als Kind habe sie da einen geheimen Lieblingsplatz im Wald gehabt, wo sie stundenlang sitzen und träumen konnte. Wenn ich Andrea wäre, dorthin würde ich jetzt fahren. Wohnt da nicht noch eine Cousine von ihr?«

»Doch, ja!«, sagte Michael mit neuer Hoffnung. »Die rufe ich gleich mal an. Danke, Doro, du hast mir sehr geholfen.«

»Na, dann mach, dass ich das nicht bereue!«, schnappte die und legte auf. Und Michael eilte erleichtert in die Küche. Auf einmal hatte er richtig Hunger.

***

Auch Andreas Magen knurrte fordernd. Sie hatte inzwischen Österreich durchquert und fuhr bereits auf italienischen Autobahnen. Zwei Stunden noch bis Pontremoli schätzte sie und überlegte, an einer der Raststätten etwas zu essen. Doch der Sonnenschein war längst kaltem Regen und Dunkelheit gewichen, und als sie schließlich zum Tanken anhielt, kaufte sie nur ein belegtes Brötchen, das sie beim Weiterfahren am Steuer aß. Sie wollte nicht allzu spät ankommen: Außerhalb der Saison blieben die Hotels in Pontremoli abends nicht lange geöffnet.

Natürlich würde auch ihre Cousine sie aufnehmen, aber Andrea hatte nicht vor, sie zu besuchen, jedenfalls nicht sofort. Was sollte sie ihr sagen? Sie hatte ja nicht einmal mit Doro reden können! Nein, erst einmal brauchte sie Zeit für sich, Ruhe zum Nachdenken, Abstand. Und sie wusste genau den Ort dafür.

Was Michael jetzt wohl tat? War er erschrocken wegen ihres Verschwindens? Oder … vielleicht sogar froh? Verbrachte er den sturmfreien Abend nun mit dieser Nadine?

Die Bilder, die ihr Kopf ihr nun vorgaukelte, machten ihr wieder die Kehle eng. Sie biss die Zähne zusammen. Hör auf zu heulen, ermahnte sie sich stumm, konzentriere dich aufs Fahren und denk nicht mehr nach. Dazu ist morgen genug Zeit.

Das Wetter half ihr dabei. Binnen einer Stunde wurde aus dem Regen ein richtiges Unwetter mit Blitz und Donner, der in den schmalen Tälern der apulischen Alpen, durch die sie nun auf kurvigen Straßen fuhr, doppelt bedrohlich dröhnte. Sintflutartig prasselte der Regen vom Himmel. Bald kamen die Scheibenwischer kaum mehr nach, und schlammige Wasserbäche schossen die Fahrbahn hinunter. Andrea umkrampfte das Lenkrad, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Angestrengt starrte sie auf die schmale Straße, um nur ja die Begrenzungslinien nicht zu überfahren, denn rechts dahinter stieg steil der Berg an und links gähnte der Abhang.

Schneller zu fahren als Schritttempo wagte sie nicht, zitterte nach einer halben Stunde vor Anspannung schließlich am ganzen Körper. Wenn nur endlich eine Ortschaft käme! Doch Molinello lag bereits ein ganzes Stück hinter ihr, und bis zur nächsten Ansiedlung war es noch weit.

Dann tauchte plötzlich Licht in der Dunkelheit vor ihr auf. Die Straße weitete sich ein wenig und Andrea erkannte die Umrisse eines Hauses, das eng an den Felsen gebaut war. Eines der Fenster war erleuchtet!

»Gott sei Dank!«, murmelte sie erleichtert. Sie fuhr den Wagen ganz nahe an das Haus, um die Straße nicht zu blockieren, sprintete mit hochgezogenen Schultern durch den Regen zur Haustür und klopfte heftig.

Nichts geschah. Oder hatte sich da der Vorhang bewegt in dem Fenster neben der Tür? Andrea klopfte nochmals, mit der ganzen Faust diesmal. Und nun drehte sich tatsächlich ein Schlüssel im Schloss, und die Tür ging auf.

Im Flur stand ein dunkelhaariger Mann um die Dreißig, schätzte sie, sah sie fragend an und sagte etwas auf Italienisch. Das brachte Andrea zu Bewusstsein, dass die Verständigung schwierig werden könnte. Dies war ja kein Hotel, wo man mehrere Sprachen verstand!

»Scusi«, rief sie, um Wind und Regen zu übertönen. »Ich brauche Hilfe! Sono Tedesca – ich bin Deutsche. Verstehen Sie mich?«

Zu ihrer maßlosen Erleichterung begann der Mann zu lächeln. »Si«, sagte er, »ich sprechen Deutsch, ein wenig. Sie kommen herein!« Er trat einen Schritt zurück.

Andrea  nickte. »Sehr gern. Ich will nur den Wagen abschließen und …«

»No, no«, winkte er ab, ergriff ihren Arm und zog sie ins Trockene. »Ich mache. Sie geben Autoschlüssel.« Als sie zögerte, lächelte er wieder und setzte hinzu: »Ich fahren Auto weg von Straße. Hinter Haus. Kann Unfall geben, wenn bleibt stehen da. Sie gehen in Zimmer«, er deutete den Flur entlang nach hinten, »ist warm.«

»Aber meine Tasche, mein Gepäck …«

»Ich bringe«, versprach er und streckte wieder die Hand aus. Nach einem letzten Zögern reichte sie ihm den Schlüssel. Warum auch nicht, bei diesem Wetter konnte selbst der entschlossenste Dieb nicht darauf hoffen, mit seiner Beute zu entkommen. Er nickte lächelnd. »Gut. Sie gehen in Zimmer. Ich bin zurück presto.«

Damit verließ er das Haus. Unschlüssig sah sich Andrea um. Der nur schwach erhellte Flur roch muffig, irgendwie alt. Am anderen Ende stand die Tür zu einem Zimmer offen. Die Einrichtung war schäbig: ein Tisch mit drei Stühlen, eine abgewetzte Couch, ein alter Fernseher, vor dem ein Schaukelstuhl auf einem Flickenteppich stand. Auch die Vorhänge wirkten verschossen. Aber es war warm, hell und vor allen Dingen trocken. Andrea setzte sich auf den Schaukelstuhl und fuhr sich durch das nasse Haar. Sie fühlte sich müde, ausgelaugt, in ihrem Kopf herrschte Leere. Deutschland, Michael, ihre kaputte Ehe – all das schien unendlich weit weg. Im Augenblick gab es nichts als dieses Haus, dieses Unwetter, den hilfsbereiten Fremden.

Eine Weile genoss sie das Gefühl der Sicherheit, warm und trocken in einem Haus zu sitzen statt draußen durch dieses Unwetter zu fahren. Doch irgendwann wurde sie unruhig. Wo der Mann nur blieb? Vielleicht war es schwierig, den Wagen hinter das Haus zu bugsieren. Soweit sie gesehen hatte, war hier überhaupt nur wenig Platz. Hoffentlich gab das keine Dellen! Und hoffentlich konnte sie vom neuen Standplatz gut wegfahren, wenn das Schlimmste vorbei war!

Gerade, als sie überlegte, nach vorn zu gehen und nachzusehen, hörte sie ihn zurückkommen. Die Tür quietschte ein wenig in den Angeln, er polterte im Flur, dann wurde der Schlüssel wieder herumgedreht.

»Alles da«, rief er und brachte ihr Gepäck und Handtasche ins Wohnzimmer. Sogar ihre Jacke hatte er dabei. Nur sein Lächeln schien er verloren zu haben. Jetzt wirkte er sonderbar angespannt und ärgerlich.

»Vielen Dank!«, sagte Andrea ein wenig verunsichert. Er nickte kurz, wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. Schweigen entstand. Das Gewitter schien ein wenig nachgelassen zu haben, die Blitze kamen seltener, und es dauerte länger, bis der Donner folgte. 

»Sieht aus, als ob sich das Wetter beruhigt«, brach Andrea schließlich die Stille. »Dann kann ich vielleicht bald weiterfahren.«

»Geht nicht«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Weiter unten ist Schlamm auf Straße, viel Schlamm, man kann nicht fahren.«

Andreas Verwunderung wuchs. Woher konnte er das wissen? Ein dunkler Blick streifte sie, und nach einer winzigen Pause setzte er hinzu: »Ist oft so hier. Man weiß.«

»Ach so«, sagte sie lahm und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Warum war er auf einmal so abweisend? Und wenn er recht hatte, wenn sie nicht weiterfahren konnte …? Sie war völlig allein mit ihm, niemand wusste, dass sie hier war!

Hastig griff sie nach ihrer Tasche, kramte nach dem Handy. Der Fremde beobachtete sie mir scharfem Blick. Als er sah, was sie vorhatte, schüttelte er den Kopf.

»Nein Handy«, sagte er scharf. »Hier kein guter Empfang. Morgen besser, wenn Wetter besser! Sie hier schlafen können. Wir nun essen, ja? Sie mir helfen.«

»Ich … Natürlich, gern«, murmelte sie und steckte das Handy wieder ein. Die Bitte, ihm zur Hand zu gehen, konnte sie ihm kaum abschlagen. Sie musste eben später versuchen, Michael zu erreichen. »Was soll ich tun?«

Sie folgte ihm in den Flur und sah befremdet, dass er zwei Türen öffnete, ehe er die Küche fand. Und auch hier musste er erst suchen, um einen Topf zu finden, Reis, Öl, ein Stückchen Schinken. Andrea wurde immer unsicherer: Der Mann schien sich in diesem Haus überhaupt nicht auszukennen! Verstohlen beobachtete sie, wie er eine Flasche Wein von der Anrichte nahm und in beiden Schubladen nach einem Korkenzieher kramte. 

»Eine recht einsame Gegend, nicht?«, sagte sie und begann, den Reis in etwas Olivenöl anzudünsten. »Wohnen Sie schon lange hier?«

Der Fremde schnaubte. »Nein. Ich wohne nicht hier. Das nur Sommerhaus von … Freund. Ich nur heute hier. Für Schutz wegen Wetter wie Sie.«

Das erklärte natürlich, warum er sich nicht auskannte. Aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich kein bisschen erleichtert.

»Wohin Sie wollen?«, fragte er nun.

»Nach Pontremoli.«

»Zu Verwandte?«

»Nein, zu niemandem. Ich wollte nur …« Sie biss sich auf die Lippe. Wie dumm von ihr, nun wusste er, dass sie nicht erwartet wurde! Hastig versuchte sie, ihren Fehler wieder gut zu machen: »Ich muss aber nachher meinen Mann anrufen, damit er sich keine Sorgen macht!«

Er musterte sie fast feindselig. »Sie lieben Ihren Mann?«

Andrea hielt überrascht die Luft an. »Ja, natürlich«, sagte sie befremdet. Und wusste zugleich, dass das die Wahrheit war. Immer noch. Trotz allem.

Aber reichte das, nach dem, was geschehen war? Und wie stand es mit Michaels Liebe? Tausend Fragen, über die sie sich klar werden musste. Aber nicht jetzt. Jetzt zählte nur dieser seltsame Fremde, der sie kalt und abweisend anstarrte! Von dem netten jungen Mann, der ihr die Tür geöffnet hatte, war nichts mehr zu bemerken. »Telefonieren morgen«, wiederholte er nun und reichte ihr ein Glas Wein. »Sie trinken.«

Es klang wie ein Befehl. Fügsam hob Andrea ihr Glas an die Lippen, nippte aber nur vorsichtig und rührte weiter den Reis um.

Das Essen verlief schweigend. Danach zeigte der Fremde Andrea ein winziges Zimmer im hinteren Teil des Hauses und stellte ihr Gepäck dort aufs Bett. »Hier Sie können schlafen. Ich schlafen dort.« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zu einer anderen Tür schräg gegenüber. »Toilette da.« Wieder ein Deuten.

»Danke«, sagte Andrea und hoffte, dass ihre Stimme nicht verriet, wie unsicher sie sich inzwischen fühlte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich glaube, dann werde ich mich gleich hinlegen. Ich bin sehr müde!«

Der Fremde nickte kurz und zog ohne ein weiteres Wort die Tür hinter sich zu. Angestrengt lauschte Andrea, wie sich seine Schritte entfernten. Ihr Herz klopfte laut und schnell. Am liebsten wäre sie trotz des Regens aus dem Haus gelaufen und weitergefahren; aber obwohl sie keine Ahnung hatte, warum, wusste sie genau, dass der Fremde sie nicht gehen lassen würde.

Michael! Sie musste unbedingt Michael anrufen. Der Wunsch, sich zu ihm zu flüchten, war übermächtig, löschte jeden anderen Gedanken aus. Eilig wandte sie sich zum Bett und entdeckte, dass dort nur ihre Reisetasche stand. Die Handtasche mit dem Handy hatte der Mann im Wohnzimmer gelassen …

Jetzt richtete echte Angst die feinen Härchen in Andreas Nacken auf. Sie saß hilflos in der Falle und wusste nicht einmal, wieso! Was war hier los? Was wollte der Fremde von ihr? Geld? Das Auto? Wieso war er dann nicht damit geflohen, als sie ihm den Schlüssel gegeben hatte?

Weil er nicht kann, sagte eine kleine Stimme in ihr: Die Straße Richtung Pontremoli ist mit Schlamm blockiert, das hat er ja selbst gesagt. Geschah das wirklich ‚öfter hier’, oder hatte er versucht, fort zu kommen? Er war ziemlich lange weg gewesen. Aber nein, das konnte nicht sein! Wenn er wirklich ihren Wagen hätte stehlen wollen, warum war er dann nicht in die andere Richtung gefahren, über Molinella? Oder gab es einen Grund, warum er nicht dorthin wollte?

Nervös knetete Andrea ihre Hände. Was konnte sie nur tun? Schließlich beschloss sie, zu warten, bis er schlief, und sich dann ins Wohnzimmer zu schleichen, um ihr Handy zu holen und Michael zu verständigen. Sie knipste das Licht aus und setzte sich verkrampft auf das Bett.

Die nächsten Stunden dehnten sich ins Endlose, tausend Gedanken, Bilder, Fragen und Überlegungen füllten Andreas Kopf, während sie gleichzeitig angespannt auf alle Geräusche horchte. Bald war nichts mehr zu hören außer dem gleichmäßigen Rauschen des Regens draußen und jenem Knacken hier und dort, das in allen alten Häusern wohnt. Trotzdem wagte Andrea erst kurz vor Mitternacht endlich, ihr Zimmer zu verlassen, auf Zehenspitzen durch den stockdunklen Flur zum Wohnzimmer zu huschen. Dort prallte sie prompt gegen den Tisch, der mit einem scharrenden Geräusch verrutschte.

Andreas Herz setzte vor Schreck aus. Reglos verharrend, lauschte sie: nichts. Gott sei Dank, der Fremde schlief offenbar tief genug! Vorsichtig tastete sie sich im Dunkeln weiter vorwärts. Wo war ihre Handtasche? Zuletzt hatte sie neben dem Fernseher gestanden. Fahrig suchte sie den niedrigen Tisch ab, vor dem Fernsehapparat, seitlich, dahinter. Unter dem Kabelgewirr auf der Rückseite stießen ihre Finger auf etwas Kühles, Glattes. Trotz der Dunkelheit weiteten sich erschrocken ihre Augen, als sie die unverwechselbare Form erkannte: Da lag eine Pistole!

Andrea spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich. Die Waffe machte all ihre Befürchtungen schrecklich real, und nur mit Mühe konnte sie einen Laut des Entsetzens unterdrücken. Panisch drehte sie sich um, tastete nach dem Schaukelstuhl, fand darin endlich, endlich die Handtasche und machte sich lautlos wieder auf den Rückweg. Tatsächlich schaffte sie es ohne weiteren Zwischenfall bis in ihr Zimmer. Nur die Tür quietschte leise, als sie sie schloss.

Drinnen knipste sie das Licht an, riss die Tasche auf, wühlte nach dem Handy – und schrie auf, als es plötzlich hart an der Tür klopfte. »Signora«, rief der Fremde von draußen, »alles okay?«

Ehe sie antworten konnte, riss er auch schon die Tür auf. Andrea stand mitten im Zimmer, das Handy in der Hand, und starrte ihn mit schreckweiten Augen an. Seine verengten sich, als er sie musterte, und ihr war klar, dass ihre Angst deutlich zu sehen war.

»Was Sie tun?«, fragte er scharf.

»Ich … ich muss meinen Mann anrufen«, stammelte sie. »Er macht sich sonst Sorgen und … und verständigt vielleicht die Polizei!«

Schweigen. Der Mann musterte sie argwöhnisch. Schließlich nickte er. »Gut. Sie anrufen. Aber kein Wort von diese Haus!«

Keine Verstellung mehr. Es war ihm egal, dass sie nun Bescheid wusste. Und er machte keine Anstalten, sie für das Gespräch allein zu lassen.

Andrea schluckte. Mit wild klopfendem Herzen drückte sie die Schnellwahltaste …

***

Als sein Handy klingelte, fuhr Michael wie elektrisiert zusammen. Nachdem er in Pontremoli angerufen und erfahren hatte, dass Andrea nicht bei ihrer Cousine aufgetaucht war, hatte auch er in dieser Nacht nicht einmal versucht, zu schlafen. Die Ungewissheit, wohin Andrea gefahren war, plagte ihn ebenso sehr wie die Schuldgefühle wegen der Sache mit Nadine. Nachdem sie ihm keine Nachricht hinterlassen hatte, rechnete er auch nicht mit einem Anruf von ihr; umso froher war er, ihre Nummer auf dem Display zu lesen. Beinah wäre ihm das Handy aus der Hand geglitten, so eilig drückte er auf den Knopf.

»Andrea!«, rief er. »Gott sei Dank – ich habe mir schon solche Sorgen gemacht! Ich …«

»Hallo, Schatz!«, unterbrach sie ihn. »Nein, ich bin nicht bei meiner Cousine.«

Michael stutzte.

»Ich weiß«, sagte er, »das hatte ich zuerst …«

Sie ließ ihn nicht weitersprechen. »Ich bin in einer kleinen … Privatpension auf dem Weg dorthin.«

Ihre Stimme klang sehr hell, sehr munter. Zu munter, fand Michael. Und viel zu hell für das, was geschehen war.

»Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte er verdutzt.

»Oh nein!«, antwortete sie fröhlich.

Sein Herz stolperte. »Nein?!«

»Nein, nein«, wiederholte sie. »Es war nur der Regen, weißt du. Hier hat es schrecklich geregnet. Ich bin genau nach dem Navi gefahren, aber die ganze Straße ist voller Schlamm.« 

Alle Nerven gespannt, versuchte Michael zu verstehen, was los war.

»Bist du allein?«, warf er rasch ein.

»Aber nein!« Die Betonung war falsch, aber der Inhalt der Antwort ließ seinen ganzen Körper vor Schreck kribbeln. Offensichtlich konnte Andrea nicht offen sprechen! Das musste bedeuten, dass sie in Gefahr war: Irgendjemand bedrohte sie! Geistesgegenwärtig drückte Michael auf die Tasten, mit denen er das weitere Gespräch aufnehmen konnte.

»Andrea, wo bist du? Kannst du mir sagen, wo du bist?«

»Nein, auch nicht«, kam es zurück. Und dann, hastig: »Aber es geht mir gut. Und … und ich liebe dich, Michael! Ich liebe dich!«

Ein Knacken und das Gespräch war unterbrochen. Michael überlief es kalt. 

»Hallo? Andrea – hallo!«

Nichts. Hastig wählte er ihre Nummer, hörte es klingeln, doch Andrea antwortete nicht mehr. Und als er es ein weiteres Mal versuchte, war ‚der Teilnehmer derzeit nicht erreichbar.’

Er überlegte keine Sekunde. Ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, eine Jacke anzuziehen, rannte Michael aus dem Haus, sprang in seinen Wagen und raste davon.

***

Grau und düster kroch der Morgen heran. Andrea sah zu, wie die Konturen der Möbel im Zimmer langsam schärfer wurden. Es regnete nicht mehr, alles war still. Wie spät es wohl war? Sie wusste es nicht. Sie war so überstürzt aufgebrochen gestern, hatte nicht einmal eine Armbanduhr angelegt. Und nachdem er das Gespräch gestern so plötzlich beendet hatte, hatte der Mann ihr das Handy weggenommen und sie eingeschlossen. Auf ihre verzweifelten Fragen hatte er nicht geantwortet, und sie hatte nicht gewagt, zu protestieren. Das Bild der Waffe im Wohnzimmer stand ihr nur zu deutlich vor Augen. So blieb ihr nichts als die ganze lange Nacht hindurch voller Angst zu warten und zu hoffen: Hatte Michael verstanden, was los war? Die wenigen, dürftigen Hinweise auf diesen Ort, die sie ihm zu geben gewagt hatte, würden sie genügen, dass er sie finden konnte? Wusste er, dass sie ihm verziehen hatte?

Trotz all der wirren Gedanken, die ihr in dieser Nacht durch den Kopf gegangen waren, hatte sich eine Erkenntnis bei ihr klar heraus kristallisiert: Michaels Reue war echt gewesen, sie hatte es in seinem Gesicht gesehen. Nadine war ein Ausrutscher, ein Stolpern, mehr nicht. Was war das im Vergleich zu dem, was sie beide verband? Zu dem Vertrauen und der Sicherheit, dass der eine den anderen niemals im Stich lassen würde, wenn es wirklich brannte?

Ach, Michael! Wenn er nur da wäre, nur für einen Augenblick!

Doch nicht Michael, sondern der Fremde, öffnete bald darauf die Tür. Andrea, die übernächtigt und blass auf dem Bett hockte, sah voller Angst auf.

»Sie kommen«, befahl er knapp, und gefügig stand sie auf. »Küche.«

Sie sollte Kaffee kochen, mühte sich mit dem ungewohnten Espressogerät, bis er es ihr ungeduldig aus den Händen nahm und selbst zusammenfügte.

»Lassen Sie mich gehen!«, brach es aus ihr heraus. »Bitte! Ich … ich muss zu meiner Cousine,  sie wird sich Gedanken machen!«

Sein verächtlicher Blick sagte ihr sofort, dass ihr Trick nicht griff. Er wusste genau, dass niemand sie erwartete. »Nein. Sie bleiben.« 

»Bitte!«, flehte sie. »Ich verrate Sie auch bestimmt nicht! Ich sage kein Wort von Ihnen, nur bitte, lassen Sie mich jetzt weiterfahren!«

»Ich sage nein!«, brauste er auf. »Ich glaube nicht, was Sie sagen. Frauen lügen, oh, ich glaube nicht mehr Frauen!« Sein wütendes Gesicht war plötzlich dicht vor ihrem. »Meine Frau auch lügt. Sie mich betrogen mit beste Freund, in meine Haus in Molinello! Aber ich nicht dumm: Ich bald wissen. Und gestern ich sie getötet: sie – und Luigi auch!« Eine wilde Bewegung in Richtung Fenster. »Verfluchter Regen! Ich schon weit fort, wenn nicht regnet. Mit Fahrrad geht schnell in Bergen. Aber ich falle, und Fahrrad runter von Berg! So ich kann nicht weg. Nur hierher, in diese Haus. Hier ich sitze fest!«

Andrea zuckte heftig zusammen, als er mit der Faust auf den Herd schlug. Sie wagte kaum zu atmen vor Angst. Der Mann war ein Mörder!

»Dann Sie kommen«, fuhr er fort und verzerrte das Gesicht zu einer ironischen Fratze. »Sie mit Auto! Und ich nehme Auto und fahre weiter – und kann nicht wegen Schlamm!« Wieder hämmerte er auf den Herd, wandte sich zornig ab, starrte aus dem Fenster.

Michael, dachte Andrea, Michael, Michael, Michael … oh, mein Gott.

Jetzt fuhr der Fremde wieder herum. »Sie fahren. Oh ja, Sie fahren. Mit mir. Wir zusammen fahren mit Ihre Auto. Das niemand kennen in Molinello. Wir fahren durch und weiter.«

»Und … und dann?«, fragte Andrea verängstigt. Sein Blick tat nichts, ihre Angst zu beschwichtigen. Aber er schwieg.

»Wir sehen«, sagte er schließlich. Und deutete auf die Espressomaschine. »Jetzt machen heiß.«

Eine halbe Stunde später musste Andrea dem Mann wieder ihre Autoschlüssel geben.

»Sie fertig machen«, befahl er. »Ich wende Wagen. Dann wir fahren.« Damit verließ er das Haus. Andrea sah sich verzweifelt um. Konnte sie es wagen, hier eine Nachricht zu hinterlassen? Aber wie, ohne dass dieser Mörder das entdeckte?

***

In diesem Moment explodierte draußen die Stille. Rufe wurden laut, Tumult, ein scharfer Pfiff. Und Michaels Stimme, die sich vor Angst überschlug: »Andrea! Andrea?!«

»Hier!«, schrie sie, außer sich vor Glück und Staunen: Michael war hier – hier in Italien, in diesem schrecklichen Tal! »Hier bin ich!«

Die Tür flog auf. Eine unendlich vertraute Gestalt stürzte herein und riss Andrea ungestüm in die Arme. Und diese klammerte sich erleichtert aufschluchzend an ihren Mann. 

»Keine Angst, hab’ keine Angst«, raunte Michael beruhigend in ihr Haar. »Der Kerl kann dir nichts mehr tun, der hat schon Handschellen an! Wusstest du, was … er getan hat?«

»Ja, er hat es mir erzählt, heute Morgen«, gab sie zurück. »Und gerade wollte er von hier weg, mit mir als Geisel!«

»Oh Gott! Und alles nur, weil ich … Ach, Andrea, es tut mir so leid! Bitte, lass mich dir erklären …«

Ihre Hand verschloss ihm den Mund. »Nicht jetzt, Lieber. Irgendwann einmal vielleicht, aber es ist nicht mehr so wichtig. Wenn du mich liebst …«

»Nur dich!«, schwor er glühend. Glücklich schmiegte Andrea sich an ihn.

»Wie hast du mich denn gefunden?«, fragte sie. »Ich konnte ja nicht viel sagen!«

»Es war trotzdem genug«, antwortete er und lachte. »Die Gegend war klar und da ich ja weiß, dass du stets nur ‚kürzeste Strecke’ ins Navi eingibst, konntest du nur irgendwo auf dieser Straße sein.«

Jetzt lächelte auch Andrea. »Da siehst du mal, wie klug ich bin«, murmelte sie. Und versank in einen Kuss, der endgültig alle Schrecken dieser Nacht auslöschte …

Ronda Hendrikus

Der Trick des Magiers

Kurzkrimi

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Der Akrobat Francesco Tottino wird erstochen aufgefunden. Kurz zuvor hatte er mit seiner Schwester Sandra einen heftigen Streit. Da Sandra kein Alibi hat und eines ihrer Küchenmesser fehlt, wird sie verhaftet. Magier Marcel, der sie liebt, ist von ihrer Unschuld überzeugt.

***

Marcel wollte gerade zu Bett gehen, als an die Tür zu seinem Artistenwagen gepocht wurde.

»Mach auf, ich bin’s!« Sandras Stimme klang nach Panik und Tränen.

Er schob den Riegel zurück, die Tür flog auf und Sandra lag in seinen Armen.

»Du musst abschließen, schnell!«, schluchzte sie.

Marcel schob den Riegel wieder vor.

»Ja, um Gottes Willen, was ist denn los?« Er drückte Sandra an sich, spürte, dass sie am ganzen Leib zitterte.